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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 141 - No. 150 (17. Juni - 28. Juni)
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Mrger- S Zeitung

Berkündigrmgsblatt und Anzeiger

Abonnementspreis
für Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. I.— ohne Znstellgeb.
Znsertionspreis: 1V Pf. für die 1-spalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatanzeigen 5 Pf.

Die,^8ükgerzeit«ng"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

M 15». Heidelberg, Mittwoch, 28. Juni . 18S3.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
monatlich nur 4U Pfg.
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abgeholt: 1 Mark, durch den Briefträger frei in's
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Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die „Bürger-
Zeitung" bis Ende des Monats unentgeltlich.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
Zm iuMl-deutschcii HaMsimtrag.
Alle heute vorliegenden Nachrichten stimmen darin
überein, daß die Aussichten auf das Zustandekommen eines
deutsch-russischen Handelsvertrags sich in
der letzten Zeit bedeutend vcrminvert haben, ja beinahe
glänzend geschwunden find. Zweifellos scheint, daß in
Rußland die schutzzöllnerischen Interessen einer Anzahl
von Großindustriellen in dem langen Kampfe mit dem
Interessen der Getreideausfuhr vorläufig die Ober-
hand behalten haben. Den Ausschlag hierbei haben wahr-
scheinlich die ungünstigen deutschen Saatcnstandsberichte
gegeben, welche für einen der wichtigsten russischen Aus-
fuhrartikel, für Hafer nämlich, einen ungewöhnlich großen
Einsuhr-Bedarf Deutschlands in Aussicht stellen. Da in
Deutschland von Schutzzöllnern und Freihändlern über-
einstimmend eine Außerkraftsetzung der Zölle auf Futter-
mittel, also auch auf Hafer, verlangt wird, so glaubt man
in Rußland, wenigstens was diesen Artikel betrifft, von
Deutschland ohne irgendwelche Gegenconcesfion, fürs Erste
mehr zu erlangen als durch den vortheilhaften Handels-
vertrag erreicht werden könnte. Nm jedoch der Eventualität
zu begegnen, daß das deutsche Reich die in Aussicht ge-
nommenen vorübergehenden Zollbefreiungen nur den Ver-
tragsstaaten und nicht auch Rußland zugute kommen
lassen könnte, beabsichtigt man in Petersburg einen be-
sonderen Marimaltarif aufzurichtcn und denselben zunächst
als Kampfmittel gegen Deutschland zu gebrauchen. Die
„Kreuzz." droht 'für den Fall der Anwendung eines
solchen Marimaltarifs mit einem vollständigen Zollkriege
unter Anwendung der in unsere Zollgesetzgebung vor-
gesehenen Erhöhung der Zölle bis zu 50 pCt. gegen Ruß-

Meßer's Wesr.
-Frzählung von Kuno von Wildenfels.
(Fortsetzung.) 5,4 18
Plötzlich erhob Auguste sich rasch und eilte zum Rosen-
büsch zurück, um das kurz zuvor daselbst versteckte Briefchen
wieder fort zu nehmen. Zu ihrem Schrecken fand sie es aber
nicht vor, wohl aber bemerkte sie in der sich in diesem Augen-
blicke schließenden Gartenthür noch den Saum von dem Kleide
ihrer Tante.
Nicht zaghaft, sondern vielmehr etwas trotzig und mit
einer gewissen Erbitterung im Herzen, folgte das Mädchen
ihr langsam in das Wohnhaus, den Duft einer aufgeblühten
Rose cinathmend, welche sie von dem Busche abgepflückt hatte.
Es ist nicht unsere Absicht,denSchreibcrFerdinand Wacker
auf seiner Reise nach Amerika zu begleiten und die Verhält-
nisse, in denen er daselbst lebte, genauer kennen zu lernen.
Es genügt, die Leser zu benachrichtigen, daß es ihm nach
glücklicher Uebcrfahrt und nach mehrfachen vergeblichen Ver-
suchen, sich eine sichere Existenz zu gründen, endlich in Bal-
timore glückte, in einem größeren Handelsgeschäft als Buch-
führer angestellt zu werden. Da er sich in kurzer Zeit das
Vertrauen seines Prinzipals zu erwerben wußte, wurde sein
anfänglich nur geringer Gehalt nach und nach der Art gc
steigert, daß es ihm leicht wurde, sich alljährlich eine nicht
unbeträchtliche Summe davon zurück zu legen. Ueberdies war
er, weil er nur immer das eine den Lesern bekannte Ziel vor
Augen hatte, außerordentlich sparsam, ein Umstand, der nicht
wenig dazu beitrug, seine Ersparnisse progrefsionsweije zu
vermehren und sich schon nach sechs Jahren in den Stand ge-
setzt zu sehen, seine Reise nach Europa anzutrcten.
' Seit seiner Abwesenheit vom Vaterlande hatte er nur
drei Male Nachricht von dort erhalten, und zwar von Seiten
eines seiner Jugendfreunde. Dem letzten dieser Briefe zu-

land. Diese Frage kann in der heutigen Lage der An-
gelegenheit außerhalb der Erörterung bleiben. Dem
Reichskanzler mag es ja vielleicht augenblicklich gar nicht
ungelegen kommen, wenn er dem neuen in Zollfragen
gewiß nicht gefügigen Reichstage einen Handelsvertrag mit
Rußland überhaupt nicht vorzulegen braucht. Dagegen
dürfte die allgemein anerkannte Nothwendigkeit von Zoll-
erleichterungen auf Hafer und Mais leicht andere Kom-
plikationen im Handelsverkehr mit Rußland herbeiführen,
welche den verbündeten Regierungen und ihrer Stellung
zum neuen Reichstage nichts weniger als erwünscht sein
können. Ucberhaupt wird die ungünstige Wendung in
der Handelsvertrags-Action mit Rußland, auf welche Ver-
handlung der Reichskanzler mit Recht so großen Werth ge-
legt hat, nicht gerade zur Befestigung seiner durch die Wahlen
ohnehin nicht günstiger gewordenen Stellung beitragen.
Deutsches Reich.
/X Heidelberg, 27. Juni. Nach einer Zusammen-
stellung von gestern Abend sind bis jetzt gewählt: 71
Conservative, 22 Reichsparteiler, 19 Polen, 17 Anti-
semiten, 11 Freisinnige Vereinigung, 3 Wilde, 45 Na-
tionalliberalc, die man sämmtlich nach ihrer Parteistellung
und nach ihrer Erklärung bei den Wahlen für die
Militärvorlage rechnen muß. Dazu kommen 2
Mitglieder des Centrums und 1 Elsässer oder im ganzen
191 Stimmen für die Militärvorlage. Als Gegner
sind gewählt 87 vom Centrum, 44 Socialdcmokraten,
19 Freisinnige Vvlkspartei, 10 Süddeutsche Volkspartei,
8 Elsässer, 3 Milde, 5 Welfen, 1 Däne, zusammen
177. Außer Betracht gelassen sind dabei die vereinzelten
Centrum-mitglieder, die sich freie Hand Vorbehalten haben;
wir haben sie den Gegnern der Vorlage zugezählt. Durch
die noch ausstehenden Stichwahlen, namentlich in Bayern
wird sich die Zahl der Gegner noch vermehren, sodaß es
auch jetzt noch fraglich ist, ob schließlich cineMehr-
heit von wenigen Stimmen für oder gegen die Vorlage
das ziffernmäßige Resultat bildet. Die schließliche Ent-
scheidung wird davon abhängcn, ob das Centrum wirklich
bis auf den Prinzen Arenberg und Lender geschlossen
gegen die Vorlage bleibt. Bei den obigen Zahlen sind
die Doppelwahlen eingerechnet.
Berlin, 26. Juni. Der russische Marimal-
tarif ist nach dem Urtheil kompetenter Personen nicht
als eine Drohung oder Pression gegen Deutschland auf-
zufassen und von einem Abbruch der Verhandlungen ist
durchaus keine Rede. Die letzte russische Note enthielt
thatsächlich eine Herabsetzung des bestehenden russischen
Zolltarifs und zwar nicht nur etwa für Kohlen.. Die
deutsche vor etwa 8 Tagen abgegangcne Antwort ging

folge war der Doktor Kreistag noch immer Hausfreund im
Amthause, ohne aber in seinem Verhältniß zu Auguste, soweit
das Seitens des Berichterstatters zu beurtheilen war, erheb-
liche Fortschritt gemacht zu haben; jedoch war er zufolge
desselben Briefes im Begriff, in die einige Meilen entfernte
Residenzstadt überzusiedeln; auch war gerade bei der Ab-
sendung des Schreibens der Amtmann nicht unbedenklich er-
krankt.
So angenehm dem jungen Manne die erste Nachricht auch
war, so sehr betrübte ihn die andere, denn seine Liebe zu
dem Vater seiner Geliebten, den er ja noch immer als seinen
Wohlthäter betrachten mußte, hatte er in seinem Herzen fest-
gehalten.
Indessen beide Umstände, die Versetzung des Arztes wie
auch des Amtmanns Krankheit, die möglicherweise einen tödt-
lichen Ausgang nehmen konnte, schienen ihm sein Ziel wesent-
lich näher zu "rücken, und bestimmten ihn, so schnell als mög-
lich die Rückkehr in seine Heimath anzutreten.
Es war zur Hcrbstzeit an einem Sonntag Morgen, als
er in derselben Postkutsche, die ihn sechs Jahre zuvor seinem
Geburtsorte entrissen hatte, wieder dahin zurückkehrte.
Die Kirchenglocken riefen die Gemeinde zum Gottesdienste.
Diese ihm so bekannten lieben Klänge, die ihm ja schon so oft
den Ernst der Kinderspiele erhöht und dieselben verschönt, die
ihn so manches Mal in wehmuthsvolle Träume gewiegt und
ihn so oft zum Hause des Herrn gerufen hatten, zauberten
mit einem Male ihm das ganze selige Glück seiner Jugend-
zeit wieder vor die Seele und machten sein Herz, das schon
beim Anblick seiner heimathlichen Berge und Thürme seines
Geburtsstädtchens unruhiger im Busen geworden war, noch
lauter klopfen.
Es war ein Gemisch widersprechender Gefühle, die sich in
diesen; Augenblicke seiner bemächtigten. Er hätte aufjanchzen
mögen vor Entzücken, und weinen mögen vor Wchmuth. Diese
letztere Empfindung Lri^g den Sieg davon. Tiefer und tiefer

im Allgemeinen dahin, daß die angebotencn Ermäßigungen
noch zu gering seien, und enthielt weitere Forderungen.
Darauf liegt noch keine Antwort vor, was bei der Kürze
der Zeit erklärlich ist. Die Verhandlungen gehen aber
unzweifelhaft weiter. Schließlich besitzen wir das, was
Rußland sich im Maximaltarif jetzt schafft, schon in
unserem Generaltarif unter der Möglichkeit, 50 pCt.
Zuschläge zu erheben.
Berlin, 26. Juni. Wenn man den Meldungen
der englischen Zeitungen trauen darf, so ist die
Home-Rule-Vorlage Gladstones so gut wie ver-
loren. Der bedenklichste Stoß ist der Vorlage versetzt
worden durch den neuen irischen Finanzplan. Die von
Gladstone abgeänderten Paragraphen der Vorlage bean-
tragen die Schaffung eines sechsjährigen Provisoriums,
während welches keine Aenderung in der bisherigen Art
der Umlegung, Verwaltung und Einhebung der Steuern
in Irland stattfinden solle, doch könne Irlands Legislatur
neue Steuern für Irland ausschreiben. Irlands Beitrag
zu den Reichssteuern würde ein Drittel seiner Einnahmen
ausmachen. Außerdem habe Irland an die Reichskasse
den Ertrag jener Steuern abzuliefern, die ausdrücklich
für Kriegs- oder besondere Vertheidigungszwecke vom
Reichsparlamente auferlegt werden dürften. Nach sechs
Jahren solle dieses finanzielle Prinzip revidirt und Irland
berechtigt werden, seine Steuern zu verwalten und ein-
zuheben. Ausgenommen hiervon sollen Zölle, Accise und
die Post sein. Ferner schlägt Gladstone die Aufhebung
einiger Paragraphen und die Ummodelung anderer vor.
Dagegen erheben die Parnellitcn den allcrschärfsten Wider-
stand, und die Antiparnelliten können wohl oder übel
nicht anders als sich den ersteren anzuschließen, wenn sie
nicht an Patriotismus hinter den Parnelliten zurückbleiben
und in den Augen ihrer Landsleute schwere Einbuße er-
leiden wollen. Der innere Zwist in dem Kabinette wird
eifrigst ausgenützt durch die »monistischen Wanderredner
auf dem Lande; die Rede Lord Churchills hat nicht
minder Eindruck gemacht wie die vorhergcgangene des
Herzogs von Devonshire. Lord Churchill erklärte den
irischen Nationalismus für einen thörichten Traum und
Home Rule werde bei den nächsten Wahlen den Todes-
stoß erleiden.
Kiel, 26. Juni. Der Kaiser reist am 29. Juni
ab und kcbrt am 7. Juli nach Kiel zurück. Bei der
beutigen Binnenregatta in Gegenwart des Kaiserpaarcs
siegte in der ersten Abtheilung die „Witta" des Direktors
Zimmermann.
Schweiz.
Veru, 26. Juni. Der National rath genehmigte
einstimmig den mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen
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nthmend, kämpfte er umsonst gegen die sich in die Augen drän-
genden Thronen an und sank endlich überwältigt, das Gesicht
mit beiden Händen bedeckend, laut weinend in die Ecke des
Postwagens zurück.
Als der Kutscher vor dem Posthause anhielt, warf er
einen flüchtigen Blick auf das in einiger Entfernung zwischen
Bäumen hindurch schimmernde alte Amtsgebäude und eilte
mit raschen schritten in ein nahe gelegenes Gasthaus, das
erste des Orts.
Er forderte ein besonderes Zimmer. Za seinem größten
Erstaunen wurde er von dem Wirth, der ihn in eigener Per-
son dahin führte und ihm den Reisesack nachtrug, nicht er-
kannt. Ferdinand Wacker bedachte allerdings nicht, daß in
den sechs Jahren seiner Abwesenheit sein Gesicht sich wesent-
lich verändert hatte und er sogar von seinen Altersgenossen
Nicht wieder erkannt würde, denn der Flaum hatte sich seit
seiner Trennung von der Heimath in einen stattlichenSchnurr-
bart verwandelt und überdies waren Wangen und Kinn seit
jener Zeit mit einem Vollbarte geziert.
Es war ihm indessen recht angenehm, noch anerkannt zu
bleiben, denn er durfte nun voraussetzen, auch von den übri-
gen Bewohnern des Städtchens nicht wieder erkannt zu wer-
den, ja vielleicht auch selbst von Auguste nicht! Er konnte
nun auch ungefährdet, ohne sein süßes Geheimniß verrathen
zu müssen, Erkundigungen über sie und ihr Verhältniß zu
Doktor Kreising einziehen, ja, er konnte sogar frank und frei
vor dem Amthause vorüber gehen, er konnte sie am Fenster
sehen, ihr vielleicht zufällig begegnen, er konnte ihr dann einen
verstohlenen Wink geben, mit ihr im Park zusammen zu treffen
— o, er hätte schon jetzt laut aufjauchzen mögen über die
Ueberraschung und Freude des Wiedersehens!
Kaum konnte er seine Ungeduld, einen Gang in die Nähe
des Amthauses zu machen und die Geliebte wieder zu sehen,
zügeln.
Schon unmittelbar nach dem Mittagseffen trat er den-
 
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