Zsits 2
„Vollsgemeinschast"
Mittwoch. dc» 1. J»li 1l»S
Erundanschauungen von der Tünde, der Enad «
und der Rechtfertiaung nur durch den
Elauben in einer grotzen Disputation entwik-
kelt, wobei er — trotz tiefer Nachwirkung — das
Mitzfallen der Univerfitätstheologen erregt an
einer Hochschule, die schon beinahe 40 Jahre huma-
nistische Blütezeit hinter stch hat.
Kurfürst Ludwig V. beginnt 1522 mit neuen
Reformgedanken die eingetretcne Verdorrung zu
beheben, aber der ruhige Ablauf des Umgestal-
tungswillens wird jäh verändert durch die Eewalt
des Durchbruchs der neuen Bewegung.
Als am 20. Dezember 1545 in der Heilig-
geistkirche die Eemeiitde plötzlich das evan-
gelische Kirchcnlied von Paul Spreter „es
ist das Heil uns kommen her" anstimmt, da
ist der Durchbruch der Resormation vollzogen.
Jn wenigen Jahren erlebt die llniversität bei sich
den llntergang des Mittelalters. Das
von Papst Julius II. 1551 einberufene Tridenti-
ner Konzil wird von der Universität nicht mehr
beschickt. Es war der letzte Papst, den die Uni-
versttät als kirchliches Oberhaupt anerkannte.
Als nach dem Augsburger Religionsfrieden
1556 die glänzendste Erscheinung unter den pfälzi-
schen Herrschern, Ottheinrich, den Thron be-
stieg, war ein neuer Aufstieg der Universität
gesichert. Er vereinigt bei sich die beidem bedeu-
tendsten deutschen Eeistesströmungen seines Jahr-
hunderts, die Renaissance und die Reformation, in
einer kirchlichen und einer Hochschulreform. Er
schafft in den wenigen Jahren seines Wirkens
eine der ersten Bibliötheken Europas, die wunder-
bare Palatina.
Die Eedanken Philipp Melanchthons, des Er-
neuerers des deutschen Unterrichts, werden in das
Reformwerk einbezogen. Ziel und Aufgabe war
nun die moderne humanistische und protestantische
Hochschule, und so steigt in der zweiten Hälfte des
15. und zu Beginn des 16. Iahrhunderts Heidel-
berg auf zu ungeahnter Blüte. Nach Ottheinrichs
Tod setzt das Haus Simmern die Ueberlieferung
sort. Die Universität wird unter Friedrich dem
Frommen die Hochschule des Lalvinismus. Aus
allen Eegenden Europas strömt die Blüte der cal-
vinistischen Jugend nach Heidelberg. Nach Cal-
vins Tod gewinnt Heidelberg erstmals europäi-
sche Bedeutung, hier ist das Zentrum der calvini-
stischen Welt. Der Ernst religiöser Probleme über-
lagert sogar das studentische Leben. Man hat für
diese Zeit Heidelberg den Namen „Das deutsche
Genf" gegeben. Die beginnenden Kämpfe zwischen
Protestanten und Reformierten können die bedeu-
tende kulturelle Leistung der Universität nicht be-
schatten. Eine Eefahr aber lag in dieser Entwick-
lung. Die Universität wird Hochschule einer Kon-
fessionspartei und der europäische Name ist teil-
weise erkauft mit einer starken lleberfremdung.
Zugleich befindet sie sich in nächster Nähe einer
Konfessionspolitik, für sie in diesem Falle eine ge-
fährliche Nachbarschaft, denn das Haus Simmern
erstrebt nichts weniger als die Vereinigung der
resormierten Elaubensinteresien. Friedrich IV. er-
reicht auch als Stifter der protestanti-
schen Union im deutschen Reich sein Ziel, aber
auf der anderen Seite folgt auf dem Fuhe die
Schaffung der katholischen Liga. Die
Parteien waren aufmarschiert. Der 30jährige
Krieg begann. Er brachte den Zusammenbruch
der Pfalz und den Zusammenbruch der Univer-
fität.
1822 hat Tilly Stadt und Schlos, erobert.
Die llniversität ist so gut wie vernichtet. In
den nächsten drei Jahren stnd nur sechs Jm-
matrikulationen, und die Palatina, die wun-
dervollste aller vtdliotheke», der „optimns
Eermaniae litheratae Thesanrus" wird
dnrch den Herzog von Bayern mit 8880 Eti-
ketten versehen, in 1SS Kisten verpackt und
unter den Fliichen der Heidelberger auf
Maultieren Lber die Alpe« gebracht» um
der Batikanischen Bibliothek einverleibt z«
werden. Sie befinden fich daselbst heute
noch mit Ausnahme der nach den napoleoni«
schen Kriegen 1818 zurückgegegebenen deut-
schen Handschriften. Aus Anlatz des 500.
Zubiläüms der llnioersität hat Papst Leo
XIII. einen Katalög der Palatina in wun«
derbarer Aussertigung Erohherzog Fried-
rich I. von Baden Lberreichen lassen.
Zwanzig Jahre lang kann von einem Leben
überhaupt keine Rede mehr sein. 1633 wurde die
Stadt von den Schweden erobert, dann von ihnen
geplündert, dann von den Franzosen und dann von
den Kaiserlichen besetzt. Heidelbergs Hohe Schule
ist nicht mehr. Am Rhein herrscht Hungers-
not bis zum Leichenfraß.
Neuer Aufbau
Unter ungeheuerem Kraftaufmand beginnt
Kurfürst Karl Ludwig nach dem Westfälischen
Frieden mit einem neuen Aufbau. Mit 7 Pro-
fessoren eröffnet er am 1. November 1652, selbst
Rektor, die llniversität. Seine Neuordnung von
1672 sieht vor, daß nur die Lehrämter der Theolo-
gischen Fakultät an eines der beiden reformierten
Vekenntnisie gebunden sein sollen. Alle Lbrigen
Lehrämter sollten von konfessionellen Bindungen
frei sein. Aber die llniversität sollte nicht mehr
zu ihrem alien Leben erwachen. 1685 stirbt der
Letzte des Hauses Simmern, der Bruder der un-
glücklichen Liselotte von der Pfalz; um die Nach-
folge der katholischen Pfalzgrafen von Neuburg,
Herzöge von Jülich und Verg, die nunmehr Her-
ren der Pfalz werden, entbrennen zwei Reichs-
kriege mit Ludwig XIV. von Frankreich, die zur
restlosen Vernichtung der Pfalz fiihren. Noch
grötzeralsdieKatastrophe des 30-
jährigen Krieges war diese.
1680 und 1803 finkt Heidelberg in Schutt
und Asche. Die llniverfität und die inzwi-
schen wieder angesammelte Bibliothek wer-
deu ein Raub der Flammen.
Wieder schien alles Leben erloschen, mehr als
je abgestorben oder ermattet zu sein. Die weni-
gen noch vorhandenen Professoren wählten sich
zwar einen Rektor, um zu bekunden, datz der Le-
benswille der Universität noch nicht gebrochen sei.
Aber erst 1700 beginnen wieder 4 Professoren zu
wirken. Da bricht der Spanische Erbfolgekrieg
über Heidelberg herein. Die 600jährige Residenz
ist verödet. Die neuen Kurfürsten restdieren an-
derswo. Schlietzlich verlegen sie ihren Sitz nach
Mannheim aus Zorn darüber, dasi die Heidelber-
ger die Heiliggeistkirche, deren Schiff den Prote-
stanten eingeräumt war, nicht ganz den Katholi-
ken abtreten wollten. Das neue katholische Herr-
scherhaus strebt die Rekatholizierung der Pfalz an
und wandelt die Universität um im Sinne der
Eegenreformation. Bis zur Aufhebung des Or-
dens der Eesellschaft Jesu waren Iesuiten Träger
der Universität. Sie prägen ihr wieder das Ee-
sicht der Scholastik auf. Nach den Jesuiten sind es
Franziskaner, Karmeliter, Dominikaner und die
aus Frankreich gerufenen Lazaristen, von denen
die Lehrstühle besetzt werden. So bietet sich ein
eigentümliches Bild.
4803: Ba-ische Siaatshochschule
Die Hochschule, deren erster Lebensabschnitt
grotz begonnen hatte, in Form der kirchlichen
Weltanstalt, die die Blüte des Humanismus und
der Reformation bei sich gesehen, versinkt in ein
Iahrhundert voll Blut und Tränen, um dann als
Jnstrument der Eegenreformation
cin weiteres Iahrhundert dahinzuvegetieren, eine
das Abendland aufwühlende geistige Epoche der
Aufklärung sozusagen völlig zu verschlafen und da-
mit den Zusammenklang mit der charakteristischen
Kultur des 18. Jahrhunderts nicht zu sinden. Mitz-
stände reitzen ein, soweit die Lehrstühle nicht von
Mönchen, sondern mit weltlichen Kräften besetzt
sind, vererben sie sich vom Vater auf den Sohn.
Der Nachfolger der Neuburger, Karl Theodor, war
cine eigentümlich gespaltete Natur. Halb aufklä-
rerisch neigte er den Iesuiten zu, schielte einerseits
nach Voltaire und lietz die llniversität andererseits
dem scholastischen Urzustand sich nähern. Allein sein
ner Eriindung der „deutschen Gesellschast zur För-
derung von Sprache und Bildung" (1763), in der
sich auch Schiller befand, und der Grundung der
„phystkalisch-ökonomischen Eesellschaft" (1770) ist
einige Vcdeutung zuzumesien, da aus der letzteren
zum ersten Male unter den Universttätswisien-
schaften eine Wirtschaftslehre in Erscheinung trat.
Der letzte Kurfürst und Wittelsbacher Maximi-
lian Joseph von Pfalz - Zwei brücken
hat in den rund drei Jahren seiner Herrschaft für
die Universität mehr getan, als das
ganzeHausNeuburg. Er verkündete die
Hauvtschriftleiter: Fran» Bred.
Stellvertreter: Bervbard Seeaer-Selbe.
Ebet »om Dieuft: Dr. Friedrich Didier.
Verantwortlich für Jnnenvolitik: Sra«, Bretz: für
Autzcnvoltttk und Wirtichast: Berubard Secgcr-Kelber
sür Stadt Heibelberg und Bewegung: Hcrman» Leitz:
f>ir Badische Nachrtchten und Sporl: Herman» Ueberl«;
für yeutlleton und Untcrbaltung: Dr. Friedr. Dtdier;
für sämtliche Beilagen: Herbert Wiedemau»; für Btl-
der: Hauvtschristleituna: für Anzeigen: Wklb. BeSver.
fämtlich tn Heidelberg
Echriftlettung: Nrunnengakse 20—21.
Berliuer Schriftleltuug:
HanS Graf Relichach. Berlin SW. S8 Cbarlottenstr. 185.
Nachdruck sämtlicher Ortgtnalbertchte verboten.
Svrechstundeu der Schriftlettung: Tägl. von ltl—17 Ubr.
Sernruf 3710.
SÜr unverlanat etngegangene Bctträge wird kein«
Verantwortung übernommen.
verlag »Volksgemcinfchast' <N. m. b H.. Hauvt»
ftrabe t2kck28 «UuiverNtätSvlatzi.
Druck: Heidelberger Gutenberg-Druckeret G. m. b. H.
D.-A. V. 1936: 24 715
Davon: Beztrksausgabe Odenwald u. Rauland 2 86Z
Bczirksausgabe Rund um Mosbach 3 168
Bezirksausgabe Der Franke 2 368
Bczirksausgabe Der Kraichgau 2 518
Lur Lell ift vreiSltfte Nr. S aültta.
rechtliche Eleichstellung der Vekenntnisse und schuf
der Universität ein Kapital, das ste vor dem wirt-
schaftlichen Zusammenbruch rettete. Der Reichs-
deputationshauptschluh von 1803 hat diesen Zeit-
abschnitt endgültig abgeschlosien, das linke Rhein-
ufer fällt an Frankreich, die rechtsrheinische Pfalz
an Baden.
llnd nun blüht wirklich ein neues Leben
aus Nuinen. Seit dem 16. Jahrhundert hatte
die llniversität keine gleich tatkrästige und ziel-
klare Hand mehr über sich walten gespürt, wie
jetzt unter dem Markgrafen, Kursürsten und
Erotzherzog KarlFriedri«h von Baden.
Wie überall in seinem Land, griff er auch in die
Eeschicke der Universität Heidelberg mächtig ein.
Schon im Jahr 1803 erging das Heidelberger
Edikt, das die llniversität zur Hohen Schule des
Landes erklärte und gewisiermatzen auf neuer
Erundlage wirderbegründete. Von nun an hieh
sie mit Recht „Ruperto-Carola". Nun ist
sie nicht mehr eine oon Fllrst und Regierung ge-
löste Schule, die im Staat ein Sonderdasein führt,
sondern eine Staatsanftalt, vom Staat selbst
unterhalten und geleitet. Es erscheinen die fünf
Fakultäten:
„die kirchliche, staatsrechtliche, ärzt-
liche, staatswirtschaftlicheund all-
gemein e."
Jn allen nichttheologischen Fakultäten soll nun-
mehr „ohne Rücksicht auf die Religionseigenschaft
der würdigste Eompetent in jedem Erle-
digungsfalle" ernannt werden. Die wirtschaftliche
llnterlage der Hochschule wird neu gesichert und
eine Reihe bedeutender Eelehrter berufen. Das
Iahr 1803 war sür die llniversität aber nicht nur
hinstchtlich ihres Aufbaus und ihrer Ausstattung
ausschlaggebend, sondern auch hinsichtlich der gei-
stesgeschichtlichen Entwicklung. Heidelberg nach
1803, das ist der Lebensweg einer modernen llni-
versität. Die Vergangenheit war für Heidelberg
auch geistesgeschichtlich verklungen. Wieder füllen
stch Heidelberg schöne alte Eassen mit der Jugend
aus allen deutschen Eauen. Wohl ragen oben am
Verg die Trümmer des alten Schlosies, aber sie ge-
winnen ein neues Eesicht. Aus dem Zerschmetter-
ten, Eesprengten und in Asche Eelegten ersteht ein
neuer Eeist. Die Welt steht jetzt anders auf diese
Ruinen, sieht in ihnen riesenhafte Denkmäler ver-
sunkener Zeitalter. Die geschundene Landschaft be-
ginnt nun den Zauber einstiger erhabe-
ner Erötze auszuströmen und auf den neuen
Menschen zu wirken in einem Sinne, dem Hölder-
lin vielleicht den tiefste« Ausdruck verliehe« hat
in den Versen:
——
« llI4IV8k8!'IH8
3I8I-I07«eK
NLlOLl-SLÜY
Heivelberg Wiege -er Romaniik
Schwer in das Tal hängt die gigantische
Schicksalskundige Burg, nieder bis auf den
Erund von den Wettern gerissen.
Doch die ewige Sonne gieht
Jhr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünet lebendiger
Efeu, freundliche Wälder
Rauschen über die Burg herab.
Und aus dem zerschmetterten Heidelberg kommt
nun eine der schönsten Früchte deutschen Eeistes-
lebens, divdeutsche Romantik. „Des Kna«
ben Wunderhorn" ertönt durch Deutschland
und bestimmt damit die nachfolgende lyrische Dich-
tung. Joseph Eörres liest hier erstmals in
Deutschland über altdeutsche Dichtung. Deutsch-
lands grotze geistige Vergangenheit feiert Auf-
erstehung. Eichendorff dichtet hier seine Lie-
der, in denen die Heidelberger Brunnen rau»
schen. Wie die llniversität oinst Heimat der Re-
formationsbewegung und des Calvinismus war,
jo wird sie nun Heimat für alles, was rückschauend
in die Betrachtung der deutschen Vergangenheit
versunken ist. Das ist der Boden, aus dem die
deutsche Sprach- und Altertumsforschung entsteht,
aus dem die germanistischen Wisienschaften Eestalt
gewinnen. llnd das alles getragen von einer
neuen Welle aufsteigender Vaterlandsliebe. Ange-
sichts der rings in Trümmern mahnenden Vergan-
genheit fühlt der Religionsphilosoph Creuzer
„unsere neudeutsche Kleinheit", empfindet er, ..datz
hier ein Ort fiir Männer sei, die das alte grotze
Deutschland im Herzen tragen".
Freiherr von Stein erkennt, dah sich in Heidel-
berg ein gut Teil des deutschen Feuers
entzündet hat, das zu den Freiheitskriegen
führte. Eoethe satz stundenlang vor der hierher
gebrachten Sammlung altdeutscher Bilder des
Kölner Vrüderpaares der Voisieröes. Heidelberg
gewinnt für den deutfchen Süden ähnliche Bedeu-
tung wie Verlin für den Norden. Die bedeutende
Eestalt des Juristen Thibaut wird Anlatz zur
Durchführung des Streites zwischen der philosophi-
schen und der historischen Rechtsschule; die medi-
zinische Schule blüht auf und findet ihre grötzten
deutschen Vertreter. Die Universität wird Sitz
einer neuen Eeschichtsforschung, ja, einer neuen
Schule der Eeschichtswissenschaft, deren letzte Ent-
wicklungsmöglichkeiten heute noch nicht erschöpft
flnd. Die naturwisienschaftliche Fakultät entwik«
kelt sich gleichermatzon glücklich. Die Heidelberger
Laboratorien werden zu Stätten umstürzerischek
Entdeckungen. Das ganze 19. Jahrhundert him
durch reiht sich ein glänzender Name an den an-
dern. Charakteristisch für die Eeisteswissenschaf«
ten wird die zunehmende enge Verbindung mit
dem Leben der Nation, die bis heute ein besonde-
res Merkmal, gerade der Heidelberger Unioersität,
geblieben ist. Was ein kleines Land zu leisten
vermag, wenn kluge, starke und weitsichtige Fürsten
wie ein Karl Friedrich, ein Friedrich I. und ein
Friedrich II. das Leben der Wissenschaft mit ihren
Zielen erfüllen, das zeigt sich am Beispiel der ba-
dischen Hochschulen und insbesondere am Beispiel
Heidelbergs. Der wisienschaftliche Betrieb breitet
sich immer mehr aus. Die Methoden werden ver-
feinert und spezialisiert. Eine möglichst lücken-
lose Durchführung von Forschung und Lehre wird
erstrebt. So hat die wissenschaftliche Höchstleistung
der llniversität im 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts zum hohen Alter den hohen Ruhm
geheftet. Der Weltkrieg hat diese Entwicklung
unterbrochen, aber nicht abgebrochen. Ueber 500
Lehrer, Studenten und Beamte sind auf dem Felde
der Ehre geblieben. Aber die Universität hat sich
rasch erholt. Der Weltkrieg hat das Eesicht Euro-
pas verändert, hat Mauern aufgerichtet zwischen
Völkern, die aufeinander angewiesen sind, die zu-
sammenarbeiten müsien, wenn die abendländische
Kultur nicht dem Untergang ausgeliefert weroen
soll. Es ist schmerzlich, feststellen zu müsien, datz
diese Mauern auch dort aufgerichtet wurden, wo
einst reger und befruchtender Eedankenaustausch
stattgefunden hat, auf dem Eebiet der Wisienschaft,
der Forschung. In diesem Zusammenhang mutz
eine Tat Erwähnung finden, die erstmals versucht
hat, diese unnatürlichen Schranken zu überwinden.
Der Botschafter der Vereinigten Staaten von
Amerika, Herr Jac. Gould Schurman war es,
der durch eine hochherzige, von amerikanischen
Vürgern aufgebrachte Stiftung 1928 der llniver-
sität die Erstellung eines neuen Vorlesungsgebäu-
des ermöglicht hat.
Ihm, dem einstigen Heidelberger Studenten,
geblihrt heute nicht nur der Dank sür diese
wertvolle materielle Hilfe. Erötzer noch als
ste ist der Eeist des Friedens, der Freund-
schaft, der Versöhnung, der aus seinem
Werke strömt.
Brücke der Verstän-igung
Die Universität als die Empfängerin dieses
grotzmütigen Eeschenkes ist sich bewutzt, datz ihr da-
mit aus ihrer eigenen Vergangenheit und Arbeit
eine neue Verpflichtung und Aufgabe zuge-
fallen ist, die Aufgabe, Brücke der Verstän-
digung, Ausgangspunkt zu neuem friedlt«
chen Wettstreit zu sein. Jn diesem Sinne
wird sie ihren Dank abstatten.
Nach der Novemberrevolte von 1918 haben fich
Stimmen erhoben, die für eine Erklärung der llni-
versttät Heidelbera zur Reichsuniversität
eintraten. Nach dem Ursprung dieser Anregung
war jedoch nicht anzunehmen, datz es ihren Verkün-
dern darum zu tun war, eine Hochschule zu schaf-
fen, die in einem vermehrten Matze als bisher in
der Lage wäre, das geistige Erleben, Schaffen und
Forschen des Reiches, des Reichsdeutschtums und
des Eesamtdeutschtums zu wahren, zu fördern oder
zu vertreten, oder etwa darum, die llniversität von
einengenden, geschichtlich gewordenen gebietsmätzi-
gen Eegebenheiten zu befreien. Ein grotzer rich-
tungweisender Eedanke, etwa der Schaffung einer
neuauszurichtenden und auf einer artgebundenen
weltanschaulichen Grundlage aufzubauenden Hoch-
schule war schon deshalb unmöglich, weil die Trä-
ger jener Anregungen gar nicht in der Lage wa-
ren, eine solche Jdee zu gebären. Sie erstrebten
vielmehr, in Auswirkung bereits durch das 19.
Iahrhundert gegebener völkischer Verfallserschei«
nungen die „freie", jeder völkischen Grundlage ent«
behrende, einer entwurzelten Schicht von Intel-
lektualisten dienstbare Einrichtuna. Ihre libera-
listische Haltung ohne jede völkische Verpflichtung
strebte nach dem überheblichen Eedanken, der „rei-
nen, objektiven", von jeder Bindung an das Artge-
mätzo gelösten Wisienschaft mit dem Ziel, eine
Epoche des internationalen Jntellektualistentums
einzuleiten. Diese Entwicklung fand in Deutschland
ihr Ende mit dem Jahr 1933.
Nun aber steht die 550jährige an
der Schwelle neuen deutschen Lebens,
am Veginn des geeinten deutschen
Reichs. und damit am Anfang eines
neuenAufstiegs. Jn diesem deutschen Zeit-
raum Sammelpunkt und Ausstrahlungspunkt der
geistigen Welt zu sein, hoheSchuledesDrit-
ten Reichs zu sein, ist schönste Aufgabe
tiefste Verpflichtung.
Desien zum Zeichen hat das deutsche Sqmbol,
der Adler, sein Haupt wieder erboben und
dessen zum Zeichen ist über die Pforte di«
Infchrist gefetzt:
„Dem dentschen Geist."
„Oie Objekiivität der Wissenschaft"
Oie Rede profeffor Kriecks beim Zwetten Feftakt
Zu einem wahren Erlebnis gestaltete fich die
Rede des Heidelberger Philosophen Dr. Ernst
Krieck über die Objektivität der wissen-
schaftlichen Probleme.
Prof. Kriecks Ausführungen stellten sozusagen
die Antwort der deutschen Wissenschast auf den
gestrigen Anruf des Reichsministers Dr. Rust dar.
Der Reichsminister habe, so führte Krieck in einem
Vorwort zu seinem Vortrag aus, von seiner hohen
kulturpolitisch sührenden Stellung her die Erund-
probleme der Erneuerung der Wisienschaft als der
Zentralaufgabe der künftigen deutschen Hochschule
in einer Weise umrissen, die darum für uns ver-
bindend ist, weil wir als Männer der Wissenschaft
derselben Weltanschauung und derselben Ausgabe
unterstehen wis die Staatsführung. Wie begegnen
uns folgerichtig im Mittelpunkt, nämlich in der
Frage nach einer neuen Sinngebung und Recht-
sertigung der im llmbruch befindlichen Wisienschaft
und wir freuen uns dieser Begegnung, weil sie
uns zeigt, datz von der Führung des nationalsozia-
listischen Staates die ungeheuren Möglichkeiten
neuer Wisienschaftsgestaltung ergriffen und nicht
nur für die künftige Hochschule, sondern für den
gesamten Aufbau des neuen Deutschland zum
Einsatz gebracht werden. Professor Krieck führte
dann weiter aus:
Ein Vlick über Kulturkreise, Völker und Zeit-
alter belehrt unwiderlegbar, datz jene Gebilde, die
wir unter dem Eesamtbegriff „Wissenschaft" erfas-
sen, nach Wesen und Sinn ebenso vielgestaltig, art-
verschieden und wandelbar sind, wie Leben und Ge-
sittung der Völker in den Zeitaltern selbst. Auch
die Beschränkung des Vlickfeldes auf die von den
Eriechen zur Eegenwart verlaufende Kulturlinie
zeigt im Eesamtproblem der Wissenschaft einen be-
grifflich schwer fatzbaren Reichtum an Eestaltun-
gen, Sinngebungen und Rechtfertigungen allerver-
schiedenster Art, sodatz auch hier eine einheitliche
Wesensbestimmung und Sinndeutung fast zur Un-
möglichkeit wird. Es hat eben die Wissenschaft
eines Zeitalters nicht das Recht, sich selhst zuw
absoluten Matzstab der Richtungen und Leistunge»
aller anderen Völker und Zeitalter zu machen:wir
lehnen einen wisienschastlichen Absolutismus ehen-
so ab wie den verwanüten politischen Jmperiali v
mus. Jedes Volk mutz in jedem Zeitalter sein Le-
ben nach seinem Eigengesetz und jeweiligen Schick-
sal gestalten, und diesem Eigengesetz untersteht mit
allen anderen Lebensgebieten auch die Wissenschaft.
Der Sinn der Menschheit aber ist nicht Einförmig-
keit, sondern die Flllle völkischer und geschichtlichek
Gestaltungen.
Jm Zeitalter geschichtlicher Erkcnntnis ist es für
uns unmöglich geworden, eine Theorie der Wissen-
schaft aus irgendwelchen rationalen Prämissen her-
aus zu konstruieren. Ausgangspunkt für jede zu-
künftige Wissenschaftslehre ist vielmehr die wirk-
lich vorhanoene Wisienschaft in ihrem geschichtlichen
Wandel und in ihrem Verhältnis zum Eesamt-
leben der Völker. Wir erkennen, datz sich daS
Leben der Völker vollziehl gemätz dcr ihnen ein-
wohnenden Erundgesetzlichkeit, dem naturgegebeneN
Eigencharakter. Völkisches Leben kommt zu seinel
Vollendung. zur Erfüllung in vorbildlicher Gestalt,
wenn den Lebensordnungen und der Lebensführung
der Erundcharakter zum unverrückbaren Leitprinzip
dient. Diese Erkenntnis hat der Fllhrer des deut-
schen Volkes zum Eesetz unseres völkischen Lebens-
weges erhoben.
Ueber die Wissenschaft entscheidet die Frage, ot
dieses Erundgesetz auch in ihr gilt oder ob sie vo»
einer ihr allein eigenen Erundlage aus anderft
Eesetzen und Zielen untersteht.
Es sei dabei dem Mitzverständnis vorgebeuK
als begebe sich Deutschland mit seiner Wissenschas»
auf den Weg sogenannter Autarkie. Wir wisiös
uns als Elied der europäisch-abendländischen Vd'l'
kersamilie und werden auch künftig mit allev
andern Eliedern im Derhältnis gegenseitigel
Eebens und Empfangens stehen. Bezeichnet ma»
die Möglichkeit des Austausches wissenschastliche»
i
„Vollsgemeinschast"
Mittwoch. dc» 1. J»li 1l»S
Erundanschauungen von der Tünde, der Enad «
und der Rechtfertiaung nur durch den
Elauben in einer grotzen Disputation entwik-
kelt, wobei er — trotz tiefer Nachwirkung — das
Mitzfallen der Univerfitätstheologen erregt an
einer Hochschule, die schon beinahe 40 Jahre huma-
nistische Blütezeit hinter stch hat.
Kurfürst Ludwig V. beginnt 1522 mit neuen
Reformgedanken die eingetretcne Verdorrung zu
beheben, aber der ruhige Ablauf des Umgestal-
tungswillens wird jäh verändert durch die Eewalt
des Durchbruchs der neuen Bewegung.
Als am 20. Dezember 1545 in der Heilig-
geistkirche die Eemeiitde plötzlich das evan-
gelische Kirchcnlied von Paul Spreter „es
ist das Heil uns kommen her" anstimmt, da
ist der Durchbruch der Resormation vollzogen.
Jn wenigen Jahren erlebt die llniversität bei sich
den llntergang des Mittelalters. Das
von Papst Julius II. 1551 einberufene Tridenti-
ner Konzil wird von der Universität nicht mehr
beschickt. Es war der letzte Papst, den die Uni-
versttät als kirchliches Oberhaupt anerkannte.
Als nach dem Augsburger Religionsfrieden
1556 die glänzendste Erscheinung unter den pfälzi-
schen Herrschern, Ottheinrich, den Thron be-
stieg, war ein neuer Aufstieg der Universität
gesichert. Er vereinigt bei sich die beidem bedeu-
tendsten deutschen Eeistesströmungen seines Jahr-
hunderts, die Renaissance und die Reformation, in
einer kirchlichen und einer Hochschulreform. Er
schafft in den wenigen Jahren seines Wirkens
eine der ersten Bibliötheken Europas, die wunder-
bare Palatina.
Die Eedanken Philipp Melanchthons, des Er-
neuerers des deutschen Unterrichts, werden in das
Reformwerk einbezogen. Ziel und Aufgabe war
nun die moderne humanistische und protestantische
Hochschule, und so steigt in der zweiten Hälfte des
15. und zu Beginn des 16. Iahrhunderts Heidel-
berg auf zu ungeahnter Blüte. Nach Ottheinrichs
Tod setzt das Haus Simmern die Ueberlieferung
sort. Die Universität wird unter Friedrich dem
Frommen die Hochschule des Lalvinismus. Aus
allen Eegenden Europas strömt die Blüte der cal-
vinistischen Jugend nach Heidelberg. Nach Cal-
vins Tod gewinnt Heidelberg erstmals europäi-
sche Bedeutung, hier ist das Zentrum der calvini-
stischen Welt. Der Ernst religiöser Probleme über-
lagert sogar das studentische Leben. Man hat für
diese Zeit Heidelberg den Namen „Das deutsche
Genf" gegeben. Die beginnenden Kämpfe zwischen
Protestanten und Reformierten können die bedeu-
tende kulturelle Leistung der Universität nicht be-
schatten. Eine Eefahr aber lag in dieser Entwick-
lung. Die Universität wird Hochschule einer Kon-
fessionspartei und der europäische Name ist teil-
weise erkauft mit einer starken lleberfremdung.
Zugleich befindet sie sich in nächster Nähe einer
Konfessionspolitik, für sie in diesem Falle eine ge-
fährliche Nachbarschaft, denn das Haus Simmern
erstrebt nichts weniger als die Vereinigung der
resormierten Elaubensinteresien. Friedrich IV. er-
reicht auch als Stifter der protestanti-
schen Union im deutschen Reich sein Ziel, aber
auf der anderen Seite folgt auf dem Fuhe die
Schaffung der katholischen Liga. Die
Parteien waren aufmarschiert. Der 30jährige
Krieg begann. Er brachte den Zusammenbruch
der Pfalz und den Zusammenbruch der Univer-
fität.
1822 hat Tilly Stadt und Schlos, erobert.
Die llniversität ist so gut wie vernichtet. In
den nächsten drei Jahren stnd nur sechs Jm-
matrikulationen, und die Palatina, die wun-
dervollste aller vtdliotheke», der „optimns
Eermaniae litheratae Thesanrus" wird
dnrch den Herzog von Bayern mit 8880 Eti-
ketten versehen, in 1SS Kisten verpackt und
unter den Fliichen der Heidelberger auf
Maultieren Lber die Alpe« gebracht» um
der Batikanischen Bibliothek einverleibt z«
werden. Sie befinden fich daselbst heute
noch mit Ausnahme der nach den napoleoni«
schen Kriegen 1818 zurückgegegebenen deut-
schen Handschriften. Aus Anlatz des 500.
Zubiläüms der llnioersität hat Papst Leo
XIII. einen Katalög der Palatina in wun«
derbarer Aussertigung Erohherzog Fried-
rich I. von Baden Lberreichen lassen.
Zwanzig Jahre lang kann von einem Leben
überhaupt keine Rede mehr sein. 1633 wurde die
Stadt von den Schweden erobert, dann von ihnen
geplündert, dann von den Franzosen und dann von
den Kaiserlichen besetzt. Heidelbergs Hohe Schule
ist nicht mehr. Am Rhein herrscht Hungers-
not bis zum Leichenfraß.
Neuer Aufbau
Unter ungeheuerem Kraftaufmand beginnt
Kurfürst Karl Ludwig nach dem Westfälischen
Frieden mit einem neuen Aufbau. Mit 7 Pro-
fessoren eröffnet er am 1. November 1652, selbst
Rektor, die llniversität. Seine Neuordnung von
1672 sieht vor, daß nur die Lehrämter der Theolo-
gischen Fakultät an eines der beiden reformierten
Vekenntnisie gebunden sein sollen. Alle Lbrigen
Lehrämter sollten von konfessionellen Bindungen
frei sein. Aber die llniversität sollte nicht mehr
zu ihrem alien Leben erwachen. 1685 stirbt der
Letzte des Hauses Simmern, der Bruder der un-
glücklichen Liselotte von der Pfalz; um die Nach-
folge der katholischen Pfalzgrafen von Neuburg,
Herzöge von Jülich und Verg, die nunmehr Her-
ren der Pfalz werden, entbrennen zwei Reichs-
kriege mit Ludwig XIV. von Frankreich, die zur
restlosen Vernichtung der Pfalz fiihren. Noch
grötzeralsdieKatastrophe des 30-
jährigen Krieges war diese.
1680 und 1803 finkt Heidelberg in Schutt
und Asche. Die llniverfität und die inzwi-
schen wieder angesammelte Bibliothek wer-
deu ein Raub der Flammen.
Wieder schien alles Leben erloschen, mehr als
je abgestorben oder ermattet zu sein. Die weni-
gen noch vorhandenen Professoren wählten sich
zwar einen Rektor, um zu bekunden, datz der Le-
benswille der Universität noch nicht gebrochen sei.
Aber erst 1700 beginnen wieder 4 Professoren zu
wirken. Da bricht der Spanische Erbfolgekrieg
über Heidelberg herein. Die 600jährige Residenz
ist verödet. Die neuen Kurfürsten restdieren an-
derswo. Schlietzlich verlegen sie ihren Sitz nach
Mannheim aus Zorn darüber, dasi die Heidelber-
ger die Heiliggeistkirche, deren Schiff den Prote-
stanten eingeräumt war, nicht ganz den Katholi-
ken abtreten wollten. Das neue katholische Herr-
scherhaus strebt die Rekatholizierung der Pfalz an
und wandelt die Universität um im Sinne der
Eegenreformation. Bis zur Aufhebung des Or-
dens der Eesellschaft Jesu waren Iesuiten Träger
der Universität. Sie prägen ihr wieder das Ee-
sicht der Scholastik auf. Nach den Jesuiten sind es
Franziskaner, Karmeliter, Dominikaner und die
aus Frankreich gerufenen Lazaristen, von denen
die Lehrstühle besetzt werden. So bietet sich ein
eigentümliches Bild.
4803: Ba-ische Siaatshochschule
Die Hochschule, deren erster Lebensabschnitt
grotz begonnen hatte, in Form der kirchlichen
Weltanstalt, die die Blüte des Humanismus und
der Reformation bei sich gesehen, versinkt in ein
Iahrhundert voll Blut und Tränen, um dann als
Jnstrument der Eegenreformation
cin weiteres Iahrhundert dahinzuvegetieren, eine
das Abendland aufwühlende geistige Epoche der
Aufklärung sozusagen völlig zu verschlafen und da-
mit den Zusammenklang mit der charakteristischen
Kultur des 18. Jahrhunderts nicht zu sinden. Mitz-
stände reitzen ein, soweit die Lehrstühle nicht von
Mönchen, sondern mit weltlichen Kräften besetzt
sind, vererben sie sich vom Vater auf den Sohn.
Der Nachfolger der Neuburger, Karl Theodor, war
cine eigentümlich gespaltete Natur. Halb aufklä-
rerisch neigte er den Iesuiten zu, schielte einerseits
nach Voltaire und lietz die llniversität andererseits
dem scholastischen Urzustand sich nähern. Allein sein
ner Eriindung der „deutschen Gesellschast zur För-
derung von Sprache und Bildung" (1763), in der
sich auch Schiller befand, und der Grundung der
„phystkalisch-ökonomischen Eesellschaft" (1770) ist
einige Vcdeutung zuzumesien, da aus der letzteren
zum ersten Male unter den Universttätswisien-
schaften eine Wirtschaftslehre in Erscheinung trat.
Der letzte Kurfürst und Wittelsbacher Maximi-
lian Joseph von Pfalz - Zwei brücken
hat in den rund drei Jahren seiner Herrschaft für
die Universität mehr getan, als das
ganzeHausNeuburg. Er verkündete die
Hauvtschriftleiter: Fran» Bred.
Stellvertreter: Bervbard Seeaer-Selbe.
Ebet »om Dieuft: Dr. Friedrich Didier.
Verantwortlich für Jnnenvolitik: Sra«, Bretz: für
Autzcnvoltttk und Wirtichast: Berubard Secgcr-Kelber
sür Stadt Heibelberg und Bewegung: Hcrman» Leitz:
f>ir Badische Nachrtchten und Sporl: Herman» Ueberl«;
für yeutlleton und Untcrbaltung: Dr. Friedr. Dtdier;
für sämtliche Beilagen: Herbert Wiedemau»; für Btl-
der: Hauvtschristleituna: für Anzeigen: Wklb. BeSver.
fämtlich tn Heidelberg
Echriftlettung: Nrunnengakse 20—21.
Berliuer Schriftleltuug:
HanS Graf Relichach. Berlin SW. S8 Cbarlottenstr. 185.
Nachdruck sämtlicher Ortgtnalbertchte verboten.
Svrechstundeu der Schriftlettung: Tägl. von ltl—17 Ubr.
Sernruf 3710.
SÜr unverlanat etngegangene Bctträge wird kein«
Verantwortung übernommen.
verlag »Volksgemcinfchast' <N. m. b H.. Hauvt»
ftrabe t2kck28 «UuiverNtätSvlatzi.
Druck: Heidelberger Gutenberg-Druckeret G. m. b. H.
D.-A. V. 1936: 24 715
Davon: Beztrksausgabe Odenwald u. Rauland 2 86Z
Bczirksausgabe Rund um Mosbach 3 168
Bezirksausgabe Der Franke 2 368
Bczirksausgabe Der Kraichgau 2 518
Lur Lell ift vreiSltfte Nr. S aültta.
rechtliche Eleichstellung der Vekenntnisse und schuf
der Universität ein Kapital, das ste vor dem wirt-
schaftlichen Zusammenbruch rettete. Der Reichs-
deputationshauptschluh von 1803 hat diesen Zeit-
abschnitt endgültig abgeschlosien, das linke Rhein-
ufer fällt an Frankreich, die rechtsrheinische Pfalz
an Baden.
llnd nun blüht wirklich ein neues Leben
aus Nuinen. Seit dem 16. Jahrhundert hatte
die llniversität keine gleich tatkrästige und ziel-
klare Hand mehr über sich walten gespürt, wie
jetzt unter dem Markgrafen, Kursürsten und
Erotzherzog KarlFriedri«h von Baden.
Wie überall in seinem Land, griff er auch in die
Eeschicke der Universität Heidelberg mächtig ein.
Schon im Jahr 1803 erging das Heidelberger
Edikt, das die llniversität zur Hohen Schule des
Landes erklärte und gewisiermatzen auf neuer
Erundlage wirderbegründete. Von nun an hieh
sie mit Recht „Ruperto-Carola". Nun ist
sie nicht mehr eine oon Fllrst und Regierung ge-
löste Schule, die im Staat ein Sonderdasein führt,
sondern eine Staatsanftalt, vom Staat selbst
unterhalten und geleitet. Es erscheinen die fünf
Fakultäten:
„die kirchliche, staatsrechtliche, ärzt-
liche, staatswirtschaftlicheund all-
gemein e."
Jn allen nichttheologischen Fakultäten soll nun-
mehr „ohne Rücksicht auf die Religionseigenschaft
der würdigste Eompetent in jedem Erle-
digungsfalle" ernannt werden. Die wirtschaftliche
llnterlage der Hochschule wird neu gesichert und
eine Reihe bedeutender Eelehrter berufen. Das
Iahr 1803 war sür die llniversität aber nicht nur
hinstchtlich ihres Aufbaus und ihrer Ausstattung
ausschlaggebend, sondern auch hinsichtlich der gei-
stesgeschichtlichen Entwicklung. Heidelberg nach
1803, das ist der Lebensweg einer modernen llni-
versität. Die Vergangenheit war für Heidelberg
auch geistesgeschichtlich verklungen. Wieder füllen
stch Heidelberg schöne alte Eassen mit der Jugend
aus allen deutschen Eauen. Wohl ragen oben am
Verg die Trümmer des alten Schlosies, aber sie ge-
winnen ein neues Eesicht. Aus dem Zerschmetter-
ten, Eesprengten und in Asche Eelegten ersteht ein
neuer Eeist. Die Welt steht jetzt anders auf diese
Ruinen, sieht in ihnen riesenhafte Denkmäler ver-
sunkener Zeitalter. Die geschundene Landschaft be-
ginnt nun den Zauber einstiger erhabe-
ner Erötze auszuströmen und auf den neuen
Menschen zu wirken in einem Sinne, dem Hölder-
lin vielleicht den tiefste« Ausdruck verliehe« hat
in den Versen:
——
« llI4IV8k8!'IH8
3I8I-I07«eK
NLlOLl-SLÜY
Heivelberg Wiege -er Romaniik
Schwer in das Tal hängt die gigantische
Schicksalskundige Burg, nieder bis auf den
Erund von den Wettern gerissen.
Doch die ewige Sonne gieht
Jhr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünet lebendiger
Efeu, freundliche Wälder
Rauschen über die Burg herab.
Und aus dem zerschmetterten Heidelberg kommt
nun eine der schönsten Früchte deutschen Eeistes-
lebens, divdeutsche Romantik. „Des Kna«
ben Wunderhorn" ertönt durch Deutschland
und bestimmt damit die nachfolgende lyrische Dich-
tung. Joseph Eörres liest hier erstmals in
Deutschland über altdeutsche Dichtung. Deutsch-
lands grotze geistige Vergangenheit feiert Auf-
erstehung. Eichendorff dichtet hier seine Lie-
der, in denen die Heidelberger Brunnen rau»
schen. Wie die llniversität oinst Heimat der Re-
formationsbewegung und des Calvinismus war,
jo wird sie nun Heimat für alles, was rückschauend
in die Betrachtung der deutschen Vergangenheit
versunken ist. Das ist der Boden, aus dem die
deutsche Sprach- und Altertumsforschung entsteht,
aus dem die germanistischen Wisienschaften Eestalt
gewinnen. llnd das alles getragen von einer
neuen Welle aufsteigender Vaterlandsliebe. Ange-
sichts der rings in Trümmern mahnenden Vergan-
genheit fühlt der Religionsphilosoph Creuzer
„unsere neudeutsche Kleinheit", empfindet er, ..datz
hier ein Ort fiir Männer sei, die das alte grotze
Deutschland im Herzen tragen".
Freiherr von Stein erkennt, dah sich in Heidel-
berg ein gut Teil des deutschen Feuers
entzündet hat, das zu den Freiheitskriegen
führte. Eoethe satz stundenlang vor der hierher
gebrachten Sammlung altdeutscher Bilder des
Kölner Vrüderpaares der Voisieröes. Heidelberg
gewinnt für den deutfchen Süden ähnliche Bedeu-
tung wie Verlin für den Norden. Die bedeutende
Eestalt des Juristen Thibaut wird Anlatz zur
Durchführung des Streites zwischen der philosophi-
schen und der historischen Rechtsschule; die medi-
zinische Schule blüht auf und findet ihre grötzten
deutschen Vertreter. Die Universität wird Sitz
einer neuen Eeschichtsforschung, ja, einer neuen
Schule der Eeschichtswissenschaft, deren letzte Ent-
wicklungsmöglichkeiten heute noch nicht erschöpft
flnd. Die naturwisienschaftliche Fakultät entwik«
kelt sich gleichermatzon glücklich. Die Heidelberger
Laboratorien werden zu Stätten umstürzerischek
Entdeckungen. Das ganze 19. Jahrhundert him
durch reiht sich ein glänzender Name an den an-
dern. Charakteristisch für die Eeisteswissenschaf«
ten wird die zunehmende enge Verbindung mit
dem Leben der Nation, die bis heute ein besonde-
res Merkmal, gerade der Heidelberger Unioersität,
geblieben ist. Was ein kleines Land zu leisten
vermag, wenn kluge, starke und weitsichtige Fürsten
wie ein Karl Friedrich, ein Friedrich I. und ein
Friedrich II. das Leben der Wissenschaft mit ihren
Zielen erfüllen, das zeigt sich am Beispiel der ba-
dischen Hochschulen und insbesondere am Beispiel
Heidelbergs. Der wisienschaftliche Betrieb breitet
sich immer mehr aus. Die Methoden werden ver-
feinert und spezialisiert. Eine möglichst lücken-
lose Durchführung von Forschung und Lehre wird
erstrebt. So hat die wissenschaftliche Höchstleistung
der llniversität im 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts zum hohen Alter den hohen Ruhm
geheftet. Der Weltkrieg hat diese Entwicklung
unterbrochen, aber nicht abgebrochen. Ueber 500
Lehrer, Studenten und Beamte sind auf dem Felde
der Ehre geblieben. Aber die Universität hat sich
rasch erholt. Der Weltkrieg hat das Eesicht Euro-
pas verändert, hat Mauern aufgerichtet zwischen
Völkern, die aufeinander angewiesen sind, die zu-
sammenarbeiten müsien, wenn die abendländische
Kultur nicht dem Untergang ausgeliefert weroen
soll. Es ist schmerzlich, feststellen zu müsien, datz
diese Mauern auch dort aufgerichtet wurden, wo
einst reger und befruchtender Eedankenaustausch
stattgefunden hat, auf dem Eebiet der Wisienschaft,
der Forschung. In diesem Zusammenhang mutz
eine Tat Erwähnung finden, die erstmals versucht
hat, diese unnatürlichen Schranken zu überwinden.
Der Botschafter der Vereinigten Staaten von
Amerika, Herr Jac. Gould Schurman war es,
der durch eine hochherzige, von amerikanischen
Vürgern aufgebrachte Stiftung 1928 der llniver-
sität die Erstellung eines neuen Vorlesungsgebäu-
des ermöglicht hat.
Ihm, dem einstigen Heidelberger Studenten,
geblihrt heute nicht nur der Dank sür diese
wertvolle materielle Hilfe. Erötzer noch als
ste ist der Eeist des Friedens, der Freund-
schaft, der Versöhnung, der aus seinem
Werke strömt.
Brücke der Verstän-igung
Die Universität als die Empfängerin dieses
grotzmütigen Eeschenkes ist sich bewutzt, datz ihr da-
mit aus ihrer eigenen Vergangenheit und Arbeit
eine neue Verpflichtung und Aufgabe zuge-
fallen ist, die Aufgabe, Brücke der Verstän-
digung, Ausgangspunkt zu neuem friedlt«
chen Wettstreit zu sein. Jn diesem Sinne
wird sie ihren Dank abstatten.
Nach der Novemberrevolte von 1918 haben fich
Stimmen erhoben, die für eine Erklärung der llni-
versttät Heidelbera zur Reichsuniversität
eintraten. Nach dem Ursprung dieser Anregung
war jedoch nicht anzunehmen, datz es ihren Verkün-
dern darum zu tun war, eine Hochschule zu schaf-
fen, die in einem vermehrten Matze als bisher in
der Lage wäre, das geistige Erleben, Schaffen und
Forschen des Reiches, des Reichsdeutschtums und
des Eesamtdeutschtums zu wahren, zu fördern oder
zu vertreten, oder etwa darum, die llniversität von
einengenden, geschichtlich gewordenen gebietsmätzi-
gen Eegebenheiten zu befreien. Ein grotzer rich-
tungweisender Eedanke, etwa der Schaffung einer
neuauszurichtenden und auf einer artgebundenen
weltanschaulichen Grundlage aufzubauenden Hoch-
schule war schon deshalb unmöglich, weil die Trä-
ger jener Anregungen gar nicht in der Lage wa-
ren, eine solche Jdee zu gebären. Sie erstrebten
vielmehr, in Auswirkung bereits durch das 19.
Iahrhundert gegebener völkischer Verfallserschei«
nungen die „freie", jeder völkischen Grundlage ent«
behrende, einer entwurzelten Schicht von Intel-
lektualisten dienstbare Einrichtuna. Ihre libera-
listische Haltung ohne jede völkische Verpflichtung
strebte nach dem überheblichen Eedanken, der „rei-
nen, objektiven", von jeder Bindung an das Artge-
mätzo gelösten Wisienschaft mit dem Ziel, eine
Epoche des internationalen Jntellektualistentums
einzuleiten. Diese Entwicklung fand in Deutschland
ihr Ende mit dem Jahr 1933.
Nun aber steht die 550jährige an
der Schwelle neuen deutschen Lebens,
am Veginn des geeinten deutschen
Reichs. und damit am Anfang eines
neuenAufstiegs. Jn diesem deutschen Zeit-
raum Sammelpunkt und Ausstrahlungspunkt der
geistigen Welt zu sein, hoheSchuledesDrit-
ten Reichs zu sein, ist schönste Aufgabe
tiefste Verpflichtung.
Desien zum Zeichen hat das deutsche Sqmbol,
der Adler, sein Haupt wieder erboben und
dessen zum Zeichen ist über die Pforte di«
Infchrist gefetzt:
„Dem dentschen Geist."
„Oie Objekiivität der Wissenschaft"
Oie Rede profeffor Kriecks beim Zwetten Feftakt
Zu einem wahren Erlebnis gestaltete fich die
Rede des Heidelberger Philosophen Dr. Ernst
Krieck über die Objektivität der wissen-
schaftlichen Probleme.
Prof. Kriecks Ausführungen stellten sozusagen
die Antwort der deutschen Wissenschast auf den
gestrigen Anruf des Reichsministers Dr. Rust dar.
Der Reichsminister habe, so führte Krieck in einem
Vorwort zu seinem Vortrag aus, von seiner hohen
kulturpolitisch sührenden Stellung her die Erund-
probleme der Erneuerung der Wisienschaft als der
Zentralaufgabe der künftigen deutschen Hochschule
in einer Weise umrissen, die darum für uns ver-
bindend ist, weil wir als Männer der Wissenschaft
derselben Weltanschauung und derselben Ausgabe
unterstehen wis die Staatsführung. Wie begegnen
uns folgerichtig im Mittelpunkt, nämlich in der
Frage nach einer neuen Sinngebung und Recht-
sertigung der im llmbruch befindlichen Wisienschaft
und wir freuen uns dieser Begegnung, weil sie
uns zeigt, datz von der Führung des nationalsozia-
listischen Staates die ungeheuren Möglichkeiten
neuer Wisienschaftsgestaltung ergriffen und nicht
nur für die künftige Hochschule, sondern für den
gesamten Aufbau des neuen Deutschland zum
Einsatz gebracht werden. Professor Krieck führte
dann weiter aus:
Ein Vlick über Kulturkreise, Völker und Zeit-
alter belehrt unwiderlegbar, datz jene Gebilde, die
wir unter dem Eesamtbegriff „Wissenschaft" erfas-
sen, nach Wesen und Sinn ebenso vielgestaltig, art-
verschieden und wandelbar sind, wie Leben und Ge-
sittung der Völker in den Zeitaltern selbst. Auch
die Beschränkung des Vlickfeldes auf die von den
Eriechen zur Eegenwart verlaufende Kulturlinie
zeigt im Eesamtproblem der Wissenschaft einen be-
grifflich schwer fatzbaren Reichtum an Eestaltun-
gen, Sinngebungen und Rechtfertigungen allerver-
schiedenster Art, sodatz auch hier eine einheitliche
Wesensbestimmung und Sinndeutung fast zur Un-
möglichkeit wird. Es hat eben die Wissenschaft
eines Zeitalters nicht das Recht, sich selhst zuw
absoluten Matzstab der Richtungen und Leistunge»
aller anderen Völker und Zeitalter zu machen:wir
lehnen einen wisienschastlichen Absolutismus ehen-
so ab wie den verwanüten politischen Jmperiali v
mus. Jedes Volk mutz in jedem Zeitalter sein Le-
ben nach seinem Eigengesetz und jeweiligen Schick-
sal gestalten, und diesem Eigengesetz untersteht mit
allen anderen Lebensgebieten auch die Wissenschaft.
Der Sinn der Menschheit aber ist nicht Einförmig-
keit, sondern die Flllle völkischer und geschichtlichek
Gestaltungen.
Jm Zeitalter geschichtlicher Erkcnntnis ist es für
uns unmöglich geworden, eine Theorie der Wissen-
schaft aus irgendwelchen rationalen Prämissen her-
aus zu konstruieren. Ausgangspunkt für jede zu-
künftige Wissenschaftslehre ist vielmehr die wirk-
lich vorhanoene Wisienschaft in ihrem geschichtlichen
Wandel und in ihrem Verhältnis zum Eesamt-
leben der Völker. Wir erkennen, datz sich daS
Leben der Völker vollziehl gemätz dcr ihnen ein-
wohnenden Erundgesetzlichkeit, dem naturgegebeneN
Eigencharakter. Völkisches Leben kommt zu seinel
Vollendung. zur Erfüllung in vorbildlicher Gestalt,
wenn den Lebensordnungen und der Lebensführung
der Erundcharakter zum unverrückbaren Leitprinzip
dient. Diese Erkenntnis hat der Fllhrer des deut-
schen Volkes zum Eesetz unseres völkischen Lebens-
weges erhoben.
Ueber die Wissenschaft entscheidet die Frage, ot
dieses Erundgesetz auch in ihr gilt oder ob sie vo»
einer ihr allein eigenen Erundlage aus anderft
Eesetzen und Zielen untersteht.
Es sei dabei dem Mitzverständnis vorgebeuK
als begebe sich Deutschland mit seiner Wissenschas»
auf den Weg sogenannter Autarkie. Wir wisiös
uns als Elied der europäisch-abendländischen Vd'l'
kersamilie und werden auch künftig mit allev
andern Eliedern im Derhältnis gegenseitigel
Eebens und Empfangens stehen. Bezeichnet ma»
die Möglichkeit des Austausches wissenschastliche»
i