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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 111 - No. 120 (13. Mai - 21. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0471

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Die,^8ürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummcr liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
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114. Heidelberg, Mittwoch, 17. Mai

Expedition:
HetWplOeatzeW..

1LS3.

Zur Reichstagswahl.
LL Die Reichsregierung hat in der Militärvorlage den
Beschluß des Reichtags nicht angenommen und hiermit
das Votum des Volkes zurückgewiesen. Sie bat hierin
von einem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht,
dem jedoch bei uns nicht wie in parlarmentarisch regierten
Staaten ein Recht des Reichstags gegenüber steht, auch
seinerseits die Regierung aus der Majorität des Reichs-
tags zu bilden. Darum muß nun der Wille des Volkes
Nur desto klarer und fester in den Neuwahlen ausge-
sprochen werden, damit die Regierung um so gewisser er-
fährt, was der Wille des Volkes ist und was cS dagegen
nicht zulassen will. Sofern das Volk nicht als eine com-
pacte Masse der Regierung gegenübertritt, sondern vorerst
Noch gespalten in verschiedene Parteien, die sich, besonders
in Wahlzeiten, sogar lebhaft bekämpfen, gilt es jetzt, alle
Differenzen möglichst zurücktreten zu lassen, zu Gunsten
der einen Hauptsache, auf welche es jetzt vor Allem an-
konimt, mit kühlem Verstand aber warmer Vaterlandsliebe
zu prüfen, ohne Leidenschaft aber mit aller Energie zu
tathen und zu handeln. Im Grund gibt cS nur eine
Partei im Reichstag, die Volkspartei; denn der Reichs-
tag ist die Institution, durch welche das Volk der Rc-
Sierung seine Meinung, seine Gesinnung, seinen Willen
ausspricht. Sobald dies mit aller Klarheit und Ent-
schiedenheit, sowie mit einer bedeutenden Mehrheit geschieht,
tonnte nur eine absolutistische Regierung noch daran denken,
chren eigenen Willen entgegen demjenigen des Volkes
durchzuführen. Da der Regierung vollkommene Vater-
landsliebe zuzutrauen ist, die nur das Wohl des Volkes
a>ill und ebenso allen Parteien, so ist es ganz unnöthig,
A Wahlkampf mit Hochdruck oder mit Erbitterung zu
Aren. Es sollte ernstlich vermieden werden, irgend ein
^Lahlcrgebniß erzwingen zu wollen durch Heruntersetzen
A anderen Parteien oder es zu begünstigen durch blindes
ffa- oder Ncinsagen. Um nichts handelt es sich in diesem
Wahlkampf als um das, was dem Vaterland nützlich ist
Md um die Ideen, denen man seine Kraft und sein
"eben geweiht hat. Alte Sünden und alte Beleidigungen
lallten vergessen sein, unter Verbannung aller Täuschung
^d Uebcrrcdung einzig die Wahrheit und die Ucber-
Algung gelten. Der Punct, auf dem cs i« der jetzigen
^ahlbewegung zunächst und hauptsächlich ankommt, ist
M Frage: soll die Fricdenspräsenz der deutschen Kriegs-
macht noch weiter vermehrt werden oder nicht? oder, nach-
wie sich die Sache bis jetzt gestaltet hat: soll sie
Uoch weiter vermehrt werden, als es die Einführung der .

zweijährigen Präsenzzeit gebietet? Die Regierung hat
dieselbe bejaht, der Reichstag hat sic verneint und ist da-
für aufgelöst worden. Die Auflösung ist insofern be-
greiflich, als das ablehnende Votum des Reichstags nicht
mit der wünschenswerthcn Einheit oder doch Mehrheit und
nicht ohne ein gewisses Schwanken erfolgt ist, welches sich
in den Reihen der Volksvertreter geltend machte. Wird
auch das Volk selbst in dieser Frage schwanken, oder wird
es sein Votum mit einer imposanten Mehrheit abgeben?
Dies ist die Frage, welche darauf hinauskommt, ob es
selbst denken kann oder sich nur leiten läßt, ob die Vor-
eingenommenheit oder der Gedanke bei ihm entscheidet,
ob es sich vom Schein blenden läßt oder im Stande ist,
einer Idee zu dienen, ob cs die Bequemlichkeit des Rück-
schritts oder die schwerere That des Fortschritts verzieht?
Die Nothwendigkeit einer Verstärkung des Heeres wird be-
gründet mit der Nothwendigkeit, stärker zu sein als Frank-
reich und einen Defensivkrieg gegen dasselbe durch einen
offensiven Vorstoß führen zu können. Wenn das deutsche
Heer aus diesem Grund vermehrt wird, während Frank-
reich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt ist,
so wird Frankreich durch diese bedeutende Vermehrung des
deutschen Heeres, welche ihm jeden Moment einen Offen-
sivstoß gestattet, zum förmlichen Bund mitRußlcmd gedrängt
und hiermit die Situation nur verschärft und verschlimmert.
Der stete Appell an das Schwert muß endlich zum
Krieg führen, den im Grunde Niemand will. Gegen
einen Krieg mit zwei Fronten und in einem solchen
kann auch die geplante Verstärkung des Heeres Deutsch-
land nicht schützen, sondern nur wiederum ein Bund mit
anderen Staaten. Ohnedies liegt es nicht im Wesen der
Staaten, sich zu isoliren und zu bekämpfen. Geschehen
ist es lange genug; aber bloß weil die Staaten noch
roh und absolutistisch ihren Begriff nicht erfüllten, ihre
Aufgabe nicht erkannten, Kulturstaaten zu sein und die
Errungenschaften der Kultur in Gemeinsamkeit mit ein-
ander zu pflegen. Treiben auch die Staaten nur Interessen-
politik, wie man solche im deutschen Volke selbst wieder
zu entfesseln versucht, so entsteht daraus nur der Krieg
Aller gegen Alle, im deutschen Volk und unter den Staaten
von Europa. Hierbei werden Alle verlieren und alle
Interessen nothleiden. Wagt man es aber, unter diesen
Auspicien die Verwirklichung des Staatenbündnisses an-
zustreben, die im Dreibund schon aus dem Bereich des
bloßen Gedankens in denjenigen der Wirklichkeit über-
gegangen ist, dann muß die ewige Kriegsdrohung Nach-
lassen und verschwinden, und ein menschenwürdigerer
Zustand wird eintreten, der es ermöglicht, die Völker

miteinander in der Kulturarbeit zu vereinigen und zu
fördern, die Friedensstörer ztt ächten und die Zahlen des
Heeres und des Kriegsbudgets zu vermindern^ oder doch
nicht fort und fort zu erhöhen. Wir sind im Begriff,
immer tiefer in die Gefahren eines einseitig maßgebenden
Heerwesens Hineinzugerathen und den Glauben an die
Ideale der Menschheit zu verlieren. Dem militärischen
Fachmann mag cs vergeben werden, wenn er alles Heil
vom Militär erwartet; dem denkenden Mann aus dem
Volk aber sind diese Gedanken des Fachmanns nicht
maßgebend. Er fragt sich vielmehr auch, nicht bloß, wo-
her die Mittel kommen sollen zu einer bisher immer aufs
Reue wieder gesteigerten Kriegsbereitschaft oder für Friedens-
präsenz, die nur geeignet ist, das Mißtrauen der Völker
zu steigern, sondern er fragt sich auch: wo soll es noch
hinaus mit dieser fortwährenden Steigerung der Kriegs-
mittel und wo bleibt die Verwirklichung der Humanität,
der Sittlichkeit auf dem Gebiet des Völkerlebens? Das
ganze Volk und alle Parteien sind mit der Regierung
einig in der Liebe zum Vaterland. Aber cs wird nur
dann herrlich und in vollem Ruhm dastehen, wenn cs
zu dem, was es bisher erreicht hat und bisber geworden
ist, auch den Ruhm hinzufügt, dem Militarismus Einhalt
gethan zu haben, der Europa bedrückt und der Idee des
Friedens und der gemeinsamen Kulturarbeit der Völker
einen Weg zu bahnen. Wenn das Votum des deutschen
Volkes in diesem Sinne ausfällt, wird gegenüber dem
alles überwuchernden Materialismus endlich wieder einmal
der Idealismus zum Wort kommen und — ganz Europa wird
ihm danken.
Deutsches Reich.
ffss Heidelberg 16. Mai. Es liegt uns nichts ferner,
als an den Worten zu drehen oder zu deuteln, die unser allver-
ehrter Landesherr am vergangenen Sonntag bei der mili-
tärischen Vereinsfestlichkeit in der „Harmonie" an die
Anwesenden richtete. Ebenso wenig kommt cs uns zu
Sinn, aus der Rede des erlauchten Fürsten bezügliche
Punkte heraussuchen zu wollen zu Gunsten irgend einer
Partei. Trotzdem erachten wir es für eine Pflicht,
auf einen Umstand hinzuwcisen, der angetban ist, weite
Kreise des Publikums über einen — unserem Erachte«
nach — höchst wichtigen Punkt in jener Rede ohne
Weiteres hinweg zu täuschen. Wir meinen die steno-
graphischen Berichte verschiedener Blätter. Daß S. Kgl.
Hoheit der Großherzog die Erwartung Mancher nicht er-
füllte, indem er über die Militärvorlagc zu sprechen Ab-
stand nahm, vermag natürlich Niemand zu verschweigen

Kin WieöerseHen.
Novelle von E. Lucas

(Forschung.)
, Mein Freund lachte aus vollem Halse und schrie
At auf: „Ach, ich habe ja vollständig vergessen, Dir zu
Mn, ^ß jch noch Junggeselle bin, während Du wahr-
Heinlich Frau und Kinder besitzest."
„Nein, nein, in dieser Beziehung sind wir Kollegen,"
Aidertc ich ebenfalls lachend. „Bei meinen vielen Reisen
M Studien habe ich noch nicht recht an das Heirathen
Obacht und ein deutscher Professor bleibt ja häufig Jung-
^ll oder heirathet als alter Knabe, das weißt Du ja,
Unhold."
„ Er wollte sich über diese Mittheilung bald ausschütten
Lachen und sagte: „Also beide sind wir noch Jung-
^ellen und schier vierzig Jahre alt! Nun, da wird's
Zeit, wenn wir unser Heil noch in der Ebe suchen
^llen."
.. Reinhold nahm mich nun beim Arme und führte
aus dem Salon in das anstoßende Speisezimmer,
.v Uns ein Bedienter ein opulentes Diner servirte und
M beim Glase Wein in unseren Juqenderinnerungen
Zeigten.
- Es kamen indessen nicht nur heitere Jugenderinner-
in unser Gespräch, sondern auch ernste, zumal
hM welche meinen Freund aus L. und aus Deutschland
Maus jn die weite Welt getrieben hatten und da
^kde er sehr ernst und wortkarg Und ich schwieg auch.
Q, Mit den Worten: „Nun, Du kannst in der
Mnng, die Du Dir erworben hast, zufrieden und

glücklich sein, lieber Freund, wie es diejenigen nicht sind,
die einst in ihrem stolzen Glücke Dich verachteten," be-
gann ich nach einer Pause wieder.
„Ach, es gibt wehmüthige Erinnerungen und Schmerzen,
die man sein ganzes Leben hindurch nicht recht über-
winden kann," entgegnete mein Freund ernst, „und ich
kann Dir nur anvertrauen, daß die Demüthigung und
das Unglück meines Herzens, was mir vor dreizehn
Jahren passirte, zuweilen noch jetzt alte Wunden schmerzen
läßt und daß dies auch die Hauptsache ist, warum ich
mich nicht vermählt habe, denn ich fürchte, die Ent-
täuschungen, deren cs auf dem Gebiete der Liebe und
Ehe nur zu viele gibt, und habe nicht Lust, mich den-
selben auszusetzen, obwohl ich ja schließlich eine Vernunft-
hcirath mit einer vornehmen und reichen Dame schließen
könnte, die für Männer in unseren Jahren vielleicht die
besten Eben geben."
„Also Dein Herz hängt noch an der alten Liebe in
Deutschland," sagte ich zögernd. „Darf ich Dir sagen,
was sich in deni Hause des Kommerzienraths Präger in
L. und mit seinen Kindern geändert hat?"
„Du kannst mir Alles sagen, ich kann Alles bören,
Gutes und Schlimmes," erwiderte mein Freund nach-
drucksvoll.
„Es gibt nur Schlimmes von ihnen zu berichten,"
antwortete ich wiederum zögernd. „Der Kommerzienrath
hat in Folge des eigenen Luxus und noch mehr wegen
der Extravaganzen seines Sohnes schon vor Jahren ban-
kerott gemacht und ist total verarmt, der Sohn ist durch-
gebrannt ..."
„Und die Töchter? Was ist aus ihnen geworden?"

unterbrach mich mein Freund in hastigem und erregtem
Tone.
„Die Töchter," fuhr ich fort, „haben auch nicht das
beste Loos. Sie hatten sich allerdings alle drei noch in
der Zeit verhcirathct, wo ihr Vater noch kein ruinirter
Mann war, aber die Herren Gatten sollen den Verlust
des schwiegerväterlichen Vermögens sehr bitter empfinden und
es ihren Frauen entgelten lassen. Bei den beiden jüngeren
Töchtern des Kommerzienrathes, die an Offiziere verhei-
rathet sind, gebt cs wohl noch erträglich, aber der ältesten,
der Elise, die einen adeligen Gutsbesitzer zum Manne hat,
soll es schändlich ergehen, sie soll in einer höchst unglück-
lichen Ehe leben."
Mein Freund zitterte fast vor Aufregung über diese
Mittheilung und sagte dann mit bebender Stimme:
„O, die arme Elise! Das brave, gute Mädchen hat
das schmähliche Loos am wenigsten verdient!" —
Dann wurde er sehr schweigsam und sprach von dieser
Angelegenheit gar nicht mehr und ich fand auch keine
Veranlassung, diese unglückliche Familien- und Lebcnsge-
schichte noch weiter in unser Gespräch zu sieben.
Nach beendigtem Diner zeigte mir mein Freund seine
herrliche Wohnung, seine schönen Kunstsachen und seinen
prächtigen Garten und lud mich dann ein, mit ihm eine
Spazierfahrt nach den schönsten und berühmtesten Plätzen
und Straßen Petersburg zu machen. Jch nahm die Ein-
ladung an und bald fuhren wir in seiner reich ausge-
statteten Equipage davon.
An der Seite meines Freundes sah ich nun an diesem
und den folgenden Tagen noch viel Neues in der be-
rühmten Zarcnstadt und ich verweilte nahezu acht Tage
 
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