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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 61 - No. 70 (12. März - 23. März)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die »^Nüraerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Untcr-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

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für Heidelberg: monatl. 46 Pfg. mit
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61.

Expedition:
Hauptstraße 2S.

Heidelberg, Sonntag, 12. März

Expedition:
HauptstratzeLS.

18S3.

8E" Zweites Blatt. "VW
^ie Hcrus industrielle GHäLigkeit
6er Aruuen irr Werden.

eine sehr große und findet sich nicht in allen Amts-
be, ken vor. Da der durch dieselbe erzielte Verdienst
durchweg ein geringer ist, hat diese Thätigkeit in der
Regel keine sehr große Bedeutung für die wirthschaftliche
Lage der Bevölkerung im Allgemeinen. Infolge des
geringen Verdienstes wird nämlich eine solche Thätigkeit
der Frauen fast überall nur als Nebenbeschäftigung neben
der Landwirthschast im Winter oder don verheiratheten
Frauen neben der Besorgung des Haushalts oder endlich
von schwächlichen, zu schweren Arbeiten nicht mehr fähigen
Personen betrieben. Als Zuschuß zu den Kosten der
Haushaltung, die im klebrigen durch die gewerbliche
Thätigkeit des Mannes oder die Erträgnisse der Land-
wirthschaft bestritten werden, übt allerdings die aus der
industriellen Thätigkeit der Frau fließende Einnahme viel-
fach einen günstigen Einfluß auf die Lebensführung der
Familie aus, und in gewissen Thülen des Landes, wo
der Betrieb der Landwirthschast infolge der klimatischen
Verhältnisse nur ein beschränkter sein kann und andere
Arbeitsgelegenheit mangelt, bildet die Thätigkeit der Frau
geradezu eine notbwendige Einnahmequelle. Außer auf
den Gebieten der Nähnadelarbeit zur Anfertigung der
Landestrachten, der Textilindustrie in Seide uud Wolle,
sowie die Strohflcchtcrei kommt eine hausindustrielle
Thätigkeit der Frauen nur noch vereinzelt bei der Her-
stellung künstlicher Blumen, der Anfertigung von Netz-
unterjacken in Seide und Wolle, der Weiß- und Baum-
Uwllnäherei, Strickerei und Dütenklcberei vor; zahlreicher
findet sich die Thätigkeit der Frauen noch im Anschluß
s>n größere gewerbliche Unternehmungen, welche Thüle
'brer Erzeugnisse von Frauen in den Wohnungen aus-
tühren lassen. Zunächst ist die Thätigkeit der Frauen
einfacher Art und stellt keine großen Anforderungen an
^e Geschicklichkeit der Arbeiterinnen. Muster, insbesondere
herkömmliche Muster finden sich nur auf dem Gebiete
^r Trachtstickerei und auf demjenigen der Strohflechterci.
Eine hausindustrielle Thätigkeit der Frauen auf dem
Gebiete der N ä h n a d e l a r b e i t zur Anfertigung ein-
§Aner Thüle der einheimischen Landestrachten findet sich
den Bezirken Neustadt, St. Blasien, Villingen, Frci-
TUg und Staufen. Die Arbeit fällt unter den Begriff
ffr Kunststickerei und besteht in der Ausführung ein-
her besonders geschmückter Thüle der Volkstrachten des
. Hwarzwaldes. Hie und da werden von den Stricker-
?Nen die betreffenden Kleidungsstücke auch vollständig
^ffiggestellt. Die Arbeit wird meistens neben der Land-
. stthschast und sonstigen häuslichen Verrichtungen de-
rben und richtet sich, da der Absatz meist nur an Private
^lgt, durchaus nach den jeweiligen Bestellungen. Da
Z Arbeitsverdienst tatsächlich zumeist höchst gering und
Beschäftigung eine sebr unregelmäßige ist, so bleibt
Arbütserträgniß ohne Einfluß auf die ganze Lebens-
c Mng der Arbeiterinnen. Es unterliegt keinem Zweifel,
diese Art von Frauenarbeit früher auf dem Schwarz-
sehr viel weiter verbreitet, regelmäßig geübt und bei
lohnender war als jetzt; thatsächlich geht diese
^ZEkreiarbüt mit dem allmäligen Verschwinden der Volks-
z"^n mebr und mehr zurück. Selbst da aber, wo an
alten Tracht noch mebr als anderwärts sestgehalten
l>.macht sich die (Konkurrenz der Großindustrie in
vernichtender Weise fühlbar.
siit höheren Umfang zeigt die hausindustriellc Thätig-
^r Frauen auf dem Gebiete der Textilindustrie, und
sowohl in Seiden- als in der Baumwollweberü.
Eh pje Seidenweberei und Seidentuchweberci
^Acre sich ausschließlich mit der Herstellung von
hrp rds befaßt, im Bezirke Säckingen, namentlich in
fokaleren Waldgemeinden und in der Stadt Säckingen,
im Bezirk Waldshut, in geringerem Maaße im
st^k St. Blasien betrieben. Der Arbütsbetrieb, welcher
Eiptz der kommerziellen Lage der Scidenindustrie be-
wird, ist zumeist ein regelmäßiger. DerArbüts-
«yP , ft ist in der Regel im Verhältnis zu den Lebens-
.ch^preisen ein geringer, doch bildet er immerhin einen
^"ß zu den aus sonstiger Thätigkeit der Familie er-

zielten Einnahmen; in einzelnen Gegenden, wo sonstiger
Verdienst infolge Mangels an landwirthschaftlicher oder
Fabrikarbcit fehlt, sind die Familien auf diese Frauen-
arbeit mit angewiesen. Die Herstellung der Arbeiten
erfolgt überall nach den Wünschen der Besteller, besondere
herkömmliche Muster bestehen nicht.
In der Baumwollweberei, welche in den Be-
zirken St. Blasien und Waldshut betrieben wird, ist die
Thätigkeit eine ziemlich regelmäßige, sie findet jedoch zu-
meist nur im Winter statt. Der Verdienst ist ein
äußerst geringer und beträgt bei 10- bis 12-stündiger
täglicher Arbeitszeit nur 4—5 Mk. wöchentlich. Dabei
ist die hausindustrielle Thätigkeit der Frauen in diesem
Industriezweige in stetem Rückgänge begriffen, da die
i Erzeugnisse der Hausindustrie mit den exakten Produkten
der Fabriken nicht konkurriren können.
Wohl die weiteste Verbreitung im Lande hat die
hausindustrielle Thätigkeit der Frauen auf dem Gebiete
der Stroh flechter ei gefunden. Diese Art der haus-
industriellen Thätigkeit wird betrieben in den Bezirken
Triberg, Villingen, Waldkirch, Buchen, St. Blasien,
Achern, sowie in Weinheim. In letzterem Orte ist der
Arbütsbetrieb ein regelmäßiger und die Verdienstver-
hältnisse sind, da die Thätigkeit der Frauen meist im
Anschluß an jene des Ehemannes bezw. des Familien-
vaters als Gehilfenthätigkeit ausgeübt wird, weiter keine
ungünstigen.
Jni Gegensatz hiezu befaßt sich die Strohflechterei
auf dem Schwarzwald und im Odenwald fast aus-
schließlich mit der Herstellung solcher Geflechte, welche zu
Strohhütten jeder Art, zum geringeren Thüle auch zu
anderen Gebrauchsgegenständen, wie Körbchen, Vorlage-
matten u. dergl. Verwendung finden. Der bei dieser
Art von Strohflechterei erzielte Verdienst ist ein äußerst
geringer; im günstigsten Falle beträgt er bei 10-stündiger
Arbeit 4 Mk. wöchentlich, im Bezirk St. Blasien sogar
bei täglich 12-stündiger Arbeit nur 1 Mk. bis 1 Mk.
50 Pfg. wöchentlich. Sowohl in den Bezirken Freiburg,
wie auch in den Bezirken St. Blasien und Buchen sind
Geflechtschulen niit staatlicher Unterstützung eingerichtet.
Obgleich diese Art von Strobflechterü nur in so außer-
ordentlich geringem Maaße lohnend ist, wird sie dennoch
vielfach aus Gewohnheit und wegen Mangel an ander-
weiter Beschäftigung fortgesetzt.
Nur vereinzelt findet sich eine hausindustrielle Thätig-
keit der Frauen in folgenden Industriezweigen.
Die Anfertigung künstlicher Blumen,
welche nur in gcringwerthiger Waare für Grab- und
Sargzier und kirchlichen Schmuck in den Amtsbezirken
Buchen und Walldürn erfolgt, wirft einen geringen, un-
zureichenden Verdienst ab; bei achtstündiger täglicher
Arbeitszeit werden nur etwa 3 Mark in der Woche ver-
dient; der Hauptvortheil des Verdienstes soll auf den
Zwischenhandel entfallen.
In der Stadt Freiburg beschäftigen sich Frauen mit
der Anfertigung von Netzunterjacken in Seide
und Baumwolle, der Erwerb ist ein regelmäßiger
und es wird im Stücklohn gearbeitet.
In der Gemeinde Schopfheim werden Arbeiten auf
der Strickmaschine gefertigt. Der Wochenverdienst
der unregelmäßig betriebenen Arbeit hängt von der Ge-
schicklichkeit der Arbeiterin ab, und beläuft sich wöchent-
lich auf 3 Mk. bis 3 Mk. 60 Pfg. bei sieben bis
neunstündiger täglicher Arbeitszeit, doch soll eine besonders
geschickte Arbeiterin täglich etwa 50 Pfg. bei nur drei-
stündiger Arbeit verdienen.
Die Weißbaumwollstickerei, sowie die Kor-
settnäherei wird im Amtsbezirk Meßkirch betrieben.
Der an sich geringe Arbeitsverdienst dient immerhin als
willkommener Zuschuß zur Lebenshaltung der Familie.
Im gleichen Amtsbezirk beschäftigen sich Kinder mit
Handschub Häkelei, die etwa 2 Mk. 50 Pfg.
wöchentlichen Verdienst abwirft. Die Stickerinnen arbeiten
zumeist für Schweizer Firmen, die Korsettnäherinnen für
Ebinger Fabrikanten.
Im Amtsbezirk Achern beschäftigen sich Frauen mit
Dütenklcberei bei verhältnißmäßig nicht ungün-
stigem Arbeitsverdienst.
Eine größere Verbreitung hat im Amtsbezirk Labr
die hausindustrielle Thäigküt in der Karton age-

arbeit gefunden. Der Wochenverdienst einer Abeiterin
beträgt bei zwölfstündiger Arbeitszeit 5—7 Mk.
Im Bezirke Wolfach sind wenige Frauen mit Her-
stellung von Schirm üb erzögen, im Bezirk Walds-
hut sind Frauen und Kinder mit der Strohzwirn-
stickerei bei sehr geringem Verdienst und unregelmäßiger
Arbeit beschäftigt.
Eine bausindustrielle Thätigkeit der Frauen im An-
schluß an größere gewerbliche Unternebmungen in der
Weise, daß einzelne Thüle der Arbütserzeugnisse der
letzteren von Frauen zu Hause ausgcfübrt werden, findet
sich in der Seidenindustrie, wo die Frauen mit
Südenputzen, Seidenzwirnen und Südenwinden bei
mäßigem Verdienst beschäftigt find.
Das Haspeln von B a u m w o l lg arn für Baum-
wollspinnereien wirft einen schwankenden, geringen Ver-
dienst ab.
Mit Näharbeiten für Deckenfabriken, Kattun-
druckereien und Trikotfabriken beschäftigen sich Frauen
in dem Amtsbezirk Konstanz, sowie in den benachbarten
Bezirken.
Von den Knopffabriken wird vielfach das Auf-
nähen der Knöpfe auf Kartons an Heim-
arbeiterinnen vergeben. Der Lohn beträgt für das Auf-
nähen von 12 Dutzend Knöpfen in der Regel 1 Pfg;
es werden von geschickten Arbeiterinnen 3—6 Mk. wöchent-
lich bei zehnstündiger täglicher Arbeitszeit verdient; an
einzelnen Orten, wo das Geschäft durch Zwischenhändler
betrieben wird, müssen die Arbeiterinnen statt Bäarlohn
Maaren als Zahlung nehmen.
Mit dem Ein ziehen der Borsten in Bürsten-
hölzer beschäftigen sich Frauen in den Amtsbezirken
Freiburg, Donaueschingen und Schönau bei mäßigem
Arbeitsverdienst. — Sehr gering ist die Zahl der Frauen,
welche in den Amtsbezirken Eberbach und Mosbach bei
der Peitschenfabrikation in der Hausindustrie be-
schäftigt werden, doch ist der Arbeitsverdienst im Verbältniß
zu sonstigen Erwerbsmöglichkeiten kein ungünstiger. —
Eine Schuhfabrik und eine Hutfabrik beschäftigen
eine Anzahl Frauen, deren Arbeitsverdienst als ein
ziemlich erheblicher Zuschuß zur Lebenshaltung der Familie
bezeichnet wird.

Alle r- l e i.
— (Seltsame Hochzeit.) In einem nord-
amerikanischen Blatte — natürlich aus dem „tnr vest"
— lesen wir folgende amüsante und selbstverständlich bis
in die kleinste Einzelheit wahre Geschichte: In New-
Diggings in Wisconsin fand eine bemerkenswerthe Hochzeit
statt. Der Bräutigam maß 6 Fuß 2 Zoll, die Braut
3 Fuß 2 ft» Zoll. Der amtirende Geistliche hatte nur
ein Bein. Von den beiden Zeugen hatte der eine gar
keine Arme, er unterzeichnete den Heirathskontrakt, indem
er mit den Zähnen die Feder führte; der andere war
ein Weib, welches 550 Pfund wog. Die Braut war
50 Jabre alt, und ihre 98 Jahre alte Mutter wohnte
der Hochzeit bei.
— Ein arger Leichtfuß scheint der schon er-
wähnte Sohn des Ministers Crispi zu sein. Nach
dem „Petit Parisien" soll derselbe aus der politischen
Korrespondenz seines Vaters gewisse Briefe für ziemlich
hohe Summen verkauft haben. Die Briefe sollen sich
in den Händen der politischen Gegner Crispis befinden.
— Folgende schreckliche Geschichte wird
aus Pietermaritzburg gemeldet: Ein Eingeborener hatte
um die Hand eines jungen eingeborenen Mädchens an-
gehalten, welche ihm verweigert wurde. Aus Rache hieb
er in Abwesenheit des Vater? dem Mädchen den Kopf
ab, tödtete darauf in derselben Weise die Mutter und
Schwester desselben und schnitt einem Diener der Familie
den Hals ab. Dann versuchte er sich selbst zu tödten.
Er brachte sich aber nur eine leichte Wunde bei und be-
findet sich jetzt in Haft.
— (Boshaft.) „Weßhalb schicken Sic dem alten
N. eine Neujahrsgratulation? Stehen Sie mit dem
Geizhals in näheren Beziehungen?" — „Nein, ich wollte
ihn nur ärgern und ihm den Briefträger am Neujahrs-
tage ins Haus schicken, damit er ihm ein Trinkgeld geben
muß."
 
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