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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 131 - No. 140 (6. Juni - 16. Juni)
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ung des Systems der indirekten Steuern und der Zölle,
namentlich der Getreidezölle über. Rücksichtlich des ersteren
Punktes gab der Redner eine Reihe von Berechnungen
dessen, was auf den Kopf der deutschen Bevölkerung, so-
wie auf den Familienvater an Steuern für die wichtigsten
Gebrauchsartikel fällt. Obgleich Herr Dolinski im All-
gemeinen sehr sachlich gesprochen hat, können wir doch
Vieles nicht als richtig erkennen. Dies gilt namentlich
von der Theorie, die über die Getreidezölle entwickelt
wurde. Um darzulegen, daß der Bauer keinen Profit von
ihnen habe, wurde, wenn wir nicht sehr irren, versucht zu
zeigen, daß der Bauer das, was ihm einkomme, wieder erstatten
müsse. Und zwar deshalb, weil der städtische Industrielle
die ihn, den Industriellen, treffenden Consumsteuern, auf
feine Produkte schlage, die der Bauer kaufen müsse. Das
ist gänzlich unhaltbar. Nur Produktion ssteuern, nicht
Eonsumsteuern können auf die Produkte geschlagen
werden. Wäre dem so, so wäre das die beste Waffe für
die Freunde der indirekten Steuern. In der Thal ist
die betreffende Ansicht von den Anhängern der
Letzteren aufgebracht worden. Bei der ersten Lesung des
Brausteuergesetzes (1876) sagte Fürst Bismarck: „Ich
bekenne mich unbedingt zu dem System der in-
direkten Steuern; ich glaube auch, daß die indirekten
Steuern sich viel mehr in das Niveau, das Gleichgewicht
setzen in Beziehung auf die Frage, wer sie denn eigentlich
trägt, als man gewöhnlich annimmt. Wenn ich, um
mich von der Sache nicht zu entfernen, der Neigung von
der Schlachtsteuer zu sprechen, widerstehe und mich an
die Biersteuer halte, so bin ich der Meinung, daß auch dec
Nichtbiertrinker an dieser Biersteuer seinen erheblichen Antheil
trage« wird. Er braucht Dienstleistungen in großer Menge;
nicht blos die direkten Dienstleistungen eines Domestiken
im Hause, der doch auch an das Bier gewöhnt ist und
dasselbe mit in seinen Lohn verlangt, sondern Dienst-
leistungen, die sich die Handwerker untereinander leisten.
Ich werde in demPaarStiefel dasBier, das
der Schuhmacher zu trinken pflegt, und
das zu seinen Bedürfnissen und Gewohn-
heiten gehört, vergüten müssen pro ratrrparts.
Könnten die Industriellen als Consumenten die Ge-
treidezölle auf die Maaren schlagen, so könnten es alle
Eonsumenten, und es bliebe zuletzt die Steuer auf Nie-
mand haften. Hr. Dolinski hat also hierin zuviel be-
wiesen. Dem System permanenter Getreidezölle ist An-
deres entgegenzuhalten. Einmal dies, daß der Löwen-
antheil den Vermögenden und Mächtigen zufällt, und so
hinab in absteigender Linie, bis an einer gewissen Grenze
der Vortheil gänzlich aufhört und zuletzt ins Gegentheil
umschlägt. Ferner und namentlich: daß es gewöhnlich
als integrirender Theil eines Schutzzollsystems überhaupt
auftreten wird, das schließlich zu nichts Anderem als
einer ungeeigneten Organisation der Production überhaupt
und damit nach Aufhebung des Vortheils für die Meisten
zu einer allgemeinen Erschwerung des Lebens führt. Das
bleibt allemal nöthig: Appell an das Gerechtigkeit- und
Billigkeitsgefühl. Die Gerechtigkeit kommt schließlich allein
der Gesammtheit zu Gute: das läßt sich beweisen; daß
ungerechte Maßnahmen Manchen auf längere Zeit auf
Kosten der Gesammtheit nützen können, ist aber unläug-
bar und man soll nicht immer versuchen, dies widerlegen
zu wollen. Sehr bedenklich schienen uns auch Angaben
über die Gemeinden Königsbach und Dittmar, in
denen die durch Schuldverzinsung erforderte jährliche
Summe seit einer Reihe von Jahren den jährlichen Rein-
ertrag übersteige. Wenn wir uns nicht verhört, so müssen
wir sagen, daß hier ein Mißverständniß des Redners
bezw. des von ihm benutzten Autors vorliegen muß. Dieser
Autor muß offenbar wiederum aus den Erhebungen über
die Lage der Landwirthschaft im Großherzogthum Baden
1883 Bd. I geschöpft haben. Es ergiebt sich vielleicht
einmal Gelegenheit hierauf zurückzukommen.

sZ Heidelberg, 10. Zum. Zur Irreführung der
Wähler wird jetzt sogar der „Reichsanzeiger" mobil ge-
macht. Derselbe scheut sich einem offiziösen Telegramm
zufolge nicht, die französische Fricdenspräsenz auf 520 000
und diejenige Deutschlands, auf 475 000 Mann zu be-
ziffern. Man solle kaum seinen Augen trauen, wenn
man derartige plumpe Unwahrheiten liest. Wenn
sich der Hintermann des „Reichsanz." bemühen wollte,
seine Nase ein wenig in den französischen Haushaltsetat
zu stecken, so würde er finden, daß die französische
Friedenspräsenz nur 502 000 Mann beträgt und daß
darin überdies etwa 20000 Mann Verwaltunzsbeamten,
Feuerwerker und Werkstättenarbeiter enthalten sind, daß
sich also die wirkliche Friedensarmee unserer Nachbarn
nur auf etwa 482000 Mann beläuft. Andrer-
seits beträgt die deutsche Präsenz nicht 475 000 Mann,
sondern 486 983 Mann, wozu noch über 10 000 Ein-
jährig-Freiwillige kommen, sodaß sich die deutsche Friedens-
armee thatsächlich auf etwa 407 000 Mann beziffert und
zwar ohne Offiziere.' Es ist fast unfaßbar, daß sich
der „Reichsanz." dazu hergibt, durch Ziffern, deren Un-
richtigkeit für jeden Eingeweihten klar auf der Hand
liegt, dem deutschen Volk blauen Dunst vorzumachen.
Es scheint eben, daß man in gewissen Kreisen die
glänzende Niederlage der Reichsregierung klar Voraussicht
und daber nach jedem, auch dem bedenklichsten Mittel
greift, um das Urtheil des Volkes zu verwirren!
sH Heidelberg, 10. Juni. Gerade die Lehrer in
großer Zahl sind es, so schreibt die „Preußische
Lehrerzeitung", die zur Zeit der Wahlen nicht nur
ihre eigene Stimme den Feinden aller Schulbildung
geben, sondern auch durch ihren Einfluß und ihr Beispiel
nicht wenig andere, weniger urtheilsfähige Leute dazu
vermögen. Daß die Schule und ihre Lebrer jenen
Herren trotz aller Schönfärberei vor den Wahlen nichts
gelten und sie dafür auch nicht einen Pfennig bewilligen
möchten, dürfte wohl jedes Kind wissen; nur viele Lehrer
scheinen es noch nicht zu wissen. Und wir haben alle
Ursache, zu glauben, daß sie auch aus den letzten Ver-
handlungen des Abgeordnetenhauses nichts gelernt haben
werden. Sie werden wieder hübsch konservative Wahl-
aufrufe unterschreiben, für Durchbringung der konservativen
Kandidaten sorgen und für sich den durch den Kutscher
des konservativen Herrn abgestatteten Dank einheimsen,
für den Stand aber neue Unbill und neue trübe Zeiten
heraufbeschwören.
2 Aus der Pfalz, 10. Juni. Als Grundsätze, welche
vielleicht niit Ausnahme einer einzigen Partei, von allen
übrigen auch in der gegenwärtigen aufgeregten Wahlzeit
unbedingt festgehalten werden, dürfen angesehen werden:
Deutschland muß so stark sein, daß es Frankreich ge-
wachsen ist, sowohl an Zahl als an Tüchtigkeit und
Schlagfertigkeit der Truppen und die Wehrpflicht soll
möglichst allgemein und möglichst gleichmäßig sein und
dabei möglichst wenig Lasten auferlegcn. Es liegt hierin
eine ganz bedeutende und alle möglichen sonstigen Ver-
schiedenheiten den Parteistandpunkt weit überwiegende
Einheit der Anschauungen, welche von vornherein alle
wüste Parteileidenschaft, Herabsetzung des Gegners, Unter-
schiebung schlechter Motive, insbesondere den rohen und
zweischneidigen Vorwurf der „Reichsfeindschaft" unmöglich
machen müßte. Es liegt ferner darin die Hoffnung, daß
sich auf diesem tief im Volk wurzelnden Gedanken im
künftigen Reichstag Alles selbst viel besser gestalten werde,
als es die Pessimisten sich jetzt vorstellen, wenn sie von
räuberischen Einfällen rachsüchtiger Feinde, von innerem
Zwietracht, Staatsstreichen, Anarchien träumen. Denn
in den beiden Punkten, daß Deutschland stark genug
sein müsse gegen Frankreich und daß im Innern insbe-
sondere auch die Wehrpflicht rüstiger als bisher geordnet
werden müsse, stimmen alle Parteien wohl von den
massivsten Konservativen bis zu dem entschiedensten Ver-

treter der freisinnigen Volkspartei zusammen. Es ist
aber in diesen Allen gemeinschaftlichen Sätzen auch noch
enthalten die Nothwendigkeit, Verbündete zu haben, ein-
mal gegen einen etwaigen Angriff von Frankreich und
Rußland zugleich und sodann überhaupt zur Durchführung
des Gedankens, einen Friedensstörer von Europa die
Lust zum Angriff zu verderben, welcher auf die höhere
Idee eines Friedensbundes zurück deutet. So viel
auch barbarischer Uebermuth gegen eine „Friedensliga"
höhnen mag und einen „frischen, fröhlichen Krieg" als
nothwcndige Luftreinigung anpreist, so liegt doch der
Friede zehnmal mehr in der Humanität, welche der Stolz
des Jahrhunderts ist, als der Krieg, vor dem daher Jeder,
der einigermaßen dabei verantwortlich ist, und besonders
jetzt, den größten Respect hat, aber auch abgesehen von
einem mehr principiellen Gedanken der Verbindung der
Staaten, drängen auch die Verhältnisse selbst den Völkern
und auch dem deutschen den Friedensbund auf. Gegen
die Zahlen der Armeen von Frankreich und Rußland zu-
gleich könnte auch eine noch viel weiter greifende Militär-
vorlage nichts Genügendes schaffen, wenn Deutschland
allein stände, und so bleibt uns nur die Verbindung der
Völker, welche dank dem Scharfblick und der Thatkraft
des großen deutschen Staatsmannes, auch schon aus der
Sphäre des bloßen Gedankens in diejenige der Wirklich-
keit übergetreten ist. 8i vlo puosin para, lisllum ist
sehr wahr, und es fehlt ja nicht daran, daß man den
Krieg rüstet. Aber noch wahrer ist: Wenn du den
Frieden willst, so rüste und pflege den Frieden und
dies geschieht eben durch Pflege und Ausbau des Drei-
bundes. Je fester dieser steht, bei den Staatsmännern
und in dem Herzen der Völker, desto geringer wird die
Kriegsgefahr und desto ruhiger können wir die — Militär-
vorlage prüfen. Erst bei dieser Prüfung gehen die
Meinungen auseinander, indem die Einen sich ohne
weiteres vor der Zahl beugen, was man schon bezeichnend
die „Zahlenwuth" genannt hat, während die Anderen
mit kühlerem Blut die sämmtlichen in Betracht kommenden
Verhältnisse erwägen und sich, ohne die leitenden Ideen
der Entwicklung aus den Augen verlieren, einfach an die
Logik der Thatsachen halten. Bei der weitgreifenden
und tiefwurzelnden Einigkeit in den Grundgedanken wäre
es auch ganz unnöthig, die Differenzen zu häßlichen
Dissonanzen und positiven Feindseligkeiten der Parteien
zu steigern.
Karlsruhe, 9. Juni. Die diesjährigen Korpsmanöver
des 13. und 14. Armeekorps vor dem Kaiser finden vom
11. bis 16. September statt. Nach amtlicher Benach-
richtigung seitens des badischen Ministeriums werden
diese Manöver hauptsächlich auf württembergischem Ge-
biete vor sich gehen und von Baden nur die Amtsbezirke
Bretten und Pforzheim berühren. Jin Allgemeinen
bleibt es bei den Bestimmungen des vorigen Jahres.
Der größte Theil der beim Reiche beglaubigten fremden
Länder wird Vertreter zu den Manövern entsenden.
Berlin, 9. Juni. Keine dauernde Festlegung der
zweijährigen Dienstzeit ohne Aeternat. Das ist die
Konsequenz eines officiösen Artikels in dem „Hamburgischen
Korrespondenten". Die rechtliche Sicherung der Friedens-
präsenzstärke müsse parallel gehen mit der Sicherung der
Verkürzung der Dienstzeit. Zugleich wird in diesem Ar-
tikel die Möglichkeit befürwortet, künftig die dreijährige
Dienstzeit wieder einzuführen. Es heißt nämlich in dem
Artikel darüber wörtlich wie folgt: „Um Ausblicke auf
eine ferne und ungewisse Zukunft handelt es sich ferner,
wenn darauf hingewiesen wird, daß, wenn die stete
Spannung, in der sich Europa zur Zeit befinvet, ent-
weder in Folge eines Krieges oder ohne besondere Ur-
sachen einem dauernd friedlichen Zustande weicht, die
alsdann zu erhoffende Verminderung der Friedensheere
nur bei gleichzeitiger Verlängerung der Dienstzeit möglich
wäre. Auch aus diesem Grunde legt die Regierung ent-


uen Ilka eine Gabe, damit sie sieht, daß ihr Tanz auch Dir
gefallen!"
Beim Klange der Weichen, einschmeichelnden Stimme fuhr
der Rittmeister rasch aus seinem Träumen empor. Während
ein leichtes Lächeln seinen Mund umzog, entgegnete er galant:
„lieber der Bewunderung Deiner Schönheit bin ich gar
nicht dazu gekommen, auch Deinen Tanz zu bewundern!"
Im ersten Augenblicke wußte die Zigeunerin nicht, ob sie
sich über die etwas sonderbare Schmeichelei ärgern oder freuen
sollte; allein die Eitelkeit behielt bei ihr die Oberhand und
die ihrer Schönheit dargebrachte Huldigung schätzte sie denn
doch am höchsten, trotz ihres Künstlerstolzes, der auch ihr nicht
fremd war Als der junge Offizier sich aber gleich daraus
erhob und in strahlender Schönheit vor ihr stand, da fand
das zungengewandte Mädchen vor Ueberraschung zum ersten
Male in ihrem Leben keine Worte und als sie seine tiefen
blauen Augen in leuchtendem Glanze bewundernd auf ihrer
Gestalt ruhen sah, da stieg es ihr glühend heiß in die Wan-
gen, welche sofort dunkler Purpur färbte. Es war ihr dies
recht sonderbar, denn bisher hatte sie noch nicht kennen ge-
lernt, was Röthe der Scham und bangverzagtes Wesen sei;
aber jetzt schien ihr das Herz so ängstlich zu schlagen, daß sie
meinte, er müsse es sehen, weshalb sie rasch das lose Hemd
über der'jungen Brust znsammenzog.
Während sie einen Strahn ihres schwarzen Haares um den
Finger wickelte, flüsterte sie, schon halb wieder ihrem ursprüng-
lichen Wesen zurückgegebcn, halb noch in dem ihr unbegreif-
lichen Banne sich befindend:
„Bist Du aber schön und stattlich, gnädiger Herr! Wie
mußt Du den bleichen Frauen Deiner Heimath gefallen, wie
muß Dein Liebchen Dich mit heißem Feuer in dem Herzen
tragen und sich die Augen roth weinen, daß Du sie verlassen
und nun fern von ihr weilst!"
Da entgegnete lächelnd der Offizier:
„Mein schönes Kind, ich habe kein Liebchen zurnckgelaffen,

das um mich trauern könnte. Und was nutzt es mich, wenn
ich den bleichen Mädchen gefalle, hier in Ungarn giebts ja
zumeist nur braune und dunkeläugige!"
„Die braunen Mädchen, gnädiger Herr, werden Dich,
wenn sie Dich einmal gesehen, nie mehr vergessen. Ein braunes
Mädchen würde Dich lieben wie ein treuer Hund seinen Herrn,
und selbst ein jeder Schlag von Deiner Hand würde ihr Woh-
ler thun als das Streicheln von sanfter Mutterhand!"
In leuchtender Gluth ruhten ihre dunklen Augen voll und
strahlend aus ihm und in diesen Sternen schien ihm etwas ent-
gegen zu blitzen, das ihn heiß durchwallte; zugleich schien ihn
auch ihr frisches Lippenpaar verführerisch zu süßen Küssen
einzuladen. Er mußte sich rasch zusammenfassen, um seine
Kameraden nicht merken zu lassen, was ihn bewegte. Er ent-
nahm seiner gefüllten Börse ein blitzendes Goldstück und drückte
es in ihre kleine, lebenswarme Hand, welche sie in sanftem
Gegendrücke in der Seinen weilen ließ.
„Gnädiger Herr, den Kremnitzer will ich mir in einen
Henkeldukateu umwandelu lassen, nm ihn als Festschmnck zu
tragen, und stets will ich dann an den schönen Offizier den-
ken und an seine blauen Augen!"
So sprach zärtlich die glückerfüllte Ilka, dann bat sie noch,
nachdem sie lange prüfend die Linien seiner Hand betrachtet
hatte, ihm wahrsagen zu dürfen. Als er seine Erlaubnis; da-
zu gegeben, wußte sie ihm viel Schönes und das reichste Lie-
besglück zu prophezeien. Als sie damit zu Ende, preßte sie
plötzlich ihren Mund dicht an sein Ohr, indem sie süß und
leise flüsterte:
„Die branue Ilka wird Dich nie vergessen, gnädiger Herr,
und immer, wenn sic in den blauen Himmel sieht, an Deine
schönen Angen denken, sie wird Dich heiß und innig lieben
bis an ihr Lebensende!"
Ehe er es hindern konnte, hatte sie seine Hand gefaßt und
mit glühenden Küssen bedeckt; dann war sie rascp oavon ge-
eilt, um weiter bei den anderen Offizieren Gaben einzusam-

meln; aber ihr frohes Lachen und Scherzen war nicht mehr
dabei zu vernehmen. Der junge Reiteroffizier sah inzwischen
träumerisch tief hinein in die untergehende Sonne, deren letzte
Strahlen die weite Pußta noch mit Pm'purglanze erfüllten.
2
Es hatte eine reiche ErMfür des schwarzen Mikos Zi-
geunerbande gegeben, welche einige hundert Schritte außer-
halb des kaiserlichen Lagers ihre Zelte aufgeschlagen, die sie
jedoch nun, nachdem der Abend stark hereingebrochen, wieder
niederriß, um weiter zu ziehen. Gern hätte Mikos die be-
willigten drei Tage bei dem kaiserlichen Heere verbracht, allein
er war ein zu feiner Kenner des Zigeunerblutes, um nicht zu
wissen, daß die Söhne und Töchter seines Stammes nichts
liegen sehen können, ohne es sofort heimlich einzusteckeu.
Wohl gab es im kaiserlichen Lager Geld und köstlichen
Wein, nebst Lust und Frohsinn, allein es standen aber auch
ringsumher dichtbelaubte Bäume mit gewaltigenAesten, die
ihm als eben so viele Galgen erschienen, da der Tod des Hän-
gens selbst auf den kleinsten Diebstahl gesetzt war, weshalb
es Mikos vorzog, wieder stromaufwärts in belebtere Gegen-
den zu wandern. 4,1 18
Während die Zigeuner eilig einpackten, um bei eingebro-
cheuer Finsternis; geräuschlos zu verschwinden, saß die schöne
Ilka mit ihrer Mutter auf einem Erdhügel. Die elegische
Stimmung, die sie heute zum ersten Male erfaßt hatte, war
bereits verflogen und das wilde Zigennerblut wieder in seine
Rechte eingetreten, obwohl sie noch immer mit zärtlicher Sehn-
sucht an den stolzen Neiteroffizier denken mußte. O, sie wollte
ihn schon Wiedersehen, aber nicht mehr so armselig und prunk-
los sollte es geschehen, nur angethan mit Hemd und kurzem
Röckchen, sondern in schönen, mit bunten Bändern gezierten
Kleidern; und ihre bloßen Füße, welche doch so klein und wohl-
gestaltet waren, sollten in rothen Atlasschuhen prangen und
auf ihrem Busen außer dem Dukaten, den sie von ihm bekom-
men, auch kostbares Geschmeide funkeln und blitzen. (F. st-
 
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