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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 12. Januar)
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Abonnementspreis
für Heidelberg-: monatl- 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ebne Zustellgeb.
Znserlionspreis: 10 Pf. für die 1-ipalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 6 Pf.

-°- VerkimdiqrmgshlaLt und Anzeiger
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnnmmcr liegt ein Unter- L" s» Ä" L. F'
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem ' i H H" -H -4- ^1
Humor. Repräsentanten „Der deutsche L tz. T-
Michel" bei I

Iß.

Heidelberg, Donnerstag, 12. Januar

1893.

Zum Abonnement
auf die „Bürger-Zeitung" laden wir ergebenst
ein. Bei
Reichhaltigkeit und Billigkeit
ist dieselbe auch kein Parteiorgan.
Der Preis ist der niedrigste aller Blätter
in Baden, er beträgt
monatlich nur 49 Psg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
ebne Zustellungsgebühr.
Bestellungen werden für auswärts durch die Post,
innerhalb der Stadt durch unsere Träger entgegenge-
nommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Der Ausstand im Kohlenrevier.
Ein Blick auf die gegenwärtigen Zustände im Kohlen-
revier legt die Frage nahe: Was veranlaßt eigentlich
die Arbeiter zu ibrem Ausstand? Welche Gründe haben
diese Leute? Ausschließlich wirthschaftlicher Natur sind
sie nicht. Die qualifizirten Arbeiter erhalten heute in
den meisten Berufszweigen einen Lobn, der ihnen eine
bessere Lebenshaltung ermöglicht, als sic viele andere Bc-
vvlkerungsclassen, wie die kleinen Beamten, Schullehrer
u. s. w. erlangen. Es ist von einer mit den Behörden
in Fühlung stehende Seite denn auch für das Saarrevier
nachgewiesen, daß die dortigen Hauer zu 14 Prozent über
5 Mark täglich, zur Mehrheit zwischen 4 und 5 Mark
und nur zu einem ganz kleinen Bruchthcil darunter ver-
dient haben. Bei einem solchen Verdienst können na-
türlich wirthschaftliche Beweggründe nicht ins Spiel kommen
oder man müßte schon annehmen, daß die Bergarbeiter
auf ein Einkommen Einspruch erheben, welche in der Be-
amtenschaft beispielsweise nur die Personen mit akade-
mischer Vorbildung erreichen. Es sind denn auch sicher
am meisten wobl Beschwerden über die Lohnhöhen.
Allein das ganze Unternehmen ist diesmal offenkundig
verfehlt, ob dieser oder ein anderer Grund in Rede steht.
Zunächst sind die bereits geförderten Kohlenvorräthe noch
groß, zudem beeilt sich die belgische und westfälische Kon-

kurrenz, die vermeintlich günstige Gelegenheit auszunützen,
sodaß Lieferungsofferten zu relativ billigen Preisen in
großem, den Bedarf auf lange Zeit hinaus deckendem Um-
fange bereits vorliegen. Es kann überhaupt gesagt
werden und wird in den Organen aller Parteien zuge-
geben, daß die Verhältnisse für die Sinkenden so un-
günstig wie nur möglich liegen, so daß ein Sieg der
Arbeiter fast außerhalb der Möglichkeit liegt. Es ist
Thatsache, daß die Bergwerksdirektion sich schon längst mit
dem Gedanken an umfangreichere Arbeiterentlassungen
bezw. Einlegen von Feierschichten trug, so daß cs ihr
vielleicht gar nicht einmal unangenehm ist, daß ihr durck
den Strike, der ohne Zweifel zahlreiche Entlassungen im
Gefolge babcn wird, die Nothwcndigkeit erspart worden
ist, ihrerseits zu Entlassungen wegen Absatzstockung
schreiten zu müssen.
Ein weiterer Grund der Aussichtslosigkeit des Aus-
standes liegt in vem Mangel an Geldmitteln auf Seite
der Sinkenden. Die auch nur nothdürftige Unterhal-
tung von mehr als 20 000 Mann nebst Familien fordert
natürlich gewaltige Summen, wie sie den Arbeitern des
Saarrevicrs auch nicht annährend zur Verfügung stehen.
Die Führer haben zwar Unterstützungen von Auswärts
in Aussicht gestellt, aber das sind bis jetzt leere Ver-
sprechungen geblieben. So kann es denn, wenn der
Ausstand fortgesetzt wird, nicht ausbleiben, daß bald
großes Elend in die Reiben der Ausständigen einzieht.
Ohne Zweifel haben sich zahlreiche Leute durch Furcht
und Drohungen sehr wider ihre Neigung zur Nieder-
legung der Arbeit bewegen lassen; man braucht bei
weitem nicht Alles für wahr zu halten, was arbeiterfeind-
liche Blätter über Ausschreitungen der Sinkenden zu
melden wissen, aber es scheint leider wahr, daß die
Sinkenden gewaltthätige Versuche, Nicht-Sinkende am
Anfabren zu hindern, nickt unterlassen oabcn.

Deutsches Reich.
Berlin, 10. Jan. Der Mitrcdacteur der „Krcuzztg"
Mayer wurde heute von dem Journalisten Dr. Bc-
rendt auf der Straße mit einem Revolver angegriffen
und durch zwei Schüsse blutig, aber zum Glück nicht
schwer verletzt. Dr. Berendt wurde wegen Mordversuchs
verhaftet. Die „Krcuzztg." gibt als Grund eine unbe-
gründete, augenscheinlich krankhafte Eifersucht an.
Berlin/ 10. Jan. Der Secondelieutenant Prinz
Friedrich zu Solms-Braunfels ist gestern oon
dem Pferde eines Artillcrie-Officiers so unglücklich ge-

schlagen worden, daß die rechte Kniescheibe und das
Schienbein zerschmettert wurden. Der Prinz wurde nach
der königlichen Klinik gebracht.
Sigmaringen, 10. Jan. Nm 4 Uhr fand die ka-
tholische Trauung des Prinzen Ferdinand und der
Prinzessin von Ed in bürg durch den Stadt-
pfarrer statt. Erzabt Placidus Wolter von Beuron dielt
die Traurede. Der Kaiser eröffnete mit der Herzogin
von Edinburg den Zug; ihm folgte der König von Ru-
mänien mit der Fürstin-Mutter von Hodenzollcrn; Groß-
fürst AleriS mit der Herzogin von Connaugbt, der Thron-
folger Prinz Ferdinand in rumänischer Uniform führte
seine Mutter, der Fürst die Erbprinzessin von Meiningen,
Sir Mallet führte die Gräfin von Flandern. Dann
geleitete der Herzog vou Edinburg die Braut zum Altar.
Nach der Trauung eröffnete den Zug das junge Ehepaar
und der Vater folgte, sonst wurde die vorige Ordnung s
beibcdalten-
Sigmaringen, 10. Jan. Gestern Abend «ar großes
Diner und nachher Hofkonzert. Das Stuttgarter
Quartett spielte und Vogl und Frau Weckerlin aus
München sangen. Ein plötzlicher Wctterumschlag hat
Regen gebracht.
Stuttgart, 10. Jan. Der König eröffnete heute
den Landtag. Die Thronrede konstatirt die weniger
günstige Finanzlage des Landes, eine Wendung zum
Besseren stehe kaum in Aussicht. Sie kündigt ferner
die Besteuerung von Kunstwein, den Staatsvertrag mit
Baden und eine Revision der Verfassung bezüglich der
Zusammensetzung der Ständekammcr an.
Kiel, 10 Jan. Der Herzog von Edinburg ist
durch kaiserliche Cabiuetsordre 'zum Admiral ü In suite
der Marine ernannt worden. Sämmtliche Kriegsschiffe
des Hafens haben aus diesem Anlasse die englische Flagge
am Großtopp gehißt. Das Wachtschiff bat einen Salut
von 21 Schuß dazu abgegeben.
Schweiz.
Bern, 10. Jan. Zufolge einer Note, die der Minister
des Auswärtigen von Norwegen an den Bundesrath
gerichtet hat, müssen die schweizerischen Handelsrei-
senden in Norwegen zur Zeit keine Patenttaren ent-
richten.
Krankrem).
Paris, 10. Jan. Das Ministerium Ri bot
hat sein Entlassungsgesuch eingereicht. Präsident
Earnot beauftragte Ribot mit der Bildung eines neuen
Ministeriums.

In schwerem Weröcrcht.
9) Criminat-Novelle
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
III.
„Also Sie sind der Mechaniker Weiß?" fragte um
die achte Morgenstunde des folgenden Tages der Portier
deS Lauenfcld'schen Palais einen einfach gekleideten jungen
Mann mit ansprechenden offenen Gesicktszügen, der sich
soeben bei ihm angemeldet hatte.
„Jawohl, Herr Portier, und ich bin gekommen, um
die mir ausgctragene Reparatur an Ihrem Haustelegraphen
auszuführen."
„Hm, Hm," meinte der Portier bedenklich; „Sic kommen
ein wenig zu früh- Das Zimmer, in welchem die Repara-
tur nothwcnvig ist, liegt nicht weit von dem Scklafgc-
mach der gnädigen Frau Gräfin, und Ihr Arbeiten könnte
die Dame stören. — Kommen Sic doch in einigen Stunden
Wieder!"
„Thut nur leid' Ich bin heute während des ganzen
Tages sehr pressirt. Wenn cs aber nur das Geräusch
Weiner Arbeiten ist, das Ihnen Besorgnisse für den Schlaf
Ihrer Gebieterin einflößt, so dürfenSic ganz rubig sein.
Das geht Alles ganz lautlos von Statten."
Der Portier war noch immer unschlüssig, ob er dem
Handwerker auf die Gefahr bin, den Zorn seiner Herrin
-u erwecken, die Erlaubniß zu der allerdings sehr dring-
lichen Ausbesserung crtbeilen sollte. Da erschien zu
seiner großen Beruhigung die Kammerjungfcr der Gräfin

auf der Treppe, und er benutzte mit innerem Vergnügen
die Gelegenheit, sich ganz aus dem für einen Dienstboten
immerhin sehr kritischen Dilemma herauszuzicbcn.
„Da kommt die Zofe der gnädigen Frau," sagte er
zu Weiß; „die muß am besten wissen, ob Sic jetzt im
Gartenllügel arbeiten können oder nicht. — Wenden Sie
sich nur an sie!"
Damit war er eiligst in seine Loge hincingeschlüpft,
während Weiß etwas verstimmt über die Umständlichkeit
in dem vornehmen Hause, der Zofe die Ursache seines
Kommens vortrug.
„O, da wird nichts im Wege liegen!" erwiderte das
junge Mädchen. „Zwischen dem rotben Zimmer und dem
Boudoir der gnädigen Frau befinden sich ja nach zwei
andere Gemächer, und wenn Sic hübsch sorgfältig zu
Werke gehen und mit Ihren Instrumenten keinen Lärm
machen wollen, so kann ich Ihnen die Erlaubniß wohl
ertheilen!"
Damit ging sie dem jungen Manne voran, dem Seiten-
flügel des HauseS zu, in dessen Parterrcgeschoß das rothc
Zimmer lag. Ehe Weiß daselbst seine Arbeit begonnen,
schlüpfte sie zu der Thür des Boudoirs ihrer Gebieterin;
das Ohr fest an das Schlüsselloch ^gelegt, lauschte sie
längere Zeit, bis sic durch das tiefe Schweigen, welches
darinnen herrschte, die sichere Ueberzeugung erlangt hatte,
daß die Gräfin von Laucnfcld noch im besten Schlummer
liege.
Sic kehrte zu den, Mechaniker zurück, schärfte ibin
noch einmal besondere Vorsicht ein und ging dann auf
ihr eigenes Zimmer, ebne daran zu denken, daß man

einen fremden Menschen doch gewöhnlich nicht ohne Aus-
sicht in der Wohnung belasse.
In diesem Falle wäre eine solche Vorsicht allerdings
ziemlich überflüssig gewesen, denn der junge Handwerker
widmete sich sofort mit vollem Eifer seinen Obliegenheiten,
ohne alle die seltenen und kostbaren Dinge, von denen er
umgeben war, mehr als eines flüchtigen Blickes zu wür-
digen. Unter seinen flinken und geschickten Händen, war
die an sich nicht sein bedeutende Reparatur bald ihrem
Ende nahe und schon glaubte er, in wenigen Minuten
fertig zu "sein, als ibm durch einen bösen Zufall eine sehr
unliebsame Verzögerung bereitet wurde. Eines seiner In-
strumente nämlich, das mit einer langen, haarscharfen
Spitze versehen war und dessen er sich eben bediente, um
hier nnd da noch ein wenig nachzubclfen, glitt von seinem
Stützpunkte ab und drang ihm in Folge dessen so tief in
den linken Unterarm, daß er einen leisen Ausruf des
Schmerzes nicht unterdrücken konnte und daß er kaum schnell
genug sein Taschentuch zur Hilfe nehmen konnte, um zu
Verbindern, daß das ziemlich beftig aus der Wunde hervor-
dringende Blut den FußtcPpich oder einen der m der Nähe
befindlichen Gegenstände besudele. Eine geraume Zeit ver-
ging, ehe es ihm gelungen war, die Blutung zu stillen
und eine Wiederaufnahme der Arbeit möglich zu machen. In
aller Eile that er die letzten Handgriffe an derselben, packte
seine Werkzeuge zusammen und verließ das Zimmer. Seine
Ungeschicklichkeit ärgerte ihn fast mehr, als die erhaltene
Wunde, und um Beides vor den Blicken der Domestiken
zu verbergen, schob er den verletzten, mit dem blutbedeckten
Taschentuch sehr primitiv verbundenen Arm so weit als
möglich unter den Rock und ibeiltc dem Portier dicVollen-
 
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