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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 11 - No. 20 (13.Januar - 24. Januar )
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Die „Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
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Michel" bei

Verkündignngsblatt und Anzeiger
für Stadt und Land.

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Heidelberg, Dienstag, 17. Januar

1893.

Kornetius Kerz.
Es ist nicht ohne Interesse, die Bekanntschaft dieses
großen „Gelehrten" und „Erfinders", dessen Name in
der letzten Zeit so oft in den Blättern prangte, etwas
näher zu machen und zwar an der Hand des bekannten
„Figaro." Zuvor sei nur daran erinnert, daß vor etwa
einem Monat Freycinet in der Kammer über die Ernen-
nung des Cornelius Herz zum Großkreuz der Ehren-
religion interpellirt wurde. Freycinet erklärte damals, daß
Cornelius Herz nicht für politische Dienste und auf
Empfehlung politischer Persönlichkeiten, sondern als ge-
nialer Erfinder und Gelehrter (speciell als Electrikcr)
dekorirt worden sei. Der „Figaro" publizirt nun jetzt
einen Artikel betitelt „Im vsrits snr In seisnos äs
Cornelius Hers" (Die Wahrheit über die Gelehrsamkeit
des Cornelius Herz,) in welchem er uns den angeblichen
„großen Erfinder" Herz näber vorführt. Es war uni
das Jahr 1876 oder 1877, wo Herz in Paris zum
ersten Mal als Industrieller austrat. Damals nahm
die Wissenschaft die Clektricität ihren ersten großen An-
lauf. Cornelius Herz gab sich zu der Zeit als einen Ver-
treter Edispn's aus und eröffnete in der Rue de la Bourse
einen kleinen Laden, wo die „Feder Edison's" verkauft
wurde. In diesem kleinen Laden begann er seine ersten
industriellen Umtriebe und zwar mit electrischer Beleuch-
tung. Cornelius Herz gründete dann eine Gesellschaft mit
einem ganz unbedeutenden Kapital und trat als Con-
kurrent von zwei anderen Gesellschaften auf, nachdem er
für eine lächerliche Summe das Patent der sog. „Lampe
Werdemann" gekauft hatte. Es gelang auch dem Cor-
nelius Herz durch allerlei Jntriguen, die drei Gesellschaf-
ten in ein einziges Syndikat mit einem Capital von 20
Mill. Frcs. zu fusioniren, dessen eigentlicher Leiter er
selbst wurde. Aber Herz, der eben nichts weniger als
ein „Gelehrter" war, batte nicht die großen Fortschritte,
welche die Elektrizität fortwährend machte, und die all-
gemeine Verbreitung der Edison'schen Lampe vorausge-
sehen; die Affaire endete mit einem großen Krach, bei
dem sich nur Cornelius Herz die Taschen füllte. Cor-
nelias, der inzwischen die Zeitung „Im Iminisrs elso-
triyfne" (Das electrische Licht) gegründet und das Bureau
derselben nach und nach in eine Art Erfinderburcau um-
gewandelt hatte, warf sich jetzt auf eine neue einträgliche
Erfindung: die Telephonie. Die Compagnie „Ksnerule
ävs leloxlrones" war gerade mit dem Pariser Gemeinde-
ratb über die Legung der Drähte und seinem „Oullisr
ätz8 osturAss" in Unterhandlung. Das Project stieß

auf Schwierigkeiten und das Conventionsprojckt wurde
von allen Seiten heftig angegriffen. Cornelius Herz be-
nutzte diesen Augenblick und gründete unter dem Namen
eines Strohmannes eine Conkurrenzgesellschaft, welche sich
eine Reihe von Patenten verschafft hatte, und wollte auf
diese Weise sich wieder die ganze Affaire aneignen.
Er wollte auch hier wieder eine Fusionirung der Con-
currenzgesellschaften herbeiführen, setzte zu diesem Zweck
einflußreiche politische Persönlichkeiten in Bewegung,
zahlte dem Chef einer Parteigruppe (der Name wird
nicht genannt!) 400 000 Francs für seine Mühe aber
die Societe Telephon weigerte sich, sich von Cornelius Herz
hineinlegen zu lassen u. für 1000 Frs. abzukausen, was kaum
20 Francs werth war, da die von Herz gegründete „So-
ciete Darderny" vierzig oder fünfzig Mal weniger Abo-
nennten hätte als die „Societe des Telephones." Da
entschloß sich Cornelius Herz zu einem großen Coup.
Er gründete die Kooiöte I^erinistrk cl'kxxloitmtion ckos
Bklsxllonks" mit einem Capital von 25 Millionen
und der Möglichkeit einer Emmission von 75 Millionen
Obligationen, welche die ganze Telephonie in Frankreich
monopolisiren sollte, und ließ sich selbst zum lebensläng-
lichen InAsnieur-OonsknI, Kaiser der Telephons, er-
nennen. Sein Einfluß in 'ministeriellen und parlamen-
tarischen Kreisen war so groß, daß es ihm sogar gelang,
vorläufig durch ein Dekret des Präsidenten Grevy die
officielle Bestätigung seines Projectes zu erlangen. Aber
die Regierung fing an, die Umtriebe des Cornelius Herz
zu durchschauen, das frühere Dccret wurde zurückgezogen
und die Affaire fiel damit in's Wasser. Cornelius Herz,
der damals schon Commandeur der Ehrenlegion war,
war nochmals geschlagen, aber von seinem Ansehen batte
er Nichts eingebüßt und übrigens wieder bei dieser Affaire
sehr viel Geld verdient. Er suchte dann mil einem
neuen Project der elektrischen Kraftübertragung seine Re-
vanche zu nehmen. Er gründete wieder ein Syn-
dikat, in welchem er sich natürlich die Leitung vorbehielt.
Bekanntlich hatten die in München und Ereil angestellten
Versuche nicht den erwarteten Erfolg. Aber trotzdem
wurde Deprez Mitglied des „Institut" und Herz zur
Würde eines Arunck-oKoior der Ehrenlegion erhoben.
Dann war es mit Cornelius Herz hier fertig. Zum
Schluffe Halle er noch die Absicht, mit Barbour eine
Riesengcsellschaft mit einem Capital von 100 Millionen
zu gründen, welche zur Ausbreitung der elektrischen Er-
findung im Großen und Ganzen bestimmt war. Doch
dieses Project ist niemals zur Ausführung gelangt. Man
stehthieraus daßHerzinseinem ganzen Lebennichtdie geringste

s Erfindung selbst gemacht, sondern die Erfindungen vieler
Anderer gekauft oder erschwindelt hat und diese dann
für seine Tasche — zum Schaden Anderer auszubeuten
suchte. Mit der von H. d. Freycinet so viel gerühmten
„Gelehrsamkeit" des famosen Cornelius Herz ist es, wie
aus dieser Skizze hervorgeht, also ziemlich schlecht bestellt
und die hohen Dekorationen, die Herz eingeheimst hat,
muß er daher wohl anderen „Verdiensten" verdanken!

Deutsches Reich.
Berlin, 14. Jan. Zu der gestrigen Sitzung der
Militärcommission wird der „Rordd. Allgem.
Ztg." von berufener Seite mitgctheilt, gegenüber allen
Zeitungsberichten sei eine skeptische Beurtheilung geboten.
Dieselben könnten keinerlei Anspruch auf Authenticität
erheben, da der Reichskanzler eine geheime Behandlung
der Sitzungen erbeten habe. — Dem Reichstag ist ein
neues Weißbuch über Samoa zugcgangen.
Sigmaringen, 14. Jan. Die Neuvermählten,
Prinz Ferdinand und Prinzessin Maria, sollen über Mitt-
woch über Koburg nach Bukarest reisen.
graMreuP.
Paris, 14. Jan. Die Angriffe gegen das Staats-
oberhaupt werden von Tag zu Tag heftiger. Der
bemerkenswertheste Preßangriff, der bisher iu dieser Sache
gemacht wurde, ist der heutige Tagesartikcl des Chefre-
dakteurs des „F igar o", der Carnot kurzweg anf-
fordert, seinen Platz zu räumen, so lange er
noch einen guten Abgang" haben könne.
Paris, .14. Jan. Die Umgebung Carnots erklärt,
ehe Carnot zurücktretc, werde die Auflösung der Kam-
merversucht. In den Conloirs wird offen behauptet, der frühere
italienische Botschafter Menabrea habe durch Freycinet
die bekannten 500,000 Franks Panamagelder erhalten.
— Die Untersuchung gegen Bäihaut ist beendet, da
er geständig ist angesichts der im Comptoir Escompte
gefundenen Dokumente. Gleich nach dem jetzigen Prozeß
kommt Baihautö Sache vor das Schwurgericht.
Paris, 14. Jan. Fast alle französichen Blätter be-
schäftigten sich heute mit der von der „Pall Mall Gazette"
zuerst ausgesprochenen Nachricht, daß der russische
Botschafter v- Mobrenheim beschuldigt werde,
eine halbe Million Panamageld genommen
zu haben. Sie erklären übereinstimmend die Nachricht
für unglaubwürdig. — Der Panama-Unter-
suchungsausschuß hörte heute die Berichte der nach
den vers chiedenen Banken entsandten Mitglieder. Ei

In schwerem MerönchL.
13) Criminal-Novelle
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
„Du mußt Dich nicht unnötig beunruhigen, Mama!
Die Zeiten sind schlecht, und Richard ist trotz seiner Tüch-
tigkeit immerhin noch ein unbekannter Anfänger; da will
es wohl mit dem Verdienst noch nicht so recht fort, und
zudem —"
Louise stockte und das tiefe Roth, welches ihre zarten
Wangen überzog, verrieth, daß sie es bedauerte, durch die
beiden letzten Worte den Ausdruck eines Gedankens be-
gonnen zu haben, dessen Erinnerung in der kleinen Fa-
milie jedenfalls nicht zu den angenehmsten Dingen zu
zäblen schien.
„Ja, sprich es nur aus, Louise; seine Liebe ist es,
sein Verhältnis; zu der reichen Kaufmannstochter, das ihn
noch ganz und gar zu Grunde richten wird! Das Mäd-
chen steht viel zu hoch über ihm und wird ihm schließlich
doch noch von einem anderen vor der Nase weggefischt
werden. Ich war von Anfang dagegen, aber Du hast
ihn in seiner Thorheit immer noch mehr bestärkt."
„Nenne es nicht eine Thorheit, Mama," erwiderte
die Tochter sanft; „Richard und Mathilde lieben sich so
tief und innig und ihre Herzen stimmen so ganz zusam-
men, daß sie vom Himmel nur für einander bestimmt
sein können.

„Ich fürchte, dahin wird's trotzdem nimmer kommen!
Die Bedingungen, unter denen der stolze hochfahrende
Kaufmann seine Einwilligung zu der Heirath geben will,
sind wohl nur bestimmt gewesen, Richard ein- für aller
mal von allen weiteren Versuchen abzuschrecken, nicht aber
ihm neue Hoffnung zu geben."
„Sage das nicht, liebe Mama," fiel Louise der be-
trübten Matrone ins Wort, und die Lebhaftigkeit, mit
der sie sprach, verriet ein wie tiefes und inniges Interesse
sie an dem Schicksal des Bruders nahm, „sage das nicht!
— Mathildens Vater ist wohl stolz, und strenge; aber cr
ist auch gerecht und ein gegebenes Wort ist ihm einHei-
ligthum. Er hat verlangt, daß Richard seine Werbung
nach einem Jahre wiederholen solle, damit er durch eigene
Beoobachtungen eine Garantie habe für die Ehrenhaftig-
keit seines Charakters und für seine Fähigkeit, eine brave
Frau wirklich glücklich zu machen; nun wohl! Richard
und Mathilde sind jung genug, uni die Frist abwarten
zn können."
„Ja, wenn das Alles wäre!" meinte seufzend Frau
Weiß, „das würde meinen guten Jungen gewiß nicht
so verdrießlich und kopfhängerisch machen, wie er jetzt tag-
täglich zu meinem Leidwesen ist. Aber das Geld —
das leidige Geld."
Die Stimme des jungen Mädchens klang jetzt selbst
ein wenig unsicherer, als zuvor, als sie beruhigend er-
widerte :
„Auch da wird der liebe Gott Rath zu schaffen wissen,
Mama! Die Summe, in deren Besitz Herr van Holten
Richard nach Ablauf des Jahres sehen will und die den
Grund zu seinem ferneren Fortkommen bilden soll, ist

freilich für unsere gegenwärtige Verhältnisse sehr groß;
aber Richard ist ja ein tüchtiger und strebsamer Mensch,
warum sollte es ihm da nicht gelingen, sich Kundschaft
genug zu erwerben, um das Geld zurücklegen zu können?"
O, wenn ihm das möglich wäre!" flüsterte das treue
Mütterchen mit Thränen im Auge; „wie wollte ich mich
einschränken und darben, wie wollte ich mich "bemühen,
auf meine alten Tage selbst noch nach Kräften zu arbeiten
und zu schaffen, um ihm zu seinem Glücke zu verhelfen!
— Aber dreitausend Thaler! — Es ist wahrlich zu viel!
Das kleine Kapital, das er sich in seinen Gcsellenjahren
erspart, ist bei der Einrichtung der neuen Werkstatt bei-
nahe ganz darauf gegangen, und ist es fa rein unmög-
lich, daß er in einem einzigen Jahre so viel erübrigen
kann." . .
Louise schwieg. Hatte sie doch seist nur wenig Hoff-
nung auf die Erfüllung der Bedingung, von welcher der
Vater der Geliebten das Lebensglück ihres Bruders ab-
hängig gemacht hatte und konnte doch auch sie nur von
irgend einen: unvorhergesehenen glücklichen Ereigniß Ret-
tung und Hülfe erwarten. Bei der treuen, aufrichtigen
Liebe, die sie für ihren Bruder empfand, hatte ihr dessen
hartes Geschick schon manche mitleidsvolle Thräne erpreßt
und Richard hatte keine Ahnung davon, daß all' die feinen,
mühevollen Handarbeiten, mit denen sich sein anmutiges
Schwesterchen seit Kurzen: in all den wenigen Muße-
stunden beschäftigte, die ihr bei ihrer angestrengten Thätig-
keit als Lehrerin verblieben, nur dazu bestimmt waren,
die Ersparnisse des jungen Handwerkers zu vergrößern
und so wenigstens eine kleine Staffel auf der Leiter zu
seinem so heiß ersehnten Glücke zu bilden
 
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