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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 71 - No. 80 (24. März - 6. April)
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Verkündignngsblatt und Anzeiger

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Heidelberg, Sonntag, 2. April

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lernt die nächste Nummer Dienstag.

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Hauptstraße 25

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erblicken sollen, die mit uns zu höheren Zielen be-
stimmt sind.
Das Leben ist ein Beruf und eine Pflicht, es ist ein
Ruf Gottes an jeden Einzelnen, theilzunehmen an der
allgemeinen Thätigkeit, an den Freuden und Leiden des
Daseins. Jeder Einzelne soll nach dem Maße der ihm
verliehenen Kräfte wirken und schaffen. Die Jugend ist
die Vorbereitung zum Wirken. Das Alter wird um so
köstlicher, je mebr das Leben Mühe und Arbeit gewesen ist.
Wie jeder Einzelne, so soll auch jedes Volk theil-
nehmen an der allgemeinen Thätigkeit für die gesammte
Menschheit, um die materiellen, geistigen und sittlichen
Güter, welche wir zum Leben brauchen, mit zu vermehren.
Die Menschen und Völker sind berufen, in Frieden und
Eintracht nebeneinander zu leben und durch gemeinsames
Arbeiten und Austauschen ihrer Arbeitsfrüchte zur Er-
höhung ihrer materiellen Wohlfahrt beizutragen. Noch
wichtiger ist es, daß die Menschen und Völker auch ihre
geistigen Güter, ihre inneren Erfahrungen und Weltan-
schauungen miteinander austauschen und von einander
bessere Sitten, tieferes Wissen und Tugend lernen. Auch
einfache, arme und ungebildete Menschen können reich an
inneren Erfahrungen sein und durch ihre gesunde Welt-
anschauung und Freude am Dasein wahre Kraft und wahre
Einsicht verbreiten helfen und zur Beglückung Vieler bei-
tragen.
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.
Wir können nie fertig werden in Arbeit, Erkenntniß,
Liebe und Tugend. Das Leben jedes Menschen und
jeden Volkes befindet sich in einer fortwährenden Ent-
wicklung. Mit jedem neuen Morgen beginnt überall
auch der Kampf ums Dasein von neuem. Jeder Tag
bringt neue Aufgaben und neue Erfahrungen, welche ge-
eignet sind, die Menschen auch mit neuer Lust zum
Leben und Streben zu erfüllen. Wir können auch nie
fertig werden mit unserer Weltanschauung, sondern sollen
sie täglich zu verbessern suchen. Je mehr wir an uns
selbst und für andere arbeiten, je treuer unsere Liebe ist,
um so reiner wird auch das Gefühl inneren Glückes
werden.
Die Frage: Wie kommen wir zu einer harmonischen
Weltanschauung? beantworten wir daher dahin: Durch
tägliches Arbeiten und Schaffen nach außen, durch täg-
liches Fortschreiten in innerer Erfahrung und Tugend
durch tägliche innere Erneuerung unseres Gottvertrauens
und unserer Liebe zu den Mitmenschen!

Abouuementspreis
für Heidelberg: monatl. 4V Pfg. mit
Trägerlohn, durch Vie Post bezogen
vicrteljährl. Mk. 1.— ohne Zustcllgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt-
Pctitzeilc od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatanzeigen 5 Pf.

mit mit
Geschäft
.'schlossen

zu der sie umgebenden Natur- und Menschenwelt: es er-
wacht in ihnen die Menschenliebe und die Gottesliebe.
Die erstere ist unter Eltern, Kindern und Geschwistern
besonders lebendig und erweitert sich allmählich zur
Freundes- und Nächstenliebe. Die frühere Furcht vor
Gott verwandelt sich durch religiöse Erkenntniß, Erziehung
und eigene Lebenserfahrung zum Gottvertrauen und zur
Gottesliebe.
Während die Heiden viele Götter verehrten und Paulus
nur in Korinth einen Altar dem unbekannten Gotte ge-
weiht fand, wird in den geoffenbarten Religionen der
Juden und Christen nur ein Gott angebetet. Diese
Anbetung eines Gottes und die Liebe zu ihm ist in der
Entwicklung der Jahrtausende die nachhaltige Kraft und
Quelle des Glückes für Millionen geworden. In Christus
war die Gottesliebe am reinsten verkörpert. Er war am
meisten mit Gott eins und hat uns dessen Güte am
schönsten geoffenbart. Christus hat aber gleichzeitig auch
die Menschen am tiefsten geliebt; er ist nur umherge-
gangen, um ihnen wohlzuthun und jum schon hier auf
Erden inwendig in den Menschen ein Gottesrcich auf-
zurichten, und er ist endlich auch für seinen Glauben an
Gott, für das Bekenntniß seiner Gottes- und Menschen-
liebe und für seine einheitliche, die ganze Menschtheit
miteinander versöhnende Weltanschauung am Kreuze ge-
storben. Die Hauptsätze des Christenglaubens sind in dem
„Vater unser" enthalten, welches die Bekenner Christi
alle Sonntage „in Einigkeit mit der ganzen Christenheit,
auf dem weiten Erdenrunde beten. Die meisten übrigen
Glaubenssätze oder Dogmen sind Menschenwerk, auch die
verschiedenen Kirchen und Confessioncn sind weltliche
äußere Veranstaltungen, welche wohl zur Förderung des
Glaubens und der Liebe beitragen können, aber nicht daö
Wesen des Christenthums ausmachen.
Nach Christi eigenem Bekenntniß: „Niemand ist gut
als der einige Gott!" erscheint die Gottesliebe als der
Grund- und Eckstein einer barmonischen Weltanschauung.
Jeder muß über sich eine Macht und in sich einen Richter
anerkennen. Dieser mächtigste Herrscher und milde ver-
zeihende Richter ist der einige Gott, der in allen, die ihn
ernstlich suchen, auch lebendig wirkt, der uns Kraft und
Vertrauen einflößt und von dem alle guten Gedanken und
edlen Entschließungen kommen, die selbst von den Zweiflern
„Inspirationen, d. i. Eingebungen, Offenbarungen" ge-
nannt zu werden pflegen.
Je inniger wir Gott als unfern Vater lieben, um
so natürlicher wird uns auch die Liebe zu den Mit-
menschen, in denen wir unsere Brüder und Schwestern

^ch den Briefträger frei in s Haus gebracht
1 Mk. 4V Pfg.

y Die,^ürgerzeituna"
Hemt täglich mit Ausnahme von
1 Sonn- und Feiertagen.
Z Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
jZungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
^dvr. Repräsentanten „Der deutsche
„ Michel" bei.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger-Zeitung"
^ägt für Heidelberg und nächste Umgebung
Monatlich nur 40 Pftf.
Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:

. Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
^ivärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Hebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
kommen mir ju einer harmonischen
Weltanschauung?
(Eine Ost erb etra chtun g.)
Das Ringen der Menschen nach einer harmonischen
(Rtanschauung, die zur Freude am Dasein führt und
Z Willen Kraft, der Seele Frieden gibt, ist über tau-
von Jahren alt. Juden und Christen, Griechen und
Z^er, ebenso Anhänger des Buddha und Confucius
Zen über die Geheimnisse der Natur und des Welten-
ödes, über Göttliches und Menschliches und insbesondere
Ze die höhere Bestimmung jedes einzelnen Menschen
.^ster nachgedacht. Soweit wir diese ernsten Gedanken
Zückverfolgen können, scheinen sie auf der Anerkennung
^irnnißvoller, jn der Natur und im Leben der Menschen
pichender Ordnung zu beruhen. Während sich wilde
z^er vor dem Eingreifen höherer Mächte, vor wunder-
en Naturerscheinungen fürchten und sich auch kraft-
Zkn, und überlegenen menschlichen Persönlichkeiten blind
Zerwerfen, gewinnen Kulturvölker, welche die Natur und
Z Menschliche Leben in ihrem Zusammenhänge verstehen
Z einen gütigen Schöpfer ahnen, allmählich Vertrauen

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In seiner Wohnung fand ich ihn nicht. Ich lief in der
Stadt umher, ging in die Restaurationen, in welchen er
zu verkehren pflegte. Man hatte ihn hier und da gesehen.
Ich aber sand ihn nicht.
Ich bestieg mein Pferd und ritt planlos umber, ohne
Ruhe zu finden. So kam drr Abend heran. Als ich
spät nach Hause zurückkchrte, melvcte mir der Diener,
daß die gnädige Frau gegen Abend eine Droschke befohlen
habe und unter Mitnahme eines mit Hülfe des Stuben-
mädchens in aller Eile gepakten Koffers nach dem Bahn-
bofe gefahren sei. Sic hatte es nicht für nöthig befunden,
der Dienerschaft gegenüber irgend einen Vorwand zu
Hilfe zu nehmen, hatte kein Wort, keine Zeile für mich
hinterlassen.
Ich verbrachte eine schlaflose Nacht.
Am nächsten Morgen schickte ich in aller Frühe, um
sicher zu gehen, meinen Diener zu dem Baron und ließ
fragen, zu welcher Stunde er für mich zu sprechen sein
werde. Der Diener kam unverrichteter Dinge wieder
zurrück. Man hatte ihm gesagt, daß der Baron gestern
plötzlich abgercist sei, wobin, wußte Niemand. Was blieb
mir nun noch übrig, als die Ueberzeugung, daß meine
Frau mit ihm entflohen war. —-
Es war nicht der letzte Schlag, der mich treffen sollte,
DunUe Gerüchte verbreiteten sich nach seiner Abreise über
ihn. Man wollte behaupten, daß er sich unter falschem
Namen in G. aufgehalten habe. Man erinnerte sich
jetzt verschiedener Einzelheiten, die allerdings, ein eigen-
thümliches Lickt auf ibn warfen. So hatte er immer
ein besonderes Interesse für militärische Angelegenheiten
gezeigt, hatte sich besonders für die inneren Einrichtungen

SchickscrL'swege.
Novelle von C. Fontane.

(Fortsetzung.)
Ich stellte meine Frau zur Rede. Die Heftigkeit, mit
Zcher der lang verhaltene Groll auf beiden Seiten zum
^Zbruch kam, führte eine Szene herbei, deren Schilderung
Z wir erlassen werden. Ich hielt ibr vor, daß ein
Zdn es nicht wagen würde, einen solchen Brief an
e Gattin eines anderen zu schreiben, wenn er nicht
tz-h ibr Entgegenkommen dazu entmuthigt worden sei.
Z besaß einen unbezähmbaren Stolz, ich glaube sie
Z? eher gestorben, als daß sie sich zu einer Lüge er-
Zeigt hätte und so erklärte sie mir endlich auf mein
h, ^erholtes Andringm rund heraus: „Nun denn, ja,
Zd Du es durchaus zu hören verlangst, ja, ich liebe
Z und nur ihn allein. Ich kann und werde es nicht
ZbNen, aber fürchte nichts, ich weiß, was ich dem Namen
f.Zbig hin, den ich trage. Du wirst nun einsehcn,
Z ich nicht länger in Deinem Hause bleiben kann.
Wege scheiden sich von hier an. Handle, wie es
r gefällt.
fj.Die Thür siel hinter ihr ins Schloß, ehe ich auf
letzten im höchsten Zorne herausgestoßenen Worte
^Entgegnung fand.
^Zch hielt eine weitere Auseinandersetzung für fruchtlos
Z.glaubte, daß sie bei kälterem Blute von ihrem Ent-
zZß Abstand nehmen würde. Meine nächste Sorge
i/.Z jetzt, den Baron aufzusuchen und zur Rechenschaft
^ehen. Er oder ich! das war mein fester Entschluß.

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der Festung, die Lage der Magazine, die Vertheidigungs-
mittel, die Armirungs-Angelegenheiten interesstrt, kurz
man hielt ihn für einen in bürgerlicher Verkleidung er-
schienen Offizier, der den Auftrag gehabt habe, sich über
die Festung genau zu informiren. Ich mußte mir sagen,
daß dieser Verdacht viel Wahrscheinliches batte. Die bereits
vorgekommenen Differenzen zwischen Preußen und Oester-
reich ließen damals schon die Möglichkeit eines Krieges
ahnen, wenn auch die äußeren Beziehungen noch in
ostensibler Weise als durchaus ungetrübt dargestellt wurden.
Zudem erinnerte ich mich verschiedener Einzelheiten, die
den ausgesprochenen Verdacht bestärkten.
Und deßhalb war der Baron plötzlich entflohen? Per-
sönliche Feigheit traute ich ihm nicht zu. Aber wenn er
mit einer politischen Mission betraut war, dann durfte
er ja freilich nicht um einer Privat-Angelegenheit willen
sein Geheimniß auf das Spiel setzen. Wenn er meine
Forderung annahm, und das Duell zu seinen Ungunsten
ausfiel, so war der Zweck seiner Sendung vereitelt, ja,
er lief Gefahr, daß Alles entdeckt wurde. Deßhalb entzog
er sich meiner Rache.
Nun denken Sie sich in meine damalige Lage.
Diese zweideutige Persönlichkeit hatte sich in mein
Haus gedrängt. Ich hatte ahnungslos mit dem Manne
verkehrt. Nun war er plötzlich verschwunden und —
was ich ja nicht verbergen vermochte —- meine Frau
gleichzeitig.
Ich entschloß mich kurz und erbat meinen Abschied.
Man gab ihn mir und zwar unter Verleihung des Charak-
ters als Major.
(Fortsetzung folgt.)

im. . „
 
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