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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 131 - No. 140 (6. Juni - 16. Juni)
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Berkündigungsblatt und Anzeiger
sonn- und Feiertagen.
Der Sonniagsnummer liegt ein Unter- ,, F" L Q
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem 4 H -ß- -ß- H
Humor. Repräsentanten „Ter deutsche U H 4 4- 4 »- ' «
Michel" bei. i

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'Petitzcilc od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 5 Pf.

134.

Expedition:
Hauptstraße SS.

Heidelberg, Freitag, S. Ium

Expedition:
Hauptstraße LS.

1893.

WesteLungen
auf die „Bürger-Zeitung" für den Monat
MU" Juni "Wk
werden fortwährend von sämmtlichen Postanstalten, Brief-
trägern und unfern Agenturen zum Preise von 48 Pfg.
frei irr's Haus, sowie von unfern Trägern u. Trägerinnen
hier und der nächsten Umgebung zum Preise von
nur 4V Pfg. monatlich
entgegengenommen.
_Verlag der „Bürger-Zeitung".
Das nm Penstonsgksetz in Italien.
Der drohende Cvnflict zwischen Regierung und Senat,
bei dem die Kammer auf Seiten der ersteren stand, ist
glücklich vermieden worden, das neue Pensionsgesetz
ist am SamStag mit 137 gegen 113 Stimmen in der
Regierungsfassung genehmigt worden.
Ganz besonders bemerkenswerth erscheint dabei, daß
der Senat, veranlaßt durch die Ranküne der Regierungs-
gegner, sein Votum in geheimer Abstimmung abgab, wo-
bei sich regelmäßig einige unzufriedene Geister, die sonst
mit der Regierung gehen, auf die Seite der Opposition
zu schlagen pflegen. So ist auch diese letzte Hoffnung
der politischen Gegner Giolittis in der Kammer zu
Schanden geworden; sie hatten in ihrer Ohnmacht be-
stimmt vorausgesetzt, der Senat werde ihre Geschäfte be-
sorgen und dem Ministerium unüberwindliche Schwierig-
keiten bereiten. Dazu berechtigte sie die Thatsache, daß
diese ehrwürdige Körperschaft, von deren Dasein man in
früheren Zeiten wenig gewahr wurde, sich seit der Bil-
dung des CabinctS Giolitti in einer recht unfreundlichen
Haltung gefiel. Am verletzendsten trat dies zu Tage, als
sie Ende vorigen Jahres unter Nichtachtung der Prärogative
der Krone die auf Giolittis Vorschlag erfolgte Ernennung
des ehemaligen bourbonischen Gcndamcric-Kapitäns Zuc-
caro zum Senator nicht bestätigte, eine Sache, die bis
heute nicht zum Austrag gebracht ist! — Daß der Senat
das Pensivnsgcsetz zu Fall bringen werde, erschien um so
sicherer, als sein Finanzausschuß entschieden für die
Verwerfung eingetreten war. Nun ist cs anders ge-
kommen und die Kammer, welche s. Z. das Gesetz mit
245 gegen 128 Stimmen annahm, wird auf keinen
Fall der vom Senat vorgeschlagenen Fassung ihre Zu-
stimmung versagen.
Das neue Pensionsgesetz trägt ganz vorwiegend einen
finanziellen Charakter. Die Nebenbcstimmungen des Ge-
setzes, eine für die Zukunft vorges ehcne Beitragspflicht der
Beamten zur Pensionskasse (und zwar Artikel 3) ver-

schwinden gegenüber einer Geldoperation, die den Staats-
haushalt für die nächsten Jahre um jährlich etwa 30
Millionen Lire erleichtern soll; freilich auf Kosten der Nach-
geborenen. Die Zahlung der sich gegenwärtig auf 72
Millionen jährlich belaufenden Pensionen soll bis zu
einem Zeitpunkt, in welchem der letzte der gegenwärtigen
Pensionäre voraussichtlich gestorben sein wird, von der
„Depot- und Darlehenskasse", einer unter staatlicher Auf-
sicht stehenden Anstalt, übernommen werden. Die Re-
gierung zahlt dieser Kasse bis dahin 30 Millionen: in
der ersten Hälfte der in Frage kommenden Zeitspanne
hat jene Kasse den nicht unbeträchtlichen Ueberschuh zu
zahlen. Dies Verhältniß ändert sich aber mit dem Ab-
sterben der Pensionäre, so daß jene Kasse die in der ersten
Hälfte auSgcgebcnen Mehrbeträge, wahrscheinlich mit guten
Zinsen, in der zweiten Hälfte wieder einhcimst. Die
neu hinzutretenden Pensionäre sollen aus einer neu zu
begründenden Kasse befriedigt werden, zu der neben dem
Staat alle Beamten mit kleinen Beiträgen beisteuern.
So hat denn der Hauptgegner des Gesetzes im Senat,
der ehemalige Minister Saracco nicht so ganz unrecht,
wenn er das PensionSgesctz eine „unehrliche Belastung
späterer Geschlechter" nennt. Einwcnden läßt sich frei-
lich dagegen, daß es schwer ist, einen anderen Ausweg
aus den Finanznöthen zu finden; von neuen Steuern
wagt in Italien Niemand zu reden, weder die Regierungs-
männer noch die Opposition, und mit den Ersparnissen
ist man an der äußersten Grenze des Zuverlässigen an-
gekommen. Auch lassen sich allerlei Gründe für das
vorgeschlagene Abzahlungs-System angeben. Handelt ein
Kaufmann unklug, wenn er, um dem Bankerott zu ent-
gehen, der seine ganze Eristenz vernichten würde, eine
Schuld auf sich nimmt, die er in späteren, mit ziemlicher
Sicherheit zu erwartenden besseren Jahren abzuzahlen sich
verpflichtet? Ist es, seitens der italienischen Staats-
männer, so ungerecht und verkehrt, unvermeidliche Aus-
gaben auf Jahre zu vertbeilen, die nicht unter dem Drucke
der Jrrthümer früherer Zeiten zu leiden haben, wie die
gegenwärtigen? Hierher sind in erster Linie die 500
Millionen für Eisenbahnbauten zu rechnen, zu welchen
die Regierung sich verpflichtet hat, als gerade derselbe
Saracco Verkehrsminister war, der jetzt an der Regierungs-
vorlage so scharfe Kritik übte, ohne irgend einen besseren,
positiven Vorschlag an ihre Stelle setzen zu können.
Es steht zu erwarten, daß die guten Folgen des neuen
Sieges Giolitti's sich in einem ruhigen Fortgang der Re-
gierungsmaschine äußern werden. Die letzte pidoa cle
rtzmstknvtz ist das Bankgesctz, dessen Erledigung
für den Kredit des Landes sehr dringlich ist. Ist auch
dies in den sicheren Hafen geleitet, so bleiben nur noch

Reformen durchzuführen, die meist den Keim zu gefähr-
lichen Konflikten in sich tragen.
Deutsches Reich.
g Aus dem Amt Heidelberg, 7. Juni. Für
sehr viele Wähler sind die Zahlen der Friedens- und
der Kriegsheere bei den in Betracht kommenden Völkern
das ausschlaggebende Moment bei der diesmaligen Rcichs-
tagswahl. Es ist aber bei der gewissenhaften Erwägung
dieser Zahlen, außer der Zahl selbst, immer auch noch
etwas Besonderes zu beachten, nämlich ob sie sich auf die
Friedenspräsenz oder auf die Kriegsstärke beziehen. Die
Militärvorlage, um deren willen derReichstagaufgelöstwurde,
bezog sich auf die Fr i e d en s Präsenz. Der Reichstag lehnte
mit dem Vermittlungsvorschlag Huene eine Erhöhung der
Friedenspräsenz um 70 000 Mann ab, weil er sie nicht für
erforderlich und zugleich zu kostspielig hielt. Die Militär-
vorlage enthält allerdings auch sehr werthvolle Bestand-
theilc, nämlich die 2jährigc Dienstzeit und die vollkom-
menere Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht; allein
warum soll um dieser Vortheil willen der sie noch weit überwie-
gende Nachtheil einer Friedenspräsenz in den Kauf genommen
werden, welche um ca. 60 000 Mann höher wäre als die
französische? Die Antwort, welche ein nationalliberaler
Sprecher in einer Wählcrversammlung hierauf gab, war:
wir wollen natürlich die höhere Friedenspräsenz nur, da-
mit wir dann auch die höhere Kriegsstärke haben. Dies
leuchtet nun zwar den Verehrern der Vorlage natürlich
bedeutend ein, ist aber nichtsdestoweniger eine falsche Vor-
aussetzung , denn man kann auch bei kleiner Friedens-
präsenz, wenn nur sonst Alles vorbereitet ist, sobald als
erforderlich die größte Kriegsstärke zur Verfügung haben.
Grund: je weniger lang man die Soldaten im Frieden
bei der Fahne hält, desto mehr Mannschaft kann man
cinberufen und einüben. Der richtige Satz heißt also
nicht einfach: je mehr Friedenspräscnz, desto höhere
Kriegsstärke, sondern: je kürzere, aber dann stärkere
Friedenspräsenz, desto mehr eingeübte Rekruten und desto
höhere Kriegsstärke — auf welche j letztere cs allein an-
kommt. Daß man aber auch mit der 2jährigen Friedens-
dienstzeit noch heruntergehen kann — falls man eben
auf die hohen Millionenziffern abhebt, die gegenwärtig
aufmarschircn müssen —, beweisen die Einjährig-Frei-
willigen, die nur ein Jahr zu dienen haben und die
man doch faktisch auch schon hat. Würde man nach
ihrem Vorgang und zugleich auch nach dem Vorgang von
Frankreich, welches von seiner nominellen Friedenspräsenz
in der Höhe von 502 000 Mann ca. 60 000 nach e i n-
jähriger Dienstzeit entläßt, auch in dem deutschen Heer
eine ähnliche Einrichtung treffen, so könnte man, ohne

Die Arrfayrl des Kevens.
Roman von C. Wild.
3,14 18ci (Fortsetzung.)
Georgine machte eine Bewegung der Ungeduld; weshalb
dieser Mensch nur hierher gekommen war?
„Komm," sagte sie, ihn energisch beim Arme packend, „ich
führe Dich in ein Zimmer, wo Du ruhen kannst — in diesem
Zustande kommst Du doch nicht weiter."
Sie brachte ihn nach einem kleine» Zimmer, in welchem
sich ein unbenutztes Bett befand; ohne sich allszukleiden
warf sich Molitor darauf, denn er fühlte sich todtmüde.
„Wasser," bat er noch und Georgine, die ihm das Ver-
langte mit etwas Wein gemischt brachte, fühlte zu ihrem
Entsetzen, Ivie seine Hände brannten und wie sein Puls
fieberisch schlug. Wäre nicht ihre Stellung durch ihn bedroht
worden, so würde sie vielleicht eher Mitleid mit ihm gefühlt
haben, aber jetzt peinigte sie der Gedanke, daß sie durch ihn
hier in ein schiefes Licht kommen könnte, und das verletzte
bitter den Stolz der hochmüthigen Fran.
Lange noch ging Georgine in ihrem Schlafzimmer nach-
denkend auf und ab; sie hatte eine Ahnung, als ob Schweres
über sie hereinbrechen sollte, und sie fürchtete sich, denn ihre
Ktolze Zuversicht hatte sie verlassen.
In der kleinen Villa herrschte noch tiefe Stille, nur
Melitta, die eine Frühaufsteherin war, war schon ivach.
Eie hatte ihre einfache Morgentoilette beendet und wollte
in den Garten gehen, als sie auf dem Corridor ein Geräusch
wie voll Schritten vernahm.
Das junge Mädchen lauschte erstaunt. Sie bewohnte
, jenen Theil der Villa allein, denn Georgine hatte den an-
deren Flügel inne. Im Erdgeschosse schlief die Dienerschaft,
selbst Georginen's Zofe, denn die Dame liebte es nicht, ihre
; Dienerschaft stets in allzngroßcr Nähe zu haben.
Melitta blickte nach der Uhr; sollte sie sich in der Zeit

geirrt haben? Doch nein, es war noch zu früh, als daß es
Jemand von der Dienerschaft sein konnte. Das junge Mäd-
chen öffnete die Thi'ire und trat hinaus das heißt, sie wollte
hinanstrcten, denn init einem Schrei wendete sie sich wieder
in's Zimmer zurück.
Knapp vor ihrer Thüre stand Molitor, aber in einem
solchen Zustande hatte sie noch nie ihren Vater gesehen. Die
Kleidung bestäubt, zerdrückt, das Haar wirr um die Stirn
hängend, die Augen funkelnd und weit aufgerissen, ein Bild
des Schreckens und des Grauens.
Als Melitta betroffen in das Zimmer zurückwich, folgte
er ihr rasch nach. „Du mußt mich verbergen, Melitta,"
raunte er ihr geheimnißvoll zu, „sie verfolgen mich, sie wollen
mich fangen, das wirst Du doch nicht zugeben, weil ich Dein
Vater bin —" er lachte wild auf. „Dein Vater, nein, nein,
Melitta, glaub' es nicht, ich bin Dein Vater nicht, der arme
Gerhard von Molitor hat sich auf dem Grabe seiner Frau
erschossen — er hat sie io sehr geliebt, und ja,- siehst Du,"
seine wild rollenden Augen hatten das Kästchen erblickt, das
sich Melitta von Georgine erbeten, „da, in diesem Kästchen
hatte er ihr Bild — als ich ihn todt fand, trug er es auf
dem Herzen — ich gab es ihm mit ins Grab — so viel Herz
und Gefühl hatte'ich doch noch — da, da —" er nawn das
Kästchen in die Hand und schwenkte es plötzlich wiT> um
seinen Kopf, dann warf er es zur Erde — ein lauter Krach
ertönte, aber Molitor noch nicht zufrieden, setzte fest und
schwer seinen Fuß darauf, „sterbeu muß er, sterben," schrie
er, „so — so, hast Du nun genug?" Und wie einWüthender
stampfte er auf dein Kästchen umher, daß es in Trümmer
zerbarst.
Melitta zitterte am ganze» Körper, sie glaubte, es mit
einem Wahnsinnigen zu thun zu haben. Rath- und hilflos
stand sie dem Maime gegenüber, der ihr so seltsame Ent-
hüllungen gemacht hattet
Plötzlich fuhr Molitor auf.

„Ich höre Schritte," ries er, „sie kommen, sie kommen,
allein sie sollen mich nicht haben."
Er eilte dem geöffneten Fenster zu, aber ehe er dasselbe
erreicht hatte, trat Georgine ein. Mit einem Blicke übersah
sie die Situation.
Mit starker Hand packte sie Molitor und zog ihn zurück.
„Welche Thorheit," rief sie; „alles ist ruhig und sicher."
„Du meinst, Georgine, Dnmeinst,"stammelte er, während
er sich wie ein Kind hinausgeleiten ließ.
Unterdessen kamen die Dienstleute von dem Lärm auf-
geschreckt, heraufgeeilt.
Man brachte den Fieberkranken zu Bett und holte rasch
einen Arzt; Bestürzung und Erstaunen herrschte in der
kleinen Villa, in welcher es bisher so friedlich zugegangen.
Melitta blieb sich selbst überlassen. Frau Georgine hatte
sie an der Schwelle des Krankenzimmers sehr entschieden
zurückgeschoben.
„Ich selbst werde bei dem Kranken bleiben," hatte sie
gesagt, und Melitta war zurückgeblieben, halb aus Gehor-
sam, halb von dem Gefühle geleitet, als ob diese Frau wirklich
mehr Recht habe an dem Krankenbette Molitor's zu weilen,
als sie.
In ihrem Zimmer suchte sie nun eifrig die Trümmer des
Kästchens zusammen, die überall umher lagen.
Als sie den Boden des Kästchens aufhob, machte sie die
Entdeckung, daß derselbe doppelt war. Die beiden Holzflächen
hatten sich gelöst, es schimmerte weiß hindurch, und als Me-
litta dieselben nun auseinander zog, fiel ihr ein dünnes be-
schriebenes Heft entgegen. Das junge Mädchen griff hastig
danach und begann nun zu lesen.
Es war ein Tagebuch, das Tagebuch ihrer Mutter! Ge-
führt von dem Zeitpunkte an, da sie die glückliche Frau Ger-
hard's von Molitor geworden. Das lange, so sorgfältig ver-
borgene Geheimniß des Mannes, den Melitta bisher als ihren
Vater betrachtet hatte, kam an de» Tag. Melitta's Mutter
 
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