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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 51 - No. 60 (1. März - 11. März)
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^44^

Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die,^8ürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Ter deutsche
Michel" bei.

Slbonnementspreis
sür Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durck die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt-
Pctitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatanzeigen 5 Pf.

Heidelberg, Samstag, 11. März

1893.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Expedition:
Hauptstraße 25.

in den
und hat

Schicksarswege.
Novelle von C. Fontane.

freundlichst zu übernehmen. Es wird das ja natürlich
wesentlich von der Dauer Ihres hiesigen Aufenthalts ab-
hängen, aber nicht wahr, Frau Bau-Inspektor, so bald
werden auch Sie Ihren Sohn doch wohl nicht wieder
freigeben?"
„Nein, ganz gewiß nicht," entgegnete sie zögernd,
„aber — es ist da noch ein anderer Umstand zu be-
rücksichtigen." —
„Du meinst den versprochenen Besuch bei dem
Onkel," unterbrach sie Friedrich, „bas läßt sich sehr wohl
vereinbaren. Es ist glücklicher Weise ein sehr leichter
Fall, mit dem meine ärztliche Praris beginnt. Ich stelle
mich von Herzen gern zur Verfügung, Herr Major und
werde mir im Laufe des heutigen Tages erlauben, meinen
Besuch zu machen."
Herr von Brandau erhob sich:
„Unter der Voraussetzung, daß Ihre anderweitigen
Dispositionen nicht darunter leiden, denn es bleibt ja
zu berücksichtigen, daß Sie besuchsweise und nicht zur
Ausübung ärztlicher Praris hier anwesend sind, also nur
unter dieser Voraussetzung nehme ich Ihre Zusage mit
Dank an und werde meine Tochter auf Ihren Besuch
vorbereiten."
Er reichte dem jungen Manne wohlwollend die Hand,
verbeugte sich mit ritterlicher Artigkeit gegen die Damen
und ging.
Friedrich hatte ihm das Geleite bis an die Treppe
gegeben und kam dann wieder in das Zimmer zurück.
Der Gedanke, seine schöne Reisegefährtin wiederzusehen,
und in nähere Beziehung zu ihr zu treten, erregte ihn
freudig.

„Welch schöner, stattlicher Mann," sagte Schwester
Ida, die am Fenster stehend, dem eben die Straße Ueber-
schrcitenden verstohlen nachblickte. „Wenn er nur nicht
immer so ernst aussehcn würde, ich glaube, er kann gar
nicht lachen."
„Man sieht es ihm an," bemerkte die Mutter, „daß
er einen schweren Kummer auf dem Herzen hat. Für
ihn ist es gewiß besser, daß er durch die Ankunft der
Tochter seinem einsamen Leben mehr entrissen wird, denn
er kann dasselbe doch unmöglich in der bisherigen Weise
fortsetzen wollen.
Aber, lieber Sohn, Du hättest vielleicht doch besser
gethan, unter einem passenden Vorwande abzulcbnen.
Du bist doch nun für die nächste Zeit gewissermaßen
gebunden und in Deiner freien Selbstbestimmung sehr
beschränkt."
„Nicht doch, nicht doch!" entgegnete er mit einer
seltsamen Hast. „Du machst Dir übertriebene Vor-
stellungen, Mamachen. Die Sache ist ja viel zu un-
bedeutend. Zwei oder drei Besuche und das Nebel ist be-
seitigt. Eine so bescheidene Bitte konnte ich doch un-
möglich abschlagen."
Sie schüttelte, verwundert über seinen ausfallenden
Eifer, leise den Kopf, ohne jedoch eine weitere Bemerkung
zu machen.
Eine Stunde später verließ Friedrich das Hauch"um
seiner Pctientiu den versprochenen Besuch zu machen.
Der Major selbst öffnete ihm die Thür und führte ihn
in sein Mbeitszimmer, in welchem er ihn einen Augen-
blick zu/berweilen bat, während er seine Tochter zu be-
nachrichtigen ging." (Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung.)
„Leider ist das arme Kind beim Einsteigen
Postwagen verunglückt," fuhr der Major fort,
!^ch den einen Fuß beschädigt; für das junge Mädchen
^-f der Reise gewiß eine sehr peinliche Situation. Da
ssaf es sich denn außerordentlich günstig sür sie, daß
^hr Herr Sohn sich ihrer in so freundlicher Weise an-
^hm, und ihr zunächst als Sachverständiger den Trost
^Aeben hatte, das die Beschädigung keine ernstliche sei,
°kie dasjenige that, was sich unter den obwaltenden
^Aständcn thun ließ, um sie zu beruhigen und ihre
^Merzen zu lindern."
„Sie heben als besonderes Verdienst hervor, Herr
^jor, was jeder andere gebildete Mann an meiner
z^lle auch gethan hätte," unterbrach ihn der junge Arzt
scheiden ablehnend.
. „Nun, wir wollen darüber nicht rechten, jedenfalls
ich Ihnen zu aufrichtigem Danke verpflichtet. —
komme ich aber zu dem zweiten Theile meiner
hNston. Meine Tochter klagt auch heut noch über hef-
Schmerz, die Geschwulst ist nicht unbedeutend, sie
selbstverständlich den beschädigten Fuß nicht ge-
i<ä^en, und wenn ich auch keineswegs bezweifeln will,
der Schaden ohne ernstliche Bedeutung ist, so glaube
ft °vch, daß eine geordnete ärztliche Behandlung zu einer
Alleren Hebung des Nebels beitragen wird. Ich wende
beßhalb mit der Bitte an Sie, diese Behandlung

legte am
im Ehar-

kräftige Ergänzung aller gesetzlichen Maßregeln
unredlichen Wettbewerb zu betrachten.

Der unlautere Wettbewerb im Geschäftsleben.
Die Formen, in denen sich der alltägliche ge-
schäftliche Verkehr bewegt, besitzen nicht nur für die zu-
nächst betheiligten Kreise, sondern auch für die allgemeine
Wohlfahrt Bedeutung. Unsere vclkswirthschaftliche Ent-
wickelung ist zum Thcil von den Formen des geschäftl.
Verkehrs abhängig; im hohen Grade wird von ihnen
selbst die Lebenshaltung sowohl im mittleren erwerbs-
thätigen Bürger- wie im Arbeiterstande beeinflußt. Be-
sonders in den letzten Jahren wird jedoch unserem Erwerbs-
leben immer häufiger der Vorwurf gemacht, daß sich die
Formen des geschäftlichen Verkehrs verschlechtert haben.
Die ehrfesten Grundsätze früherer Zeiten sollen weniger
als in der Vergangenheit beachtet werden, Treue und
Glauben soll stark erschüttert sein.
Auch auf diesem Gebiet unseres öffentlichen Lebens
wag man vielfach die vorhandenen Uebelstände zu schwarz
Malen, aber die Thatsache läßt sich nicht bestreiten, daß
vielfach im modernen Geschäftsleben ein unlauterer
Wettbewerb herrscht, der in mehr als in einer Be-
l ehung für die Vclkswohlfahrt bedenklich ist. Die Sucht,

schnell zu Reichthum und Wohlleben zu gelangen, die
Scheu vor ernster und nachhaltiger Arbeit,
die Abstumpfung der Gewissen und eine mit
ihr im engsten Zusammenhänge stehende V erfla chung
der geschäftlichen Moral, die glaubt, alles sei er-
laubt, was nicht durch das Strafgesetz ausdrücklich ver-
boten ist — diese traurigen Züge im Eharakterbilde der
gegenwärtigen Zeit haben in unserem Erwerbsleben Ver-
hältnisse geschaffen, die in wirthschaftlicher und sittlicher
Hinsicht geradezu eine Gefahr bilden. Die Bekämpfung
dieser Gefahr ist nach unserer Ueberzeugung vorwiegend
eine Aufgabe der öffentlichen Erziehung, dieselbe in ihrer
weitesten Bedeutung genommen. Gegen sittliche Mängel
vermögen die besten Gesetze nur einen bedingten Schutz
zu verleihen; auch die Besserung einer gesunkenen Geschäfts-
moral kann nicht lediglich durch den Strafrichter erfolgen.
Aber immerhin kann unmöglich die Gesetzgebung den
Auswüchsen des geschäftlichen Lebens müßig gegenüber-
stehen. Sie kann die ärgsten Auswüchse wenigstens scharf
beschneiden und das öffentliche Gewissen schärfen. Dieses
Ziel erstrebt auch der neue „Gesetzentwurf zum Schutze
der Waarenbezeichnungen", der kürzlich dem Deutschen
Bundesrath »on der Reichsregierung zugegangcn ist und
vor einigen Tagen im „Reichsanz." veröffentlicht wurde.
Dieser Entwurf will auch Maßregeln einführen, die über
den bisherigen Schutz der Waarenmarke hinausgehen und
auf die Unterdrückung des unredlichen Wettbewerbes
überhaupt gerichtet sind.
Ueber die Erscheinungsformen dieses zu bekämpfenden
Unredlichen Wettbewerbes "Hai kürzlich der Handclskammer-
secretär Schulze in Dresden einen lehrreichen Vortrag
gehalten. Derselbe zeigte, wie vielfach verschlungen und
mannigfaltig die Wege der geschäftlichen Unlauterkeit im
modernen Erwerbsleben sind. Von unredlichen Geschäfts-
leuten wird heute das Publikum durch falsche Angaben
über die Herkunft der Waaren und Nachahmung fremder
Schutzmarken unendlich oft irre geführt. Es geschieht
dieses mit einer Schlauheit, daß der Strafrichter trotz
des bestehenden Markenschutzgesetzes machtlos ist. In
Deutschland giebt es gegen falsche Angaben über den
Ursprungsort einer Waarc keinen genügenden Schutz. Zu-
weilen führt diese Schutzlosigkeit, wie der Secretär der
Dresdner Handelskammer ausführte, „zu Conseguenzen,
die auch für den Richter unangenehm sind, wenn er z.
B. eine fremde Marke mit fremder Ursprungsbezeichnung
eintragen muß, von der er sicher weiß, daß die. Waare
deutschen Ursprungs ist."
Der unlautere Wettbewerb täuscht heute über den

Ursprungsort und die Herkunft der Waare, er macht
falsche Angaben über die Echtheit, z. B. der Nabrungs-
mittel, verwendet Surrogate, falsches Maaß und Gewicht,
fingirtc Preisauszeichnungen und hochklingende Firmen-
prädikate. Käufer und Ereditgeber werden angelockt durch
prahlerische Ausstellungsmedaillen und öffentliche Be-
lobigungen, die dem betreffenden niemals zugefallen sind;
auf Rechnungen, Adressen, in Anzeigen und Reklamen
werden Medaillen und Schutzmarken abgebildet, tue
niemals bestanden haben und niemals eingetragen sind.
„Der Medaillenschwindel", bemerkt genannter Secretär
der Dresdner Handelskammer, „ist einer der verbreitesten
geschäftlichen Uebelstände und wenn hier nicht eine Aende-
rung eintritt, so erscheint es bald ehrenhafter, gar nicht
ausgezeichnet zu sein." Scheinausverkäufe, zahllose Kniffe,
den Concurrenten zu verdächtigen, die unredliche An-
eignung und Ausbreitung fremoer Geschäftsgeheimnisse,
die Abspenstigmachuug tüchtiger Beamten und Arbeiter,
die rücksichtsloseste Herabdrückung der Arbeitslöhne, um zu
Schleuderpreisen verkaufen zu können, der Kniff, gute
Waaren dem Absender zur Verfügung zu stellen, um die-
selben billiger zu erlangen, das „Drücken" der Fabrikanten
seitens großer Besteller — das sind geschäftliche Uebel-
stände, die für unsere wirthschaftliche Entwickelung, für
die Gesundung unserer sozialen Verhältnisse von außer-
ordentlicher Bedeutung sind. Und doch ist der Straf-
richter in den meisten Fällen gegen dieselben machtlos.
Auch hier, wie auf so manchen Gebieten unseres öffent-
lichen Lebens, muß man weit mehr als es bisher ge-
schehen ist, zur S c l b sth i l f e selbst dann seine Zuflucht
nehmen, wenn gegen die erwäbnten Uebelstände mcbr
gesetzliche Schranken als heute geschaffen sind. Ein
zweckentsprechendes Vereinswesen, geschärfteVorsicht
der Käufer, Aufklärung durch Wort und Schrift, eine
ruhige, aber zielbewußt auf die Läuterung der ge-
schäftlichen Moral gerichtete gemeinsame Arbeit vermag
viel Gutes zu stiften und ist als eine unerläßliche und
gegen den

Deutsches Reich.
Vertin, 9. März. Das Kais er paar
heutigen Todestag Kaiser Wilhelm I.
lottenburger Mausoleum einen prachtvollen Kranz nieder
mit Widmungsschleifcn, welche die Namenszüge trugen,
ebenso die kaiserlichen Söhne einen Kranz mil den Gold-
initialen „Sieben Urenkel". Ferner waren mit pracht-
vollen Kränzen erschienen der Erbgroßherzog und die Erb-

durch den Briefträger frei in's.tzaus gebracht:
1 Mt. 40 Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

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Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
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