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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 12. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0043

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1893

Heidelberg, Mittwoch, 11. Januar

Die „Bürgerrettung"
scheint täglich mit Ausnyhmc von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Abonnementspreis
für Heidelberg: monatl- 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk, 1»— ohne Zustellgeb.
Znsertionspreis: lO Ps. für die l-spalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen S Pk.

Kürger
Verkündigungsblatt und Anzeiger






Zum Abonnement
auf die „Bürger-Zeitung" laden wir ergebmst
ein. Bei
Reichhaltigkeit und Billigkeit
ist dieselbe auch kein Parteiorgan.
Der Preis ist der niedrigste aller Blätter
in Baden, er beträgt
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mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
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Bestellungen werden für auswärts durch die Post,
innerhalb der Stadt durch unsere Träger entgegenge-
nommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung"

Dem „Weltfrieden" näher.
Man mag immerhin zu der Idee des Weltfriedens
seine eigene Stellung nehmen; es läßt sich doch nicht
leugnen, daß die Propaganda dafür allenthalben stcht-
barlich an Boden gewinnt und immer weitere Kreise er-
greift, allerdings in allen übrigen zivilisirten Länder mehr
als im deutschen Reiche selbst. So hat neuerdings im
dänischen Folketlüng der ehemalige Kavallcrieobcrft und
Abgeordnete Fredcrik Bajcr mit neun Gesinnungsgenossen
den Antrag eingebracht: die Regierung wolle niit den
Regierungen von Schweden und Norwegen einen per-
manenten Schiedsgerichtsvertrag anbahnen und der dies-
bezüglichen von den Vereinigten Staaten ergangenen Ein-
ladung nachkommen. Dieser Antrag wurde mit 35 gegen
20 Stimmen angenommen und hat in der Presse keines-
wegs die Beachtung gefunden, die ihm zukommt.
Auch in der Schweiz ist die von Amerika ausgegangene
Anregung auf fr. chtbaren Boden gefallen und der Be-
vollmächtigte der eidgenössischen Regierung, Herr Clapa-
rsde, hat sich zur Stipulirung des betreffenden Vertrags
nach Washington begeben. In England wird ein ent-
sprechender Antrag in der nächsten Session im Unterhaus!
eingcbracht merden, und unterstützt von zahlreichen Massen-
petitionen aus dem Lande hat er alle Aussicht durchzu-
kommen Die Hoffnung auf eine „Friedfertigkeit" Eu-

ropas, die noch so vielen Leuten als eine utopistische
Seifenblase erscheint, wäre damit ihrer Erfüllung schon
erheblich näher gerückt. Gleichzeitig zeigt eine Reihe von
Kundgebungen, die der österreichischen Gesellschaft der
Friedensfreunde zu ihrer kürzlich abgehaltcnen Jahresver-
sammlung zugegangen und von Frau von Suttner im
„W. Tgbl." veröffentlicht worden sind, daß auch in den
übrigen europäischen Ländern fleißig für dieFriedenssachc
gestrebt und gearbeitet wird. In Holland hat sich ein
„parlamentarischer Verein zur Förderung der Schiedsge-
richte" gebildet, dessen Vorsitzender dor Präsident der ersten
Kammer und dessen Mitglieder die überwiegende Majori-
tät beider Kammern geworden sind. In Italien hat
die Propaganda u. die sie betreibende „Ilnions Doinduräo"
zahllose Anhänger; zur Zeit wird ein Almanach des
Titels Oiui Io urini!" (Die Waffen nieder!), der unter
Mitwirkung der ersten Künstler und Autoren entstanden
ist, in vielen Tausenden von Eremplaren verbreitet und
gekauft. In Spanien fand am Tage der Kolumbus-
feier zu Barzelona ein großes Meeting der „InKu äs In
statt. Auf dem spanisch- portugiesisch- ameri-
kanischen „geographischen Kongreß", der Ende Oktober
in Madrid abgehalten ward, wurden Resolutionen zu
Gunsten des internationalen Schiedsgerichts einstimmig
angenommen. In gleicher Weise hat der iberisch-ameri-
kanische I wistenkongreß für den Abschluß von Schieds-
gcrichtSvcrträgen zwischen den spanisch-amerikanischen
Staaten gestimmt, kurz danach auch der merkantile Kon-
greß. D" spanische Senat hat sich übrigens bereits im
Juni 1890 aus den Vorschlag des Senators Arturo de
Marcoartu für die Abschließung von Schiedsverträgen mit
allen zivilisirten und unabhängigen Staaten ausgesprochen.
In Norwegen ist nach einer Erklärung des Storting-
Präßdenten die große Mehrzahl des Volkes, der Regierung
und der Nationalversammlung bereit, mit allen Ländern,
die dazu willig seien, dauernde Schiedszerichtsverträge
abzuschließen.
Nur D e utsch lan d muß —seine große „Rolle
spielen", nur Deutschland kann allein groß sein und
bleiben, wenn das Volk einberkeucht unter immer neuauf-
gebürdeten Militärlasten, bis es nicht mehr kann, nur
Deutschland lacht über „Friedcnscongresse," rüstet nnd
rüstet und ist bei alldem —, der „friedfertigste" Staat
unter allen Staaten. „Deutschland ist zu jung und
lebenskräftig, um auf eine große Rolle im Rathe der
europäischen Völker zu verzichten" schrieb ja auch kürzlich
erst jene „militärische Autorität" Colmar von der Goltz,
dessen „Deutschland am Scheideweg" wir Wiedergaben als die

Ansicht einer „militärischen Autorität," jedoch eben nur als
solche. Freilich in der Reihe der Staaten, in denen sich
ernste Bestrebungen zu einem „Weltfrieden" regen, feblen noch
zwei bedeutende Fa-.toren: Frankreich und Ruß-
land, und dieser Umstand bedeutet noch für Deutschland
viel wenn nickt alles.
Alle jene Kundgebungen und Willensäußerungen aber
geringschätzig übersehen zu wollen, wie es vielfach geschieht,
hieße sich der Erkenntniß verschließen, daß das Bedürf-
nis nach Vökerfriedcn und Abrüstung allen
zivilisirten Nationen in gleicher Stärke ge-
meinsam ist. In den Vertändlungen des Reichstags
über die Militärvorlage werden diese Dinge ohne Frage
zur Sprache kommen und dabei auch einmal dem Ver-
treter der deutschen Reichsregierung Gelegenheit geben,
seine Stellung zur Frage der internationalen Schieds-
gerichte auseinanderzusetzen.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 9. Jan. Kaiser Wilhelm trifft am
Mittwoch Nachmittag 12 Uhr 52 Minuten hier ein.
Nach der Ankunft findet im Schloß Frühstückstafel mit
12 Couverts und Marschalltafel mit 18 Couverts statt.
Am Abend besuchen die Herrschaften die Oper „Lohengrin"
im Hostheater, wobei die große Hofloge in der Mitte
benützt wird. Der Kaiser wird Wohnung im ehemaligen
Quartier der Großherzogin Sofie im 2. Stock des
Residenzschlosses nehmen. Die Abreise ist auf Abends
10 Ubr 2 Min. festgesetzt. —I Der Kaiser empfängt
Mittwoch hier in Sachen der Moselcanalisirung eine
Abordnung, die ans Commeroienrat Lueg aus Oberbausen,
Director Thielen aus Ruhrort, Commcrcienrat Michels
aus Köln und dem Beigeordneten des Bürgermeisters
Lallcmemt aus Metz bestehen wird.
Berlin, 9. Jan. Der G r oß s ü rst - T h ro n fo Ig er
von Rußland hat die Einladung des deutschen
Kaisers, an der Hochzeit seiner Schwester, der Prin-
zessin Margarethe von Preußen, mit dem Prinzen Fried-
rich Karl von Hessen theilzunehmen, angenommen;
er wird voraussichtlich auch der Feier oes diesjährigen
Geburtstages des Kaisers in Berlin beiwohnen. Bekannt-
lich ist die Großmutter des Großfürsten-Thronfolgers,
Königin Luise von Dänemark, eine Schwester des Vaters
des Bräutigams, des Landgrafen Friedrich von Hessen.
Berlin, 8. Jan. Der Kaiser ist heute Abend
acht Uhr nach Sigmaringen abgereist.
Sigmaringen, 9. Jan. Der Kaiser ist Nach

In schwerem WeröcrchL.
8) Criminal-Novellc
von Reinhold Orlmann.
(Fortsetzung.)
Nachdem d'Hcrvilly wieder in das Nebenzimmer zurück-
gekehrt war und die Portiore hinter sich zugezogen hatte,
streifte er zunächst den Aermel feines Rockes z-.rück, um
nach der Wunde zu sehen. Das Bluten derselben hatte
sehr schnell aufgehört, doch hinderte ihn die sehr tief ein-
gedrungene Verletzung an der freien Bewegung des Armes;
der Mörder war in diesem Augenblick indessen viel zu
sehr von dem Wunsche erfüllt, sich die Früchte seines
Verbrechens zu sichern, als daß er weiter hätte darauf
achten sollen.
Er trat an den Schreibtisch und begann nach der
Feder zu suchen, die, wie er vorhin gesehen hatte, das
Oeffncn desselben ermöglichte. Minute auf Minute ve^-
ran, ohne daß es ihm gelungen wäre, die richtige Stelle
zu finden. Schon begannen große Tropfen kalten Angst-
schweißes von seiner Stirne zu perlen und das Beben
seiner schlanken Finger verrieth deutlich die entsetzliche
Furcht, die sein Inneres zu erfüllen begann, die Furcht, daß
die ganze grausige That umsonst gewesen sein möchte.
Ein günstiger Stern aber schien üher dem Treiben
des Verbrechers zn stehen, denn nach fast halbstündigem
Euchen war es ibm gelungen, den versteckten Knopf zu
finden, und ein leichter Fingerdruck genügte, um das gc-
hcimnißvolle Fach zu öffnen.
Gierig beugte der Mörder das Gesicht vor die Oeff-

nung, und ein leiser Freudenschrei schlüpfte über seine
Lippen, als er sah, daß ihn seine Ahnung nicht getäuscht
hatte, daß neben dem wichtigen Kästchen noch eine Hand
voll Kassenscheine und eine nicht unbeträchtliche Zahl von
Goldrollen den Inhalt des Faches ausmachten.
Mit triumphirendem Lächeln nahm d'Hcrvilly das
Geld heraus und begann es flüchtig durchzuzählen.
„Das ist mehr als ich brauche", murmelte er; „cs
wird rathsam sein, dcn Rest hier zu lassen!"
Nachdem er sämmtliches Geld und einen Theil der
Banknoten in die Tasche geschoben, den Rest aber in das
Fach zurückgelegt hatte, griff er nach dem Kästchen, aus
dessen Schloß die Gräfin bei der Plötzlichkeit seines Ueber-
falles den Schlüssel nicht mehr abzuziehen vermocht hatte.
Er öffnete es, nahm, ohne die anderen darin enthaltenen
Gegenstände eines Blickes zu würdigen, das Zäckchen Briefe
heraus und stellte dann auch die Schatulle wieder an
ihren Platz zurück.
Ein froher Athemzug bob die Brust des Verbrechers,
als er jetzt durch einfaches Zuschlägen das Fach des Schreib-
tisches wieder geschlossen batte- Sein grauenhaftes Werk
war vollbracht und der Zweck, mit dem er hierher gekommen,
erfüllt, wenn er auch vorher geglaubt hatte, auf einfachere
Weise an das Ziel seiner Wünsche z„ gelangen. Noch
einmal schweifte sein Adlerauge durch das Gemach, um sich
zu überzeugen, daß nichts vorhanden sei, was an ihm hätte
zum Verräter werden können und sein Blick haftete an
der blitzenden Haarnadel, die aus der Hand des sterbenden
Opfers auf ven Teppich nicdergesallen war. Er hob dcn
kostbaren brillantenbesctzten Schmuckgegcnstand aus und

schien einen Augenblick nachzudenken, was wohl damit zu
beginnen sei.
„Das ist fatal", sagte er leise vor sich hin, die halb
mit einer dünnen Schicht angetrockncten Blutes überzogene
Nadel betrachtend; „ich darf das Ding nicht mitnehmen,
wenn ich mich nicht einer großen Gefahr aussetzen will,
und das Hierlassen hat auch seine Bedenken."
Plötzlich sckien ihm der rechte Gedanke gekommen zu
sein. Er trat in das Schlafgcmach und steckte die Nadel
in das volle Haar der Leiche, dann löschte er in den beiden
Zimmern das Licht aus und schwang sich auf demselben
Weg, auf dem er gekommen, wieder in den Garten binab.
Ungehört und ungesehen schlüpfte er zwischen den Bäumen
dahin bis zu einer Stelle, wo die niedrige Gartenmauer
an eine jederzeit menschenleere Straße stieß. Eine kurze
Umschau nach rechts und links — dann ein Sprung und
der Mörder war außer dem Bereich der Lauenfeld'schen
Besitzung. Den Hut tief in daei Gesicht gedrückt eilte
er durch einige enge, winkelige Straßen, bis er zuletzt in
dem schmalen Gäßchen stand, auf welches die Hinterscite
seines Hotels hinausging. In drei auf dieser Seite be-
logenen Zimmer pflegte der weniger vornehme Theil der
Gäste zu logiren, zunächst Geschäftsreisende und andere
junge Kaufleute, bei denen cine^Heimkcbr zu später Nacht-
stunde durchaus nickt zu den Lellenheiten gehörte. Der
alte Portier; dessen Obliegenheit eigentlich gewesen wäre,
jeden der verspäteten Ankömmlinge einzeln einzulassen,
hatte sich sein Amt so bequem als möglich gemacht; erließ
die Haustbür unverschlossen und plazirte sich allnächtlich
auf dem bequemen, altmodischen Sopha, von dem aus
 
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