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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 12. Januar)
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In schwerem WeröccchL.
4) Eriminal-Novcllc
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
„Ich glaube, die Herren sind noch gar nicht mitein-
ander bekannt," sagte die Gräfin mit einem Blick auf
den Franzosen. „Darf ick vorstellen — v err Assessor
von Braunfels — Herr Marquis d'Hcrvillv."
Der Assessor verbeugte sich kalt und eeremoniell,
während ihm der Marquis mit einer artigen Bemerkung
die Hand cntgegenbielt. Zögernd und unwillig berübrte
Braunfels die schlanken Fingerspitzen des Franzosen mit
den scinigen; es war ihm unmöglich, seinen Abscheu in-
soweit zu überwinden, um die liebenswürdigen Phrasen
des Marquis in dem gleichen Tone zu bcanlworten.
Dieser schien diese auffallende Küble und Zurückhaltung
indessen garnicht zu bemerken. Er setzte vielmehr die
vor des Assessors Ankunft begonnene Konversation lustig
sort und wußte den letzteren so geschickt daran zu be-
thciligen, daß es den Anschein gewann, als bestände
zwischen ihnen die innigste, herzlichste Harmonie.
Die vorgerückte Stunde mahnte unterdessen die Ge-
sellschaft aümälig zuni Aufbruch. Ein Wagen nach dem
anderen rollte auf die Rampe des gräflichen Hauses, und
schon batte sich mebr als die Hälfte der Anwesenden ent-
fernt, als ein Diener an den Assessor berantrat und ihm
meldete, daß durch Carambolage mit einem anderen Ge-
führt sein Wagen soeben derart beschädigt worden sei, daß
der Assessor unmöglich beimfabrcn könne.
Kaum batte der Marquis, der in der Nähe Braun-

fels' stand, von diesem Unfall vernommen, als er dein
Betroffenen in liebenswürdigster Weise einen Platz in
seiner eigenen Equipage anbot. Es märe geradezu unartig
gewesen, wenn der Assessor diese Offerte batte ausschlagen
wollen, und so sab er sich denn zu sciucm größten Miß-
vergnügen noch länger an die ihni so unsympathische
Persönlichkeit gefesselt.
Der Abschied, welchen der Marquis von der Gräfin
Lauenfeld genommen, war genau so förmlich und abge-
inessen gewesen, wie der der übrigen Gäste, und Braun-
fels war beinahe versucht zu glauben, daß jene Scene
in der Fensternische nichts weiter gewesen sei als eine
Hallucination.
Als er mit dein Franzosen unten im Wagen saß
und eine von dessen vorzüglichen Havanna-Cigarren an-
gezündet batte, gab er sich alle erdenkliche Mühe, freund-
lich zu sein, und begann eine Unterhaltung, deren Zweck
sein sollte, den Marquis über dessen Beziehungen zu
der Gräfin ein wenig auszuforschen. d'Hervillv aber
wußte mit der Glätte eines Aales allen noch so verblümt
und geschickt gestellten Fragen auszuweichen, so daß
Braunfels zu der Ueberzeugung kommen mußte, daß er
cs hier mit einem Manne zu thun hatte, dessen diplo-
matischer Schlauheit selbst seine juristischen Schachzügc
nichts anbabcn konnten.
Man war vor dem fashionablen Hotel angekommen,
in ipelchem der Marquis logirte. Nach einem freund-
lichen Abschiedsgruß sprang derselbe aus dem Wagen,
und der Assessor hörte noch, wie er im Bestibüle dem
Portier befahl, ihn um acht Uhr Morgens wecken und zu
f dieser Stunde ein Reitpferd satteln zu lassen. Dann

legte er sich in die Kissen des Wagens zurück und hing
seinen eigentbümlichen Gedanken nach.
II.
Die zahllosen Lichter und Gasflammen im Salon
des Lauenfcld'schen Palais waren allmälig erloschen und
die tiefe Stille der Nacht breitete sich langsam über die
dunkle Steinmasse aus, die eben noch von Musik und
Frohsinn wiederballte. Nur in dem linken Seitenflügel
des Gebäudes, dessen letzte Hälfte in dem umfangreichen,
parkartigen Garten stand, welcher zu der Besitzung ge-
hörte, schimmerte noch gedämpftes Licht durch die dickten
Vorhänge zweier im Parterregeschoß gelegener Fenster.
Hierher batte die Gräfin während der Sommer-
monate ihr Schlafgemach verlegt, und die trotz der ziem-
lich vorgerückten Jahreszeit außerordentlich milde Witterung
batte ihr noch keine Veranlassung gegeben, einen-geschütz-
teren Tbeil des Hauses aufzusuchen.
Auch die heutige, bereits mehr als zur Halste ver-
flossene Nacht war so lau und herrlich, als befände man
sich in der Mitte des August. Die fahlen Strahlen des
Vollmondes zitterten um die schon zur Hälfte ihres
Blätterschmuckes beraubten Zweige und Aeste der ge-
waltigen Baumrieseu, welche den alten, woblgcpflegteu
Garten schmückten, und die Luft war so würzig und
krvstallklar, daß cs eine wonnige Erfrischung sein mußte,
die beiße, von dem rauschenden Treiben der Gesellschaft
angegriffene Stirn in dem reinen Acther zu baden.
Diese Empfindung schien auch die junge Gräfin
Lauenseld zu theilen, denn, nachdem sie .n ihrem B«uiM
die elegante Gesellschaftstoilette mit einem

Mr
Die „Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei


CiMdiulg W WimMlit.
Im Anschluß an unsere, in den-bereits ausgegebenen
Nummern gebrachten näheren Darlegungen betreffs der
„Bürger-Zeitung", glauben wir, beute nur auf dieselben
nochmals Hinweisen zu brauchen.
Nachdem sich, wie mitgctbeilt, die „Bürger-Zeitung"
Wider unser Erwarten einer
allgemein günstigen Aufnahme
erfreut, so daß die Abonnentenzahl bereits schon
eine Höbe erreicht bat, wie sie manches länger bestehende
Blatt nicht viel bedeutender aufweift, glauben wir, nur
nochmals auf den
niedrigen Preis der Bürger-Zeitungs,
sowie auf den reichhaltigen Inhalt derselben Hin-
weisen zu müssen.
Der Preis der „Bürger-Zeitung" nebst der
Sonntagsbeilage „Der Erzähler" mit seinem humo-
ristischen Repräsentanten der
„deutsche Michel"
beträgt
monatlich nur 40 Pjg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
ebne Zustellgebühr.
Als Insertions Organ
dürfen wir die „Bürger-Zeitung" insbesondere em-
pfehlen, da wir hinsichtlich der Verbreitung unseres
BlatteS auf bereits vorzüglicher Grundlage unablässig
sortarbeiten, aber auch allen uns Entgegenkommenden,
namentlich den Herren Geschäftsinhabern, stets ebenso mit
Entgegenkommen und billigsten Bedingungen
begegnen werden.
In Anbetracht dessen erlauben wir uns, ergebens!
zum Abonnement einzuladen.
Bestellungen werden von der Post, sowie von unseren
Trägern beständig entgegengenommcn.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Deutschland am Scheidewege
(Ein Brief ans der Fremdc-t
I.
Ucbcrcinftimmcnd mir der Meinung, die Eingangs
unseres vorigen Artitels dahin ausgesprochen war, daß die
Militärvorlagc unter allen Umstanden nickt ohne Weiteres
abgethan werde, äußert sich eine militärische Autorität:
der bekannte preußische Generalstabsoffizier Frhr. Colmar
v. d. Goltz. Zur Zeit befindet sich derselbe in der
Türkei, wo er, nach Ausscheiden aus der deutschen Armee,
das Militärbildungswesen zv, reorganisieren übernommen
hat. Der ehemalige preußische Major ist dort unter-
dessen zum Range eines Ferik (Divisionsgeneral) auf-
gestiegen und auch Ehrenadjutant des Sultans geworden.
Er hat inzwischen die Schriftstellerei nicht vernachlässigt.
So bat er gegenwärtig wieder in der „Deutschen Rund-
schau" einen heachtcnswerthen Aufsatz veröffentlicht, in
dem er unter obiger Ueberschrift sich über die Militär-
vorlage aussprickt.
Der Verfasser führt darin aus, in Frankreich sei seit
zwanzig Jahren viel gearbeitet worden: nicht znm minde-
sten habe sich das wissenschaftliche Leben der französischen
Armee gehoben. Dann fährt er fort: „Die Mittel,
die uns zugänglich sind, stehen auch den Franzosen zur
Verfügung: die Beschaffenheit der Bewaffnung ist gleich.
Der französische Soldat mag physisch etwas schwächer
als der deutsche erscheinen. Ausdauer und Marsch-
leistungen sind aber nach allen Benchren t «trefflich.
Vergeblich sieht man sich nach dem positiven Grunde um,
welcher den Organisator und Staatsmann oder die Re-
gierung des Landes berechtigte, die Ueberlegenheit an
Dualität für unsere Truppen als einen bestimmten Factor
ohne weiteres in Rechnung zu bringen. Die größere
Gleichmäßigkeit unseres Ofsiziercorps in Zusammen-
setzung und Berufsausbildung ist freilich ein greifbares
Moment unserer Ueberlegenheit über andere Armeen: es
wird noch eine Zeit lang fortbestehen und kann viel
thun, jedoch nicht alles. Es bestand auch 1806 und
vermochte das Schicksal der Armee nicht zu wenden.
Sodann wird viel von der besseren Führung im Großen
gesprochen, wodurch wir künftighin die Uebcrzabl unserer
muthmaßlichen Gegner ausgleichen sollen. Auch das
klingt gut, aber es kann zu gefährlichen Selbsttäusch-
ungen führen. Hoffen dürfen wir, in künftigen Kriegen
stets einen neuen Friedrick an der Spitze unserer Heere
zu sehen; aber mit Sicherheit solches anzunehmen, wäh-
rend wir es den Franzosen absprechen, je wieder von

Peru ft sich dann auf das Urtheil
^tkschrift vom Jabre 1868 bc-
dem französischen Kaiser-
nllegen war, weil es ein
sinken stellen konnte.
100 Mann schien
^zuin Ausgangs-

Napoleon Bonaparte commandirt zu sein, dazu wohnt
uns nicht das mindeste Recht bei. Auch der größte
Leldherr bedarf außerdem der hinreichenden Mittel, um
W^geltcnd machen zu können. 'Nur in der geschickten
Atzung dieser Mittel, nicht in. der Ausführung von
^l^nden Zaubcrstücken kann sich sein Genie bethä-
tannt ist, welche Bedeutung Napoleon dem
^penzabl beimaß; es steigerte sich dies bei
^r vcrhängnißvollcn Unterschätzung der

Aust"
überrasch
tigen.
Werth der TrH^
ihm bis zu en
Qualität."
v. d. Goltz Paschs
Moltkes, der in seiner
tonte, daß damals Deutschs
reich auch dcßhalb militärisch n
erheblich stärkeres Heer in die SA
Die damalige Ueberlegenheit von 8(s^
dem Marschall wichtig genug, um sie^^^'^'Zy^,
punkt seines Planes zu machen, und beute^D^, h^Men
gewickt Frankreichs nm fast eine Million nickts^i^
haben.

Deutsches Reich.
Berlin, 4. Jan. In diplomatischen Kreisen erhält
sich, der „Kreuzztg." zufolge, das Gerücht, daß der
Groß f ürst-T hro n so l g er von Rußland, einer
Einladung des Kaisers entsprechend, zur Hochzeit der
Prinzessin Margarethe nachBerlin kommen werde.
Man wolle Barm ein erneutes Zeichen der Besserung
der Beziehungen zwischen Berlin und Petersburg erblicken,
nachdem mit der aus den Wunsch des Zaren erfolgten
Ernennung des Generals v. Werder zum Botschafter ein
Anfang gemacht sei. — Wie die Blätter melden, be-
gannen ini Reichsamt des Innern Besprechungen über
ein Senchcngesetz, welches noch im Laufe des Januar
an den Bundesratb gelangen soll.
Berlin, 4. Jan. Die von den Socialdemokraten
jetzt Angebrachte In ter p ellat i o n über den Noth-
stand hat folgenden Wortlaut: Welche Maßregeln haben
die verbündeten Regierungen ergriffen oder gedenken sie
zu ergreifen, um dem notorisch vorhandenen Nothstandc
cntgegcnzuwirkcn, welcher infolge andauernder Arbeitslosig
kett, vielfach vorgenommencr Herabsetzung der Arbeitslöhne
sowie der allgemein szedrückten Erwerbsverhältnisse in den
weitesten Volkskreisen herrscht.
Berlin, 4. Jan. Nach der gestrigen Abendtafel bei
dem Kaiser waren Cinladnngcn zi einem Herrenabend
ergangen. Es befanden sich unter den Gästen der General

Heidelberg, Freitag, 6.

1893

und Altzeiger
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für Heidelberg: monatl. 49 Pfg. mit
Post bcwgcn
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Vierteljahr! Mk. l.—
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