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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 81 - No. 90 (7. April - 18. April)
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Verkün-igungsblatt und Anzeiger

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für Heidelberg: monatl- -tv Pfg. mit
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Di, ,„Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Heidelberg, Sonntag, 16. April

1«S3.

Expedition:
HauptstratzeLS.

Expedition:
Hauptstraße SS.

das Marimum der vernünftiger Weise zu fordernden
Kompensationen erblickt. Aber auch die württembergischen
Natinalliberalen sind der Vorlage wenig freundlich ge-
sinnt, ja ihr Führer erklärte jeden Versuch, die Reichs-
regierung in dem Beharren an der ursprünglichen Vor-
lage zu bestärken, als ein „nationales Unglück".
Ebenso ist in Baden die nationalliberale Be-
geisterung für die Verstärkung der Volkslasten verstummt
und die entschiedeneren Richtungen — Democratic
und Freisinn — gewinnen in der badischen
Bevölkerung tagtäglich mehr an Boden.
Die Regierung scheint auch endlich selbst an der Be-
willigung der Vorlage zu zweifeln. Verschiedene officiöse
Zeitungen bringen wenigstens einen jedenfalls inspirirten
Artikel, der die bevorstehende Reichstagsauflösung be-
stätigt. Es heißt darin:
Wenn jetzt wieder Angaben verbreitet werden, die daran
zweifeln machen, daß die Regierung kein gesetzliches
Mittel unversucht lassen werde, um mit der Militärreforni
durchzudringen, so läßt sich dem in dem Stadium vor-
bereitender Entschlüsse in amtlichen oder halbamtlichen
Erklärungen natürlich kaum entgegentreten. Die formelle
Entscheidung kann erst fallen, wenn der gesetzte Fall des
Scheiterns der Militärvorlage eingetreten ist. Trotz-
dem darf es als gewiß bezeichnet werden, daß der Bundes-
rath den verfassungsmäßigen Auflösungsbeschluß unter Zu-
stimmung des Kaisers fassen wird, wenn die zweite
Lesung im Penum keine sicheren Aussichten auf eine Ver-
ständigung bieten. Durch die Reise des Kaisers nach
Italien wird die Angelegenheit, auch wenn sich das un-
günstige Ergebniß der zweiten Lesung vor seiner Rückkehr
Herausstellen sollte, keinen Aufschub erleiden."
Man wird nicht fehl gehen, wenn man diese Aus-
führungen als etwas mehr als einen officiösen Schreck-
schuß nimmt.
Der RegiermWmM in Serbien.
(Im Anschluß an das betr. gestrige Telegramm.)
Der König Alexander,
der wie gemeldet, plötzlich die Regierung in die Hand
genommen, steht im 17. Jahre, ist der am 14. August
1876 geborene Lohn Milans und Nataliens, und wäre
verfassungsgemäß also erst am 14. August dieses Jahres
mündig gewesen, allein der Jüngling mag wohl gedacht
haben, daß er schon jetzt klug und erfahren genug ist,
um die Zügel der Regierung, welche sein Vater am 6.
März 1889 freiwillig fallen ließ, selbst in die Hand zu

lagen, und unwillkürlich nahmen die Augen des Barons
dieselbe Richtung, dann klopfte er schmeichelnd Linas
Wange und sagte: „Du bist ein gutes Kind, und ich
müßte nach Deiner Rede das Klappern Deiner Strick-
nadeln eigentlich für die schönste Musik erklären, bin aber
profan genug, mich nach etwas anderer zu sehnen. Ich
kabe langweilige Geschäfte gehabt und bin abgespannt,
spielt mir etwas vor, Kinder."
Johanna erhob sich von (ihrem Stuhl und wollte in
das Musikzimmer gehen, aberT'ina kam ihr zuvor. Schnell
das Strickzeug in den Korb werfend, hüpfte sie an das
Instrument, zündete die Lichter an, legte Noten auf und
rief: „Kommen Sie, Herr von Werdenfeld, und begleiten
Sie mich, ich singe dem Onkel sein Lieblingslied: „Der
Wanderer von Schubert."
Wohl oder übel mußte Werdenfeld der Aufforderung
Folge leisten, Johanna hatte still ihren Platz wieder ein-
genommen, und der Baron fragte sie, während jener
präludirte, in vorwurfsvollem Tone: Weßhalb spielst Du
nicht, Johanna?" sie schüttelte leise den Kopf; es wäre
ihr unmöglich gewesen, zu sagen, daß Lina ihr zuvorge-
kommen sei.
Lina sang mehrere Lieder, dann setzte sich Werdenfeld
an den Flügel und phantastrte. Johanna verstand die
Sprache, die er in diesen Tönen zu ihr redete, und die
Rinde des Trotzes, die sich fester und fester um ihr Herz
zu legen begann, schmolz dahin. Thränen stiegen in
ihren Augen auf, aber sie verbarg sie. Als Werdenfeld
zurückkehrte, hatte sie sich leise entfernt, es war ihr un-
möglich, ihn in des Onkels und Linas Gegenwart noch
einmal zu sehen.

nehmen. Mancherlei Anzeichen sprechen dafür, daß er
im Einverständnisse mit seinem Vater ge-
handelt hat. Milan hielt sich seit seiner Versöhnung mit
seiner früheren Gemahlin Natalie, bereit, jeden Augen-
blick nach Belgrad zu eilen, um den Thron der Dynastie
Obrenowitsch zu retten.
Ueber die Scene, die sich gestern abgespielt hat,
wird mitgetheilt, der König habe die Regenten und Minister
folgendermaßen angesprochen: „Sie haben, meine Herren,
das Vertrauen, das mein erhabener Vater in Sie setzte,
nicht gerechtfertigt, sondern das gesunde Versassungsleben
in Gefahr gebracht. Deßhalb sehe ich mich veranlaßt,
mit Unterstützung mehrerer Patrioten die Regierung in
die Hand zu nehmen." Aristitsch antwortete hierauf: „Das
ist ein schwerer Schritt!" General Belimarkowitsch
erhob Einspruch, wobei er die Hand an den
Degen legte. Der König sagte hierauf zu seinem
Adjutanten: „Nun, thun Sie Ihre Pflicht!" worauf
der Adjutant Oberst Tschiritsch den Revolver zog und
Belimarkowitsch zurief: „Zurück, Herr General, keinen
Schritt weiter!"
Die Kundgebung Alexanders
an das Volk lautet: Serben! So oft die Lebens
interessen des serbischen Volkes es erheischen, haben sich
meine Ahnen, die Obrenowitsch, stets in den Dienst des
serbischen Staatsgedankens gestellt. In ihren Uebcr-
lieferungen auferzogen und treu dem Geiste der Nation,
gewohnt, vor allem der serbischen Staatsidee zu dienen,
habe ich heute die Pflicht, dem Beispiele meiner Ahnen
zu folgen. In der gegenwärtigen Zeit sollte das Volks-
leben sich ruhig unter dem Schutze der Verfassung ent-
wickeln, die mein erlauchter Vater im Einverständniß mit
allen Parteien und mit dem Volke dem Lande verlieh.
Leider war die Verfassung in jüngster Zeit so gefährdet
und die staatsbürgerlichen Rechte meiner theuren Serben
dermaßen in Frage gestellt, die verfassungsmäßige Stel
lung der Volksvertretung derart erniedrigt, daß ich nicht
säumen darf, diesem unglücklichen Zustande ein Ende zu
machen! Serben! Von heute ab nehme ich die
königliche Gewalt in meine Hände! Von heute
an tritt die Verfassung in ihre ganze Kraft und erhält
vollen Werth. Im Vertrauen auf den glücklichen Stern
der Obrenowitsch werde ich, gestützt auf die Verfassung
und die Gesetze, mein Land regieren, und so fordere ich
Euch alle auf, mir treu ergeben zu dienen. Mein
th eures Volk! Indem ich Gott anflehe, daß er jeden
meiner Schritte beschütze, schließe ich mit dem Rufe: Es
lebe mein Volk!

III.
Der Baron von Böhlendorf war nach kurzer kinder-
loser Ebe mit einer reichen Erbin, die ihn wiederum zum
Erben ihres großen Vermögens gemacht, Wittwer geworden,
hatte bald darauf den Abschied vom Militär genommen
und lebte seinen Neigungen gemäß in breiter, bequemer
Weise theils in seiner schön eingerichteten Villa in der
Residenz, tbeils auf seinem Gute. Er war eine jener
egoistischen Naturen, die für gutmüthig und liebenswürdig
gelten, weil sie jedem Zusammenstoß mit Anderen, der
das eigene Behagen beeinträchtigen könnte, aus dem Wege
gehen, Freunde einer guten Tafel sind und diese auch
andere Leute gern mitgenießen lassen, weil man für sich
allein doch keine heitere Geselligkeit haben kann. Wer
ihn gut unterhielt, ihm jede Unannehmlichkeit aus dem
Wege räumte, auf seine Launen einging, war sein Freund,
für den er sogar gelegentlich recht tief in die Taschen
greifen konnte; wer sein ruhiges Gleichgewicht und seine
Bequemlichkeit störte, stand durchaus nicht gut bei ihm
angeschrieben. Er konnte ebensowohl politische und sociale
Ereignisse, die geeignet schienen, ihn aus seiner Ruhe
aufzurütlcln, gleich einer persönlichen Beleidigung betrachten,
wie Witterungsverhältnisse, die er seiner Gesundheit un-
zuträglich glaubte.
Scheinbar mit diesem Egoismus im Widerspruch stand
des Barons krankhafte Scheu vor der öffentlichen Mei-
nung, und doch war sic eine Folge davon. Seine Selbst-
sucht entbehrte jenes Zuges von Großartigkeit, die sich
kühn über das Ürtheil der Welt hinwegsetzt, er bedurfte
des Beifalls der Menschen, der Gedanke, daß man übel
von ihm reden könnte, beunruhigte ihn, und so brachte

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Wor* öev Krisis.
Die in Berlin so sehnsüchtig erwartete Volksbe-
wegung in Süddcutschland zu Gunsten der
Militärvorlage ist a u s g e b li eb en. Kein nüchterner
Beurtheiler vermag noch an der Verwerfung der Vor-
lage durch Volk und Volksvertretung zu
Zweifeln.
In Bayern hat das Centrum die denkbar schroffste
Haltung gegen die abermalige Mehrbelastung an Gut
»nd Blut eingenommen; es hat die einmüthige Ver-
werfung geradezu zur Bedingung des weiteren Fortbestandes
ber Partei gemacht und droht, den Centrumsthurm von
'Nnen heraus zu sprengen, sobald etwa die Adelsgruppe doch
"och zu weitgehenden Concessionen die Hand bieten sollte.
Nach einer Rede nämlich, die vor einigen Tagen der
^konnte Centrumsredacteur Frick im katholischen Männer-
gein in München hielt, ist das Landtagswahlprogramm
g bayerischen Centrumspartei festgestellt. In nächster
Ssit wird ein Aufruf zur Organisation und darnach der
Wahlaufruf erscheinen. Die Landesversammlung soll in
Regensburg stattfinden; sie soll einberufen werden, sobald
^an in Berlin puncto Militärvorlage im Klaren ist.
^>e Landesversammlung wird dann auch zu der durch
Militärvorlage geschaffenen Lage Stellung zu nehmen
gen. Augenscheinlich in Fühlung mit den Führern
bayerischen Centrums und unter dem lebhaften Beifall
K Zuhörer erklärte Redner, wenn die Centrumsfraction
Reichstag mithelfcn würde, die Militärvorlüge durch-
bringen, „müßten wir uns, der mit elementarer Gewalt
Bayern herrschenden Volksströmung entsprechend, vom
gtrum in Berlin lostrennen und auf der Landesver-
grnlung in Regensburg als neue Partei constituiren."
? fügte jedoch bei, daß die Centrumsfraction
^schlossen gegen die Vorlage stimmen werde,
g klericale Abgeordnete Dr. Lieber hat jüngst in einer
Sammlung in Aschaffenburg erklärt, er sei von den
^ordneten b. Huene, Graf Ballestrcm und Graf Prey-
die allgemein als bewilligungsgeneigt betrachtet
tzgen, zu der Mittheilung autorisirt, das gesammtc
sigum werde die Militärvorlage ab lehn en. Man
also, Bayern wird für die Militärvorlage schwer zu
fein.
^^Württemberg nimmt die Democratic die über
^ Mehrzahl der schwäbischen Reichstags-Mandate ver-
in voller Einmüthigkeit zwilchen Wählern und Gc-
gftn gleichfalls einen unverrückbaren Standpunct ein,
<in der Fortbewilligung der bisherigen Präsenzstärke

An einem Knnr.
Criminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Forschung.)
Assessor sah Johanna von der Seite an,
-gkte jedoch den Blick nicht oder wollte ihn
^ken.
'^"Den könntest Du, sollte ich meinen, wohlfeiler er-
habe ich Dich nicht in den Stand gesetzt, die
'igüchtsbeschccrung für die Armen auch ohne diese
'laiche Anstrengung auszurichten?" versetzte der wohl-
. und bequeme Herr mit gutmüthigem Spotte.
( gewiß, gewiß, Onkel," stimmte Lina eifrig zu und
fdankbaren, verklärten Blicken zu ihm auf, „das
."gw Frauenherzen aber nicht genug. Wir müssen
'^ger rühren und wissen, daß das dem armen Manne
, gher ist, als wenn man nur in die Tasche greift."
^g'eht man eö den Strümpfen wirklich an, ob das
Fräulein sie gearbeitet hat oder ob sie von einer
, lgn für Geld gekauft sind?" fragte der Assessor,
«g böser Blick zuckte in Linas Augen auf, machte
gg^ell wieder einem frommen, verschleierten Ausdruck
„"Vielleicht empfinden sie es", sagte sie sanft,
iA gs thut es uns gut; während man arbeitet, ist
Agwungen, sich dauernd mit dem Elend zu be-
Ag und das ist recht gesund; während ich stricke,
an die frierenden Beinchen, welche die Strümpfe
sollen und bin dankbar für das Gute, das
Xtz flüchtiger Blick streifte bei diesen Worten Jo-
leine, schmalen Hände, die müßig im Schooße
 
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