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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 31 - No. 40 (5. Februar - 16. Februar)
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Trotzdem der Assessor sich nun alle erdenkliche Mühe
gab, seine Fragen so unbefangen als möglich erscheinen
zu lassen, so war der schlaue Kellner doch sehr bald da-
binter gekommen, daß es ein anderes als ein freundschaft-
liches Interesse sein müsse, welches den Frager leitete,
und er ventilirtc deshalb im Stillen sehr lebhaft den
Gedanken, ob hier nicht möglicherweise zwei Fliegen mit
einer Klappe zu schlagen sein würden und ob nicht in
diesem Herrn etwa der geeignetste Uebersetzcr für den ge-
retteten Lrieffetzen gefunden sein dürfte.
Er hatte dem Assessor mit vollster Offenheit und
seiner Ansicht nach auch der Wahrheit gemäß erzählt, daß
der Marquis in der verwichenen Nacht gemeinschaftlich
mit einem andern Herrn, der vom Hotel aus weiter ge-
fahren war, aus einer Gesellschaft heimgekehrt Sei und
sein Zimmer nicht eher wieder verlassen habe, als am
heutigen Morgen, wo er einen Spazierritt unternommen
habe, auf welchen, er gegenwärtig noch begriffen sei.
Die unvorsichtige Frage Braunfel's, ob man das
Hotel nicht auf einem anderen Wege, als durch das
Hauptportal verlassen könne, hatte George die feste Ueber-
zeugung gegeben, daß in diesem harmlosen Verhör ein
tieferer Zweck virborgen sei, und n.n zögerte er nicht
länger, mit seinem glücklichen Fund herauszurücken.
„Verzeihen Sie, gnädiger Herr," sagte er, mit einer
gewissen Verlegenheit das Papierstückchen «ns der Tasche
ziehend, „wenn ich Sic nun gleichfalls mit einer Bitte
zu belästigen wage. In dem Zimmer einer Person, für
welche ich mich sehr lebhaft intercssire, fand ich an diesem
Morgen ein Stück des Briefes, v»n dessen Inhalt ich
sehr gern Kenntniß haben möchte, ohne ihn etwa einem

meiner Kollegen anzuvertrauen. Wenn Sie, gnädiger
Herr, nun vielleicht die Güte haben wollten —"
Damit reichte er das Papier dem Assessor, den die
scheinbare Unverschämthsit des Dienstboten nicht wenig
frappirtc, der aber doch zu gutmüthig war, eine so leicht
erfüllbare Bitte abzuschlagen.
Der Inhalt dieses abgerissenen und unvollständigen
Schriftstückes schien indessen eine beinahe überwältigende
Wirkung auf den jungen Juristen auszuüben, den:- nur
mit Aufbietung aller ihm zu Gebote stehenden Ruhe und
Selbstbeherrschung gelang es ihm, eine Erregung zu be-
meistern, die sich bei dem flüchtigen Durchfliegen des
Papieres dennoch in den, hohen Errötben seiner Wangen
und in dem trinmphirenden Aufblitzen seiner Augen
deutlich genug äußerte.
Trotz des gewaltigen Eindrucks der glücklichen Ent-
deckung, welche ihm hier ein Zufall in die Hand ge-
spielt, war Brannfels jedoch Diplomat genug, um ein
zusehen, daß der Kellner die Wichtigkeit seines Fundes
nicht kennen lernen durfte, wenn nicht das ganze Spiel
durch seine plumpe Trinkgeldsucht verdorben werden sollte.
Mit der gleichgiltigsten Miene von der Welt reichte er
ihm dar.un das Papier zurück.
„Ich wüßte nicht mein Bester," sagte er kalt, „in-
wiefern Sie eine trockene und an sich vollkommen gleich-
giltige Geschäftsangelegenheit des Herrn Marquis d'Hcr-
villy, von welchen, dieser Brief herstammt, interesfiren
könnte. Es wird vielmehr meiner Ansicht nach das Ge-
rathcnstc jein, Niemand weiter erfahren zu lassen, einen
wie großen Antheil Sic an den Privatverhältnissen der
Gäste des Hotels nehmen."

dem gegenwärtigen Reichstage erreichen läßt als mit einem
nach Auflösung desselben neu zu wählenden. Im In-
teresse der Armee wünschen wir, daß die Regierung sich
diesen Reichstag, der viel militärfrommer ist als sein
Nachfolger wahrscheinlich fein wird, erhalten und mit ihm
eine zweckmäßige Hecresreform zu Stande bringen möge.
Das ist der Grund, aus dem wir die Auflösung be-
kämpfen. Eine Kanzlerkrisis aber halten wir nicht er-
forderlich, weil cs von dem Kanzler thöricht sein würde,
wenn er glaubte, seinerseits sich für die Beschlüsse des
Bundesratbs in der Militärvorlagc verantwortlich machen
zu müssen. Will er cs dennoch, so halten wir ihn nicht,
aber wir wünschen den Reichstag zu halten, weil wir,
wie gesagt, niit ihm das Zustandekommen einer zweck-
mäßigen Militärreform nach Ablehnung der jetzigen, die
wir für ungeschickt erachten, als wahrscheinlich ansehen."
Eine sehr viel schärfere Spitze enthält die lakonische
Bemerkung aus Anlaß der jüngsten Gencralsreden zur
Militärvorlagc:
Nicht ohne Absicht und Vorbedacht sind unsere ge-
jammten staatlichen Einrichtungen so gestaltet, um das
Heer von der Politik fern zu halten. Das ganze Heer,
auch der Officicr bis hinauf zum Feldmarschall. Der
Officier soll eben nur Officicr, nichts, gar nichts anderes
sein. Daraus müssen alle ebne Unterschied die noth-
wendigen Eonscquenzcn ziehen. Ein Kaisertoast, durch
einen General ausgebracht, kann gar nicht knapp und
kurz genug sein. Moltkc pflegte dein, Festmahl am
Kaisersgeburtstag zu sagen: „Seine Majestät der Kaiser
und ^.önig lebe hoch," und Feldmarschall Manteuffel sagte
regelmäßig: „Seine Majestät unser alleranädigster Kaffer
und Herr soll leben." Das sind Rassische Muster für
Gencralsreden." —

Deutsches Reich.
Berlin, 4. Febr. Der „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht
die Vcr.eihung der Kette zum Schwarzen Adlerorden an
den Großfürsten Thronfolger von Rußland. — Dem
Vernehmen nach wird sowohl der Großherzvg von Hessen
wie die Prinzessin Heinrich von Preußen noch bis Mitte
der nächsten Woche in Berlin verbleiben.
Berlin, 4. Febr. Zu Ehren des Generalobersten
v. Pape fand abends 7 Uhr bei dem Officiercorps des
2. Garderegiments ein großes Festmahl statt, an welchem
der Kaiser tbeilnabm. Der Kommandeur v-Hartmann
brachte das Hoch auf den Kaiser aus. Der Kaiser hielt
darauf eine längere Ansprache, feierte den Jubilar und

überreichte das Geschenk des Officiercorps, einen Fahnen-
träger des Regiments in Bronce niit der Widmung.
Generaloberst v. Pape dankte hierauf.
Berlin, 4. Febr. Die Subkommission der Militär-
kommission des Reichstags hatte ihre erste Sitzung.
Die Kommissorien des Kriegsministers legten dar, baß
die fortdauernden Ausgaben der Militärverwaltung sich
über die in der Mllitäcvorlage enthaltenen Forderungen
definitiv nicht erheblich erhöhen würden, lieber die extra-
ordinären Ausgaben wurde noch nicht verbandelt.
Berlin, 4. Febr. Der Großfürst-Thronfolger von
Rußland soll während seines letzten Besuchs am Berliner
Hofe eine hochpolitische Enthüllung gemacht haben. Wie
nämlich von verschiedenen durchaus glaubwürdigen Seiten
versichert wird, soll der Großfürst noch hierbei die Ver
sicherung überbracht haben, daß ein Bündniß zwischen
Rußland und Frankreich nicht bestehe.
Berlin, 4. Feb. Der Gesetzentwurf betreffend die
Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werth-
papiere umfaßt 14 Paragraphen. Darnach müssen
Werthpapicrc unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes
Hinterlegers oder Verpfänders gesondert aufbewahrt
werden. Die Werthpapiere eines jeden Hinterlegers müssen
in einem besonderen Handelsbuch genau bezeichnet und
eingetragen werden.
Berlin, 4. Febr. Es scheinr richtig zu sein, baß
bei den betheiligten Regierungen angefragt wurde, ob sie
geneigt wären, sich an einer baldigen Zusammenkunft zu
betheiligen, die etwa in Dresden zusammentreten und
internationale Maßregeln gegen die Eholeragefahr be
rathen werde. Die Zustimmung soll erwartet werden.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 4. Febr. Das hiesige Deutschmeister-Regiment
erhielt von den Ofsicieren des deutschen Heeres, die am
Fernritt Berlin-Wien bethciligt waren, ein Bronzestand-
bild eines Grenadiers vom Berliner Kaiser Franz-Garde-
Grenadicrregiment. Bei der feierlichen Uebernabme des
Geschenkes brachte Oberst Werner einen Trinkspruch auf
die deutschen Kameraden aus, denen sodann telegraphisch
zugerufen wurde: „Mit unwandelbarer, treuer kamerad-
schaftlicher Gesinnung aus vollem Herzen ein tief-
empfundenes Hurrah und Hoch!"
Krankreich.
Paris, 4. Febr. Der „Moniteur diplomatique" be-
baupiet, Kaiser Wilhelm und Bismarck würden
sich bei der bevorstehenden Reise nach Wien aussöhnen.



Heidelberg, Dienstag, 7. Februar

1893

Expedition:
Hauptstraße 25.

Expedition:
Hauptstraße 25.

solcher ausweist, ist das Recht
eingeräumt, monatlich je eine die
Bedürfnisse des Haushaltes betreffende
'Anzeige (Kamilienanzeigen, Dienstboten-
gesuche, Wohnungsanzeige n. s. w.) bei
uns aufzugeben. Diese Aufnahmen ge-
schehen stets unentgeltlich.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Post innerhalb der Stadl durch unsere
Träger entgegengenommcn.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Zrw Lage.
In der Freitagsnummer d.r „Hamb. Nachr." befanden
sich zwei Bemerkungen über die Lage, die ibres leicht
erkennbaren Ursprungs wegen die allgemeine Aufmerksam-
keit verdienen. Mit Bezug auf di: Polemik eines Blattes
gegen die kürzlich in den „Hamb. Nachr." gefallene
Aeußerung, daß bei Ablehnung der Militärvorlage weder
A flösung des Reichstages noch Rücktritt des Grafen
Eaprivi zu erfolgen brauche, heisst es in dem von Fried-
richsrub inspirirten Blatte heute:
„Wir haben eine zarte Besorgniß für den Grafen
Eaprivi bei allem Wohlwollen, das wir diesem Generale
widmen, allerdings niemals kundgegeben und es ist uns
ziemlich gleichgiltig, ob er Kanzler bleibt oder nicht.
Die Ursache unserer Meinungsäußerung ist lediglich die,
daß wir das Zustandekommen einer Verbesserung unserer
Armee ebenso lebhaft wünschen wie irgend Jemand, nur
nicht gerade die jetzige Vorlage für richtig,
sondern im G eg ent heil für eine Schädigung
der Armeehalten. Wir glauben ferner, daß eine
Nützliche Reform des Heeres sich immer noch eher mit

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt
monatlich nur 4b Psg
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mt.
ebne Zustellungsgebühr.

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Heidelberg.

In schwerem WerdnchL.
ist) Criminal-Novelle
»on Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
Doktor Birkenfeld behauptete nämlich im Widerspruch
ju den Ansichten seiner beiden Kollegen, das Ableben der
Gräfin müsse schon während der vorhergegangenen Nacht
Kfolgt sein, während jene erst den heutigen Morgen als
Dermin für den Eintritt des Todes annehmen wollten.
>sedc der Parteien wußte eine Reihe von Argumenten tür
Hre Ansicht aufzuführen, so daß selbst nach stundenlanger
Konferenz eine Einigung noch nicht erzielt war und daß
Nichts Anderes übrig blieb, als die beiden abweichenden
Gutachten zu den Akten zu nehmen.
Alles dies batte der Assessor noch einmal vor seinem
Leiste vorüberziehen lassen, während in dem eleganten
^orzimmer des Mörders saß und auf das Erscheinen des
Zellners wartete, der ibm mit solcher Bereitwilligkeit jede
^wünschte Auskunft versprochen hatte. Nach zehn Mi-
eten vernahm er dann auch draußen den leichten,
ffhenden Schritt des dienstfertigen George, dessen wohl-
Rsicter Kopf sich mit einer fragenden Miene durch
balboeöffnete Tbür schob.
„Treten Sie näher", rief der Assessor dem Kellner
Liegen; „meine Zeit ist gemessen!" Und dec patchoul-
^stende Ganymed schlüpfte vollständig in das Zimmer
-^cin, in devotester Haltung und mit dem Ausdrucke,
^verfälschter Bescheidenheit im Gesichte vor Braunfels
"Hend bleibend.


Verkündigrmgsblntt und Anzeiger

Die,st8ürgerzeitnng"
erscheint täglich mit Ausnahme von
— Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummcr liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
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