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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 101 - No. 110 (30. April - 11. Mai)
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sollte, wer

Strophen dieses Liedes auf die Lippen, während er mit
fieberhafter Angst und Aufregung dem Eintreffen des
Aktenstück cs aus New-3)ork cntgcgensah. Den Winden
und Wellen anvertraut, schwamm das werthvolle Schrift-
stück zwischen Planken und Brettern, wie leicht konnte
es verloren gehen und durch sein Ausbleiben Johanna's
Freilassung wieder um Wochen wieder verzögert werden!
Aber Wolken, Wellen und Winde zeigten sich dem
von verzehrender Ungeduld rastlos umhergetriebenen Werden-
feld und der gelassen und geduldig harrenden Johanna
günstig; schneller, als man erwarten durfte, lief das Be-
kenntniß ein und ließ an Klarheit und Ausführlichkeit
nichts zu wünschen übrig; der Hergang der Sache war
der folgende gewesen:
Während der Baron von Böhlendorf und mit ihn.
Alle, welche Hans von Mörner kannten, der Meinung
gewesen waren, er sei, nachdem er sich in Deutschland
unmöglich gemacht, nach Amerika gegangen, hatte er sich
in Hamburg aufgehalten, seine Baarschaft vergeudet und
war, als er sich von Mitteln entblößt sah, nach der Re-
sidenz zurückgekehrt, um dort von seiner Schwester neue
Summen zu erpressen. Er hatte sich unter falschem
Namen dort aufgehaltcn, Lina zu einer Unterredung be-
stellt und Geld von ihr erhalten. Als dies zur Neige
ging, die Schwester ihm bei einer zweiten Unterredung,
zu der er sie entbot, nur Vertröstungen zu geben vermochte
und er Gefahr lief, in der Stadt von Gläubigern er-
kannt und gehetzt zu werden, faßte er den Entschluß, das
wirklich zu thun, womit er seiner Schwester bisher nur
gedroht hatte, nämlich den Baron aufzusuchen.
Mit den Gewohnheiten des Hauses genau vertraut,

gereichen,"

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ersah er die Zeit, während welcher der Portier in die
Küche zu gehen pflegte, um dort mit der übrigen Diener-
schaft das Abendessen einzunehmeu. Er öffnete mit dem
Schlüssel, den er von früher der noch besaß und für
alle Fälle aufbewahrt hatte, die Hausthür, schloß sie leise
wieder zu und ging geräuschlos über den mit Teppichen
belegten Hausflur, die Treppe hinauf und nach den
Zimmern des Barons, die, wie er wußte, stets unver-
schlossen waren.
Der Baron befand sich unten in den Gesellschafts-
räumen, in seinem Wohnzimmer war es dunkel, ebenso
in dem anstoßenden Schlafzimmer, aber Hans wußte gut
Bescheid, er setzte sich in einen Lehnstuhl und wartete.
Als er den ihm wohlbekannten Tritt des Dieners ver-
nahm, welcher kam, um im Wohnzimmer die Lampe an-
zuzünden und im Schlafzimmer Alles für die Nacht her-
zurichten, verbarg er sich in einem an das Schlafzimmer
grenzenden kleinen Cabinet, das als Garderobe diente
und durch einen Vorhang verhüllt war. Hierhin zog er
sich auch wieder zurück, als er den Baron aus den unteren
Räumen in seine Zimmer kommen hörte.
Die Garderobe war von jeher ein beliebtes Versteck
für Hans gewesen. Aus diesem Hinterhalte war er als
Knabe hervorgebrochen, wenn er dem Onkel eine jener
Schelmereien gespielt hatte, über welche dieser so herzlich
zu lachen pflegte, hier batte er sich verborgen gehalten,
wenn er wegen eines losen Streiches den Zorn des
Baroüs fürchtete, um einen Sturm auf das Herz des
für ihn allzu nachsichtigen Mannes zu machen. Selbst
als er schon bedenklich in Mißkredit bei dem Onkel ge-
rathen war, hatte dieser seinen Bitten, Thränen, Ver-

en
nm er
»aus rechst

An einem Knnr.
Criminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung.)
„Damals zehrte die Verzweiflung, der Menschenbaß,
.K tiefste Groll wie ein Geier an meinem Herzen, jetzt
m es erfüllt von Hoffnung, Liebe und Dankbarkeit; da-
mals schaute ich in eine grauenvolle Zukunft, jetzt dehnt
P sich ficht und freundlich vor mir aus; die Tage werden
^ie Minuten vergehen, und ich denke, ich werde auch
^>cht immer allein sein."
„Kein Tag soll vergehen, der mich nicht zu Dir führt,"
^sicherte er.
. „Die Zeit der stillen Einkehr ist mir nothwendig,
A mir heilsam, ehe ich in die Welt zurückkehre," fuhr
fort, „ich habe viele Schlacken noch abzuthun."
„Du, Johanna?" fragte er verwundernd, beinahe
"»rwurfsvoll.
>. „Ja, ich," entgegnete sie nachdrücklich. „An keinem
i^glück, das uns trifft, sind wir ganz schuldlos, auch ich
?«be gefehlt. Mein Eigensinn, mein Trotz, meine Heftigkeit
" ' nicht selbst

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an mir heimgesucht worden. Hast Du
"^ugniß wider mich oblegen müssen?"
„Erinnere mich nicht daran."
. „Wenn jeder Fehler so gestraft werden
^ge frei aus?" seufzte Werdenfeld.
. „So möge mir die Strafe zum Heile
"Egegnete sie feierlich.
XIII.
„O, brich nicht, Steg, Du schwankest sehr!" Wie
traten Werdenfeld im Laufe der nächsten Tage die

he«
kenstraße.
, nebst
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>. d. sl.

lern
mit
ubrik

42 Personen Theil. Die Stimmung war eine sehr ani-
mirte. Der Bundespräsident brachte den Toast auf den
Kaiser und die Kaiserin aus. Derselbe lautete: „Eure
Majestäten haben der Schweiz die hohe Ehre eines Be-
suches erwiesen und dem schweizerischen Bundesrathe damit
die willkommene Gelegenheit gegeben, Eure Majestäten
persönlich zu begrüßen und Ihnen die Gefühle ehrfurchts-
voller Hochachtung und Verehrung auszusprechen, von
denen er durchdrungen ist. Die Schweiz freut sich ein-
müthig dieses für sie bedeutungsvollen Tages und erblickt
in der freundlichst gebotenen, persönlichen Begegnung
gerne eine besondere Bekräftigung der guten Beziehungen,
welche zwischen dem mächtigen deutschen Reiche und der
Eidgenossenschaft besteben. Das Schweizervolk und seine
Behörden, wiewohl entschlossen, unter allen Umständen und
mit allen Kräften die Freiheit undUnabhängigkeit ihres Landes
zu vertbeidigcn, nehmen den lebhaftesten Antheil an den
Bestrebungen und Thaten, welche darauf zielen, den Völkern
die unschätzbaren Wohlthaten des Friedens zu erhalten und
schauen deßhalb auch mit freudigem Vertrauen auf die macht-
volle Hand Eurer Majestät, inwelchersic den Hortund Schützer
des Friedens verehren. Ich trinke daber auf die Gesundheit
und das Wohl Ihrer Majestäten des Kaisers u. der Kaiserin !"
Auf den Toast des Bundespräsidenten erwiederte der
Kaiser: Die freundliche Einladung, auf der Heimreise
einige Stunden in der Schweiz zu verweilen, habe ihnen
beiden zur aufrichtigen Freude gereicht. Mit herzlichem
Danke und zugleich im Namen des gejammten deutschen
Volkes erwiedere er die liebenswürdige Begrüßung und
den traulichen Empfang der Schweizer. Die herrliche soeben
ihm gezeigte Gegend sei ihm nicht unbekannt, denn in
jüngeren Jahren habe er sich schon einmal an dem An-
blick dieser Berge und Seen erfreut, welche jährlich
Tausenden seiner deutschen Landsleute Erfrischung, Kräf-
tigung und gastliche Aufnahme gewährten. Mit Be-
friedigung konstatirtc er, daß die guten freundnachbarlichen
Beziehungen, die von Alters her mit der Schweiz bestanden
hätten, unverändert fortdauerten, und er hoffe, daß der
vertragsmäßig gesicherte Verkehr zwischen der Schweiz u-
Deutschland sich weiterhin gedeihlich entwickeln und dazu
beitragen werde, die Freundschaft zwischen beiden Völkern
zu erhalten und zu festigen. Er trinke auf das Wohl
der Schweiz, der Schweizer und des Präsidenten der
Eidgenossenschaft. Nach Aufhebung der Tafel hielt das
Kaiserpaar Cercle. Um 12 Ühr fuhren die Herrschaften
nach dem Bahnhofe. Die Wagen waren von Kavallerie
eskortirt. Vom Schweizerhofe bis zum Bahnhofe bildete
eine dicht gedrängte Menschenmenge Spalier, welche das

ihn geflissentlich und mit den ausgesuchtesten Mitteln con-
sequent zu unterdrücken strebt!
„Der Jcsuitismus unterdrückt und vernichtet bis zu
einem gewissen Grad die Selbstständigkeit, den Charakter,
die Individualität", urthcilt Graf Hoensbrocch selbst und
darum sagt er sich los von dem Orden, dem er bisher
mit allem Eifer angehörte. So wirkt sein Austritt
wcithcin befreiend, indem er zeigt, wohin der Weg de-
Materialismus fübrt, und daß Selbstständigkeit und
Freiheit die idealen Güter sind, die noch gelten und auch
unserer Zeit und unserem Volk nicht noch weiter ver-
kümmert werden dürfen. - Der Eindruck des seltenen Vor-
ganges darf sich nicht in aller Stille verlieren; laut
und lauter muß cs durch die langen Reihen der
Schlafenden und Betrübten ertönen: Heraus, du
deutsches Volk, aus dem Materialismus in
Politik und Kirche, empor zum Idealismus und
hiemit zur Wahrheit und zur Freiheit!

Deutsches Reich.
Berlin, 2. Mai. In den meisten Blättern werden
die Aussichten eines Zustandekommens der Militär-
vorlage stark übertrieben. Das Huene'schc Compromiß
hat nur einen sehr kleinen Theil des Ccntrums, etwa ein
Dutzend Mitglieder, hinter sich, und wenn auch in der
freisinnigen Partei noch einige Schwankende sind, so ist
doch die für die Bildung einer Mehrheit nöthige Zahl
noch lange nicht erreicht, es fehlen mindestens noch einige
zwanzig Stimmen. Die gestrige Berathuna der lrei-
sinnnigen Fraktion hat sich ohne Erregung vollzogen.
Berlin, 2. Mai. Im Seniorenconvent theiltc der
Präsident des Reichstags mit, die Regierung wünsche
morgen die zweite Berathung der Militärvorlage, sie ver
zichte auf alles Uebrigc, sie werde im Falle der Ablehnung
den Reichstag sofort auflösen.
Schweiz.
Luzern, 2. Mai. Wahres Kaiserwetter herrschte
über Luzern, das zur Ankunft des Kaiserpaares
reich geschmückt war. Die Bevölkerung erwartete unge-
duldig die Ankunft. Im großen Lesesaalc des Schweizer
Hofes fand die offizielle Begrüßung und gegenseitige Vor-
stellung statt. Sodann begann das Festmahl im
großen Saale des Schweizer Hofes. Neben dem Kaiser
saß rechts der Bundespräsident Schenk, links neben der
Kaiserin Bundesrath Frey, gegenüber Bundesrath Lachenal,
General Herzog, Staatssekretär v. Marschall und der
Gesandte Busch. Jnsgesammt nahmen an dem Mahle I


Verkünd igrmgs blatt und Anzeiger

Die,^vürgerzeiturrg"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
holtungsblatt, „Der Erzähler", mildem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Absnnementöpreis
sür Heidelberg: monatl- 4V Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Znsertionspreis: lO Pf. für die 1-spalt.
Petitzcilc od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigcn 5 Pf.

Heidelberg, Donnerstag, 4. Mai

1«93.

Expedition:
HauptstraßeSS.

Expeditton:
Hauptstraße SS.

Bestellungen
auf die „Bürger-Zeitrrng" für die Monate
Mai «nd Juni
werden fortwährend von sämmtlichcn Postanstalten, Brief-
trägern und unfern Agenturen zum Preise von
DM" 97 Pfennig "WU
frei ins Haus, sowie von unfern Trägern und
Trägerinnen hier und der nächsten Umgebung zum
Preise von
nur 40 Pfg. monatlich
eutgegengenommcn.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

s Der Austritt des Grafen Hoensbroech
aus dem Jesuitenorden kommt gerade zu rechter Zeit und
wird noch weit mehr bewirken als die Verkleinerung der
Mitgliederzahl diese-Ordens um ein-. Dieser Austritt ist
fine Leuchtkugel, welche für einen Moment wieder die
dunkle, dumpfe Nacht erhellt, die auf unsere Zeit und
auf unser Volke drückt. Da steht man wieder einmal,
wo der Weg ist, den man unter dem entnervenden, blind,
dumm und schwach machenden Einfluß das Materialismus
verloren hatte, so daß man fühlt, wie man unversehens
immer tiefer in den Sumpf hineingcricth. In geistlosem
Materialismus suchen die conservativen Parteien durch
Verketzerung, Knebelung, Vernichtung der Freiheit in der
Politik, wie in der Kirche ihre Zwecke zu erreichen; in
Nur materialistischer Stimmung giebt man sich bei der
Militärvorlage der Meinung hin, die Zroße Zahl werde
es thun, wobei der Geist des Heeres wie der Geist des
Volkes vergessen bleibt; in unverfroren offenherziger Weise
jieht man für seine Standesinteressen in das Feld, mit
der gemeinen Entschuldigung: „Die Anderen machens
auch so", als wäre ein Stand etwas ohne den anderen,
als hätten nicht alle Stände, die nur Glieder eines Volkes
Isud, ein Interesse, und unter diesen ein hervorragendes,
die Freiheit, an deren Gestaltung die Jahrhunderte
arbeiten!
Ja dies ist es, was bei dem seltenen, unerwarteten
^rcigniß dieses Austritts aus dem Jesuitenorden, den
Eüfsten Eindruck, allenthalben macht: es giebt noch
Idealismus, eS giebt noch Freiheitssinn, selbst
da, wo man es nicht erwarten durfte, selbst da, wo man

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