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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 71 - No. 80 (24. März - 6. April)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger

Di« ,^Zürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Abonnementspreis
für Heidelberg: monatl- 40 Pfg. mit
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vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zustcllgeb.
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Geschäfts- u. Privatanzeigcn 5 Pf.

79.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Heidelberg, Mittwoch, 5. April

Expedition:
Hauptstratze25.

1893.

Der Abonnementspreis
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auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
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Verlag -er „Bürger-Zeitung".

Der Stur; des Cabinets Mllt.
Nachdem das Cabinet Ribot-Tirard wie durch ein
^LuDer allen Gefahren des Panamaskandals entgangen
warZ sollte es zu Grunde gehen, kurz bevor es sich in den
schützenden Hafen der Osterferien gerettet hatte. Indessen
hat die plötzlich hereinbrechende Ministerkrisis Niemanden
überrascht. Schon seit mehreren Tagen hatten erprobte
politische Propheten, wie Francis Magnard im „Figaro"
^vrausgesagt, daß das Ministerium dem Conflicl, welcher
pch zwischen der Kammer und dem Senat über die Budget-
lage erhoben hatte, zum Opfer fallen werde. Für Jeder-
mann jedoch, welcher in der Lage ist, hinter die Coulissen
bcr gegenwärtigen Politik zu sehen, besteht kein Zweifel
darüber, daß die Finanzfrage nur ein Vorwand war.
^oit langer Zeit schon batte das Cabinet Ribot-Bourgeois-
^irard das Vertrauen des Parlaments verloren, und es
^tgjng der öffentlichen Meinung nicht, daß alle in der Pa-
daniaaffaire davon getragenen Siege reine Pyrrhussiege waren.
.. Die republikanische Majorität konnte natürlicherweise
pch nicht an Millevoyc, Le Provost Launay u. s. w. von
iss Rechten anschließen. Die Majorität wollte nicht in die
^sterfciertage gehen, mit dem Bewußtsein, daß die Leitung
Angelegenheiten des Landes noch weiter in den Händen
d°n Männern ruhen, welche ihre Unfähigkeit bis zur

Schick scrl'sw ege.
2') Novelle von C. Fontane.

(Fortsetzung.)
Jetzt begann ich, aller Fesseln entledigt, zunächst dem
dffschwundenen Baron nachzuforschcn. Ich hielt mich zu
d'esem Zwecke längere Zeit in Wien auf. Man kam
^sir insoweit bereitwilligt entgegen, als man mir aus den
Jsten nachwies, daß ein Baron Rosetti der österreichischen
^rinee weder zur Zeit als Offizier angehörte, noch an-
^hört hatte. Darüber binaus erlangte ich nichts. Ich
Printe den Elenden nicht einmal zur Rechenschaft ziehen,
mich ins Unglück gestürzt batte.
- Meiner Frau habe ich nicht nachgesorscht. Sie werden
wohl begreiflich finden.
Einige Monate nach den geschilderten Ereignissen
Melt ich aus Homburg ein Schreiben ibrer Mutter,
sprach darin von dem Vorgegangen als von einem
^bäuerlichen Zerwürfniß, welches bei der beiderseitigen
^simmung wohl kaum beizulegcn sein würde und suchte
(sich zu einem Scheidungsantrage zu bewegen. Ich wies
§ se Zumuthung zurück. Dann börte ich wieder monate-
^8 nichts, bis die plötzliche Nachricht kam, daß sie am
cZtvenfieber erkrankt und nach kurzem Krankenlager ge-
lben sei.
c. Damit war ausgelöscht, was sie an mir gesündigt hatte,
habe mich bemüht, das Andenken der Mutter in dem
^sihcn meines Kindes rein und fleckenlos zu erhalten.
hat nie erfahren, was den Anlaß zu unserer Tren-
^8 gegeben hat."

Genüge bewiesen haben; und so ergriff man die Gelegen-
heit des Budgetconflicts, um den Sturz herbei zu führen.
Wie wenig Zweifel über die Richtigkeit dieser Auf-
fassung bestehen kann, zeigt der Umstand, daß für den
Fall, daß der Budgetconflict einen für das Ministerium
günstigen Verlauf genommen hätte, eine Interpellation
über die allgemeine Politik der Regierung bereit lag,
welche Guillement entwickeln sollte. Indessen war es
gleich zu Anfang der letzten Sitzung klar, daß die
Interpellation Guillement überflüssig war; die Dis-
cusston hatte gleich nach Eröffnung der Debatte einen
sehr feindlichen Charakter angenommen. Die Budget-
commission der Kammer war schon von vornherein
wüthend darüber, daß der Senat alle Budgetreformen
gestrichen und das Budget in einem primitiven Zustand
an die Kammer hatte zurückgehen lassen. Die Re-
gierung stand sichtlich auf Seiten des Senats. Die
Kammer sann natürlich auf Rache und begann dieselbe
damit, die durch den Finanzminister Tirard warm ver-
theidigte Reform über die alkoholischen Getränke zurück-
zuweisen. Diese Abstimmung hatte das Todtenglöckchen
des Ministeriums geläutet. Ribot und Tirard waren
bereits zu weit vorgerückt, daß sie noch hätten zurück-
weichen können. Nach der Abstimmung über die Reform
der alkohol. Getränke, d. h. über die Frage, ob diese Re-
form im Finanzgesetz aufgenonimen werden sollte, und
welche Abstimmung bekanntlich mit 247 gegen 242
Stimmen den Regierungsantrag abgelehnt hatte, zog sich
das Ministerium zu einer Berathung zurück, um bald
darauf durch Ribot die Demission verkünden zu lassen
Diese Ministerkrise ist mehr als alle bisherigen von
großer Bedeutung, das neue Ministerium ist berufen,
während der großen Wahlen, welche vielleicht näher sind,
als man annimmt, die Geschicke Frankreichs zu leiten.
Schwerlich hatte Carnot je eine schwierigere Situation zu
lösen. Die wichtigste Frage ist jedoch die, ob die Kammer der
Lösung der Krise durch Carnot ihre Zustimmung gibt; denn
die Kammer hat durch ihre Verweigerung der verlangten
2 provisorischen Zwölftel nur zu deutlich ihre Absicht zu
erkennen gegeben, daß sie sich ihr Urtheil über das neue
Kabinet Vorbehalten wird.
Die Mehrzahl der republikanischen Blätter kritisiren
sehr scharf die Haltung des Ministeriums und sind der
Ansicht, daß die Krisis eine sehr schwere u.nd lang an-
dauernde sein würde. Das Journal des Debats schreibt:
„Es ist sehr schwer, aus dem Wirrwarr der Ansichten in
den Couloirs der Kammer einen wirklich ernsten Gedanken
bcrvorzuheben: nur ein Wunsch ist allgemein: die Aust

Der Major hatte den letzten Theil seiner Erzählung
in kurzen abgerissenen Sätzen gegeben, aber was er gesagt,
hatte genügt, dem jungen Manne einen klaren Einblick
in dieses traurige Familien-Drama zu geben. Er sah,
wie schwer dem Major die Auffrischung dieser Erinne-
rung wurde und bat den Kranken, im Interesse seiner
Gesundheit abzubrechen. Aber der Major wehrte hastig ab.
„Nein, nein", sagte er mit einem tiefen Atbemzuge,
lassen Sie mich gewähren. Ich muß Ihnen erst Alles
sagen. Uebrigens bin ich bald zu Ende. — Sie wissen",
fuhr er fort, „daß das Bataillon, welches ich bis zu
meiner Verwundung führte bei der Stürmung des Ge-
hölzes oberhalb des Dorfes Sadowa betheiligt war. Die
Listerc des Waldes war von den Feinden durch gefällte
und übereinander geworfene Baumstämme unzugänglich
gemacht. Unser Feuer hatte wenig Erfolg, da die feind-
lichen Schützen hinter dem Verhau und den Bäumen des
Waldes wohl verborgen waren. Ich ließ zum Sturm
schlagen. Mit erhobenem Degen führte ich meine Leute
vor, mit lautem Hurrah drangen wir ein, ohne des
mörderischen Feuers zu achten, welches uns begrüßte. Die
ersten bemühten sich, die Hindernisse zu beseitigen. Es
entspann sich ein Kampf Mann gegen Mann. Der Feind
wehrte sich verzweifelt. Plötzlich sehe ich unmittelbar vor
mir einen österreichischen Jäger-Kapitän, der seine Leute
unablässig zum Widerstande anfeuerte. Wie der Blitz
durchzuckte es mich — es ist der lange vergebens Gesuchte,
der Mensch, den ich am bittersten baßte — es ist Ro-
setti. Alles bei Seite werfend dringe ich aus ihn ein.
Auch er erschrak, als er mich erblickte, aber hier galt es
kein Besinnen. Wütbcnd drang ich auf ihn ein. Einen

lösung des Parlaments, — Die „Justice meint, daß
die letzte Abstimmung der Kammer mehr den Senat
als das Cabinet treffe. Der „Gaulois" glaubt, daß
Ribot nirgends Mitleiden finden wird. Der „Figaro"
spricht sich ähnlich aus. Die „Lanterne" glaubt, daß der
Senat durch seine Haltung den Präsidenten der Republik
gefährde. _

Deutsches Reich.
Friedrichsruh, 1. April. Die Huldigung der
Schleswig-Holsteiner am heutigen Geburtstage des
Fürsten Bismarck war vom herrlichsten Wetter begünstigt.
Die Huldigenden wurden — etwa 1500 an der Zahl
— mit blau-weiß-rothen Bändern geschmückt, in den fürst-
lichen Garten geführt, wo sie Fürst Bismarck mit seiner
Familie und einigen Hamburger Gratulanten aus dem
Altan erwartete. Der Fürst sah ungemein frisch
aus, er hatte die Jnterimsuniform seiner Kürassiere an-
gelegt. Gymnasial-Director Wallis-Rendsburg hielt
eine längere Ansprache. Fürst Bismarck erwiederte daraus
in längerer Rede, in der er sich als engeren Landsmann
der Schleswig-Holsteiner bezeichnete, den eine so großartige
Kundgebung wohlthuend berühre. Denn nirgends sei das
Sprichwort „der Prophet gelte nichts im Vaterlande",
practischer entwickelt als in Deutschland. Der Fürst be-
rührte die Annexion Schleswig-Holsteins, welche man nicht
als Vergewaltigung, sondern als Lieke zu Land und Leuten
ansehen solle. Das Wort „up ewig ungedeelt"
mögcmannicht bloßauf Schleswig-Ho lstein,
sondern auf ganz Deutschland beziehen, um
den Begriff der deutschen Stammeseinheit zum Ausdruck
zu bringen. Der Fürst schloß mit einem Hoch auf Kaiser
Wilhelm, in das begeistert eingestimmt wurde. Darauf
stimmten die Anwesenden das Nationallied an. Aus
Bonn erschien je ein Vertreter der Burschenschaft „Ale-
mannia", des academisch-musikalischen Vereins „Macaria"
und des „Philosophisch-Historischen Vereins", um die
Glückwünsche der Universität zu überbringen. Fürst Bis-
marck antwortete, es freue ibn, daß die Jugend seiner
gedenke, um der Nachwelt Kunde zu geben, daß er einst
seine Pflicht gethan. Denn leider sei er mit
seinen Zeitgenossen mehr zerfallen, als
vielleicht mit der kommenden Generation.
Nur einmal habe er seine Pflicht nicht ganz gethan: das
war als Student, und das einzige, was er bedauere, sei,
damals zu wenig gearbeitet zu haben. Als Dank für
das Erscheinen der academischen Abordnungen überreichte
der Fürst jedem Studenten eine Rose.

Moment ruhte an dieser Stelle das Gefecht, um diesem
kurzen Zweikampf- Raum zu geben. Nur einen Moment,
denn schon hatte ich meinen Vortheil ersehen und stieß
meinem Gegner, eine gegebene Blöße benutzend, den
Degen durch die Brust. — Sein Fall war das Signal
zur Flucht für seine Leute, ihnen nach stürmten die
Unsrigen.
Ich zog den Degen aus der Brust des Gefallenen.
Ein Blutstrom folgte.
Von Mitleiden ergriffen rieß ich mein Tuch heraus
und preßte es auf die Wunde, aus welcher der rothe
Strom des Lebens unaufhaltsam hervorbrach. Sein bre-
chendes Auge richtete sich auf mich, er bewegte leise die
Lippen, ohne sich verständlich machen zu können. Dann
erhob er matt den Arm und deutete auf eine Stelle
seiner Brust. Ich folgte seiner Weisung und öffnete die
Uniform. An der bezeichneten Stelle befand sich eine
innen angebrachte Tasche und darin ein Taschenbuch.
Ein Schimmer der Zufriedenheit flog über das Gesicht
des Sterbenden. Dann sank sein Kops zurück. Er war
todt. Ich nahm das Taschenbuch an mich und eilte
meinen Leuten, nach.
Am jenseitigen Saume des Waldes hatte sich der
Feind nochmals festgesetzt. Dort traf mich ein Schuß.
Das klebrige wissen Sie.
Den Inhalt des Taschenbuchs habe in erst in diesen
letzten Tagen einer Durchsicht unterzogen. Hier ist es.
Nehmen Sie es an sich, ich bitte darum, und lesen Sie
die darin befindlichen Notizen und Briefe. Sie werden
Aufschluß über Alles erhalten, was meine Mittheilungen
noch im Unklaren gelassen haben. Bewahren Sie es auf
 
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