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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 12. Januar)
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Arger

VerkimdigrmgsblaiL rmv Anzeiger

Die „Bürgerzeitrmg"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
»nmor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Abonrrementsprsis
für .Heidelberg: monatl- 46 Pfg. mit
Trägerlobn, durch die Post bezogen
viettelMrl. Mk. 1.— ohne Austellgeb.
Jnser-ionsprcis: 10 Pi. für die 1-spalt.
Pcntzeilc od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatan^ia^n "» Ps.

. i"' 8.

Heidelberg, Dienstag, Ist. Januar

1893.

ZUM Abonnement
aus die „Bürger-Zeitung" laden wir crgebenst
ein. Bei
Reichhaltigkeit und Billigkeit
ist dieselbe auch kein Parteiorgan.
Der Preis ist der niedrigste aller Blätter
in Baden, er beträgt
monatlich nur 40 Pfg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
ohne Zustellungsgebühr.
Bestellungen werden für auswärts durch die Post,
innerhalb der Stadt durch unsere Träger entgegenge-
nommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Aer- KcrulivHctnöell
Unter den Kleingewerbetreibenden wird gegenwärtig
manche Klage laut, keine aber wohl lauter, als über die
Concurrenz, welche ihnen die Hausirer machen.' Die Zahl
der Hausirer hat nach amtlichen statistischen Erhebungen
ungemein zugenommen. Läge schon hierin eine Ein-
schränkung des Absatzgebietes des stehenden Kleingewerbes,
so wird dieselbe noch dadurch vergrößert, daß die Ver-
kehrsgelegenheiten in neuerer Zeit eine wesentliche Er-
weiterung erfahren haben. Jedoch in Folge dieser beiden
Ursachen allein würde der Hausirhandel nicht dem stehen-
den Kleingewerbe den Abbruch gcthan baben, wie er
gegenwärtig zu beklagen ist. Es kann nicht geleugnet
werden, daß ein großer Theil der Hausirer geringwcrthige
Maaren für hohe Preise an den Mann zu bringen
sucht und auch vielfach bringt, daß er also eine unlautere
Konkurrenz betreibt und die Unerfahrenheit der Käufer
ansnützt. Auf den verschiedensten Gebieten ist dies der
Fall end bier ist auch der Punkt, wo das Interesse des
Kleingewerbes mit dem der reellen Industrie zusammen-
trifft. Der letzteren kann nichts daran gelegen sein,
wenn der Absatz von industriellen Schundwaaren gefördert
wird. Dadurch wird der reellen Industrie kein Dienst
erwiesen. Im Gegentheil, auch ibr wird eine Kon-
kurrenz großgezogen, welche sich auf anderen Gebieten

unangenehm fühlbar macht. Von diesem Standpunkte
aus liegt die Einengung des Haustrhandels auch im
Interesse der Industrie. Nun wäre es natürlich verkehrt,
daraus zu dringen, daß der Hausirhandel gänzlich ver-
boten würde. Es giebt bestimmte Gegenden, in welchen
die Verkehrswege nicht so ausgebildet sind, daß der
Hausirhandel zu entbehren wäre, es giebt auch eine Reibe
von Gebrauchsgegcnständen, deren Vertrieb durch Hausirer
ebenso althergebrachter Brauch wie dem stehenden Klein-
gewerbe völlig unschädlich ist. Jedoch auf eine Ein-
schränkung dcsHausirhandels hin wird man di? Gewerbe-
gesetzgebung abändern müssen. Nun ist es Sitte geworden,
daß nicht bloß die Hausirer, sondern auch die Handels-
reisenden unmittelbar an die Konsumenten Maaren zum
Gebrauch verkaufen. Zunächst wird man deshalb für
die Handelsreisenden diese Art des Absatzsuchens ver-
bieten müssen. Man kann das auch um so ebcr, als
bei dem Erlaß der Gewcrbeordnungsbestimmungen für
die Handelsreisenden an einen anderen Verkauf durch
dieselben als den von Maaren, welche die Käufer in
ihren Betrieben verwenden sollen, nicht gedacht wurde.
Damit wäre etwas, immerhin nur wenig geholfen worden.
Das Hauptgewicht muß darauf gelegt werden, daß t?r
Hausirhandel nur dort gestattet wird, wo ein Bedürfniß
dazu vorliegt. Wo beispielsweise das Kleingewerbe eines
bestimmten Berufszweiges in seinen Betrieben so über
ein Gebiet verstreut ist, daß die Bevölkerung ohne jede
Beschwerde ihre Bedürfnisse an den Maaren desselben
befriedigen kann, dort dürfte späterhin ein Hausirhandel
nicht gestattet werden. Nur dort, wo und insoweit dies
nicht der Fall wäre, würde die betreffende Verwaltungs-
behörde den Hausirhandel zulassen. Mit diesem Vor-
gehen würde viel mehr erreicht werden, als mit einer
Verschärfung der Bedingungen, welche man an die e>--
son des Hausirers stellt und die von anderer Seite ver-
langt wird. Es dürfte schwer halten, die jetzt schon
nach dieser Richtung getroffenen Vorschriften noch wesent-
lich zu erweitern. Dagegen darf man, wenn der Hausir-
bandel von einer Erlaubniß der Verwaltungsbehörde
abhängig gemacht wstd, wie dies ja auch schon jetzt für
manche andere Erwerbszweige z. B- das Pfandleihgcwerbe,
die Schankwirthschaften u. s. w. der Fall ist, hoffen,
daß der Hausirhandel zum Nutzen des stehenden Klein-
gewerbes eine starke Einschränkung erfahren wird. Der
Bundesrath beräth gegenwärtig eine Vorlage, die sich
mit dem Hausirhandel befaßt. Würde er den letzteren
Vorschlag unberücksichtigt lassen, so würde das beste Ab-
hilfemittel nicht zur Anwendung gelangen.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 7. Jan. Obwohl die „Karlsruher
Zeitung" neuerdings hofamtlich mittheilt, daß der Besuch
des Kaisers am nächsten Mittwoch nur einen ganz pri-
vaten Charakter trage und jeder offizielle Empfang unter-
bleiben soll, ist dennoch die auf höchsten Befehl anbe-
raumte Vorstellung des „Lohcngrin" nach wie vor als
bei festlich beleuchtetem Hause stattfindcnd angekündigt.
Der Kaiser will offenbar dem Besuch den verwandtschaft-
lichen Charakter bewahren und damit die Zuneigung be-
kunden, die er der Schwester seines kaiserlichen Vaters
und ihrem Gemahl stets entgegengebracht hat.
Karlsruhe, 7. Jan. Der Landesausschuß der kon-
servativen Partei Badens hielt gestern unter dem Vorsitz
des Oberamtsrichters Freiherr v. Stockhorner eine Ver-
sammlung ab, in welcher über die Stellungnahme zum
neuen, am 8. December in Berlin beschlossenen Programm
berathen wurde. Nach eingehenden Verhandlungen wurde
der „Landpost" zufolge das neue Programm als ein noth-
wendiger und zeitgemäßer Ausbau des alten Programms
vom Jahre 1876 einstimmig angenommen. Die Ver-
sammlung war zahlreich aus allen Theilen des Landes
beschickt. Auch die Reichs-und Landtagsabgeordneten der
Partei, der Herr Graf Douglas, Consul Menzcr nud
Bauunternehmer Kirchenba.er waren anwesend.
Berlin, 7. Jan. So viel finanzielle Besorgnisse
der neuen Militärvorlage in bürgerlichen Kreisen auch
entgcgengcbracht werden mögen, ebenso viel Hoffnungen
werden seit dem ersten Auftauchen der Nachrichten über
dieselbe von den Officiercn auf dieselbe gesetzt. Wie be-
rechtigt dieselben sind, ergibt sich nach den den Militär-
commission mitgetheilten Etats aus den folgenden Ziffern
allein nur für das preußische Contingent. Danach sind
unter den neuen 1714 Osficiersstellen 799 Stellen von
Premierlieutenants, 50 Hauptleute zweiter Klasse, 192
Hauptleute erster Classe, 170 Bataillonscommandeure, 6
Obersten und 2 Generalmajors. Die Stellen vertbeilen
sich auf die einzelnen Waffengattungen wie folgt:
Infanterie: 133 Dataillonscommandenre, 133 Haupt-
leute erster Classe, 266 Premierlieutenants; Feldartillerie:
16 Abtheilungscommandeure, 24 Hauptleute erster Classe,
24 Hauptleute zweiter Classe, 48 Premierlieutenants;
Fußartillerie: 2 Generalmajors, 3 Regimentskomman-
deure, 8 Bataillonscommandeure, 10 Hauptleute erster
Classe, 10 Hauptleute zweiter Classe, 20 Premierlieute-
nants; Artillerieschießschule: 7 Bataillonscommandeure,
5 Hauptleute erster Classe, 4 Hauptleute zweiter Classe,

In schwerem Weröcrcht.
7) Criminal-Novelle

von Reinhold Ortnrann.
(Fortsetzung.)
„Dringe nicht weiter in mich, Gaston! Ich könnte
Dein Verlangen nicht erfüllen, selbst wenn es in meiner
Absicht läge, ich habe nicht so viel Geld im Hause; aber,"
fügte sie hinzu und ein wilder, verzwcillungsvoller Trotz
prägte sich auf ihrem schönen Gesichte aus, „auch wenn
ich es hätte, ich würde es Dir nicht geben."
Noch immer ruhte ihre Hand an dem Glockenzug und
dieser Umstand schien es zu sein, der allein die Muth des
Franzosen zügelte. Sein Gesicht wurde sogar fast weick
und seine Stimme mäßigte sich zu eineni flehenden
Flüstern.
„Bei Allem, was Dir noch aus Erden heilig ist,
zwinge mich nicht zum Aeußersten! Meine Eristenz,
mein Leben hängt davon ab. Gieb mir die Summe
und ich will auf die Auslieferung meiner Briefe ver-
zichten!"
„Ich habe das Geld nicht hier!" erwiderte die Gräfin
kalt.
„Dort ist Papier und Feder," entgegnete d'Hervilly:
„einige Woxte von Deiner Hand, mit dem Siegel Deines
Gatten versehen, find ausreichend, um mir bei Deinem
Bankier den nöthigcn Crcdil zu verschaffen. Ich siebe
Dich an, schreibe sic!"
„Nein!"
Der schneidige Ton, in welchem dies eine Mot ge-
brochen, schien dem Marquis jeder Hoffnung zu berauben.

Er sank wie gebrochen in einen Sessel und barg die
Gesicht in die Händen. In dem Herzen der Gräfin
mußte sich etwas wie ein Gefühl des Mitleids regen.
Sie ließ die rechte Hand von dem Klingelzuge herab-
gleiten und machte einen Schritt vorwärts auf d'Hcrvillv
zu. Auf diese eine Bewegung aber hatte der Franzose
nur gewartet. Schneller als eine Schlange sich von dem
Wipfel eines Baumes auf ibr ahnungsloses Opfer stürzt,
war der Schurke cmporgesprungen, und noch ehe Stella
die rettende'Glocke wieder erreichen konnte, hatte sein
sehniger Arm mit furchtbarem Griff ihren zarten Leib
umschlungen, während die linke gleich einer eisernen
Klammer an ihrer Kehle lag, sic des Athems und der
Sprache beraubend.
„Oho mein Täubchen", zischte er keuchend zwischen
den Zähnen hervor; „Gaston Dnwal läßt sich nicht ab-
weisen mie ein Schulbube! —Hctzt hat sich das Blättchen
gewendet!"
Die blutunrcrlaufcnden Augen seines wuthverzerrten
Gesichtes beugten sich dicht über die qualvoll verzogenen
Züge des in seinen Armen zuckenden Opfers. Eine
sekundenlange schreckliche Pause entstand, nur unterbrochen
von dem Gurgeln und Keuchen des unglücklichen, nach
Luft ringenden Weibes, dessen ohnmächtige Anstrengungen,
sick zu befreien, in jedem Augenblick schwächer und hoff-
nungsloser wurden.
Da noch einmal schien es sie zu durchzucken, wie ein
rettender Gedanke, ibre weiße Hand hob sich suchend in
die Luft und griff dann in das dunkle Haar, aus dem
noch die brillantgeschmückte Nadel blitzte, welche die
schweren Flechten zusammengebalten; mit letzter verzweif-

lungsvoller Kraft stieß sie das lange, spitze Instrument
tief in das Muskelfleisch seines Armes, so daß ein Blut-
strahl aus der Wunde drang. Der Franzose stieß einen
leisen, heiseren Schrei aus, aber seine Hand schloß sich
trotz des verletzten Armes nur fester und fester um den
Schwanenhals der Gräfin. Kraftlos sank der Arm des armen
Opfers herab; kürzer und abgebrochener wurde das Auf-
wogen ibres Dusens, stierer und gläserner der Blick ihres
erlöschenden Auges — ein Moment vollständiger Er-
schlaffung, dann ein mildes Beben des ganzen Körpers
und — es war vorüber.
Länger als eine Minute noch verharrte der Mörder
in seiner Stellung; erst als er die Last in seinen Armen
bleischwer werden fühlte, als er die Schatten des Todes
sah, die sich über das einst so schöne, jetzt furchtbar ent-
stellte, bläulich gefärbte Antlitz breiteten, nahm er die
Hand von ihrem' Halse, bereit, bei dem ersten schwachen
Zeichen wiederkehrcnden Lebens die schreckliche Prozedur
zu wiederholen. Aber es war nicht mehr notwendig —
die Wittwc des Grafen von Lanenfeld hatte unter dem
Eisendruck seiner Finger ihren Tod gefunden.
Das Gesicht des Franzosen batte wieder den Ausdruck
vollständiger Ruhe angenommen. Er ließ den entseelten
Körper des Weibes auf den Boden gleiten und schlug die
Portiere zurück, welche das Schlafzimmer der Gräfin vou
dem Gemache, in dem sich die entsetzliche That vollzogen,
trennte. Die seidenen Kissen des Lagers waren unbe-
rührt. Mit uncrschütterter Kaltblütigkeit bob der Mörder
mit dem gesunden rechten Arme die Leiche empor, trug
sie in das Nebengemach uns legte sie auf das Bett. Das
verzerrte Gesicht war der Wand zugewendet, so daß der
 
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