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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 41 - No. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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Die »^Vürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
haltungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

VerkLndigungsblatt und Anzeiger
für Stcröt und Land.

Aboilnemerrtspreis
sür Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägcrlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Ml. 1.— ohne Zustellgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatanzeigeu 5 Pf.

Heidelberg, Samstag, 18. Februar

1893.

Expedition:
Hauptstraße 25,

Expedition:
Hauptstraße 25.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
betragt
monatlich nur 49 Pfg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
ohne Zustellungsgebühr.
MMe— Jedem Abonnenten, der sich als
solcher auslveift, ist das Recht
ein geräumt, monatlich je eine die
Bedürfnisse -es Haushaltes betreffende
'Anzeige (Familienanzeigen, Dienstboten-
gesuche, Wohnungsanzeige u. s. w.) bei
uns anszugeben. Diese Aufnahmen ge-
schehen stets unentgeltlich.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Post innerhalb der Stadt durch unsere
Träger entgegengenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
O, welche Lutt, ein deutscher Burger
;u sein!
Ein Wort zur Beherzigung.
Wir wiederholen zunächst unsere gestrige Mittheilung:
Vom Obcrstlieutenant Stöber in Kitznngen erbielt der
Reserveoffizier Harasser den Befehl, das Vorstandsamt bei
der dortigen Turngemeindc n i e der zu l eg c n. Köstlich
ist die Begründung der Aufforderung. Jener Oberst-
lieutenant sagt: „In einem Turnvereine befänden sich
viele junge Leute, die im Militärverbandc flehen und
>n diesem Verbände Gemeine oder Unteroffiziere seien. Als
Vorstand eines Vereins sei jedoch ein Reserveoffi
Her gezwungen, freundschaftlichen Umgang mit den
Mitgliedern zu pflegen. Dies sei aber eines Reserve-
offiziers unwürdig, namentlich wenn sich unter den
Mitgliedern Leute befinden, die ihm im Militärdienste
Untergeordnet sind."
Was soll man dazu sagen? Zunächst nichts anderes
uls: Deutschland fehlt es an einer Presse und zwar
^r allen Dingen an einer solchen, die mit gebührlicher
Schärfe einem graß überhand nehmenden Militarismus !

gegenüber für das Lasttbier unserer Zeit, für ein em-
pörend behandeltes, schmählich verachtetes Bürgertbum
in die Schranken tritt! Ist der deutsche Bürger eines
anmaßenden Soldatenthums wegen da, oder ist dieses um
des Bürgentbums willen da? Wer trägt und erhält das
Soldatenthum, wem bürdet man obne Weiteres Millionen
um Millionen auf die Schultern? Erst kommt bei
uns der Bürger und dann in zweiter Linie
erst das dienende, vom deutschen Bürgerthum
unterhaltene und ernährte Soldatenthum!
Niemals und nimmer anders! Uns imponirt dieses nur
als ein dienendes und lediglich nur aus Gründen
einer leidigen Nothwendigkeit unterhaltenes und er-
nährtes Glied unserer Lebens- und Staatsordnung, aber
ein Soldatenthum, das über uns berrsch en, uns von
oben herab ansehen will, kennen wir nicht! Leider,
daß in dem Deutschen Klein- und Durcheinandergetriebe
eines schädlichen Parteiwesens kein einheitlicher Widerstand
gegen diesen immer schlimmer sich geberdenden Säbelhoch-
mutd gestalten kann. Leider, daß die deutsche Presse —
deutsch gesagt — in hundert Fällen solch offenen Ver-
kehrtheiten und Ungerechtigkeiten gegenüber zu feig ist und
oft sich charakterlos erweist wie unser ganzer Zeitgeist.
Wollte Gott, daß es bald anders und besser werde.
Ist es nicht genug, daß Millionen aus dem deutschen
Bürgerthum sich jahrelang, oft unter dem empörendsten
Behandlungen (in den Mund spucken, schimpfen,
schlagen u. dgl) sich „drillen" lassen zum Besten eines
„theueren" Vaterlandes, ist es nicht genug, daß der deutsche
Bürger sich immer wieder bereit finde! zu neuen Friedcns-
und Kriegslasten, sollen sich diese Millionen auch noch
in ibrem bürgerlichen Leben behänden lassen, als seien
sie die dumme Heerde, der man verächtliche Fußtritte ver-
setzt? Würde sich ein einziger deutscher Bürger einem höheren
Militär gegenüber je eine Mißachtung und impertinente
Geringschätzung erlauben wie es jener Oberstlieutenant
Stöber und Andere sich erlauben? Niemals! Doch
genug, es sei nur nochmals wiederholt: Erst kommt
das deutsche Volk, das deutsche Bürgerthum
und dann erst — der Militarismus! So muß
es sein, so muß es bleiben und so zu denken, muß der
träge Theil der Nation — lernen, denn leider dieser
denkträge Theil ist es, der jenem die Hörner groß wachsen
und sich stoßen läßt. Hätte unser deutsches Bürgerthum
allezeir nur zur Hälfte jenen stolzen Bürgergeist be-
sessen, der ;. B. das vielverspottetc englische Krämervolk
beseelt und der unserere Vorfahren zu glorreichen Kämpfen
Kämpfen gegen den Uebermuth geistlichen und weltlichen

In schwerem WeröcrchL.
^0 Criminal-Novclle
von Reinhold Ovimann.
(Fortsetzung.)
Braunfels wollte etwas erwidern, aber ein Geräusch
Anter seineni Rücken veranlaßte ibn, sich umzuwenden;
^uisc hatte sich vollständig erholt und d'Hervillys letzte
Worte vernommen. Mit einem Blick, in welchem sich
Hoheit eines beleidigten Weibes, gepaart mit tiefster
Verachtung aussprach, überflog sie die vor ihr stehende
Auppc und machte dann Miene, sich wortlos aus deni
fiiinmer zu entfernen. Das Rauschen ibreS Kleides hatte
Vtaunfels aufmerksam gemacht; im nächsten Augenblick
er an ihrer Seite und bot ibr schweigend den Arm,
sie zu geleiten.
Louise wendete die Augen nach einer anderen Rich-
Zflg und tbat, als bätte sie ihn gar nicht bemerkt. Er
sich auf die Lippen und folgte ihr durch das Vor-
lsAmcr bis auf den Treppenabsatz. Dort aber wendete
stch plötzlich nach ihm um und ihre schönen Augen,
r'e sich mit bitterem Vorwurf aut sein Antlitz richteten,
^Wammen in Thränen.
»Warum verfolgen Sie mich noch weiter, Herr von
vaunfels?" sagte sie mit bebender Stimme. „Glauben
'o etwa, daß es Ihnen zum zweiten Male gelingen
urein Vertrauen zu täuschen und mich in eine
dere Falle zu locken?"
Wie von einem Schlage getroffen, wich der- Assessor
surucf. ' '

„Fräulein Weiß? also das — das glauben Sic
von mir?"
„Kann ich denn anders? — Vermögen Sie etwa
zu behaupten, daß Sie nicht gewußt batten, was mir
hier bevorstand? Können Sie es als Mann von Ehre
vielleicht in Abrede stellen, daß es nicht vielmehr ge-
rade Ihre Absicht gewesen ist, diese entetzliche Scene der
beizufübren?"
„O, fragen Sie nicht sc, Fräulein Weiß! — Ich
kann in diesem Augenblick nichts behaupten und nichts
widerlegen; aber vertrauen Sie mir nur noch wenige
Stunden, nur noch bis morgen früh und Alles wird
Ihnen dann erklärlich sein, Alles in einem anderen Licht
erscheinen."
Louise lächelte trübe.
„Ich fürchte, die Anforderung, die Sie da an mich
stellen, ist zu groß für meine Kräfte. Noch kaum vor
einer Stunde sagten Sie mir doch, die Mission, die
ich dort oben in jenem Zimmer zu erfüllen hätte, stünde
im Zusammenhang mit der Rettung meines Bruders,
und nun —"
Die bervorquellenden Tbränen erstickten ihre Stimme
und sie drückte das Taschentuch vor die Augen, um das
krampfhafte Schluchzen zu verbergen, in welchem sich der
lange zurückgehaltene Schmerz endlich Luft zu machen
suchte. Braunfels schritt in einer an Verzweiflung
grenzenden, Verlegenheit an ihrer Seite. Die Treppe
war durch einen glücklichen Zufall völlig menschenleer,
aber im nächsten Augenblick mußten sic das Vestibüle er-
reichen und bei der Menge der dort angesammelten
Domestiken und Gaffer konnte Louisens aufgeregte Er-

Adels stählte, so wäre heute in Deutschland vieles anders
und — besser! Freilich der große, aber doch schon
bald ausgeschlafenc Erfolgsrausch von 1870 hat auf zahl-
reiche Bürge; so verwirrend gewirkt, daß sie in dem bunten
Kleid des „Reserveoffiziers" etwas Heiliges erblicken;
und das Bürgerthum hat oft durch lächerliche Selbst-
erniedrigung vor dem hohlen Hochgefühl eines Mitbürgers,
der das Recht hat zum Kaisersgeburtstag ein Schwert an
seine Linke zu gürten und den bequemen Bürgerhut mit
dem drückenden Helm zu vertauschen, nicht wenig dazu
beigetragen, den Herren Sommeroffizieren oder „Acht-
wochenlieutenants", wie sie der Volksmund nennt, die
Ueberzeugung beizubringen, daß sie mit dem Scheitel den
Himmel berühren dürfen.
In jenem Fall, in dem dem Bürgerthum der rohste
Schlag in's Gesicht versetzt wird, müßte ein echt deutsch-
bürgerlich Denkender, dem Vermögens mitande zufällig
zum „Rescrvelieutenant" verhalfen, nur eine Antwort baben
und zwar die: Falls ihr mir befehlen wollt, den Bürger-
stand, zu dem ich selb.r gehöre, gering zu schätzen oder
zu verachten, so danke ich quittirend hiermit bestens sür
die Ehre, die man mir für meine Zeit und mein Geld
hat zu Theil werden lassen." So müßte es sein,
natürlich ist es nicht. Ein Fall wie jener dürfte vom
Bürgerthum, nein, vom ganzen Volk nicht achtslos hin-
genommen werden und warum nicht? Einmal ist
Aelnliches schon zu ost dagewesen, anderseits liegt eben
nichts anderes darin als eine unlogische, widerwärtige
Ueberhebung des „Webrstandes" über den —- „Nähr-
stand." Kurzum, es bleibt unter allen Umständen zu
bedenken: Zwischen Militarismus und Volksthum eine
Kluft schaffen, heißt sündigen wider Einheit und Bestand
eines ganzen Staates. Dabei entschuldigt ein Bißchen
„Disziplin" oder „Subordinaiiou" nicht einen Deut, um
so weniger da irgend eine Nationalität ohne gedrillte
Hunderttausende ebenso noch denkbar ist, wie ein Staat
mit lauter Militär die purste Unmöglichkeit wäre.

Deutsches Reich.
Berlin, 16. Febr. Der Kaiser reiste mit dem
Prinzen Heinrich gestern Abend um I ! Uhr 20 Min.
mittels Sonderzugs nach Wilhelmshaven ab.
Berlin, 16. Febr. In der gestern Abend in der
Viktoria-Brauerei stattgehabten, von etwa 1000 Personen
verschiedener Parteirichtungen besuchten Versammlung
sprachen Professor Delbrück, Adolf Wagner und General
Boguslawski für die M i litär v o rla g e. Die Versamm-
scheinung nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen. Dort
konnte er also unmöglich daran denken, ihr eine Erklär-
ung seiner Handlungsweise zu geben; seine Begleilung
auf dem Heimwege durfte er nach dem, was vorgefallen
war, ihr gleichfalls nicht mehr anziibieten wagen. Wenn
er sich daher ihre Verzeihung erringen wollte, so mußte
es auf der Stelle geschehen, so lange nicht das Ohr
eines unberufenen Horchers jede Möglichkeit eines Ge
ständnisses abschnitt.
Mit einem raschen Entschluß legte er seine Hand
auf irren Arm und hielt die hastig vorwärts Eilende
zurück.
„Fräulein Weiß, Alles, was ich Ihnen vorhin ge-
sagt, ist vollständig wahr. Nur uni Ihres Bruders
willen baben wir diesen Weg unternommen und nur
um Ihres Bruders willen habe ich Sie hier einer An-
fechtung ausgesetzt, der indessen durch meine Gegenwart
jede Gefahr benommen war. Der Mann, der es soeben
gewagt hat, Sie zu beleidigen, steht im engsten Zusammen-
hang mit der Affaire, die Joren Bruder ins Gefängniß
gebracht bat, denn er ist Derjenige, der an seiner Stelle
dort sitzen müßte."
Geisterbleich, mit weit aufgerissenen Augen starrte
Louise Braunfels an.
„Um Gottes willen," stammelte sie, „das soll doch
nicht heißen, daß er - - ."
„Daß er der wirkliche Mörder ist, ja! — Erschrecken
Sie nicht, mein Fräulein! Sie sehen, daß Sie sicher und
ungefährdet aus seiner unangenehmen Gesellschaft wieder
entkommen sind — und ich bosfe, daß Sie jetzt auch
zum Tbeil wohl begreifen werden, warum ich Ihnen
 
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