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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 41 - No. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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Verkündigungsblatt «nd Anzeiger

Die,^vürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Abonnementspreis
für Heidelberg: mvnarl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Znserttoilspreis: 10 Pf. für die 1-spalt-
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privalanzcigcn 5 Pf.

5V.

Expeditton:
Hauptstraße 28.

Heidelberg, Dienstag, 28. Februar

Expedition:
Hauptstraße 28.

18S3.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt
monatlich nur 40 Pfg.
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Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
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Verlag der „Bürger-Zeitung".
Das ewige Lied.
Aus dem Türkenlande.
Es ist wieder einmal das ewige Lied, das aus dem
Türkenlande unter anderen Alamirenden auch der
Generalmajor Goltz vom Türkenlande herüber singt:
Deutschland, wenn Du die Militärvorlage nicht ge-
nehmigst, giebt's Krieg.! Da ist die Lage wieder ernst,
bas Volk hat wieder keine Ahnung und kein Verständniß
für die furchtbaren Gefahren u. s. w. Es ist merkwürdig
und abermals merkwürdig, diese Kriegsfanfaren unifor-
wirter Autoritäten zu hören und immer wieder zu hören,
last eine wie die andere und gerade als sei das deutsche
Volk das Kind, vas man angruseln muß, um es zum
Gehorsam zu bringen. Jedoch wir lassen einen Theil
biests Autoritäts-Artikels, der das deutsche Volk aus
sicher Gemächlichkeit zwar auch noch nicht recht aufrütteln
wird, der aber doch das große Verdienst hat, unter ge-
wissenhaftem Stillschweigen über die Leistungsfähigkeit
bes Volkes baargenau wieder eine ziemlich bejahrte Offen-
barung über den großen bevorstehenden Krieg zu bringen,
Aer folgen:
„Wer die Umgestaltung", verkündet er aus dem Türken-
jud, „die europäischen Lage wie ein Spiegelbild sich hat
Zwickeln sehen, mag dadurch auf natürliche Art wach-
wrner geworden sein als wer daheim im Vaterlande in
sicherer Ruhe lebt und davon nur gelegentlich hört und
,wst. Es ist aber wahrlich für uns alle Zeit, die Äugen
öfi reiben, die Lage ernst zu prüfen, gewissenhaft die
^Aenen Kräfte mit denen der muthmaßlichen Gegner zu

vergleichen und den Blick auf die kommende Entwickelung
der europäischen Lage zu richten, soweit sie sich in großen
Zügen im voraus erkennen läßr. Wer das thut und
inhaltlosen Schlagworten wie „Militarismus", Rede-
wendungen wie denjenigen, „daß man die Quantität
nicht auf Kosten der Qualität begünstigen dürfe", keinen
Raum gewährt, der muß und wird am Ende zu der-
selben Ueberzeugung kommen wie die Regierung. Es ist
auch keineswegs nothwendig, der Zahlenwuth zu huldigen;
die bekannten, in der Vorlage selbst und in der „Auf-
klärung" zu dieser sowie in anderer halbamtlichen Ver-
öffentlichungen enthaltenen Angaben erjagen jede ernüe
Prüfung und beweisen leider nur zu deutlich, daß Deutsch-
land seinen muthmaßlichen Gegnern und der Erfüllung
seiner wahrscheinlichen zukünftigen Aufgabe nicht ge-
wachsen ist. Europa bedarf in seiner Mitte des großen,
einheitlichen und so starken Staats, daß jeder Angriff
auf denselben aussichtslos ist. Nur in diesem Falle
werden die im Osten und im Westen vorhandenen, vor-
wärtstreibenden Gewalten den Weg in benachbarte Welt-
theile suchen, wo ihrer große zivilisatorische Aufgaben
harren, die zwar auch nicht ganz ohne Kampf, aber doch
ohne große völkervernichtende Kriege zu erfüllen sind und
die am Ende neues Leben wecken, statt vorhandenes zu
tödten. Es ist immer gewagt, mit Bestimmtheit das
Kommende Vorhersagen zu wollen. Soweit aber mensch-
liche Voraussicht reicht, kann man mit Sicherheit annehmen,
daß, wenn Deutschland seine kriegerische Verfassung nicht
weiter entwickelt, wenn es nicht jetzt noch, wo wir in der
elften Stunde stehen, das Versäumte nachholt, Europa
einem Zeitalter neuer Kriege entgegengeht. (!?) Kein Bünd-
niß kann den Mangel an einer einheitlich geschlossenen,
überlegenen Macht ersetzen, weil seine Gegner die Hoff-
nung niemals aufgeben werden, es zu trennen. Auch
der Dreibund wird bei aller Beständigkeit den großen
europäischen Krieg nicht aufhalten. Das kann, wenn
cs überhaupt möglich isff nur das einige, kriegerisch neu-
gestärkte Deutschland, dessen Kräfte in einer Hand ruhen.
Unter dieser Bedingung darf man im Augenblick wirklich
ohne sich einer Uebertreibung schuldig zu machen, den
Satz aussprechen: „Die Annahme der Militärvorlage
ist der europäische Friede." — Natürlich wie immer und
in etlichen Jahren wieder.

Deutsches Reich.
Berlin, 25, Febr. Bei dem gestrigen Abendessen
bei dem Staatssekretär v. Bötticher brachte der Kaiser I

dem Vernehmen nach einen Toast aus auf den abwesenden
Reichskanzler. Der Kaiser unterhielt sich bis gegen
Mitternacht sehr lebhaft mit den Gästen des Staats-
sekretärs. Er berührte auch die großen schwebenden
Tagesfragen, namentlich die Militärvorlage. Unter den
Anwesenden befanden sich auch die Künstler Werner und
Begas und Professor Helmholtz.
Berlin, 25. Febr- Zur Feier des Geburtstags
des Königs Wilhelm von Württemberg ist heute Abend
bei dem Kaiser festliche Tafel, an welcher der würt-
tembergische Gesandte Staatsratb v. Moser, der Militär-
attache Wachter, der Reichskanzler, der Staatssekretär
Frhr v. Marschall und der Generalconsul Monts theil-
nebmen. Hieran schließt sich eine musikalische Abend-
unterhaltung mit 90 Einladungen.
Berlin, 25. Febr- Der „Staatsanz." veröffentlicht
mehrere Verordnungen über die Ausübung des Auf-
sichtsrechts des Staates gegenüber der evangelischen
Landeskirche und in den katholischen Diözesen in Sachen
der Vermögensverwaltung. Das Aufsichtsrecht wird
theils auf die Regierungspräsidenten, die Oberpräsidente
und den Kultusminister, bald allein, bald in Verbindung
mit dem Minister des Innern und den Finanzministeg
übertragen, je nach den verschiedenen Akten der Ver?
Mögensverwaltung, um die es sich handelt. Es scheint,-
daß die minderwichtigen Sachen auf die Bezirksregie-
rungen übertragen werden, um die Eentral-Jnstanz zu
entlasten.
Berlin, 25. Febr. Bennigsens Anfragen in
der Militär-Commission an die Militärverwaltung
beziehen sich auf § 2 und lauten in der Hauptsache:
1) Wieviele von den beabsichtigten mehrauszuhebenden
60,000 Rekruten sind erforderlich, um den ausfallenden
dritten Jahrgang zu decken? 2) Sind unter den 60,000
Rekruten einbegriffen der Nachersatz und die Kapitulanten,
sowie die Freiwilligen (mit Ausnahme der Einjährig-
Freiwilligen)? 8) Wie berechnet sich aus der Zahl der
von 60,000 Rekruten — nach Abzug der zur Deckung
des ausfallenden dritten Jahrganges erforderlichen —
disponibel bleibenden, eventuell unter Hinzurechnung von
Nachersatz und Kapitulanten und Freiwilligen die geforderte
Erhöhung der Friedenspräsenz um rund 72,000 Gemeine
und 12,000 Unteroffiziere? 4) Wie hoch beläuft sich zur
Zeit noch das Manquement an Offizieren, 6. an Unter-
offizieren, und bis zu welchem Zeitpunkte ist dasselbe
voraussichtlich gedeckt? 5) ist die erstmalige Beschaffung
des nach der Vorlage erforderlich erachteten Mehr von
rund 2100 Offizieren und 12,000 Unteroffizieren un

18)

In schwerem WeröcrchL.
Criminal-Novclle
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung-)
„Ich gratulire Ihnen von ganzem Herzen zu der
Ästigen Wendung, welche das Schicksal ihres Sohnes
Kommen hat,, verehrte Frau," sagte er warm; „und
7 will hoffen, daß die Freude des Wiedersehens einen
Ästigeren Einfluß auf sie üben wird, als die Er
Fütterungen jener verhängnißvollen Katastrophe. Mir
werden Sie gerne verzeihen, wenn ich mich nicht
Zeugen des frohen Ereignisses machen will, und
5?) einpfehle. Vielleicht werden Sie mich binnen kurzer
"^tt Wiedersehen."
Ehe noch eine der Frauen durch ein Wort oder eine
s/^gung sein Fortgehen hindern konnte, war er ver-
^uuhen; aber als er die Thür hinter sich ins Schloß
hatte er noch gesehen, daß das junge Mädchen vor
Kreisen Mutter in die Knie sank, sie mit beiden
> wen umschlang und an ihrem Herzen den strömenden
^udentbränen ungehindert freien Lauf ließ.
fick alte Schwarzwälderuhr über dem Sopha mochte
nicht wenig verwundern ob all der wechselnden
die sie heute mit ihrem einförmigen Pendelschlag
»vil. " wußte, denn Noch war ihr Zeiger nicht um eine
y Stunde weiter gerückt, als Hand in Hand eine Gruppe
. drei überglücklichen, seligen Menschenkindern in dem
Nditxp^u Raume bei einander saß — der befreite
w zwischen Mutter und Schwester, unter Lachen und

Weinen bestürmt mit tausend Fragen, von denen er doch
in seiner überquellenden Fröhlichkeit nicht eine einzige
zu beantworten vermochte.
Hatte er doch zuletzt selbst nicht mehr zu hoffen ge-
wagt, daß die Stunde der Erlösung so bald kommen
würde, denn die scheinbar unzerreißbare Kette schwer-
wiegender Indizien, welche sich, wie er aus den ersten
Verhören ersehen, gegen ibn geltend machten, hatte sich
immer enger um seinen Leib gelegt und allmählich auch
die feste Zuversicht erschüttert, die ihn, bisher das Be-
wußtsein seiner Unschuld gegeben.
Bei seiner Verbaftung hatte er beschlossen, allen
Fragen ein trotziges Schweigen entgegenzusetzen und die
Entwickelung der Angelegenheit, deren Ausgang seiner
Ansicht nach ja nicht zweifelhaft sein konnte, dem Zufall
zu überlassen.
Angesichts der drückenden Beweismomente aber war
er von diesem Vorsatz gar bald zurückgekommen uud hatte
wohl hundertmal mit beredten Worten und tbränenden
Augen seine Schuldlosigkeit belheuert. Man hatte ihn
in Folge dessen für einen hartnäckigen, verstockten Ver
brecher gehalten und ihn nur noch härter behandelt, so
daß allmählig elne stumpfe Verzweiflung den Geist des
jungen Mannes zu umnachten begonnen batten.
Da war in den Vormittagsstunden des heutigen
Tages der Gcfängnißwärter abermals in seine Zelle ge-
kommen und hatte ihn ausgefordert, ihm zum Untersuch-
ungsrichter zu folgen. Den Beginn eines neuen Ver-
hörs vermuthend, war Richard in dumpfer Resignation
mitgegangen und in bas ihm so wohlbekannte und zugleich
verhaßte Vernehmungszimmer getreten, wo sich zu seinem

Befremden außer dem Untersuchungsrichter noch der Ober-
staatsanwalt, der Assessor Braunfels und der gefesselte
Ferrolt befanden.
Gleichgiltig und gefaßt hatte er die gewöhnliche An-
rede des Richters erwartet, aber es war ihin, wie ein
Wetterschlag durch alle Glieder gefahren, als der Beamte
sich statt dessen an den Gcfängnißwärter wandte und zu
demselben sagte:
„Nehmen Sie Herrn Weiß die Fesseln ab!"
Mit halb freudiger, halb schmerzlicher Ungewißheit
um sich blickend, hatte Richard den mit erdfahlem Gesicht
und bebendem Körper dastebendcn Franzosen bemerkt, und
mit unsicherer Stimme sich an den Richter wendend,
hatte er zu fragen gewagt:
„Ist das der Mann, an dessen Stelle Sie mich hier
festgesetzt haben?"
„Ihnen darüber irgend eine Mittbeilung zu machen,
steht mir in diesem Augenblicke nicht zu, Herr Weiß! —
Jedenfalls aber ist Ihre völlige Schuldlosigkeit erwiesen
und Jbre Haft zu Ende; Sie sind frei und können
gehen, wohin Sie wollen!"
Richard war dieser Aufforderung nicht sogleich nach-
gekommen und auf die bezügliche Frage des Richters,
der wohl gesehen haben mochte, daß ihm doch noch irgend
etwas auf dem Herzen liege, hatte er nach einigem Zögern
erwidert:
„Ja, Herr Richter, ich möchte Sie noch fragen, wo-
durch man den wirklichen Tbäter entdeckt hat und bei
wem ich mich dafür bedanken kann, daß ich von diesem
entsetzlichen Orte endlich wieder fortkomme?"
 
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