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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 91 - No. 100 (19. April - 29. April)
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Die,^8ürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
hmnor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Verkündigungsblatt und Anzeiger
für Stcröt unö Lanö.

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für Heidelberg: monatl. 4V Pfg. mit
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vicrtcljährl. Mk. t.— ohne Zustellgeb.
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Heidelberg, Donnerstag, 20. April

18S3.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Expeditton:
Hauptstraße 25.

Die BkschWmWgkrit des Reichstags.
ImReichstag wurde jüngst wieder dieBeschlußUn-
fähigkeit constatirt. Es waren nur 151 Mitglieder
anwesend, lind das angesichts der nahe bevorstehenden
Entscheidung über die Militärvorlage! Der traurige An-
blick, den dieser Reichstag die ganze Session über geboten
hat, würde seinen unübertrefflichen Höhepunkt erreichen,
wenn auch die Militärreform vor Halbleeren Bänken zur
Verhandlung käme. Die Beseitigung dieses Zustandes,
der das Ansehen des Reichstages auf das Tiefste schädigt,
ist eine Aufgabe, die sich nicht länger abweisen läßt.
Alle Ermahnungen und Hinweise auf die Unwürdigkeit
dieses Zustandes haben sich wirkunglos gezeigt, das Uebel
wird immer schlimmer und hat in dem gegenwärtigen
Reichstag eine Höhe, wie nie vorher erreicht. Die augen-
blickliche kritische Situation mag freilich ungeeignet fein,
eine so tiefgreifende Frage aufzuwerfen. Wenn aber
Wieder beruhigtere Zeiten zurückgckehrt sein werden, ist es
eine unerläßliche Pflicht, in diesem Uebelstand Wandel zu
schaffen. Da Diätenzahlungen für den Reichstag, welche
vielfach mit Hinweis auf die fast stets beschlußfähigen
Abgeordnetenhäuser empfohlen werden, in absehbarer Zeit
schwerlich zu erreichen sein werden, muß man andere
Maßnahmen ins Auge fassen. Zunächst wird man dabei
sein Augenmerk auf eine Herabsetzung der Be-
schlußfäkigkcitszahl, wenigstens bei nicht ent-
scheidenden Abstimmungen zu richten haben. Man sage
dicht, dann würde der Besuch noch dürftiger werden.
Die gewissenhaften Männer, die jetzt ausharren, würden
dnter allen Umständen ihren parlamentarischen Pflichten
genügen, und besser und würdiger ist es jedenfalls, wenn
stne kleine Anzahl von Mitgliedern ohne Störungen,
°hnc fortwährende Drohung mit Auszählungen, ohne die
irrere Unwahrheit und Ungesetzlichkeit zahlloser Abstim-
mungen die Geschäfte erledigt. Der tiefere Grund der
'^dauernden Beschlußunfähigkeit liegt allerdings in der
gesunkenen Disciplin und Straffheit der
Äucht im Reichstage. In früheren Jahren wurden die
Geschäfte sachlicher und rascher erledigt; die Sessionen
Ahnten sich nicht so ziel- und planlos lange Monate aus.
Aiel mehr als früher ist der Reichstag zu einem Tummel-
Aatz für die Förderung von Parteiinteressen und für die
dach außen gerichtetete Agitation geworden. Das steht
j'Ner raschen, zielbewußten, sachlichen Erledigung der
^beiten im Wege, macht eine ununterbrochene Lheilnahme
so vielen ausgedehnten und nutzlosen, ermüdenden und
^stimmenden Verhandlungen für zahlreiche Mitglieder

unmöglich und untergräbt eine erfolgreiche Wirksamkeit
und das nothwendige Ansehen des Reichstags. Wir
halten cs für unabweisbar, auf Mittel zur Abwendung
dieses Uebelstandes der immer an dem Mark des Par-
lamentarismus nagt, ernstlich zu sinnen, sobald die
äußeren Zeitumstände es gestatten.

Der Bersaßungssturm in Belgien.
In dem freiesten Staatswesen Europas — England
inbegriffen — tobt augenblicklich ein heftiger bis zu
revolutionärer Heftigkeit gediehener Verfassungssturm. Es
genügt, wie sich zeigt, der großen Masse der Bevölkerung
nicht, daß jeder Belgier vor dem Gesetze gleich ist; daß
Niemand — ausgenommen den Fall der Ergreifung auf
frischer That — ohne richterlichen Befehl verhaftet werden
kann; daß die Wohnung unverletzlich ist; daß jeder
Konfession die volle Freiheit des Kultus zugesichert er-
scheint ; daß der Unterricht unentgeltlich ertbeilt wird; daß
keine Censur, kein Stempel und keine Kaution eingeführt
werden darf; daß sich die Belgier ohne behördliche An-
meldung und Bewilligung versammeln und associiren
dürfen. Die große Bevölkerungsmasse stürmt gegen eine
Verfassungsbestimmung an, welche das Wahlrecht auf jene
Belgier beschränkt, welche eine Steuer von mindestens 42
Francs bezahlen. Durch diese Bestimmung wird der
größte Theil der Belgier vom Wahlrechte ausgeschlossen
und die Bemühungen gehen seit Jahren auf die Ein-
führung des an keinen Steuercensus gebundenen all-
gemeinen Wahlrechtes.
Wie groß und verbreitet der Wunsch nach Ein-
führung des blos an ein gewisses Alter gebundenen a l l-
gem ein en Wahlrechts ist, dafür legt die von dem
Abgeordneten Janson veranlaßte Volksabstimmung über
diese Frage Zeugniß ab. Die erdrückende Majorität aller
Abstimmenden forderte die Einführung des all-
gemeinen Wahlrechtes für jeden Belgier, der das
21. Lebensjahr zurückgelegt hat. Ein Antrag des Ab-
geordneten Foron ging dahin, das allgemeine Stimm-
recht einzuführen, aber gewissen Kategorien von Bürgern,
Familienvätern, graduirten Männern der Wissenschaft rc.
mehr als eine Stimme zuzutheilen. Sowohl dieses „Plu-
ralitätssystem" Fsron's, wie das allgemeine Wahlrecht
Janson's wurden in der belgischen Kammer, deren Mehr-
heit aus klerikalen besteht, verworfen, und die Folge
dieses Beschlusses war ein Straßenkrawall in Brüssel und
die Proklamirung des allgemeinen Arbeiter-
streiks in Belgien.

Selbstverständlich sind die Arbeiter in erster Linie
an der Einführung des allgemeinen Wahlrechts interessirt.
Denn nur durch dieses vermögen die Arbeiter, welche in
dem industriereichen Belgien die Majorität der Bevölkerung
bilden, eine ihrer Zahl und Bedeutung völlig ent-
sprechende Vertretung im Parlamente und damit zugleich
einen entsprechenden Einfluß auf die Gesetzgebung zu ge-
winnen. Nur mit dem allgemeinen Wahlrechte ver
möchten die sozialistischen Ideen ihren Einzug in die
Kammer zu halten und das bisherige klerikale Regime
zu stürzen. Es ist selbstverständlich, daß sich die clerikale
Majorität der Kammer und die aus ihrem Schooße her-
vorgegangene Regierung aus allen Kräften dem Ein-
dringen der Arbeiter in den gesetzgebenden Körper wider-
setzen und es lieber auf einen gewaltsamen, durch die
rebellirenden Arbeitermassen hcrbeiführenden Umsturz an-
kommen lassen. Die Gefahr eines solchen ist eminent
genug und die Regierung hat sieben Jahrgänge der Bürger-
miliz einberufen, um sich der demonstrirenden Massen zu
erwehren und die Freiheit der Kammerbeschlüsse zu sichern.
(S. Letzte Telegramme.)

Deutsches Reich.
Berlin, 18. April. Der Kaiser verlieh heute am
Tage der Schlacht bei Dippel den ersten Gardedragonern
eine neue Standarte unter dem üblichen feierlichen Akte
der Nagelung und Gottesdienst bei der Uebergabe. Bei
der Nagelung im königlichen Schlosse waren außer der
Regierungsvertrctung auch Mitglieder der großbritanischen
Botschaft, die Prinzen des Königshauses, Prinz Albrecht
von Edinburg, der Reichskanzler, der Kriegsminister und
die Generalität zugegen. Der Kaiser und die Kaiserin
schlugen die ersten Nägel ein. Es folgte der Kronprinz,
die Prinzen :e. Hierauf vollzog der Hofprediger Fromme!
im Kapitelsaale die Weihung der Fahne, welcher auch der
katholische Garnisonspfarrer Theinert beiwohnte. Alsdann
stieg der Kaiser in der Uniform des Regiments auf dem
Schloßhof zu Pferd, übergab dem im Lustgarten auf-
gestellten Regimente die Standarte und hielt eine An
spräche an die unter präsentirtem Gewehr Ausgestellten.
Der Kommandeur dankte für den erneuten Gnadenbeweis
und brachte das Hoch auf den Kaiser aus, in welches
das Regiment begeistert einstimmte. Der Kaiser nahm
sodann das Frühstück bei dem Offiziercorps der Dragoner
ein, nachdem er das Regiment nach der Kaserne geführt
hatte. — Die Kaiserin begab sich beute Nachmittag
2 Uhr mit den Prinzen nach dem neuen Palais bei
Potsdam, wo die letzteren von heute ab Sommeraufent-


An einem Kcrcrr-.
Criminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung.)
IV.
Es gibt Tage, an welchen hämische, neckische Kobolde
Ersitz von einem Hause ergriffen zu haben scheinen, den
^wohnern Schabernack über Schabernack spielen, sie
°dpen, ärgern, gegeneinander Hetzen, Sachen, die seit
ddenklichen Zeiten niet- und nagelfest gewesen, Herab-
fen, andere, die jahraus, jabrein denselben Platz be-
^Uptet haben, verstecken, ersehnte Gäste fern halten, un-
fünschte heibeiführen, Tage, an welchen sich mit einem
^°rte eine solche Fülle von unliebsamen Ereignissen zu-
^wenhäuft, daß man aufathmet, wenn sie in das Meer
Vergangenheit gesunken sind und man sein Lager
muchen darf.
d Ein solcher Tag schien über das Haus des Barons
h d Böhlendorf hereingebrochen zu sein. Früh am Morgen
der Diener die Mundtasse seines Herrn, aus welcher
fr viele Jahre getrunken, zerbrochen und den Baron
tzfrch in eine unbehagliche Stimmung versetzt, dann
fn für eine Gesellschaft, die man zum Abend geladen,
sfele Absagen eingetroffen, daß als einziger Gast nur
Denfeld blieb. Bei Tische hatte es wieder einen Wort-
fsel zwischen dem Baron und Johanna gegeben, an
i^em diese kalt und entschieden das Verlangen knüpfte,
Dnkel möge ihr gestatten, sein Haus zu verlassen
z? eine ihre Fähigkeiten angemessene Stellung anzu-
;fcn, was der Baron, wie schon früher, bitter und
verweigert hatte.

Die Folge davon war ein Auftritt zwischen Johanna
und Lina gewesen, denn die Letztere hatte der Cousine
vorgestellt, wie unpassend sie ihre Zeit gewählt habe, und
sie beschworen, sich dem Onkel doch gefügig und dankbar
zu beweisen, worauf sich Johanna hatte hinreißen lassen,
Lina eine Heuchlerin zu nennen.
Durch eine Botschaft, die sic von Hans erhalten, sah
Lina sich wieder genöthigt, in der Dämnzerung eine ge-
heimnißvolle Erpedition zu machen, der sie diesmal den
Anschein von Wohlthätigkeitsbesuchen gab. Nur mit großer
Mühe hatte sie ihn zu beschwichtigen vermocht und das
Versprechen von ihm erlangt, noch ein paar Tage zu
warten, ehe er seine Drohung ausführe und dem Onkel
in den Weg komme. Seine Zusage hatte aber so zögernd
und ausweichend geklungen, daß sie voll banger Befürch-
tung nahenden Unheils nach Hause zurückgekehrt war.
Der Baron hatte zum Ueberfluß an demselben Tage
auch noch eine Unterredung wegen seines Testamentes
mit feinem Sachverwalter gehabt. Der Justizrath hatte
ihm das nach seinen Bestimmungen aufgesetzte Schrift-
stück gebracht und als alter Freund und Vertrauter sich
die Freiheit genommen, dem Baron nochmals zu bedenken
zu geben, ob er Recht daran thue, die eine Nichte, wie
er beabsichtigte, gegen die andere in so hohem Maaße zu
bevorzugen, ebenso hatte er ihn darauf aufmerksam ge-
macht, daß er doch auch Verpflichtungen gegen den Neffen
habe und es wohl überlegen möge, ob er ihn, wie dies
durch das vorliegende Testament geschehe, gänzlich ent-
erben dürfte.
Der Baron war aufgefahren, hatte sich jede Ein-
mischung in seine wohlerwogene Handlungsweise verbeten,

zuletzt aber doch die Feder, die er bereits zum Unterschreiben
des Testamentes angesetzt, wieder aus der Hand gelegt
und gesagt: „Meinetwegen mag die Sache bis morgen
bleiben, ich werde ja heute noch nicht sterben. Aendern
wird der Aufschub in meinen Entschließungen gar nichts,
aber Sie haben Ihren Willen, und ich habe meine
Ruhe."
Darauf hatte sich der Justizrath lächelnd empfohlen,
und der Baron war in den Salon gegangen, wo er Lina,
Johanna und Werdenfeld fand, und zwar gegen alle
sonstige Gewohnheiten die Erstere einsilbig und nach-
denklich, die letzteren Beiden in lebhafter Unterhaltung.
Werdenfeld hatte am Abend zuvor, einer Aufführung
von „König Lear" im Hoftheater beigewohnt; er berichtete
darüber, und daran anknüpfend hatte sich das Gespräch
auf Dichtung selbst gewandt.
Der Baron hatte kaum vernommen, wovon die Rede
war, so mischte er sich in's Gespräch und erklärte das
Drama für ein tolles, phantastisches Märchen, das von
Ungeheuerlichkeiten und Üebertreibungen strotzte. „Lear
brauchte gar nicht erst wahnsinnig zu werden," sagte er,
„denn er war schon. Man muß ein Tollhäusler sein,
um sich in so plumpen Schlingen fangen zu lassen wie er."
„Ich gebe Ihnen zu, daß ein Betrug, wie er dem
König gespielt wird, nur möglich ist, wo Eitelkeit und
Eigenliebe in ungezügeltem Maaße vorhanden sind und
den Boden dafür bereitet haben," entgegnete Werdenfeld,
„aber nichtsdestoweniger beruht die Schilderung auf der
tiefsten Kenntniß des menschlichen Herzens und seiner
geheimnißvollen Jrrgängc. Meinen Sie nicht auch,
Fräulein Johanna?"
 
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