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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 61 - No. 70 (12. März - 23. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0291

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Wrger-WMullg

Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die,Mürgerzeitung"
"ichnnt täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
<>rr Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
^altungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
Minor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Aboirnemetttspreis
sür Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahrs. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Petitzeilc od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatanzeigen 5 Pf.

69.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Heidelberg, Mittwoch, 22. März

Expedition:
Hauptstraße 25.

1893.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
^trägt für Heidelberg und nächste Umgebung
Monatlich nur 46 Psft.
""t Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:
, LE- 1 Mark 'M«
durch den Briefträger frei in's Harrs gebracht:
1 Mk. 40 Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
Swarts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
"Ugebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Neu hinzutretende Abonnenten erkalten die „Bürger-
leitung" bis Ende des Monats unentgeltlich.
. Verlag der „Bürger-Zeitung".

Ircrnkveichs Htnstern.
, In der That, über der französischen Republit waltet
nnbeildrebendes Geschick. Der plötzliche Tod Jules
Mry's ist für Frankreich ein politisches Ereigniß ersten
Origes. Unwillkürlich wird man an jene Zeit erinnert,
Gambetta fast ebenso plötzlich starb und die Republik
einem kläglichen Zustano der Regierungsanarchie
Zerließ, der eben nur durch Ferry's kräftige Hand
k'? Ende gemacht wurde. Noch vor einigen Wochen
der Tod Ferry's keine sehr große Lücke gerissen,
er stand als ein vielfach Angefeindeter bei Seite und
»ktete ruhig, bis wieder bessere Zeiten für ibn kommen
, Mden. Es waren schlechte Zeiten nicht blos für ihn
^bern für die Republik u. für alle Freunde der Republik,
Fortschritts, des inneren Friedens und der gedeihlichen
^eit. Es war der Panamasumpf, der sich immer weiter
»^dehnte und Alles zu verschlingen drohte, der daß eine
fxste Willenskraft in der Regierung oder im Parla-
sich zeigte, die dem Unheil hätte Einhalt gebieten
^Nen. Da wagte die republikanische Linke des Senats
'E Tbat, für den erledigten Präsidentensitz den viel-
Mmähten, zur Seite stehenden Julius Ferrys doch
^>gen, und der Vorschlag ging durch. Es zeigte sich

SchickscrL'swege.
Novelle von C. Fontane.

(Fortsetzung.)
IV.
Als erste Neuigkeit nach seiner Rückkehr nach Waldau
siirhr Friedrich, daß Fräulein von Brandau inzwischen
Besuch bei den Seinigen gemacht hatte. Mutter
Tochter waren voll des Lobes über sie.
Ferner erfuhr er, daß Herr Peters Namens des Kasino-
^standes Herrn von Brandau und seine Tochter zu dem
Wintecvergnügen der Gesellschaft eingeladen und
^ allgemeiner Uebcrraschung eine zusagende Antwort er-
hatte.
Ida war mit dem Studium ihrer Rolle und den
^'higen Garderobe-Vorbereitungen eifrig beschäftigt. Ihr
g^der wohnte der letzten Probe bei und lernte bei dieser
k^genheit, jn Herrn Postsekretär Stein einen gebil-
h M jungen Mann kennen, mit dem er sich schnell auf
bauten' Fuß stellte.
. Am zweiten Tage nach seiner Rückkehr aus Rexin
^Hte er den versprochenen Besuch im Brandau'schen
H llstit einer gewissen Beklommenheit batte sich der junge
dem Gange entschlossen, und doch bereitete es
Nun eine gewisse Enttäuschung, als der Major ihn
s/'u empfing, und ihm sein Bedauern aussprach, daß
Tochter, die sich nun gänzlich hergestellt sühle, eben
^gangen sei.

mit einem Male, daß an der Unpopularität Ferrys doch
viel Gemachtes war, denn seine Gegner, die Männer
vom Schlage Rocheforts ausgenommen, äußerten sich bei
dieser Gelegenheit viel zahmer, als man erwartete und
ließen dem neuen Senatspräsidenten eine Gerechtigkeit
widerfahren, die er schon lange nicht mehr gewohnt war.
Dann kam die Antrittsrede Ferrys, die bewies, daß der
neue Senatsprästdcnt die Haupteigenschaften des früheren
Ministerpräsidenten bewahrt hatte: die Umsicht und das
klare, feste Wollen. Von diesem Augcnbicke an verstärkte
sich noch der Abschwung zu seinen Gunsten. Je trost-
loser die politischen Verhältnisse sich anließen, desto
näher trat vielen Leute der Gedanke, daß Jules Ferry
wohl der Mann wäre, zum zweiten Male die Republik
aus einem fatalen Sumpfe zu retten und einer neuen
Aera innerer und äußerer Erfolge cntgegenzuführcn.
Alle diese Hoffnungen und Erwartungen hat der Tod jäh
abgeschnitten. Frankreich ist heute um einen bedeutenden
Staatsmann ärmer, vielleicht um den einzigen wirklichen
Staatsmann ärmer, über den es noch verfügen konnte.
Wer wird jetzt die hereinbrechende Fluth totaler Verwir-
rung einzudämmen im Stande sein?
Man muß sich die Lage der Dinge in Frankreich
gegenwärtig halten, uni in ganzer Höhe den Verlust zu
ermessen, den Frankreich durch den Tod Ferry's erlitten
hat. Eine Ahnung von der Größe dieses Verlusts haben
alle Parteien, auch diejenigen, die Ferry stets bekämpft
haben. Vielleicht gehen sie an seiner Bahre in sich und
gelobens das Werk der Reinigung uüd Reorgarmsaüon,
das sie nicht mehr ihm anvertrauen konnten, selbst in
die Hand zu nehmen, die ehrlichen und gerechten Männer
aller Fractionen. Vielleicht findet sich dann auch der
Staatsmann, der wie Ferry nach dem Tode Gambettas,
die Führung übernimmt und dem Lande Ruhe, einige
Jahre des Erfolges und namhafte Fortschritte verschafft.
Es wäre das der beste Trost, den die Franzosen bei dem
Tode dieses meistgehaßten und doch so verdienstvollen
Staatsmannes sich bereiten könnten.
Landwirthschaftliche Versammlung in Mainz.
Nächsten Samstag, 25. d. M. Nachmittags 3 Uhr
soll in der Stadthalle zu Mainz eine Versammlung der
Landwirthe aus Baden, Hessen, Bayern,
Württemberg und Elsaß-Lothringen abgehalten
werden, um ein O rg an i sa t i o n sp r o g ra mm zu be-
rathen. Einen solchen Zusammenschluß fordert die
gegenwärtige Zeit, in der sich die allgemeine Wirthschaft
nunmehr auf Kosten der landbautreibenden Bevölkerung

Der junge Arzt kürzte seinen Besuch möglichst ab, ob-
gleich der Major sehr freundlich und zuvorkommend war.
Es wollte ihm scheinen, als ob Frida sich vor ihm ver-
leugnen lasse.
Das war nun allerdings nicht der Fall, aber Frau
Bauinspektor Kranz hatte bei Gelegenheit von Frida's
Besuch dunkle Andeutungen in Bezug auf die Reise ihres
Sohnes nach Rerin gemacht, die dem jungen Mädchen
zu denken gaben und sie zu dem Entschluß veranlaßt
hatten, sich ihrem Arzte gegenüber die strengste Zurück-
haltung aufzuerlegen, umsomehr, als sie bemerkt zu haben
glaubte, daß sie einen gewissen Eindruck auf ihn gemacht
habe und sich bei strenger Prüfung gestehen mußte, daß
auch er ihr ein lebhafteres Interesse erwecke, als andere
junge Männer, mit denen sic bis jetzt in Berührung
gekommen war.
Als Friedrich sich von dem Major verabschiedete, sprach
letzterer die Erwartung aus, den jungen Mann bei dem
bevorstehenden Kränzchen zu sehen und fügte hinzu, daß
er nur seiner Tochter zu Liebe die Einladung angenommen
habe. Ihm selbst fehle jede Neigung, für derartige Ver-
gnügungen-
Am nächsten Tage sandte Herr von Brandau dem
jungen Arzte mit einigen sehr verbindlichen Zeilen ein
verhältnismäßig reiches Honorar für seine ärztliche Dienst-
leistung.
Mit bitterem Lächeln, ohne ein Wort zu sagen, legte
der junge Mann das Couvert mit dem Geld in den
Schreibtisch der Mutter.
Der von der tanzlustigen Jugend des Städtchens längst
ersehnte Abend war gekommen. Im Garner'schen Saale,

entwickelt, mit Nothwendigkeit. Die Landwirtschaft hat
auf der einen Seite durch steigende Löhne, steigende
Steuern für Staat und Gemeinde, durch die Kosten der
Kranken-, Unfall-, Alters- und Invaliditäts-Versicherung
immer größer werdende Ausgaben, während sich auf der
anderen Seite die Einnahmen immer mehr verringern in
Folge von mannigfachen Schäden, welche die Landwirtb-
schaft treffen. Die deutsche Schafzucht ist rujnirt,
die Rindviehzucht wird durch Einschleppung von
Seuchen aus dem Auslande geschädigt, die mit der Land-
wirtschaft in engster Verbindung stehende Zucker- und
Spiritus-Industrie ist mit hohen Abgaben belastet,
der deut scheGetreidemarkt hat durch die Handels-
verträge mit Oesterreich eine ganz kolossale Einbuße er-
litten, die sich durch einen eventuellen Handelsvertrag mit
Rußland noch erheblich steigern würde — kurz, es sind
eine ganze Reihe von Zuständen, welche unsere Land-
wirtschaft in eine recht schwierige Lage bringen. Dem
gegenüber muß Wandel geschaffen werden, die Landwirt-
schaft, der deutsche Bauernstand namentlich, eine der
festesten Stützen unseres Staates, muß erhalten bleiben.
Der Aufruf zu oben angeführter Versammlung verlangt
Landwirthschaftskammern, ein Reichsamt
für Land- und Volkswirtschaft, einen weisen
Zollschutz, Vervollkommung der Transportmittel
Förderung des landwirtschaftlichen Versuchs- und Me-
liorationswesens, eine Wirthschaftspartei in den
Parlamenten und schließlich eine für das Interesse der
Landwirtschaft eintrctende Presse. Was von diesen
Forderungen durchführbar ist, lassen wir dahingestellt.
Jedenfalls find die Zusammenschluß-Bestrebungen der Land-
wirthe zu begrüßen und ist ihnen der beste Erfolg zu wünschen.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. März. Sir Claud Macdonald,
Kommissar in dem an Kammerun grenzenden Gebiet der
englischen Oelflüsse, trifft heute in Berlin ein, um im
Auftrage der englischen Regierung mit dem Auswärtigen
Amte über die deutsch-englische Streitfrage
betr. die Zugehörigkeit des Rio del Rey-Acstuariums zu
verhandeln.
Berlin, 20. März. Das Herrenhaus wählte
heute mit 124 von 159 Stimmen den Fürsten v.
Stolberg-Wernigerode zum Präsidenten. 28
Stimmen fielen auf den Grafen Bruehl, eine war un-
giltig, zwei weiße Zettel wurden abgegeben. Die üb-
rigen Stimmen zersplitterten sich. Fürst Stolberg nimmt
die Wahl dankend an.

dem einzigen, welchen das Städtchen besaß, waren all"
Vorbereitungen für das Fest getroffen. Ein im Hinter'
gründ des Saales befindliches Podium, welches bei fest
lichen Gelegenheiten für das Orchester bestimmt war, war
zur Bühne eingerichtet. Ein bescheidener Vorhang ver-
barg dieselbe vor neugierigen Augen.
Hinter den. Vorbange war es bereits lebendig ge-
worden. Die von einem geschickten Stubenmaler berge-
stcllten Koulissen prangten in aller Frische der schonungs-
los aufgetragenen Farben.
Herr Peters, der außer seinem Amte als Regisseur
mit anerkennenswerther Bescheidenheit auch die Funktionen
des Souffleurs übernommen hatte, schritt mit triumphiren-
der Miene auf und ab. Er war des durchschlagenden
Erfolges der heutigen Vorstellung sicher.
Herr Stein, in der Uniform eines preußischen Land-
wehrmannes, leitete eben die Anbringung der in einer
Anzahl bescheidener Petroleumlampen bestehenden Be-
leuchtung, nicht ohne ab und zu unruhige Blicke nach
der Thür des zur Garderobe eingerichteten Zimmers zu
werfen, in welchem eben Fräulein Kranz unter Beihilfe
einer kundigen Freundin die letzte Hand an ihre Toi-
lette legte.
Im Saale war es inzwischen auch lebendig geworden.
Man kam bei Zeiten um sich gute Plätze zu sichern. Die
jungen Damen waren größtentheils in Ball-Toilette er-
schienen, und man sah manche elegante Toilette, manches
hübsche Gesicht unter ihnen.
Als Doktor Kranz mit seiner Mutter, sowie dem
Onkel und Hedwig, die Nachmittags gekommen waren, in
den Saal trat, war ein großer Theil der Plätze schon
 
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