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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 141 - No. 150 (17. Juni - 28. Juni)
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Die ,/Nürgerzritrtng"
«scheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mildem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.


Jettun a.

BerkÄn-igungsblatt und Anzeiger
für Stadt und Land.

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149. s.WL-°. Heidelberg, Dienstag, 27. Juni

Expedition:
Hauptstratze28,

18S3.

Deutsches Reich.
----- Heidelberg, 26. Juni. In einer Polemik gegen
ein nationalliberales Blatt schreibt das Hamb. Leiborgan
der Fürsten Bismark: Wir glauben nach wie vor
nicht, daß die Militärvorlagc in ihrer jetzigen Gestalt
diejenige Entwickelung sichert, welche Deutschland so stark
macht, wie es zu sein vermag; wir halten im Gcgentheil
eine militärische Schwächung Deutschlands für die nächste
Folge der Annahme dieser Vorlage. Nicht ihre Ablehnung
sondern ihre Annahme dürfte sonach eine militärische
Anlockung auf das uns feindliche Ausland ausüben-
Jnnere Conflikte aber können aus der wiederholten Abe
lehnung der Vorlage nur dann entstehen, wenn die
Regierung den verfassungsmäßigen Weg
des Kompromisses verläßt und anstatt
VerständigungausanderenGrundlagen den
Conflikr sucht, nur um Recht zu behalten.
Berlin, 24. Juni. Ueber die am 4. Juli beginnende
Reichstagssession steht bis jetzt nur fest, daß der Kaiser
sie mit einer Tbronrede eröffnen wird, auf deren Inhalt
man unter den gegenwärtigen Verhältnissen mehr als sonst
gespannt ist, und daß dem Reichstage sofort die Militär-
vorlage, wenn auch nicht ganz in der Form, so doch in-
haltlich mit dem Antrag Huene übereinstimmend zugeht.
Weitere Beschlüsse über die Reichstagssession sind noch nicht
gefaßt. Die Regierung würde gern auch die Erledigung
des Reichsseuchengesetzes sehen; ob aber diese oder gar noch
andere Vorlagen dem Reichstage in dieser Sommersesston
zugehen, hängt von der Zeit ab, die er zur Erledigung
der Militärvorlagc braucht. Ergeben die Wahlen eine
sichere Mehrheit für die Vorlage, so wird die Session nur
wenige Tage dauern; ist aber die Mehrheit fraglich, oder
muß man gar erst versuchen, sie durch Verhandlungen zu
Stande zu bringen, so dauert die Session länger und die
Militärvorlage geht wahrscheinlich an eine Kommission.
Dann wäre auch Zeit vorhanden, um nebenher das
Reichsseuchengesetz und noch einiges andere zu erledigen.
Berlin, 25. Juni. Der „Reichsanzeiger" veröffent-
licht das Gesetz zur Ergänzung der Bestimmungen über
den Wucher.
Trier, 24. Juni. Zur Kaiserparade am 2. September
wird mit dem Kaiser auch die Kaiserin hier ein-
treffen.
Kiel, 24.Juni. Die Kaiserin und der Kronprinz
trafen um 8.20 Uhr hier ein und wurden von dem
Kaiser, dem Prinzenpaar Heinrich und der Herzogin
Adelheid begrüßt. Das Kaiserpaar bestieg bei der Jenscn-
brücke das Kaiserboot und fuhr zum „Hohenzollern". Die
Flotte salutirte die Standarte der Kaiserin. Bei ziemlich
starker Brise aus Südwest begann heute Vormittag um

WeSer's Meer.
Erzählung von Kuno von Wildenfels.
5,3 18 (Fortsetzung.)
„Ohrenbransen? Darüber hast Du ja noch nie geklagt,"
liebe Tante," entgegnete Auguste.
„Habe es auch bisher nie gehabt; ich hoffe daher, daß
es nur ein vorübergehendes Uebel ist, welches der Doktor
Kreistag durch geeignete Mittel leicht wieder beseitigen wird.
Er ist ja ein sehr geschickter Arzt."
„In diesem Rufe steht er," erwiederte Auguste.
„Und was noch mehr sagen will, auch ein ganz vorzüg-
licher und liebenswürdiger Mensch,,' ergänzte die Tante.
„Und," fuhr sie nach einer kleinen Pause fort, „was ebenfalls
nicht hoch genug angeschlagen werden kann, auch ein ausge-
zeichneter Gesellschafter."
Als das junge Mädchen auf diese Lobeserhebungen des
Arztes nichts entgegnete, fragte die Tante: „Findest Du das
nicht?"
„Ich kenne ihn noch zu wenig, um mir schon ein Urtheil
über ihn erlauben zu können; ich war ja gewöhnlich nicht
gegenwärtig, wenn er seine Besuche machte."
„Ei, in letzterer Zeit bist Du doch häufig mit ihm zu-
sammen getroffen; zum Beispiel erst gestern. Hat er Dich
während Eurer Promenade im Park nicht ganz angenehm
unterhalten? Ich bin davon überzeugt."
Auguste erröthete bis an den Hals und suchte ihre Ver-
legenheit durch ein tieferes Bücken und Blicken aus ihre
Stickerei vergebens zu verbergen.
„O - ja."
„Worüber unterhielt er Dich denn?"
„Worüber? O, über mancherlei."
„Ueber mancherlei! Was das für eine unpassende Ant-
wort ist, Kind! Wie kann er in so kurzer Zeit mehr als ein
Thbina berühren?"

11 Uhr die Regatta für die Kriegsschiffsbootc des kaiser-
lichen Jachtklubs. DaS Kaiserpaar schiffte sich um 10
Uhr auf dem „Meteor" ein. Das Prinzenpaar Heinrich
auf der „Irene" und der Kronprinz auf der Salonpinasse
fuhren nach Friedrichsort und gingen dort vor Anker,
um die konkurrirenden Boote passiren zu sehen.
Frankreich.
Paris, 25. Juni. Norton gestand ein, die Doku-
mente gefälscht zu haben. Er wurde heute im anthropemAri-
schen Dienst gemessen. Dieselbe Procedur sollte auch an
Ducret vorgenommen werden, auf dessen energischen
Protest an den Staatsanwalt entschied dieser den vor-
läufigen Aufschub der Messung.
Paris, 24. Juni. Carnot, der nunmehr völlig
wicderhcrgestellt ist, wird sich demnächst zu einem kurzen
Aufbalt nach Marly begeben.
Paris, 24. Juni. Millev oye übersandte heute
seine Demission an den Kammerpräsidenten.
Italien.
Mailand, 24. Juni. Gestern zogen wiederum 2000
Arbeiter vor das deutsche Consulat, indem sie socialistische
Lieder sangen und Verwünschungen gegen Deutschland
ausstießen.
Serbien.
Belgrad, 24. Juni. Die Skupschtina nahm in
erster Lesung einstimmig den Handelsvertrag mit Oester-
reich-Ungarn an. Die Einwendungen einiger Radikaler
und Fortschrittler wurden widerlegt. Die zweite Lesung
wird voraussichtlich am 28. d. M. stattfinden.
England.
London, 25. Juni. Nach einer Meldung der Times
aus der Capstadt ertheilte die Regierung der Kap-
Kolonie die Genehmigung, mehrere von den deutschen
Corvette „Arcona" kürzlich in der Walfisch-Bai ge-
landete, für das deutsche Schutzgebiet bestimmte Geschütze
durch englisches Gebiet transportiren zu dürfen.
London, 24. Juni. Kaiser Wilhelm richtete
an den Admiral Commerell ein Telegramm, in dem er
über den Untergang des Panzerschiffes „Victoria" sein
tiefstes Beileid und Mitgefühl mit Lady Tryon und deren
Kindern ausspricht._
Aus WcrH und Jern.
/V Wieblingen, 26. Juni. Der hiesige Turnverein
hielt gestern Nachmittag ein Schauturnen, verbunden mit
Concert ab und darf dasselbe als ein in jeder Beziehung
wohlgelungenes und für die Leistungen unserer Turner
das beste Zeugniß ablegendes bezeichnet werden. Die Ver-
anstaltung beschloß eine Abenduntcrhaltung mit Tanz.

Auguste warf ihrer Tante, die sich noch nie eine indis-
krete Frage erlaubt hatte, bei diesen Worten einen halb vor-
wurfsvollen,halb bittenden Blick zu.
Die Tante aber bemerkte den Blick Augusta's nicht, oder
wollte ihn nicht bemerken, sondern fuhr fort: „Duscheinst
nicht gern mit der Sprache heraus zu wollen, deshalb muß
ich auf die Bermuthung kommen, daß er Dir ein Geheimniß
anvertrant hat; hat er nicht?"
Auguste fühlte bei dieser Frage ihr Herz etwas erleich-
tert, denn sie glaubte durch die Bejahung derselben allen fer-
neren Forschungen vorgebeugt zu haben. Doch sie irrte sich.
Die Tante begann, als das Mädchen zustimmend mit dem
Kopfe genickt hatte, zufrieden lächelnd und in einschmeicheln-
dem Tone von Neuem: „Soll ich mal rathen?"
„Nun?" fragte Auguste, indem sie ihre Stickerei in den
Schooß sinken ließ und die Tante voll Verwunderung und
erwartungsvoll mit großen Augen anblickte, als wolle sie ihr
die Antwort von den Lippen vorweglesen.
„Er hat Dir eine Liebeserklärung gemacht; gerathcn?"
Das Mädchen erröthete von Neuem, nahm die Stickerei
wieder zur Hand und sagte mit leiser Stimme: „Ja."
„Und Du? wie nähmest Du dieselbe ans?" forschte die
Jnquisitorin weiter.
„Ich antwortete ihm, daß — ". Hier stockte Auguste, und
nun war die Reihe an der Tante Erwartung Augen, Mund
und Ohren zu öffnen.
„Nun?" fragte sie ungeduldig.
„Ich antwortete ihm, daß — daß mein Herz nicht mehr-
frei sei."
Das Gesicht der Tante wurde bei diesen Worten um einige
Zoll länger.
„Nicht mehr frei?" rief sie von ihrem Sitze emporschnel-
lend. „Wie? Dein Herz nicht mehr frei? Und davon wissen
wir keine Silbe? Du liebst schon? Du?"
Auguste erhob sich gleichfalls von ihrem Sitze und sank

X Rohrbach, 26. Juni. Gestern Nachmittag fand
hier die feierliche Enthüllung des Kriegerdenkmals statt.
Dasselbe wurde aus Borthaler Stein in gediegener Weise
angefertigt von Herrn Bildhauer Schmitt hier, trägt ein-
gehauen die Namen der im siebziger Krieg gefallenen
hiesigen Krieger und ist vor dem neuen Schulhaus auf-
gestellt. An der Entbüllungsfeicr bctheiligten sich außer
7 hiesigen Vereinen 11 auswärtige Militärvereinc. Im-
posant war der durch 59 weißgekleidete Festjungfrauen
gezierte Fest zug durch den Ort. An der Denkmalstätte
hielt Herr Premierlieutenant Ho fpau er aus Heidelberg
eine Begrüßungsrede, worauf unter Glockengeläut und
Böllerschießeu die Enthüllung erfolgte. Unter den An-
wesenden befanden sich u. a. auch die Herren Geh. Rath
Pfister von Heidelberg und Rittmeister Geiger. Des
Ferneren brachte Herr Bürgermeister Winter einen Toast
auf da« Vaterland au«, außerdem sprachen noch der
1. Vorstand Herr Clauer und Herr Feigenputz,
während Herr Hofpaucr die Schlußrede hielt. Nach dem
Enthüllungsakt trat die allgemeine Festfreude in ihre
Rechte und beschloß ein Ball in verschiedenen Lokalen
den schönen Festtag.
* Wiesloch, 23. Juni. Unsere Aussichten für den
93er Wein sind gut. Die Blüthe ist vorüber und dürfen
wir mit wenig Ausnahmen auf einen ganzen Herbst rechnen.
* Walldürn, 24. Juni. Der Gemeinderath beschloß
in Verbindung mit dem großen Ausschuß die Erstellung
einer Wasserleitung mit Dampfbetrieb in Höhe von
130 000 Mk. Aufwand.
* Pforzheim, 24. Juni. Der Kassirer des hiesigen
Sanitätsvereins, der Goldarbeitcr Lutz, ist wegen Verdachts
der Unterschlagung verhaftet worden. Der Fehlbetrag in
der Kasse beziffert sich auf Mk. 6000. Die Bücher sind
theilweise vernichtet.
* Darmstadt, 23. Juni. Die hessische Regierung
hat zur Linderung der Futtcrnoth 300 Waggons Torf-
streu und 3000 Sack Mais bereit gestellt.
* München, 24. Juni. Die Bahnfracht für Futter-
mittel ist neuestens um 50 Procent ermäßigt worden,
nahezu gleich den Selbstkosten.
* Meiningen, 24. Juni. Zur Steuerung der Futter-
noth hat der Herzog angeordnet, 400 Stück seiner Hirsche
sofort abzuschießen und nur 200 derselben am Leben zu
lassen, ferner, daß das Futter auf den Domänenwiesen
nach wie vor verstrichen, die Wildparke geöffnet und das
auf den Waldwiesen wachsende Futter den Futterbedürftigen
abgelassen werden soll. Von der Staatsregierung ist außerdem
verfügt worden, der Landwirthschaft mit den Erzeugnissen
des Waldes zu Hilfe zu kommen, nämlich mit Waldstreu u.
mit Abgabe von Futterersatz, soweit solchen der Wald bietet.

der Tante in die Arme. Ihr glühendes Gesicht an dem Busen
derselben verbergend, entgegnete sie mit halblauter Stimme:
„Ja, ich liebe; ich liebe Ferdinand."
„Ferdinand? Welchen Ferdinand?"
„Ferdinand Wacker."
„Unfern Schreiber?"
„Ja."
„Mädchen, bist Du von Sinnen? Ferdinand? Du, die
Tochter des Amtmanns von Storch — einen Schreiber? —
Großer Gott, wo soll das hinaus?
Wer malt das Erstaunen, ja, das Entsetzen auf dem Ge-
sichte der alten Dame und wer beschreibt den tiefen Seufzer,
der sich dann aus der tiefinnersten Brust derselben wand?
„Ja, ich liebe ihn und er liebt mich auch," hob Auguste
wiederan, „und ich bin überzeugt, daß die Eltern gegen unsere
Liebe nichts einzuweuden haben werden."
„Wenn Du das wirklich glaubtest, so hättest Du sie pflicht-
schuldigst schon längst davon in Kenntniß gesetzt," erwiderte
die Tante, welche auf diese allerdings richtige Bemerkung
vergebens eine Antwort erwartete, sich dann von ihrer Nichte
losmachtc und mit den Worten: „Geh, Du bist ein unge-
rathenes Kiud!" nach der Stnbenthür eilte.
Bevor sie aber ans dem Zimmer verschwand, rief sie dem
erschrockenen Mädchen, welches in Thrünen ihr bittend nach
schaute, uoch die einen Widerspruch in sich selbst enthaltenden
Worte zu: „Ich will nichts mehr von Dir wissen! Aberwarte
nur, wir sprechen uns weiter!"
Tie erzürnte Tante schlug mit ihrem Fortgänge die Thür
mit einiger Heftigkeit hinter sich zu, worauf Auguste ihren
Thränen freien Lauf ließ. Sie fühlte, daß der entscheidende
Augenblick, der ihr künftiges vermeinliches Glück oder Unglück
im Schooße trug, herangekommen sei.
Mit beklommenem Herzen begab sie sich einige Stunden
später, die sie mit Einübung einiger Etüden am Clavier ver-
brachte, in den Speisesaal zum Abendessen. Auguste glaubt«
 
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