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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 111 - No. 120 (13. Mai - 21. Mai)
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50jährigen Jubiläums des Papstes als Bischof von
Brüssel'statt.
Spanien.
Madrid, 19. Mai. Der „Liberal'' künvigt den
für Spanien günstigen Abschluß eines deutsch-spanischen
Handelsvertrages an, welcher Montag unterzeichnet
werden solle. Deutschland erhält Zollermäßigungen für
154 Einfuhrartikel. Der Handel zwischen Deutschland
und den spanischen Kolonien wird durch eine besondere
Uebereinkunft geregelt.
Australien.
Auckland, 19. Mai. Zufolge Nachrichten aus
Samoa hat Mataafa schriftlich seinem Rivalen Ma-
li et oa eine friedliche Lösung der Differenzen vorge-
schlagen, indem die beiderseitigen Ansprüche auf die Königs-
würde der Entscheidung des Volkes unterstellt würden.
Amerika.
Newyork, 19. Mai. Ueber Valparaiso wird dem
„Herald" aus Rio de Janeiro gemeldet, daß die brasilia-
nische Regierung beschlossen habe, den Gouverneur von
Rio Grande do Sul General Castilhos abzurufen,
um so der aufständischen Bewegung ein Ende zu machen.
Die Reichstags Wahlbewegung.
Mannheim, 19. Mai. Die Nationalliberalen
des 13. Wahlbezirkes Bretten-Sinsheim stellten als
Kandidaten für die Reichstagswahl den Gutsbesitzer
Wiesner gegen den konservativen Grafen Douglas auf.
Stuttgart, 19. Mai. Die Volkspartei in Calw
Nagold bot dem Bauunternehmer C l e ß - Stuttgart die
Kandidatur an. Cleß nahm die Kandidatur an.
Ulm a. D., 19. Mai. Als antisemitische
Candidaten zum Reichstag sind nach der „Ulmer Schnell-
post" deren Verleger Nübling im ersten Wahlkreis
(Stuttgart) und Landwirth Lang von Oberensingen im
fünften (Eßlingen) ausgestellt worden.
München, 19. Mai. Der Führer der bayerischen
Nationalliberalen, Bankdirector v. Schauß, ist heute
Vormittag gestorben.
Witten, 19. Mai. Die Narionalliberalen
stellten in Iserlohn gegen Lenzmann den Redakteur
Hoppstädter (Bochum) auf.
Mainz, 19. Mai. Seitens der Centrumspartei
wurde Prof. Schlengerals Rcichstagscandidat aufgestellt.
Aus Wcry unö Ievn.
* München, 19. Mai. Der in München statt-
findende XIV. deutsche Feuerwehrtag rückt immer näher.
Die Einladungen zu demselben sind vor Kurzem vom
Hauptausschusse an die Feuerwehren versendet worden.
Die auszufüllenden Fragebogen sollen mit den Theil-
nehmerbeiträgen bis zum 20. Mai an diesen Ausschuß
(Rathhaus in München) zurückgelangen. Der Beitrag
ist in Rücksicht auf die aufzuwendenden Kosten auf 3 Mk.
50 Pf. festgesetzt worden, und die damit erworbene Teil-
nahme berechtigt zum unentgeltlichen Bezug des „Führers
durch München," welcher für die Feuerwehrleute wegen
dem Auskünfte über das Münchener Löschwesen und die
damit in Verbindung stehenden Einrichtungen viel In-
teresse bieten wird, ebenso zum unentgeltlichen Besuche
der Gerätheausstellung in der südlichen Getreidehalle und
der Empfangslokale am Samstag, den 22. Juli, Abends
u. s. w. Auch wird durch die Theilnahm: am Feuer-
wehrtage die Fahrpreisermäßigung aus den Bahnen er-
erworben. Bei der Generaldirektion der kgl. bayerischen
Staatseisenbahnen ist um Gewährung halber Fahrtare
nachgesucht worden. Die Uebung der über 1000 Mann
zählenden Gesammtfeuerwehr Münchens wird wahrschein-
lich am Montag, 24. Juli früh stattfinden, und die

auswärtigen Feuerwehrleute werden Gelegenheit haben,
sich auf dem Gebiete des Feuerwehrwesens in München
genügend zu unterrichten. Wie bereits früher mitgetheilt,
wird auch eine Festzeitung ausgegeben, deren erste Num-
mer am 20. Juni erscheinen wird. Es wird aber auch
an Unterhaltung und gemächlichem Zusammensein der
aus den verschiedensten Ländern eintreffenden Fachge-
nossen nicht fehlen. Der Besuch dieses Feuerwehrtages
wird daher ein recht zahlreicher sein. München bietet
ja an und für sich schon so überaus viel Sehenswür-
diges, daß sich ein Besuch der bayerischen Residenzstadt
sicher lohnt und die schönsten'Erinnerungen zurücklassen wird.
* Ulm, 19. Mai. Wie württcmbergische Blätter
melden, wurde der des Mordes an der Klavierlehrerin
Reuß verdächtige Gipser Barthol. Stier vou Egesheim
O. A. Spaichingen in Munderkingen, wo er am Brücken-
bau beschäftigt war, verhaftet.
* Edlau, 18. Mai. Große Wolkenbrüche verwüsteten
die Gegend, nach denselben folgte heftiger Schneefall.
* Thun, 19. Mai. Die Verhandlungen gegen den
Raubmörder Thierstein wurden heute Vormittag 9 Uhr
vor den Assisen des ersten Bezirkes unter großem Zu-
drang des Publikums eröffnet. Die Anklage lautet auf
Mord und Raub. Das Verhör des Angeklagten be-
stätigt dessen unumwundenes Geständniß. Der Vater
des Ermordeten war persönlich als Civilpartei anwesend.
* Basel. 19. Mai. Ein Angestellter der Irrenan-
stalt hat Fr. 9000 veruntreut und ist zur Haft ge-
bracht worden.
* Brünn, 19. Mai. Bei einem Brande in Flanken-
dorf verbrannte die Frau eines Grundbesitzers mit ihren 2
Kindern. Der Mann wurde durch Gendarmerie mit Mühe
aus dem brennenden Hause gerettet.
* Kopenhagen, 19. Mai. Vom 7. bis 18. Mai
sind hier 88 Erkrankungen an Influenza vorgekommen.
* Brüssel, 19. Mai. Die Gesellschaft zur Veran-
staltung eier Ausstellung in Brüssel im Jahre
1895 bat sich gestern konstituirt. Das Kapital beträgt
1,000,000 Francs. Hauptsächlich betheiligt sind Mitglieder
der Finanz- und Handelswelt.
* Brüssel, 19. Mai. Hier wurde ein neuer Mil-
lionendiebstahl verübt. Mebrere Beamte der großen
Papierfabrik Athenin Chalandre entwendeten aus der
Kasse 1,800,000 Frcs. Baargeld und flüchteten. Einer
der Diebe wurde in Paris verhaftet.
* Petersburg, 19. Mai. Aus mehreren Bezirken
wird gemeldet, daß die Nonne dort großen Schaden an-
gerichtet hat. Der Domänenminister entsendet eine spe-
zielle Kommission zur Vornahme von Abwehrmaßregeln.
* Madrid, 19. Ma. In Pereiro (Provinz Orense)
entstanden anläßlich der Veranstaltung einer Festlichkeit
Streitigkeiten, bei denen zwei Einwohner getödtet und
etwa 20 verwundet wurden.
* San Franzisko. 19. Mai. Aus Hongkong
wird gemeldet, daß im Kamse in drei großen Pavillons
Feuer ausgebrochen sei. Während der Heuersbrunst
stürzte eine Bande Chinesen in die Pavillons für Frauen
und enführte 30 Mädchen. Es sollen bei dem Brande
3000 Personen umgekommen sein.
Loccrl'e Mittheil'ungen.
Heidelberg, 20. Mai.
4- (Nationalliberale Versammlung.) Die auf
gestern Abend 8 Uhr anberaumte nationalliberalc Versammlung
in der „Harmonie" war sehr zahlreich besucht- Herr Hofrath
Meyer eröffnete dieselbe mit einem Dankwort an die An-
wesenden für ihr zahlreiches Erscheinen und wies dann zunächst
auf die Bedeutsamkeit den Versammlung hin, insofern sie mit
der Militärvorlage in Beziehung stehe- Die Vorlage be-
zeichnete er als eine berechtigte und Herr v- Bennigsen sei der
Erste gewesen, welcher der Regierung entgcgengekommen sei-

Die Regierung selbst habe bezüglich der Vorlage den rechten
Moment verabsäumt, erst als es zu spät gewesen, habe sie sich
zu einer Verständigung entschlossen. Was die nationalliberale
Partei angehe, so sei sie einmüthig für ven Huene'schenAntrag
eingetreten und auch jetzt stehe sie, während andere Parteien
in sich zerfallen, geschlossen da- Ebenso wie alle politischen,
so wolle sie auch die volkswirthschaftlichen Fragen zur Sprache
bringen, doch stehe immer die Militärvorlage in erster Linie-
Irrig sei die Rieinung, die Partei wolle, wenn eine Majorität
für die Vorlage zu Stande komme, das geheime Stimmrecht
beseitigen- In wirthschastspolitischen Fragen werde die natl.
Partei immer eine gewisse Freiheit lassen- Ein Volksvertreter
solle sich nicht auf einen einseitigen Standpunkt stellen, sondern
die Interessen der Gesammtheit im Auge behalten. Er, Redner,
sei zwar auch dafür, daß man für die Landwirthschaft eintrete,
doch verdienten auch andere Stände Berücksichtigung. Der
Mittelstand besonders müsse soweit vertreten werden, daß er
leistungsfähig sei. Die fernere Frage, die Redner aufwarf,
lautete: Wie stehen die anderen Parteien zu uns?
Redner gab zunächst bezüglich der Conservativen die Ant-
wort dahin, daß sie mit letzteren zwar im Punkt der Vorlage
gemeinsam für den Antrag Huene stimmten^ daß jedoch eine
Nüanctrung bestehe, indem jene nur mit Widerstreben dafür
stimmten. Während ferner jene nur eine thatsächliche Fest-
stellung der 2 jährigen Dienstzeit wollen, verlangt die national-
liberale Partei eine gesetzliche. Bezüglich der Antisemiten,
bemerkte Redner, sei zu hoffen, daß sie nicht viel erreichen, auch
glaube er, daß Ahlwardts Auftreten manche Klarheit gebracht
habe- Die freisinnige Partei habe sich gespalten und werde
dicnationalliberaleParteivorerst mit ihr, namentlich mitber Eugen
Richters keine Gemeinschaft machen können. Er seinerseits
begrüße die Spaltung der artest hoffe aber immerhin, daß
doch mit der Zeit wieder eine gemeinsame Arbeit in Frieden
mit ihr möglich werde- Daß Richters Versuch, eine Annäherung
mit der Volkspartei zu ermöglichen, eitel sei, suchte Redner zu
begründen durch einen kürzlich in der „Franks. Ztg." erschienenen
Artikel, der sich gegen jede Fusion ausgesprochen habe. Wie
die Freisinnigen, so sei auch das Centrum zerfallen. Es
seien da Persönlichkeiten ausgetreten, die man nicht zählen,
sondern wägen müsse- Ueberhaupt trennten die national-
liberale Partei vom Centrum an sich schon gar viele Momente-
Von der Socialdemokratie zu sprechen wolle er unter-
lassen. Redner schloß dann mit dem Ausdruck der Ueberzeugung,
daß sie keinen Kampf zu scheuen hätten, es handele sich nicht
um Personen, sondern um die Sache und wenn die Vorlage
abermals abgelehnt würde, so befürchte er einen schweren
Konflikt- sie wollten also ibrer guten und gerechten Sache
dienen- Den Ausführungen des Redners folgte lebhafter Bei-
fall. Des Weiteren ergriff Herr Stadtrath Leimbach das
Wort und kam nach Erinnerung daran, daß es sich heute
wieder wie vor 6 Jahren um eine MilitLrvorlage handle, aus
ftnzelne Verhältnisse innerhalb des Wahlkreises zu sprechen-
Sodann bemerkte er bezüglich des aufgestellten Candidaten,
Herrn Konsul Weber, daß derselbe der geeignete Mann sei
und daß er auch der Landwirthschaft und der Industrie sein
Augenmerk zuwenden werde. Zum Schluß forderte Redner auf,
einmüthig bei der Wahl vorzugehen. Der nächstfolgende Redner
war der als Kandidat ausgestellte Herr ConsulWeber- Nach-
dem er seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß es ihm,
was er so lange gewünscht, nun doch einmal vergönnt sei,
sein liebes Heidelberg vertreten zu können, kam er aus seine
eigene Person zu sprechen- Er erinnerte an seinen verstorbenen
Vater, der als Geschichtslehrer den Patriotismus gepflegt unv
sprach dann über seinen Jahre langen Aufenthalt im Ausland,
aus dem er seit 10 Jahren wieder zurückgekehrt nach Deutsch-
land u- s- w- Unter Hinblick auf das Jahr 1887, wo noch
ein Wilhelm 1- und ein Bismarck waren, bemerkte Redner,
es sei trotz allen Patriotismus schwer, über vic jetzigen schweren
Zeiten hinwegzukommen- An Caprivi lobte er die Eigen-
schaften des tüchtigen Militärs und des gewissenhaften Mannes-
Bezüglich der Militärvorlage bemerkte er, daß Ungeschicklich-
keiten dabei vorgekommen, ein schwerer Fehler seien nament-
lich die unrichtigen Angaben über die Landwehr gewesen. El
für seine Person trete für die Vorlage ein, auch dann, wenn
sie noch weiter gehe als jetzt, vorausgesetzt, daß die 2jährige
Dienstzeit gesetzlich fixirt werde- Nach Darlegung der Vor-
theile des Huene'schen Vorschlags bemerkte er, daß wir, wenn
die Vorlage nicht gekommen, wohl auch im Geltungsfall unfern
Mann gestanden hätten, doch sei in Bezug auf das Ausland
seit Ablehnung der Vorlage der Zustand ein weit gefährlicher^
geworden. Es gälte jetzt den Frieden zu erhalten- Bezüg-
lich Deckung der Kosten führte er zunächst die Börsensteuej
an, da sie nur Diejenigen treffe, die an der Börse Geschäft
machen. Von besonderer Wichtigkeit sei ihm die Einführung
der Tabaksteuer, zumal dieselbe auch leicht zu ertragen
Für Spiritus- und Biersteuer habe er weniger Sympath^
Auch andere Steuern wie Wehr-, Luxusstener u- s- w- kämen

übertreten — warum hatte sie das gethan? Wenn sie ihm
auch nicht alles sagte, sie kannte ihn; binnen wenigen Stun-
den wußte er alles, wußte er, daß sie die Gattin Dahlens
war und doch war er, dem sie jetzt bleich und bebend gegen-
überstand, auch ihr Gatte. Sie hatte eine Bigamie begangen,
ohne es zu wissen, aber Schmach und Schande blieben ihr
darum doch nicht erspart. Nach so vielen Irrfahrten glaubte
sie endlich glücklich in den Hafen eingelaufen zu sein — und
jetzt stand das Unglück vor ihr, groß, riesengroß, sie mit seiner
Wucht überwältigend.
Molitor fuhr mit seinem ruhigen, kalten Lächeln fort:
,.Du hast jedenfalls eine reiche Heirath geschlossen, nachdem
Du mich zu den Todten geworfen — reich — mächtig zu sein,
das war sa immer Dein Ziel."
„Was sollte ich thun," murmelte Georgine; „als das
Boot, welches Dich getragen, leer zurückkehrte nach dem ent-
setzlichen Sturme, der sich kurz nach Deiner Abfahrt erhoben,
theilte ich mit Allen die Meinung, daß Du ertrunken seiest.
Ich war arm, ohne Hilfsmittel — es war ein elendes Da-
sein , das ich führte. Sollte ich die rettende Hand zurück-
weisen, die sich mir bot, um mich diesem erbärmlichen Leben
zu entziehen — ich wurde die Gattin eines Mannes, der mir
alles gab, was ich bisher entbehrt hatte."
„Und Du bist jetzt Wittwe," unterbrach sie Herr von Mo«
litor sarkastisch.
„Nein, mein Gatte lebt," kam es tonlos von ihren Lippen,
„lange Jahre sind wir schon verbunden und nun —" sie
stockte.
Herr von Molitor war dicht an sie herangetreten, und
ihren Arm mit seiner weißen, wohlgepflegten Hand berührend,
sagte er: „Ah, Du bist Frau von Dahlen, die schöne stolze
Frau, von der ich schon so viel gehört habe."
Sie konnte nur nicken, das Wort erstarb ihr auf der
Zunge

Und doch wieder raffte sie sich aus — ein Rettungsstrahl
leuchtete ihr, —Molitor besaß eine Tochter, wenn auch er —
Dieser Mann schien das Talent zu haben, alle Gedanken
zu errathen, Venn im nächsten Augenblicke sagte er: „Beruhige
Dich, Georgine, ich bin keine zweite Ehe eingeaange«, ob-
gleich ich eine Tochter habe; das ist wieder m e i-n Geheimniß."
Die stolze Frau biß sich in die Lippen, daß sie bluteten;
sie stand ihm also wehrlos gegenüber! Aber noch wußte er
nicht alles, und dieses Eine wollte sie vor ihm sorgfältig ver-
wahren!
„Ich kann nun gehen," sagte Fra« von Dahlen, indem
sie es versuchte, ichren stolzen Ton wieder anzunehnren, „ich
werde Sorge tragen, daß mein Sohn Deiner Tochter fern
bleibe, Du wirst wohl auch das Gleiche thun!"
Er neigte lächelnd sein Haupt. „Gewiß," erwiderte er,
„auch ich habe schon über Melitta's Zukunft entschieden, sie
wird und muß nur gehorchen."
Eine kalte Grausamkeit kiang aus den letzten Worten,
welche zeigte, daß dieser Mann nut dem lächelnden Gesichte
unbarmherzig sein konnte, wo es sich um die Erfüllung seiner
Wünsche handelte. Georgine kannte ihn genau, er war der
einzige Mann, dessen eiserner Wille sie beherrscht und nieder-
gebeugt hatte.
Frau von Dahlen zögerte noch immer, endlich murmelte
sie fast unhörbar: „Willst Du mir versprechen, meine Ruhe
nicht zu stören, mich nicht zu kennen, wenn wir uns vor An-
deren begegnen sollten ?"
„Warum nicht?" entgegnete er; „sollte ich Deiner be-
dürfen, werde ich Dich immerhin zu finden wissen."
Sie schauderte; das war ihr genug! Sie wußte genau,
daß sie nun seine Beute war und von ihm nicht mehr los-
kommen konnte. All' ihren Muth zusammenraffend verließ
sie in stolzer Haltung den Saal und das Haus. Aeußerlich
hatte sie ihre Fassung bewahrt, aber tief im Innern fühlte sie
sich gebrochen, gedemiithigt, bis in den Staub erniedrigt; ihr

Leben sollte nun wieder ein ewiger Kampf sein — ein b«
ständiges Verbergen der Wahrheit, und doch hatte sie stA
schon so in Sicherheit gewiegt, daß ihr die Vergangenhe'
nur mehr wie ein böser Traum erschienen war.
Frau von Dahlen kehrte wieder zu ihrem Wagen zurü^
sie bestieg denselben und drückte sich tief in die schwellende
Kissen — noch nie vielleicht hatte sie die Annehmlichkenk
des Reichthums so sehr empfunden als jetzt, da sie sich vd
stellte, wie leicht sie alles mit einem Schlage verlieren konw
Während sie rasch den Weg zurückfuhr, den sie gekoinin^
war, ging sie noch einmal im Geiste ihre Unterredung M,
Molitor durch. „Wenn er wüßte, wenn er nur ahnte," 9^
sterte sie vor sich hin, „ich wäre dann ganz in seine Genw
g g Während Frau von Dahlen heimkani, ließ sie sofort ih^?
Sohn rufen, und theilte ihm mit, daß er jede Hoffnung -
geben müsse, Melitta vou Molitor jemals seine Gattin
nennen. — „Schwöremir, fügte sie mit strengem Ernste
„daß Du nie Melitta heirathen wirst, selbst wenn stev
Verhältnisse änderten." . »p
„Mutter, das kann ich nicht," rief der Sohn entst«
„verlange nicht solches von mir." Hp
„Du mußt," rief die Frau leidenschaftlich erregt, -
mußt, ich verlange, ich befehle es!"
Walter war sehr bleich geworden, ein leichtes Z9'
ging durch seine Glieder, aber er blieb fest.
„Mutter, Du gehst zu weit," sagte er zu ihr in^in ,
Tone, wie Georgine einen solchen noch nie von ihrem
vernommen; „ich war Dir immer ein gehorsames Kind, p
auch ich will meine Rechte haben. Ich liebe Melitta '
Molitor und freiwillig werde ich nie die Hoffnung "Ukll
sie meine Gattin nennen zu dürfen und sollte es noch w
dauern." ,, <sci
(Fortsetzung folgt.)
 
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