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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 111 - No. 120 (13. Mai - 21. Mai)
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Verkündigungsblatt nn- Anzeiger

Die.^Sürgerzeitttttg"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

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M 11«.

Expedition:
Ha«ptstratze2K.

Heidelberg, Freitag, IS. Mai

Expedition:
Hauptstraße 25.

18S3.

GonMkt.
In letzterer Zeit, besonders seit der bekannten Rede
des Kaisers auf dem Tempelhofer Feld, ist von ver-
schiedenen Seiten das Schlagwort „Conflikt" in den Streit
der Parteien geworfen worden. Man bat die Befürch-
tung ausgesprochen, daß der Kaiser es im Falle einer
wiederholten Ablehnung der Militärvorlage im neuen
Reichstage auf einen Konflikt ankommen lassen könne.
Unter Conflikt in dem gegebenen Falle wird man
also die Durchführung einer Staatshandlung, zu der
verfassungsgemäß die Zustimmung der Volksvertretung
nothwendig ist, gegen den Beschluß dieser Volksvertretung
versieben.
Es ist hierbei von Interesse, festzustellen, welche ver-
fassungsgemäßen Mittel dem Kaiser zu Gebote stehen,
um die Angelegenheit weiter zu betreiben, wenn auch der
Reichstag die Militärvorlage ablehnt. Nun kann der
Kaiser auch den neuen Reichstag mit Zustimmung des
Bundesrathes auflösen, falls in demselben keine Mehr-
heit für die Militärvorlage vorhanden sein sollte, und er
kann dies Verfahren beliebig oft wiederholen. Die Reichs-
verfassung setzt in dieser Beziehung keine Schranken. Sie
bestimmt lediglich, daß im Falle der Auflösung innerhalb
eines Zeitraumes von sechzig Tagen die Wähler den
neuen Reichstag zu wählen haben, und daß der letztere
neunzig Tage nach der Auflösung des voraufgegangenen
einzuberufen sei.
Aber das Mittel der wiederholten Auflösungen ist an
sich wegen der großen Aufregungen und Störungen, die
es im Gefolge haben muß, im höchsten Grade bedenklich.
Auch hat die Erfahrung in der preußischen Confliktzeit
hinlänglich gelehrt, daß es wenig wirksam ist. Die Op-
position pflegt in solchen Fällen nur noch verstärkt zu-
rückzukehren. Jedes andere Mittel aber ist ausgeschlossen.
Ohne Zustimmung des Reichstages kann die Militär-
vorlage nimmer zu Stande kommen. Nach der Reichs-
verfassung ist die Uebereinstimmung der Mehrheitsbe-
schlüsse von Bundesratb und Reichstag zu einem Reichs-
gesetze erforderlich und ausreichend. Der Kaiser hat nicht
einmal ein Vewrecht, und wenn es denkbar wäre, daß einmal
die Mehrheit des Bundesrathes und Reichstages ein
Gesetz annähme, das die kaiserliche Bewilligung nicht
hätte, so wäre der Kaiser nach dem Wortlaut der Ver
fassung gezwungen, dieses Gesetz zu erlassen. Ein
Mittel, dessen Zustandekommen zu verhindern, bat er
lediglich in seiner Eigenschaft als König von Preußen.
Als solcher kann er lediglich dafür sorgen, baß die 17

Kin Wiedersehen.
10) Novelle von E. Lucas
(Schluß.)
So geschah es denn auch. In ungefähr vier Wochen
ging ich nach Teplitz. wo mein Freund bereits angekoiiimcn
war und mir nicht nur viel Rühmendes von den Teplitzer
Heilquellen, sondern auch viel Rührendes von seinem Be-
suche im Vaterhause erzählte, wo die Freudentbränen reich-
lich geflossen waren und mein Freund auch Gelegenheit
genommen hatte, seinen Eltern und Geschwistern groß-
artige Geschenke zu machen.
Und nun thaten wir Beide nach ärztlicher Vorschrift
unser Bestes, um die Vorboten des Zipperleins, desPoda-
gra's oder gar noch schlimmere Gäste mit Hilfe der Tep-
litzer Heilquellen zu vertreiben und dankten oft Gott, daß
wir nur halbe Patienten waren, wenn wir die langen
Reihen der ganzen Patienten auf Krücken oder in Fahr-
stüblen auf den Kurpromenaden erblickten.
So gingen wir auch eines Vormittags vom Brunnen
keimwärts, Arm in Arm, wie gewöhnlich, und mit ziemlich
gleichgiltigen Blicken die vorübergehenden Kurgästen musternd.
Aber an diesem Tage passirte uns «was Außergewöhn-
liches. Durch meinen Freund kam es plötzlich wie eine
nervöse Erregung; ich fühlte an seinem Arme, wie sein
Körper zuckte, und stand da wie angewurzelt und schaute
nur auf einen Punkt ver Promenade.
„Was gibt's dort?" frug ich hastig, denn ich sab
nichts Außergewöhnliches.
Mein Freund drehte sich jetzt um und sagte in er-
regtem Tone zu mir:

preußische Stimmen gegen jenen Gesetzentwurf abgegeben
werden.
Es ist auch zweifellos, daß selbst in den Bundes-
staaten, in denen der Kaiser oberster Kriegsherr ini Kriege
und im Frieden ist, ein Conflikt wegen'der Militärvorlage
dann unbedingt zu einem Conflikt zwischen der Bundes-
regierung und Volksvertretung des Bundesstaates führen
muß, wenn diese Volksvertretung gegen die Grundzüge
der Militärvorlage wäre.
Noch schärfer würde sich der Conflikt in Bayern ge-
stalten, wo der Kaiser nm im Kriege den Oberbefehl
über die bayerischen Truppen hat und wo im Kriege und
im Frieden der König von Bayern oberster Kriegsherr
ist. Daß in Bayern zu einer Durchführung der Heeres-
vermehrung, Aufbringung und Verwendung der hierzu
nöthigen Mittel nicht blos die Zustimmung des bayerischen
Bundesrathmitgliebes nothwendig ist, daß wegen dieser
Zustimmung die bavrische Regierung im bayerischen Land-
tage zur Veranwortung gezogen werden könnte und würde,
steht fest.
Ein Conflikt wegen der Militärvorlage ist also gleich-
bedeutend mit einem scharfen Conflikt zwischen der
bayerischen Regierung und der bayerischen Volksvertretung
oder — einem Konflikt zwischen dem Reiche und Bayern.
Und das, glauben wir, wird man in Berlin kaum
riskiren wollen!

LH (*in Pretzstrerch,
wie er in Bezug auf die von Sr. Kinigl. Hobeit dem
Großherzvg in Heidelberg gehaltenen Ansprache unter
irgendwelchem Einfluß vollzogen wurde und gegenwärtig
sogar im Karlsruher Negierungsorgan amtliche Weihe er-
halten hat, war — soweit unser Wissen — dreister und
unverfrorener in der d e ut sch e n P re s s e noch nicht
da! Wir haben über diesen niedrigen Streich, in Bezug
auf zwei hiesige Blätter, bereits eine Stimme aus der
Bürgerschaft reden lassen und wollen uns daher mit dieser
widerwärtigen, aufs Tiefste verächtlichen Mache innerbalb
eines großen Theils der Presse Badens, inbegriffen an
erster Stelle die Karlsruher „Amtliche", nicht weiter be-
fassen. Nur mit einer Stelle, die um ibrer bedeutsamen
Tragweite willen unbedingt hervorgehobeu bleiben muß,
wollen wir eine Probe geben, wie es um Ehrlichkeit und
Wahrheit in diesem Theil der badischen Presse bcstellr
ist. Jener wichtige Satz der Großherzoglichen Rede, wie
wir ihn bereits Wiedergaben, wie wir ihn schwarz auf
weiß nachgeschrieben in der Hand haben und der von

„Ein merkwürdiges Zusammentreffen! Wenn ich nicht
blind geworden bin, sehe ich dort den sehr alt und schwach
aussehenden Kommerzienrath Präger und am Arme seine
älteste, sehr bleich gewordene Tochter Elise."
Ich richtete meine Augen ebenfalls nach der Stelle
und entgegnete:
„Du kannst recht haben, doch ist auch eine Täuschung
möglich."
„Ach Täuschung!" entgegnete mein Freund in erregtem
Tone. „Den Gesichtsausdruck von Personen, die ein solche
Rolle wie jene, in meinem Leben gespielt haben, vergesse
ich nicht, es ist der Kommerzienrath mit seiner Tochter
Elise."
„Nun, das wird ja noch zu erfahren sein", erwiderte
ich. —
„Ich will es gleich erfahren", fuhr mein Freund fort
und ging eiligen Schrittes auf den alten Herrn und die
jüngere Dame los, die sich eben auf einer Bank an der
anderen Seite der Promenade niedergelassen batten.
Ich folgte meinem Freunde langsam, hörte aber, wie
er mit einer tiefen Verbeugung in dem verbindlichen Tone
eines Kavaliers die Worte an die beiden richtete, ob er
das Vergnügen hätte, den Herrn Kommerzienrath Präger
und Fräulein Tochter zu sehen.
Ein Aufschrei der jungen Dame war die Antwort auf
die Frage und ich sah, wie dieselbe, sich ganz ihrer
Empfindung überlassend, meines Freundes Hand ergriff
und mit freudebebender Stimme rief:
„Herr Hofmann, Sie sind es! Welch ein Wiedersehen
nach langen Jahren!"

zwei Heidelberger Blättern absichtlich verschwiegen wurde,
lautete in unmittelbarer Wörtlichkeit:
„Sehr viele von Ihnen haben den großen Krieg mit-
gemacht, die schönste und dauerhafteste Lebensschule,
die man sich denken kann. Denn da erst lernt man,
was es heißt, sich hingeben an das Ganze und da-
durch eine Kraftentwickelung, die sich dahin ausdrückt:
Nicht viel, aber gut. Mit der Güte er-
reicht man weit mehr als mit der Zahl."
Heute hat die Karlsruher „Amtlich e" die Kühnheit,
sich mit diesen Sätzen in ihrem „authentischen" Bericht,
der wahr und gewiß von A bis Z nicht einen ein-
zigen Satz jener Rede wahr wiedergibt, wie wir sie
im Verein mit Hunderten angehört haben, folgendermaßen
in die Öffentlichkeit zu wagen:
„Sie Alle, meine Freunde, baben diese Erfahrung
gemacht und viele von Ihnen haben, wie ich mich
heute überzeugen konnte, noch an dem großen Krieg
theilgenommen — die schönste und wirksamste Schule,
die man sich denken kann. Da erkennt man erst,
was es Heißt, sich in treuer Unterordnung voll hin-
geben und an das Ganze sich fest anschließen, sowie
mit Hilfe der in längerem Dienste zu erlangenden
Erfahrungen und Kenntnisse zu der Selbstständigkeit
erzogen zu werden, welche uns die Sicherheit gibt,
in der Gefahr mit Fassung dem Feinde entgegen zu
gehen. Das drückt sich dahin aus, daß die Schule
des Heeres die Güte des Einzelnen zu unüberwind-
licher Stärke erbebt, wie wir da- im großen Kriege
erlebt haben. Sie haben aber auch Alle erfahren,
wie nothwendig es ist, solchen Entwicklungsgang
gründlich durchzuführen und sich in der wichtigen Schu-
lung so zu fügen, daß die nöthige Zahl Ausgebildeter
erreicht werde. In diesen Sätzen liegt die Grund-
lage der Zukunft."
Wir bitten darum, einen genaueren Vergleich zwischen
jenen tbatsächlich gesprochenen und diesen eigens zurecht-
gemachten Worten vorzunehmen, und wir werden eine
weitere Versicherung, daß hierein unerbörterStreich
der Willkür und Gewissenlosigkeit geliefert
ist, nicht nöthig haben. Ja, wahrlich das ist ein Prcß-
streich oomme il tllut, und daß er dazu am glänzendsten
ausgeführt wird in einem amtlichen Regierungsorgan
selbst — nun, das genügt für immer. Ein tiefer Ekel
kommt einem an vor dem Lügengeist, der die deutsche,
noch lange nicht einmal auf lichtvollerer Höhe ange-
langte Presse schlimmer und schlimmer zu durchseuchen
beginnt. Worte, die hervorgegangen aus dem Munde

Der Kommerzienrath saß aber zitternd und wie nieder-
geschmettert auf der Bank, sagte kein Wort, streckte aber
meinem Freunde beide Hände entgegen.
Mein Freund schüttelte auch dem alten Herrn die
Hände und sagte dann:
„Es ist hier nicht der Ort, w» wir über unsere Er-
lebnisse ungestört plaudern können. Wenn Sie erlauben,
besuche ich Sie heute Nachmittag."
„Wir nehmen Ihren Besuch mit dem größten Ver-
gnügen an," sagte jetzt mit zitternder Stimme der Kom-
merzienratb und nannte Straße und Hausnummer seiner
Wohnung in Teplitz.
Mein Freund verabschiedete sich sodann und wir
gingen nach der Stadt zurück. Er war jetzt in einer be-
greiflichen Aufregung über den zu machenden Besuch und
ich war neugierig über den Verlauf desselben. Ich wartete
bis abends acht Uhr auf die Rückkehr meines Freundes;
endlich stürmte er mit einer wahren Ertast in das
Zimmer.
„Weißt Du was Neues!" rief er mir schon in der
Thür entgegen. „Ich habe mich verlobt, verlobt mit meiner
alten und ersten Liebe, mit Elise Präger, verwittweten v.
Ramberg. Ihr unseliger Gemahl ist vor drei Jahren ge-
storben und wurde damit die unglückliche Ehe gelöst. Die
Ehe ist kinderlos gewesen, aber trotzdem sind der Elise
nahmhafte Vermögeusantheile von ihrem verstorbenen
Manne zugefallen, so oaß sie ibren alten, kranken Vater,
der richtig sein ganzes Vermögen verloren hat, pflegen
konnte. Ueber das Uebrige brauche ich Dir nicht« zu
sagen. Wir liebten uns noch, wir sind glücklich. Du
 
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