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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 131 - No. 140 (6. Juni - 16. Juni)
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Verkün-igungsblatt und Anzeiger

Die,ZSürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
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Heidelberg, Sonntag, 11. Juni

1«S3.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Expedition:
Hauptstraße 25.

NE" Erstes Blatt. -HW
Jur Steuerfrage.
Als Spielball wird namentlich von den Mittelparteien
den Wählern jetzt die Steuerfrage vorgehalten, um die
Aufmerksamkeit von der Hauptsache, der Quelle aller neuen
Steuerprojecte, nämlich von der Militärvorlage abzulenken.
Zutreffend schreibt die „Nationalliberale Corresp."
daß die Regierung in der kurzen ersten Reichstagsscsston
mit Deckungsvorschlägen über die Kosten der Militär-
vorlage überhaupt jedenfalls nicht bervortre-
ten werde. Steuervvrlagen würden für den Fall des Zu-
standekommens des Militärgesetzes der Herbstsesston Vor-
behalten bleiben. Vorübergehende Fehlbeträge müßten
einstweilen durch Matrikularbeiträge gedeckt werden. Auch
darin hat die „Nat.-lib. Corresp." Recht, daß, wenn sich
eine Mehrheit für die Mililärvorlage findet, sich noth-
wendig auch eine solche für Deckung der Kosten finden muß.
Alles, was daher jetzt geredet wird von Vedingnngen
in Bezug auf die Deckung der Mehrkosten, an welche
man die Zustimmung zur Militärvorlage knüpfen will, ist
deßhalb eitel Humbug und nur dazu bestimmt, den
Wählern Sand in die Augen zu streuen. Die neuge-
wählten Abgeordneten werden unmittelbar nach den
Wahlen vor die Frage gestellt werden, ob sie den Antrag
Huene mit seiner Präsenzerhöhung um 90 000 Mann
annehmen wollen oder nicht. Man kann mit Sicherheit
erwarten, daß alle diejenigen, welche mit einer bestimmten
Antwort in die Beziehung ausweichen und sich dafür in
allerlei volksthümlichen Redewendungen über die Steuer-
frage ergehen, im entscheidenden Augenblick für den An-
trag Huene saus pstrnoo ihre Stimmen obgeben.
Einzelne Zeitungen machen ein besonderes Wesen
daraus, daß in einer officiösen Corrcspondenz vor zwei
Tagen geschrieben wurde: „Schon jetzt aber halten wir
es für sicher, daß die Verdoppelung der Brau steuer
nicht wiederkehren wird." Wer unter dem „wir" zu
verstehen ist, welcher dergleichen für sicher hält, wird in
der officiösen Korrespondenz natürlich nicht gesagt. Warum
hat man denn sonst auch Officiöse? Reichskanzler Graf
Caprivi hat beim Beginn seines Amtsantritts offen er-
klärt, daß man die officiöse Presse nicht entbehren könne,
um gewisse Ansichten in das Publikum zu lanciren, die
man nachher wenn es der Regierung nicht mehr passe,
ohne weiteres dementiren könne.
Ebenso wie jetzt officiös erklärt worden ist, daß die
Verdoppelung der Brausteuer nicht wiederkehren wird, ist
fei erlich noch Ende Mai im „Reichsanzeiger" nichtamtlich
das gerade Gegentheil versichert worden. Ausdrücklich

schrieb der „Reichsanz." damals, daß die Regierung nicht
beabsichtige, dem aufgelösten Reichstag vorgelegten Steuer-
gesetzentwürfe zurückzuziehen. Im Gegentheil, die Re-
gierung habe bedauert, in Ermangelung einer Commis-
sionsberathung keine Gelegenheit gehabt zu haben, den
größeren Theil der gegen die neuen Steuern erhobenen
Einwendungen zu entkräften.
WaS ist nun die Wahrheit? jene officiöse Er-
klärung des „Reichsanzeigers" oder die officiöse Erklärung
in einigen Provinzialblättcrn. Aendcrt die Regierung
überhaupt innerhalb acht Tagen ihre Finanzpolitik oder
hat sie überhaupt keine feste Finanzpolitik?
In der letzten officiösen Erklärung heißt cs, es sei
kaum daran zu denken, den größten Theil der Kosten-
summe aus der besonderen Besteuerung des Aufwandes
der reicheren Klassen zu decken." Da nun die Kosten-
summe sich fortdauernd aus 60 Millionen Mk. beläuft,
so würden also mehr als 30 Milloncn Mark
auch nach dieser Andeutung nach wie vor durch B e-
steuerung des allgemeinen Verbrauchs zu
decken sein.
In welcher Weise kann dies geschehen? Will man
etwa das Salz höher besteuern? Eine Erhöhung der
Zuckerst euer ist ausgeschlossen nach der Art des erst
1891 zu Stande gekommenen Kompromißgesetzes. Oder
will man auf eine höhere Tabakbesteuerung zurück-
greifen? Dagegen haben sich jedenfalls alle Interessenten
der Tabakindustrie jetzt schärfer vorzusehen als dies noch
vor einigen Wochen nöthig war.
Oder will man den Ausfall aus dem Verzicht auf
das Brausteucrgesetz im Betrage von 32ffz Millionen
Mark decken durch eine erhöhte Belastung des Brannt-
w ei »Verbrauchs? Da die in dem vorgclegten Brannt-
weinsteuergesetzentwurf vorgesehenen Erhöhungen sich auf
Illffz Millionen Mark mehr belaufen, so würde es sich
dann um eine Mehrbelastung des Branntwein-
konsums von im Ganzen 451/2 Mil li 0n en Mk.
handeln. Nachdem der Bundesrath es abgelebnt hat,
die Liebesgaben der Brenner auch nur um ein Viertel zu
ermäßigen, muß angenommen werden, daß die Negierung
auf die Gewinnung von Mehreinnahmen in anderer Weise
ausgeht.
Für uns unterliegt eS schon heute keinem Zweifel,
daß, wenn irgendwie der neue Reichstag dadurch aus-
fällt, das Branntwein m onopolproject so-
gleich auf der Bildfläche als Regierungsvorlage
erscheinen wird. Finanzminister Miquel hat jetzt seine
preußischen Staatspläne nahezu unter Dach und Fach ge-
bracht, und nun kann der nationalliberale Minister für
neue Steuern seinen Steuerenthusiasmus ganz und un-

getheilt dem Reiche widmen. Gerade ein Branntwein-
monopolproject ermöglicht cs Herrn Miquel, seine fiska-
lische Plußmacherci zugleich zu verbinden mit seinen
agrarierfreundlichen Liebhabereien. Die Agrarier wünschen
ein Branntweinmonopol, weil sie davon bei Normirung
de« Ankaufpreises für Spiritus seitens der Monopolvcr-
waltung aus den Gutsbrennereien fortgesetzte und wo-
möglich von Fahr zu Jahr im Verwaltungswege erhöhte
Liebesgaben sich versprechen. Noch am 17. Januar 1893
erklärte im Reichstag der konservative Abg. Nhden: „Nach
unserer Meinung ist es jetzt angezeigt, die Branntwein-
steuer auf der Basis eines Rohmonopols ins Leben treten
zu lassen. (Sehr richtig! rechts.) Der Verein der
Spiritusfabrikanten Deutschlands hat erst vor Kurzem
eine Resolution im Sinne des Monopols gefaßt. Das-
selbe ist geschehen seitens des Vereins bayerischer Spiritus-
und Branntweinproducenten, welcher in engster Fühlung
steht mit dem bayerischen Finanzminister v. Riedel.
Also vorgesehen, Ihr Wähler! Laßt nicht
durch Erörterung über allerlei kleine und kleinliche Lurus-
steuerprojecte, Eure Aufmerksamkeit abziehen von „der
Finanzmaßregel in gr 0 ßemSti l", welche geplant wird.
Die großen Summen, welche die Durchführung der
Militärvorlage erfordert, können nur durch Verteuerung
von Artikeln des Massenverbrauchs innerhalb des Reichs-
haushalts beschafft werden.
Wer solche Vertheuerung nicht wünscht,
der kann auch nicht für die Militcirvorlage
st immcn. _

Deutsches Reich.
Heidelberg, 10. Juni. (Soci a ld emokra
ti s ch e Vers a mm l un g a m 8. Juni imZwinger.)
Am 8. d. Mts< sand im Saale zum Zwinger eine stark
besuchte Wählcrversammlung der socialdemokratischen Partei
statt. Obschon der Vortrag des Redners, Hrn. Dolinsky
aus Berlin, zwei volle Stunden in Anspruch nahm, so
folgten die Hörer doch mit großer Aufmerksamkeit. Das
ist das Erfreuliche in trüber Zeit: der Ernst, mit dem
solche Volkskreise nach politischer Bildung ringen und
Mühe nicht scheuen. Herr Dolinski erklärte zunächst die
letzte Rede des Großherzogs von Baden, er citirtc gegen-
über den Meinungen des Fürsten, dessen Liebe zur Philo-
sophie bekannt sei, Aussprüchedeutscher Philosophen, die nach
anderer Richtung hin ins Gewicht fallen. Es folgten
dann sehr beachtenswerthe Darlegungen über das Miliz-
system, als dem System, welches die höchste Leistungsfähig-
keit im Dienste des Vaterlandes mit dem geringsten
Kostenaufwand vereinigt und allein den Frieden verbürgt.
Dann ging der Vortragende in eine detaillirte Besprech-

Kieöeszauöer.
Erzählung von Wilhelm Appelt.
4,1 18 1.
Tief drunten im südlichen Ungarn herrschte an einem
schönen Julitage des Jahre? 1716, zur Zeit der wilden Tür-
kenkriege, im Lager des christlichen Heeres lauter Jubel, so
daß dasselbe mehr einem Kirchweihfeste als einem ernsten
Kriegslagcr glich; galt es doch die vor einigen Stunden an-
gekommenen deutschen Hilfstrnppcn freudig zu begrüßen, um
ihnen zu zeigen, wie hochwillkommen sie seien.
Als die Wogen der Lust und Freude bereits recht hoch gin-
gen, brachte ein ungarischer Edelmann unter lauten Eljen-
rnscn eine ziemlich starke Zigcuncrbande daher, deren männ-
licher Theil mit den friedlichen Waffen der Geigen, Cymblen
und Querpfeifen versehen war. Gleich darauf erklang ein
feuriger EzardaS, während die halbnackten Kinder sich bettelnd
im Lager berumtrieben, die braunen Zigeunerinnen aber die
Kunst des Wahrsagens übten, wobei die Jüngeren die meiste
Gnade fanden, so daß es ihnen weder an Geld, noch Speise
und Trank mangelte.
Es war ein eigenes, ungewohntes Bild für die deutschen
Hilfslruppen, das ihnen dasLagerleben nun gewährte, wel-
ches die sich bereits zum Untergänge neigende Sonne mit roth
goldigem Glanz umfluthete. Und hinter demselben zog sich
die endlos weite Pußta in unabsehbarer Ebene hin.
Als abermals die Musik erklang, erschien plötzlich, wie
dem Erdboden entstiegen, eine junge, kaum sechszchnjährige
Zigcunerdirnc von fremdartiger, berückender Schönheit, deren
ganzes Wesen berauschende Gluth auszuströmeu schien. Wie
aus dunklem Marmor gemeißelt war ihr herrlicher, schlanker
Körper, den nur ein Hemd und ein kurzer Rock bedeckten.
Ihr Haar, das sie umfluthete, war schwarz wie die Nacht
und schwarz waren auch ihre großen Augen, welche wie zwei
dunkle Sterne funkelten und blitzten. Das Hemd, das nur

lose ihren Oberkörper umhüllte, war blüthenweiß und der
leichte, kurzgeschürzte Nock von blauer Farbe.
Ein Gemurmel der Ueberraschung durchlief bei dem An-
blicke der reizenden Tänzerin, deren Rechte ein Tambouriu
schwang, die Reihen der Offiziere und Soldaten. Ihr Tanz
war voll Leben und Feuer und eine jede ihrer Bewegungen
der Ausfluß natürlicher Grazie. Und welch'verführerisches
Lächeln umspielte ihre schwellenden Lippen, zwischen denen
zwei Reihen perlcngleicher Zähne schimmerten, während ihre
dunklen Gluthaiigen in immer höherem Glanz erstrahlten.
Dazu erklang mitunter wild aufjanchzend, dann wieder bang
und klagend dieMusikder braunen Gesellen, und Alles, was
diese Töne zu sagen schienen, sand durch den herrlichen Körper
der Zigeunerin Ausdruck im Tanze.
Nachdem sie geendet, lohnte donnernder Beifall ihreKunst,
welcher jedoch weit mehr noch ihrer Schönheit galt.
Auch die Koketterie war diesem Natnrkinde nicht fremd,
dessen Herz über den erzielten Eindruck hohe Freude empfand.
Sie wußte sogar ein schüchternes, verschämtes Lächeln auf
ihre Lippen zu zaubern, während doch nicht ein Funken von
bangem Zagen, sondern nnr übermüthig keckes Wesen sie er-
füllte. Nachdem sie noch, nm die Komödie vollkommen zu
machen, den Offizieren Kußhände zngeworfen, sich und die
andern damit zum Narren haltend, ließ sie die angenommene
Blaske fallen und gleich daraus war sie wieder das lustige,
ungcbändigte Zigeunerblnt. Das Tambouriu zum Einsam-
meln der Gaben benützend, schritt sie übermüthig scherzend
durch die Reihen der Offiziere dahin, ans jede etwas derbe
Schmeichelei einen sicher treffenden Witz als Trumpf ausspie-
lend, so daß sic die Lacher stets ans ihrer Seite hatte. Als
sie endlich auch zu einem dicken Hauptmann kam, der, um sich
den jüngeren Offizieren gegenüber als geübten Weiberhelden
zu zeigen, die Zigeunerin etwas allzu dreist umfaßte, um ihr
einen Kuß zn rauben, versetzte sie ihm einen solch derben
Nasenstüber, daß er meinte, es sei ihm beim klarsten Wetter

ein Donnerkeil auf seine im höchsten Purpurglanze erstrah-
lende Nase gefahren. Während ihm der Schmerz das Wasser
aus den Augen trieb, schwur er, daß die braune Dirne in
längstens einer Stunde nm Galgen baumeln müsse, auf welche
Drohung hin sie ihm lustig eine Kußhand znwarf.
Die größte Wirkung übte das phantastische Treiben auf
die neuen deutschen Hilfstruppen aus, die das braune, no-
madisirende Volk der Zigeuner bisher fast nur dem Namen
nach gekannt und denen nun alle die alten Kindergcschichten
Wieder einfielen, die ihnen einst beim knisternden Herdfeuer
an traulichen Winterabenden ihre Mütter erzählt, in denen
geraubte Grafenkinder meist die erste Rolle spielte». Mitnber-
ivältigender Macht erfüllte sic nun das bunte Leben, über
daS sie großes Vergnügen empfanden, da der funkelnde Wein
auch noch ein Uebriges zu ihrer guten Laune beitrug. Sie
vermeinten nun, bisher noch keine Ahuung davon gehabt zu
haben, welch' sireneuhafi verlockende SchöuheitdasWeib um-
ziehen könne. Sie vergaßen darüber inmitten der ungarischen
Pußta ihre deutsche Heimath mit ihren dunklen Tannenwäl-
dern und wohl auch gar die blonden Haare und himmelblauen
Augen des fernen Liebchens.
Auch der junge Rittmeister, der Freiherr von Hartencg,
welcher in seiner stattlichsten Schönheit einem jungen Kriegs-
gotte glich, war wie berauscht von dem soeben Gesehenen
Aus seinem edelgrschnittenen Gesichte, iu dem zwei tiefblaue
Augen blitzten, sprach stürmischer Muth und Helle Jugend-
lust. Während die Zigeunerin die Offiziere der Reihe nach
umschwärmte, um den klingenden Lohn in Empfang zu neh-
men, saß er mit auf die Hand gestützten! Kopfe da, mit wachen
Augen von dem soeben Erlebten träumend, hatte doch die
fremdartige Schönheit des Mädchens ihn mit geheimniß
vollem Zauber umzogen.
„Gnädiger Herr, denke später, wenn die goldenen Sterne
über der Pnßra schimmern und blitzen, an Dein fernes Lieb-
chen, jetzt aber sei munter und fröhlich und reiche der brau-
 
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