Arger
Verkündigungsblatt und Anzeiger
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Die Historie oom General DMs.
Eine officivse Meldung aus Paris besagt, der Sieger
von Dahomey, General Dodds, wäre vom Präsidenten
Carnot empfangen worden. Man hat aber Grund an-
zunehmen, daß dies gar nicht wahr ist und das dürfte
sehr bezeichnend für die französischen Verhältnisse sein.
Dem Auslande liegt ja im Allgemeinen sehr wenig
daran, ob Dodds Carnot oder Carnot Dodds besucht;
nicht aber den Parisern und Franzosen überhaupt. In
General Dodds feiern sie den ersten General der „seit
den schrecklichen Jahren", wie sie schreiben, mit Lorbeeren
geschmückt nach Frankreich zurückgekehrt ist, der die fran-
zösische Gloire, die Allen ans Herz gewachsen ist, neu
oufgefrischt hat. Sie feiern ihn darum, und wollen ihn
auch, seinen Verdiensten entsprechend, officiell geehrt
sehen. Nichts liegt näher, als daß der Präsident der Re-
publik den Sieger von Dahomey gleich nach seiner An-
kunft in Paris zu sich bescheiden läßt, um ihm die Hand
zu drücken und im Namen des Vaterlandes den Dank
und die Anerkennung, die sich der General verdient, aus-
zusprechen. Das wäre ganz in Ordnung gewesen, und
das erwartete man auch: man glaubte gar nicht, daß es
anders sein und komme könne. Es kam aber anders!
Dodds war zwei Tage in Paris, und der Präsident der
Republik hatte ihn noch nicht zu sich beschieden. Das
entging der öffentlichen Meinung nicht; man fing an,
erregt darüber zu sprechen, die Stimme des Unwillens
machte sich vernehmbar, und da kamen die Officiösen mit
ihrer Meldung, die natürlich auch auf diesem Umwege
ihren Weg in die Pariser Blätter fand. Augenblickliche
Beruhigung-
Die Wahrheit blieb aber nicht lange verborgen; wenn
General Dodds nach seiner Ankunft im Palais der
Champs Elysses war, so wurde er dort höchstens vom
Portier empfangen und beschieden, daß er den Präsidenten
Die Irrfahrt des Keveus.
Roman von T. Wild.
3,318ci (Fortsetzung.)
Nach langer Irrfahrt des Lebens hatte Georgine Herrn
von Molitor' kennen gelernt und eine leidenschaftliche Liebe
zu dem schönen, liebenswürdigen Manne gefaßt. Damals
nannte er sich Norbert Hellmuth und gav vor, der Sohn eines
reichen Bankiers zu sein. Sie glaubte ihm, sie vertraute ihm
Und ward seine Gattin.
Schon die ersten Wochen ihrer Ehe brachten ihr Ent-
täuschung aus Enttäuschung. Sie mußte bald erkennen, daß
ihr Gatte aus keinem reichen Hause stamme, denn oft fehlte
rs ihnen am Nothwcndigsten — es war ein Dasein von heute
vuf morgen — einmal Glanz und Luxus, das nächste Mal
Armuth und Noth.
Dennoch hielt Georgine zu ihrem Gatten, denn ihre
Liebe zu ihm war noch nicht erloschen. Sie folgte ihm willig
überall hin und ließ sich sogar dazu herbei, durch ihre auf-
fallend schöne Erscheinung Fremde herbei zu locken, welche
dann am Spieltische ihren Obnlus entrichten mußten, wenn
cs ihnen gelüstete, einige Stunden mit der schönen Frau zu
Verplaudern. Dabei war Norbert jedoch entsetzlich eifer-
süchtig ; jeder Blick, jedes Lächeln Georginens wurde genau
tontrolirt und überwacht. Heftige Scenen fanden statt, sie
lernte den grausamen, unbeugsamen Charakter ihres Mannes
kennen, und dennoch war alles dieses nicht im Stande, die
Liebe zu ertöten, die sie für ihn in ihrem Herzen trug.
Sic blieben nirgends lange, von Ort zu Ort zogen sie,
weist englische oder französische Seebäder zu ihrem Aufent-
halte wählend.
Das ging so zwei Jahre fort, dann geschah das Unglück;
Georgine betrauerte den Tod des Gatten mit verdoppeltem
Tckmerze denn sie fühlte sich Mutter werden.
Noch hatte sic Norbert leine Mitiheilnng davon gemacht,
nicht sehen könne. Dodds hatte auch am Sonntag Carnot
nicht gesehen, und am Monntag wußte es alle Welt.
Die augenblickliche Beruhigung verschwindet und macht
neuem Unwillen Platz. Ein Pariser Blatt erklärt
damit, daß Präsident Carnot den General Dodds noch
nicht empfangen konnte, weil dessen neue Uniform noch
nicht fertig sei. In Dahomey gebe es keine Uniform-
schneider und Schneider überhaupt, und da mußte Dodds
warten, bis er nach Paris kam. Die neue Uniform sei
aber unerläßlich und Dodds müsse darum warten, bis
der Schneider mit der Arbeit fertig werde. Das goß
neues Oel ins Feuer. Die Blätter bemächtigten sich
dessen, und fragten, ob Dodds nicht im Civilanzuge
hätte kommen können, oder ob die Uniform nicht gut
und ehrenhaft genug sei, in der er in Dahomey die
glänzenden Siege für die Republik errungen. Natürlich
ließ das officielle Dementi nicht lange auf sich warten.
Es erschien im „Temps," bezeichnete die Notiz im
„Figaro" als einen Scherz, der von allen intelligenten
Lesern sofort als ein solcher erkannt worden sein müsse,
und erklärte, daß der Grund, warum General Dodds
bisher nicht empfangen worden sei, in einem heftigen
Ausbruch des Leberleidcns Carnots liege, der cs dem
Präsidenten der Republik unmöglich mache, irgend Je-
mand zu empfangen.
Man bezeichnete die Krankheit alsbald als erfunden.
Aber warum und weßhalb war Carnot Dodds
gegenüber krank? Warum empfing er den Sieger von
Dahemey nicht? Warum erwies er dem siegreichen
General, der in Marseille und Paris so enthusiastisch
begrüßt worden war. die gebührende Ehre nicht? Hatte
der „Figaro" recht? War cs die Uniform? War sie
noch nicht fertig, oder waren die Hosen des Generals zu
lang ausgefallen, wie ein anderes Blatt behauptete, und
mußten umgeändert werden? Kleine Ursachen, große
Wirkungen ! Es wurde Dienstag, es wurde Mittwoch
und General Dodds war und ist heute noch nicht em-
pfangen! Die Sache wird immer unverständlicher, sie
erregt immer mehr Unwillen. Und das dem Sieger von
Dahomey, dem Gefeierten des Volkes gegenüber! Warum?
Gerade darum! Darin scheint des Räthsels Lösung zu
liegen! Niemand weiß besser, als die an der Spitze
der republikanischen Regierung stehenden Persönlichkeiten,
daß der inneren Ruhe, ja der Republik selbst, nichts ge-
fährlicher ist, als ein siegreicher, vom Volke gefeierter
General! Man hat noch den Boulangismus im Magen!
Man weiß, wie ihm das Gefeiertwerden und wie er
dann Frankreich den Kopf verdreht hat! Wie wenn sich
Dodds auch von den populären Demonstrationen hin-
reißen ließe? Darum müssen diese thunlichst vermieden
werden! Darum das Verbot an die Officiere der
denn sie wußte nicht, wie er diese Mitthcilung ausnehmen
würde. Bei ihrem herumziehenden Leben war ein Kind
jedenfalls ein Hinderniß und Georgine sah voraus, daß ihnen
aus der Vermehrung ihrer Familie so manche Unannehmlich-
keiten und Beschwerden erwachsen mußten. Aber der so
plötzliche Tod ihres Gatten vermehrte nur noch das Pein-
liche ihrer Situation.
Geld wär nur sehr wenig da, dann kamen einige wohl-
meinende Freunde, die Georgine einen Wink gaben, so bald
als möglich ihren Aufenthalt zu ändern; die Polizei sei
aufmerksam auf sie geworden. Zwei Stunden nachdem sie
die Warnung erhalten, befand sich Georgine schon unterwegs
— ihre Freiheit wollte sie sich wenigstens wahren, so lange
sie konnte.
In die Einsamkeit zog Georgine sich zurück, in einen
stillen, abgelegenen Erdeuwinkel, an dem sie sich geborgen
wähnen konnte — dort entschied sich ihr Geschick. Säe traf
mit Dahlen zusammen; ihr Schicksal entflammte sein Herz
und sie verstand es geschickt, das Feuer zu schüren.
Von der ersten Begegnung an sagte sie sich, daß dieser
Mann eine vortheilhafte Verbindung für sie wäre — er war
reich, leicht zu lenken, durch ihn konnte sie sich eine gesicherte,
rnhige Existenz verschaffen und auch dem Kinde, das sie unter
ihrem Herzen trug.
Niemand wußte um ihr Geheimniß, sie allein hatte es
in der Hand und Niemand sollte auch erfahren, daß sie schon
einmal vermählt gewesen.
Alles ging ihr nach Wunsch. In äußerst kurzer Zeit ivard
sie Dahlcn's Gattin, ihre Macht über den charakterschwachen
Mann befestigte sich von Tag zu Tag; als ihr Sohn zur
Welt kam, schlang sich das Band nur fester, nun hatte sie er-
reicht, was sie wollte — sie war reich, angesehen, es gab
nichts, was sie mehr je an die Vergangenheit erinnerte.
lind nun kam dieser Schlag, wie ein Blitz aus heiterem
Himmel. Der Todtgeglcmbte stand lebend vor ihr und oh
Pariser Garnison, ihm den geplanten öffentlichen Em-
pfang zu bereiten! Das Volk muß gedämpft und Dodds
muß gedämpft werden. Man ist im Palais des Champs
Elysses den siegreichen Generalen aus besagten Gründen
nicht eben gewogen. Der Sieg von Dahomey hat dort
vielleicht keinen ungemischten Jubel erweckt, und der
Sieger von Dahomey muß darum warten, bis ihn der
Präsident empfängt. Das Gras darf nicht zu üppig in
die Halme schießen! DaS ist die wahre Geschichte von
den zu langen Hosen des Generals Dodds!
Deutsches Reich.
Berlin, 24. Mai. Der Kaiser hat den General
v. Rauch zu dessen heutigem fünfzigjährigen
Dienstjubiläum das Großkreuz des Rothen Adler-
ordens mit Brillanten verliehen. In der beigefügten
Königlichen Cabinetsordre spricht der Kaiser dem General
seinen herzlichen Glückwunsch und seinen Dank für die
Dienste, die er den Vorfahren geleistet hat, aus. Ferner
sandte der Kaiser sein Bild in einem prachtvollen Gold-
rahmen und mit eigenhändiger Unterschrift. Auch die
Kaiserin Friedrich und Prinz Alexander sandten
ihre Glückwünsche. Prinz Friedrich Leopold erschien
an der Spitze einer Abordnung des Regiments der Gardes-
du-Corps; auch manche andere militärische Abordnungen
überbrachten Glückwünsche.
Berlin, 24. Mai. Das „Berliner Tageblatt" meldet
aus Paris, der Minister des Aeußern habe dem Bot-
schafter Herbette erklärt, die französische Regierung habe
keinen Moment geglaubt, er (Herbette) könne auf eine
so indiscrete Frage, wie diejenige Baumbachs überhaupt
geantwortet haben. Herbette bleibt auf seinem Berliner
Botschafter-Posten.
Frankfurt a. M., 24. Mai. Dem „Generalanzeiger"
zufolge erklärte Finanzministcr Dr. Miquel bei einem
Interview, es sei unrichtig, daß für die Militärvor-
lage die erforderlichen Mehrausgaben die wirthschaftlichen
Kräfte der Nation übersteigen. Eine nochmalige Ablehnung
der Militärvorlage würde uns in schwere innere Kämpfe
werfen, die Achtung vor unserer Macht verringern und
damit die Kriegsgefahr erhöhen. Für ein friedliebendes
Volk, welches sicher sei, daß auch eine verstärkte Armee
niemals eine Versuchung zu kriegerischen Abenteuern in der
Hand des Kaisers sein wird, könne die Wahl nicht schwer sein.
Italien.
Rom, 24. Mai. Der „Agenzia Stefan!" zufolge,
wurde das Entlassungsgesuch des Gesa mmtcabin cts
vom Könige nicht angenommen, nur die Demission
Bonaccis. Der König beauftragte Giolitti, behufs
Vervollständigung des Cabinets Vorschläge zu machen.
Die Agenzia Stefani" erfährt, die Senatoren Eula und
Entsetzen, seine Tochter war die Gattin seines Sohnes ge-
worden. Denn Walter war sein Sohn, er war nicht das
Kind jenes gelähmten Mannes, der still und gedrückt in sei-
nem Rollstuhle saß, was würde er sagen, wenn er alles, die
ganze Wahrheit wußte! Schimpf und Schande war ihr Theil,
sie würde fortgejagt werden sammt ihrem Sohne, dem Sohne,
dessen Interessen Dahlen jetzt so gern vertheidigt hätte. Aber
er besaß nicht den Muth dazu und als Georgine mit großer
Bestimmtheit sortsuhr: „Walter darf an keine Verbindung
nist diesem Mädchen denken," nickte er trübe, er wußte, Wi-
derst-' uch würde nichts genützt haben.
„Ich habe von Walter einen exaltirten Brief erhalten,"
bemerkte die schöne Frau nach einer Pause; „das sind Ju-
gendrhorheiien, die bald vergessen werden. Walter wird sich
einer vernünftigen Einsprache nicht verschließen, ich fahre
heute selbst nach B., um ihn von dort zu holen. In einigen
Wochen denkt er nicht mehr an die ganze Geschichte."
Herr von Dahlen war wohl anderer Meinung, aber er
behielt diese Ansicht wohlweislich für sich.
Fran Georgine erhob sich und drückte einen flüchtigen
Kuß ans die Stirn ihres Gatten. „Lebewohl," sagte sie;
„bis morgen bin ich hoffentlich mit Walter wieder daheim."
Der Gelähmte folgte der schönen, stattlichen Erscheinung,
bis sie hinter der Thür verschwunden war. Er seufzte tief
auf, ein wehmütiger Zug legte sich um seinen bleichen, müden
Mund. Noch immer übte Georginens Schönheit einen großen
Zauber auf ihn aus; oh, wie leidenschaftlich, wie heiß hatte
er einst dieses Weib geliebt. Das war wohl vergangen, aber
ein Res! von dieser überwältigenden Neigung war doch in
ihm geblieben; freilich mischte sich diesen Gefühlen auch etwas
wie Furcht bei, er hatte erfahren, welch rücksichtslosen, un-
beugsamen Sinn sdiese Frau besaß. Und nun sollte auch Wal-
ter darunter lewen! Oh, wenn er doch fest bliebe, sich nicht
beugen ließe, die Liebe seines Vaters war ihm ja doch fSr
alle Zeit gesichert.