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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 61 - No. 70 (12. März - 23. März)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die »^Vürgerzeitung"
^scheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Her Sonntagsnummer liegt ein Unter-
daltungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
Mmor. Repräsentanten „Der dentsche
Michel" bei.

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für Heidelberg: monatl- 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
viertcljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
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68.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Heidelberg, Dienstag, 21. März

Expedition:
Hauptstraße 25.

18S3.

Der Abonnementspreis
für die
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beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
Monatlich nur 40 Pstj.
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durch den Briefträger frei in's Aaus gebracht:
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^Agebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Neu hinzutretendc Abonnenten erhalten die „Bürger-
leitung" bis Ende des Monats unentgeltlich.

_Verlag der „Bürger-Zeitung".
Kleber unser e politische Luge
treibt u. A. das „Deutsche Wochenblatt":
. Die Militärs orläge, welche von der Commission
Reichstages mit großerMebrheit abgelehnt ist,
Zrd aller Voraussicht nach auch im Reichstage selbst fallen,
dann? Das ist die Frage, von deren Beantwor-
die Zukunft des Vaterlandes abhängt.
Durch die Nation gebt unverkennbar eine linde
.Zörnung, welche die Bewilligung der für die Verthei-
Lung des Vaterlandes nothwendigen Opfer wünscht.
Z wäre aber eine außerordentliche und verbängnißvolle
Eibsttäuschung zu glauben, daß wie bei der Ablehnung
Septennats durch Neuwahlen eine veränderteZusammen-
j^ung des Reichstags erzielt werden könnte. Das Kar-
. ist zerschlagen und die Nationalliberalen befinden sich
Zl Seite der Ablehnenden. Die Conservativen beider
Mctionen sind verstimmt über die Gcsammtpolitik des
ih'chskanzlers und wenn sie auch entschlossen sind, trotz
abweichenden Ansichten namentlich in Bezug auf
^Verkürzung der Dienstzeit die Hceresvorlage zu be-
^igcn, so sind doch auch hier so viele Bedenken in
Vielheiten vorhanden, daß man nirgends in eine unter
Zsi Namen des gegenwärtigen Reichskanzlers beginnende

Schicksusswege.
Novelle von C. Fontane.

(Fortsetzung.)
i§s war schon spät, als sie den Heimweg antraten.
HZ Herrn Hagenrorffs Anordnung nahmen Hedwig und
den Hinteren Sitz des Schlittens ein, während er
auf den Vordersitz setzte und und die Zügel führte.
^.Kutscher hatte er schon am Nachmittage nach Hause
b§s war eine schöne klare Mitternacht. Der Mond
si/^ete weithin die blendend weiße Ebene und ließ
ig ^chnee-Krystalle, welche von den Hufen der Pferde
krs^ . Höhe geschleudert wurden, wie blinkendes Silber
Bitten.
Hedwig hatte den Schleier zurückgeschlagen, ihre
hauten waren von der scharfen Winterluft rosig ange-
und das Licht des Mondes fiel voll und klar
Gesicht. Friedrich beobachtete sie mit Interesse,
schön in dieser seltsam flimmernden Beleuchtung,
fix Zehr er seine Cousine kennen lernte, um so mehr zog
an, und doch war es ein ganz anderes Gefühl,
Zfinigc, welches ihn an Frida von Brandau fesselte,
»af 'Zidas Nähe wallte es heiß und stürmisch in ilm
o^' .Worte drängten sich auf seine Lippen, die nicht
trj^fwechen waren, und wenn er sie verlassen hatte,
hks 'hu eine peinvolle Unruhe zweck- und ziellos um-
tha'. ^r Umgang mit Hedwig dagegen wirkte wohl-
° und besänftigend auf ihn. Er war sehr gern in

Wahlbcwegung mit derjenigen Begeisterung eintreten
würde, welche die Voraussetzung für Erfolge ist.
Wir befinden uns gegenüber drei gleichschwerwiegenden
Thatsachen. Eine Heeresvermebrung ist nothwcndig, die
hierauf zielende Vorlage ^wird im Reichstag abgelehnt,
und eine Berufung an das Volk wäreein ver-
hängnißvoller Fehler, denn der neue Reichstag
würde unzweifelhaft militärischen Forderungen noch ab-
lehnender gegenüberstehen als der jetzige.
Wie ist aus dieser Situation herauszukommen, in
die wir gerathen find, weil der Reichskanzler ohne ge-
nügend cKen ntnißder parlamentarischen Lage eineVor-
lage cinbrachte, deren Ablehnung von vornherein feststand?
Der Weg der Hceresvorlage des Grafen von Caprivi
hat sich als ungangbar erwiesen; sollte es aber nicht
möglich sein, das für die Vertheidigung des Vaterlandes
Nöthige auch auf anderen Wegen zu erreichen! Warum
sind bisher alle Militärfordcrungen durchgesetzt? Weil
ein allseitiges Vertrauen der Nation zu den leitenden
Männern bestand. Dieses Vertrauen fehlt jetzt und muß
wieder hergcstellt werden, dann wird sich auch der Reichs-
tag gefügig zeigen, oder die Wähler werden wie 1887
ihr Urtheil fällen. An die Stelle einer widerspruchs-
vollen, schwächlichen und schwankenden Po-
litik nach innen und außen muß eine selbstbewußte,
starke, einheitliche Leitung der Staatsg cschäfte
treten. Das bloße Gehenlassen ist auf die Dauer nicht
erträglich, unsere wirthschaftlichen Verhältnisse bedürfen
eines Eingreifens mit starker Hand, die agrarische Be-
wegung ebenso wie die sozialdemokratische und antisemitische
legen Zeugniß ab von der tiefgehenden Un-
zufriedenheit im Volk. Diese zu beseitigen muß
die erste und wichtigste Aufgabe der Regierung sein, und
die Männer, welche dies vermögen, müssen gefunden
werden, sonst stände es traurig nut unserer Nation. Auch
in der auswärtigen Politik ist Deutschland unter seiner
gegenwärtigen Leitung nicht mehr auf der Höhe
der Machtstellung geblieben, welche wir zwei Jahr-
zehnte hindurch inne hatten. Infolge dessen nehmen
unsere Verbündeten uns gegenüber, trotz des Tributs, den
wir ihrer Freundschaft mit den Handelsverträgen zahlten,
eine viel weniger zuverlässige Stellung ein, wie früher.
Immer wieder kommen Gerüchte über eine österreichisch-
russische Annährung und immer z w e i fe l h a s ter
wird das Festhalten Italiens am Dreibund.
Freilich soll hierzu für Italien der Anstoß von Berlin
selbst ausgehen, insofern als bei einer erneuten Verstän-
digung zwischen Wien und Berlin diese zunächst ohne

ihrer Gesellschaft und erfreute sich an ihrem ruhigen,
klaren Wesen.
Hedwig unterbrach seine Reflexionen, indem sie sich
umwandte:
„Du bist so schweigsam, Fritz. Hast Du Dich denn
gelangweilt?"
„Oder hast Du Dein Herz in Golzow zurückgelassen?"
setzte der Onkel zurückblickend hinzu.
„Keins von Beiden. Ich habe das angenehme Ge-
fühl, einen recht frohen Tag verlebt zu haben, und was
mein Herz betrifft — nun, in Golzow ist es jedenfalls
nicht zurückgeblieben."
„Warum sagst Du das mit so eigenthümlicher Be-
tonung?" fragte Hedwig. „Die Golzow'schen jungen
Damen sind doch gewiß hübsch und liebenswürdig genug,
um einen jungen Mann anziehen zu können."
„Ich will das durchaus nicht in Frage stellen. Es
wollte mir sogar vorkommen, als ob der Inspektor dieses
Gutes der Jüngeren gegenüber diese Erfahrung schon
gemacht hätte."
„Ei, sieh doch, was für ein aufmerksamer Beobachter
Du bist," rief Herr Hagendorfs.
„Es wird Dich übrigens interessiren," fuhr Herr
Hagendorfs zu Hedwig gewendet fort, „daß der Inspektor
gekündigt hat."
„Das wird die arme Helene betrüben, welchen Grund
gibt er an?"
„Einen sehr vernünftigen. Er hat dem Vater offen
gestanden, daß er seine Tochter liebe, er sehe aber ein,
daß er als mittelloser Inspektor nicht mit einer Bewerb-
ung um die Tochter des reichen Gutsbesitzers hervorteten

Heranziehung Italiens eingeleitet wurde. Als man damit
fertig war, wendete man sich in herablassendem Tone und
in der Art eines in conservativen Prinzipien erstarkten
Grandseigneurs an das von einer Parlamentsregierung
abhängige Italien, welches durch diese Behandlung im
Dreibunde so weit verletzt wurde, daß es sich veranlaßt sah,
für den Ernstfall und die hierdurch mög-
liche Bedrohung des Mittelmeeres eine
Rückendeckung bei Rußland zu suchen. Es soll
sogar bereits ein Vertrag abgeschlossen, und dies dürfte
der wahre Grund für die Reise des Kaiserpaares nach
Rom und für die auffallend ergiebige und liebenswürdige
Publizistik sein, welche seitens unserer Regierung über
diese Reise schon heute verbreitet wird. Wenn Deutschland
allen Gefahren gewachsen sein soll, bedarf es nicht zuerst
eines starken Heeres, sondern vor allen Dingen einer z u-
friedcnen und wohlhabenden Bevölkerung,
die unverbrüchlich zu Kaiser und Reich hält. Conflicte
duldet,so wenig unsere innere Lage wie unsere aus-
wärtige Politik.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 18. März. Mit dem Kurszuge 11
Uhr 16 Min. begaben sich der Großb erzog und die
Großherzogin nach Baden-Baden zum Besuche der
dort weilenden Königin in Sachsen und der Fürstin
Josephine von Hohenzollern. Am Nachmittag kehrten die
Herrschaften wieder hierher zurück.
Berlin, 18. März. Der Abg. Menzer bat mit
Unterstützung von Abgeordneten seiner Partei folgende
Interpellation im Reichstage eingebracht: „Beab-
sichtigen die verbündeten Regierungen angesichts des im
letzten Jabre überraschend zu Tage getretenen Rückganges
des deutschen Tabakbaues demnächst gesetzgeberische
Maßregeln vorzuschlagen, die geeignet sind, diesen Rück-
gang und den damit unabweisbar verbundenen Ruin
weiter Kreise unserer deutschen Tabakbauern aufzuhalten?"
Berlin, 18. März. Gestern fand bei dem Reichs-
kanzler eine Abendgesellschaft statt, der außer
dem französischen Botschafter, dem serbischen und dem
brasilianischen Gesandten und zahlreichen Officieren die
Vicepräsidenten des Reichstags Graf Ballestrem und Baum-
bach, ferner die Abgeordneten Dr. Lieber, Koscielski,
Donimirski, Bennigsen, Schneider (Hamm), v. Keudell
und Manteuffel beiwohnten.
Berlin, 18. März. Die officiösen „Berl. Polit.
Nachr." schreiben: Seit einigen Tagen ist die Rede davon,
daß mehrere Ossi eiere in höheren Commando-

könne, und ziehe es deshalb vor, zu gchen. Ob Helene
seine Liebe erwidere, wisse er nicht, er wolle ihren Frieden
nicht stören. Der Alte hat ihm geantwortet, was er ihm
meiner Ueberzeugung nach antworten mußte: „Sie sind
ein Ehrenmann. Gehen Sie denn in Gottes Namen
und erringen Sie sich eine selbständige Existenz. Wenn
Sie im Stande sein werden, eine Frau zu ernähren,
sei es auch in bescheidenen Verhältnissen, und Ihre Ge-
sinnungen sind dann noch dieselben, dann kommen Sie
zurück. Wenn das Mädchen Sie will, werde ich nicht
Nein sagen."
Friedrich hatte mit Spannung zugehört. Die Worte
des Onkels ließen sich ja auch auf seine Lage anwenden.
Wenn er auch seine Verbindung mit Hedwig wünschte,
so konnte er doch nach seinen soeben entwickelten Ansichten
eine Bewerbung gewiß nicht eher erwarten, als bis der
Neffe auf seinen eigenen Füßen stand und seiner Unter-
stützung nicht bedurfte. Dieser Gedanke gab ihm eine
gewisse Beruhigung.
Der alte Herr plauderte weiter und Friedrich nahm
nun lebhaft an der Unterhaltung theil.
Als der Schlitten vor dem Hause hielt, sprang er
rasch heraus, und ehe Hedwig ibm folgen konnte, um-
faßte er sie und hob sie leicht herab. Sein Herz schlug
doch schneller bei der nahen Berührung, und auch Hedwig-
erröthete leicht, während sie scherzend sagte:
„Nicht so stürmisch, Herr Petter!"
Die Woche, welche Friedrich für seinen Besuch be-
stimmt hatte, war schnell vergangen. Das Verhältniß
zwischen ihm und seiner/Cousine hatte sich mehr und mehr
zu einem vertraulichen, echt geschwisterlichen gestaltet. Er
 
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