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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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Derlag und HerauSgeber: Verlag Dolkrgemeinschaft B.m.b.H., Heidelberg, Hanptstr. I2S/I2S, Tammel-
Nr, 82LL. Schriftleltung Brunnengaste 20/24, Fernsprecher 2740, Di« »DolkSgemeinschast' crscheint 7 mal
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Derzicht auf Bersailler

Geist gefordert!

Lor- Lothiarr für -eutsch-englische Zusammenarbeii

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NkLiefuns. 1'snfts delm Voi-bsimsi-soN; im »intsi'8>'un«i clie „Kspel üei- Vleopkltf» '

Scherl-Bilöer-ienst

Worurrr geht es in Montreux?

London, 15. Juli.

Die Anglo-Eerman-Fellowship veranstaltete am
Dienstag einen Empsang zu Ehren des Herzogs und
der Herzogi» von Braunschweig, an dem zahlreiche
siihrende Persönlichkeiten der englischen Politik und
Wirtschast teilnahmen. Im Verlauf des Empsangs
sprach u. a. auch der bekannte englische Politiker
Lord Lothian, der sich vorbehaltlos für eine
Verständignng mit Deutschland einsetzte.

Lord Lothian begann seine Ausführungen mit
der Feststellung. daß durch das Angebot des Füh-
rers vom März 11136 der Frieden auf 25, 2ahre
gestchert werden könne, während man auf eine Kata-
strophe zusteuere, wcnn diese Gelegenheit nicht wahr-
genommen werde.

Er frage, ob man die Streitigkeiten Ler letzten
30 Jahre fortleben lassen wolle, oder ob man ge-
willt sci, einen neuen Zeitabschnitt für die
Menschheit zu beginnen. Das sei die Kernfrage, der
wan heute gegenüberstehe. Er glaube, Latz die Stim-
inung auf beiden Seiten eine richtige Zusammen-
arbeit verlange. Allerdings glaube er im Hinblick
auf die Ereignisse des letzten oder der letzten beiden
Iahre auch, datz der erste und entscheidende Schritt
zur Ergreisung der jetzigen Eelegenheit nunmehr
von England getan werden müsse. Dieser
Schritt miisse darin bestehen, ein für alle Mal auf
das zu oerzichten, was in Deutschland der „Ge i st
von Versailles" genannt werde.

Was die Kriegsschuldfrage angehe, so
bestehe bereits Uebereinstimmung, nämlich darin,
datz nicht eine Nation allein ausschlietzlich
für den Krieg verantwortlich gemacht werden könne.
Die Theorie der alleinigen Kriegsschuld habe zu ge-
wissen dauernden und einseitigen Diskriminierungen
Deutschlands geführt, die heute die Wurzel allen
Uebels seien.

Lord Lothian kam hierauf auf den Völker -
bund zu sprechen, der niemals imstande gewesen
sei, die Deutschland zugefügten Ungerechtigkeiten ge-
wätz den Absichten des Präsidenten Wilson abzustel-
len. Die Welt brauche notwendigerweise irgend ein
Forum von internationaler Organisation. Wichtiger
aber sei, datz der Völkerbund überalterte Verträge
rechtzeitig revidiere, als datz er die Macht
habe, einen Angreiser in Schranken zu halten.

Wenn cr dieKriegsursachen rechtzeitig
beseitigen könne, werde die Angreiserfrage nie-
mals entstehen.

Die eigentliche Probe stehe der Eenfer Einrich-
tung noch bevor, nämlich die Frage, ob der Völker-
bund die Vertragsrevision auf fried-
lichem Wege zustande bringen könne, die
Deutschland denjenigen Platz in der Welt geben
werde, auf den es Anspruch habe. Hierdurch wllrde
die Menschheit vor dem Unglück eines 'neuen Welt-
krieges bewahrt werden.

Er habe es persönlich begrützt, datz Deutschland
seine grundlegenden Rechte als freic Nation durch
Lie W i e d e r a u f r ü st un g zurückgewonnen habe.
Er habe die einseitige Wiederbesetzung begrützt,
nachdem der französisch-ruiüsche Pakt ratifiziert
worden sei, ohne datz irgend ein Versuch gemacht
worden wärc. die Fragen der Entmilitarisierung
vuf dem Verhandlungswege zu regeln. Deutschland
habe heute sowohl die Eleichberechtigung als auch
bie Macht. Deutschland sei wieder gerüstet. Für
öie britische Regierung bleibc lediglich zu tun
übrig. ein für allemal auf das verhängnisvolle
Enstem zu verzichten. das darin bestehe. sich zu-
erst mit Englands Freunden zu besprechen und
dann die Ergebnisse dieser Besprechungen als eine
Art Ultimatüm Deutschland vorzulegen. Ein Bei-
spiel für dies^s System sei kürzlich der Fragebogen
liewesen. An dic Stelle dieses Systems miisse eine
freie, gleiche und freimütige Beratuiig am runden
Tisch treten. Der Redner empfähl England einen
Berzicht auf die beabsichtigte Brüsseler Lo-
larno-Konferenz und schlug stattdessen eine
»emeinsame Aussprache vor, um festzustellen, ob
oie Probleme, die Deutschlgnd und seine Nachbarn
nach s,lif der Eründlage der Eleich-

berech igung gelöst wcrden könntc.

In dem gleichen Matze, in dem eine Lösung
der Osteuropäischen Fragen erreicht werde, mllsse
das Kolonial- und Wirtschaftsproblem naturnot-

wendig in den Vordergrund treten. Es sei eine
Weltfrage. Persönlich glaube er nicht, datz
das Problem durch die blotze RLckgabe der alten
deutschen Kolonien an Deutschland gelöst werden
könne. Das würde Deutschlands Bedürfnissen un-
ter den veränderten Bedingungen der heutigen
Zeit nicht entsprechen. Die Frage müsse auf einer
viel weiteren Erundlage erwogen werden. Alle
Kolonialmächte inützten gewillt sein, ihren
Beitrag zu einer Eebietsübertragung zu leisten.

Es sei weit wichtiger, datz der Völkerbund. mög-
lichst mit Deutschland als Mitglied. im kommenden
September ernstlich nn dieses Problem herangehe,
als datz er versuche, wieder ein Sanktioiissystem
herauszustellen, dns lediglich dazu verwendet wer-
den könne, einen Lberalterten Statusauf-
rechtzuerhalten.

Der Herzog von Braunschweig dankte
in kurzen Worten.

„Unsere beiden V'ilker", so betonte der Herzog,
„können sich freuen, daß diese gegenseitigen Besuche
von Frontkämpfern sowohl von Jhrem wie auch
von unserem Staatsoberhaupt so warm gefördert
wurden. Es war Jhr König, der seinerzeit als
Frontkämpfer die Anregung zu einem Besuch eng-
lischer Frontkämpfer in Deutschland gab, und un -
ser Führer hat einmal die Ueberzeugung aus-
gesprochen, datz nur Männer, die wirklich vier
Jahre lang im Felde gestanden haben, in beson-
derem Matze zu Frieden und Verständigung bei-
tragen können, gerade weil sie die Schrecken des
Krieges kennen. Wir gehen der Zukunft hoffnungs-
voll entgegen und glauben unbeirrt daran, datz
unsere beiden Völker immer näher zusammenkom-
men werden, zu ihrem eigenen Besten, zum Besten
Europas und zum Vesten der Welt."

Hierauf ergrifs Botschastsrat Fürst Bis-
marck, der deutsche Keschäftsträger, das Wort zu
einer Rede. in der er nach der Ausbringung eines
Toastes aus den Präsidenten der Anglo-German-
Fellowshiv. Lord Mount T e m p l e. in grotzen
Zügen Ziel und Zweck der Organisation der
Deutsch-Englischen Eesellschaft schilderte.

Die Schlutzworte sprach Präsident Lord Mount
Temple, der die Aufgaben der Anglo-Eerman-
Fellowship in die Worte zusammensatzte:

„Wir sind heute abend vereint, um zwischen
den beiden Ländern gute Kameradschaft nnd
Freundschast zu pflegen und zu sördern."

Von Bernhard

Durch die Forderung der Türkei auf Wieder-
besestigung der D a r d a n e l l e n. jene Meer-
enge, die zusammen mit Marmarameer und Vos-
porus die handelspolitische und militär-strateg..ch
wichtige Verbindung zwischen Mittelmeer und
Schwarzem Meek bildet, ist eine uralte Streit-
frage wieder in den Vordergrund der grohen
Politik gerückt. Ein Eegensatz lebenswichtiger Jn-
teressen, der seit über 100 Jahren Erotzbritannien
und Ruhland als unerbittliche Konkurrenten sieht.

Durch das Diktat von Ssvres 1920 wurde
die Türkei zur Schleifung der Dardanellenforts
gezwungen und so ähnlich wie das Reich in der
Rheinlandzone der Souveränität Lber wesentliche
türkische Eebiete beraubt. Auch nach der revolu-
tionären Erneuerung des türkischen Reickes durch
Atatiirk (Mustasa Kemal Pascha) gelang es
nicht, die Entmilitarisierung der Meerengen zu
beseitigen. Der Lausanner Vertrag von 1923

Seeger-Kelbe.

stellte sie nochmgls ausdrücklich unter internatio-
nale Kontrolle. Erst angesichts des Zusammen-
bruchs des Völkerbundes in der Abessinienfrage
entschloh sich die Tiirkei, ihre volle Souveränität
auch an den Meerengen durch Wiederbeseftigung
der Dardanellen aufzUrichten. Dazu beschritt sie
den Verhandlungsweg, aber die amtlicheN tür-
kischen Erklärungen lassen keinen Zweifel darüber.
datz die Türkei im Falle des Scheiterns der Ver-
handlunsen den Weg der „Politit vollendeter Tat-
sachen" auch ohne Genehmigung der Lausanner
Vertragsmächte beschreiten wird.

Die Verhandlungen in Montreux haben
trotz aller VemühUngen. zu einem Kompromitz zu
gelangen. dle 'volle SiKärse des Eegensatzes Mos-
kau—London ofsenbart. Es ist anzunehmen. datz
der Türkei die Wiederbefestigung der Dardanellen
„z u g e st a n d e n" werden wird weil keine der
beteiligten Mächte die Neigung verspürt, zu ihrcr
Verhinderung die Wasfen zu erheben. Jn der
Frage der Durchfahrt von Kriegsschissen durch die
Meerengen. besonders in Kriegszeiten, konnte nur
ein Komvromih auf Zeit erreicht werden. Dies
um so mehr, als Jtalien Montreux bisher
meidet, und als Japan kaum geneigt sein dürfte.
einem unter Eenfer Kontrolle stehenden Vertrag
als Nichtvölkerbundsmacht ohne Vorbehalt zuzu-
stimmen.

Der Bürgermeister des Pariser Stadtteils St.
Denis. Jacques Doriot. ehemals Führer der
sranzösischen Kommunisten, heute erbittertster Femd
Moskaus. erklärte iüngst in einer antibolschewi-
stischen Bersammlung. datz für Moskau der Sozia-
lismus schon lange nicht mehr mahgebend !ei,
sondern datz es die Erbschast der zaristischen all-
russischen Politik angetreten habe. Jn allen
Ländern müsse sich die 3. Jnternationale dieser
ein sowjetrussischen Richtung unterordnen. so dntz
sie lediglich Kampftruvve Moskaus in sremden
Völkern und Staateu tei.

Die Richtigkeit. dieser Erkenntnis des ehema-
ligen Kommunisten Doriot beweist auch das Aus-

Reichsanleihe überzeichnet

Berlin, 15. Juli.

Das Interesse an den Reichsschatzanweisungen
ist allgcmein rcge gewesen. Das Zeichnungsergeb-
nis ist insolgedessen recht ersreulich. Der vom
Reichsanleihekonsortium zur Zeichnung ^ufgelegte
Betrag ist umeineMillion übcrzeich-
nct worden. Die Zuteilung an dic Zeichner er-
folgt mit Niicksicht aus dcn >n Anjehung dcs
Gesamtbetrages uncrhebüchen Betrag der Ucber-
zeichnung im Znterejfe einer slatte» Abwicklung
in ooller Höhe.

Meine Entente mattgeseht

Llngarn begrüßt den paki Berlin-W en — Legttimisten cn'täuscht

Von unseremständigen Südostvertrcter

Budapest, im Juii 1930.

Dic zwischcn Deutjchland und Oesterrcich getros-
senen Vercinbarungen haden, wie nicht anders zu
erwarten «ar, in der ungarischen Ocsfcntlichkrit
cin besonders lebhaftes Echo gesunden. Nicht nur,
weil sich llngarn mit den beiden oertragschliehen-
den Staaten sreundschastlich verbunden fühlt, —
nein, auch aus Ueberlegungen, die in die Zukunst
der auhenpolitischen Entwicklungs-Möglichkeiten
weisen. '

Am deutlichsten spricht dicse Eedanken der „P e -
ster Lloyd" aus, wenn cr schreibt, nach allge-
meiner Ausfassung werde das deutsch-österreichische
Abkommen auch für Ungarn vorteilhaft sein, denn
es stärke dic revisionistische Front. und autzerdem
werde die in Entwicklung begriffene politische
Grupps zweifellos die Lage der Tschechoslowakei
erschweren. Alil diesen Worlen betonl das ge-
nannte Blatt jene beiden Punkte, die fiir die Aus-
richtung der ungarischen Autzenpolitik feit jeher
ausschlaggebend sind. Aehnliche Gedankengänge
klingen in einem Aussatz des „Pesti Napl o" an,
der u. a. fcststellt, Oesterreich sei nunmehr dem
Terror der Kleinen Entente entIangen. Durch das
neue Abkommen zwijchen Berlin und Wien erhalte
Mitteleuropa den wirtschaftlichen Frieden. Von
Berlin bis Budapest, wie von Warschau bis Rom
bringt die neue Vereinbarung wirkliKe SiAerheit.

Der „P e st i H i r l a p" sieht ebcnsalls dic arötzte
Vedeutung der Vereinbarungen darin, durch sie
verschwinde endgültig die Hosfnung der Kleinen
Ententc auf Beitritt Oesterreichs zu diescr Kon-
stellation.

Schon diese wenigen Zitate lassen erkennen, mit
welcher Eenugtuung ilngarn das Uebereinkommen
zwischen Berlin und Wien aufgenommen hat. Mitz-
behagen zeigt sich lediglich in den Reihen der Le-
g i t i m i st e n, die nunmehr an der Verw rklich-
ung der Bestrebungen für eine Habsburger-Restau-
ration verzweifeln. So ist das Budapcster Legi-
timistenorgan „Ak a g y a r s a g" das einzige Blatt,
das sich in diesem Augenbblick gehässige Ausfälle
gegen Deutschland nicht versagen kann. Jin übri-
gen hört man, datz in den Kreisen der legitimisti-
schen Führer über diese Wendung der Dinge ge-
radezu A.stürzung y./rs.hl Mi! ihr wird aber
gleichzeitig die Stellung der Regierung E o m b ö s
ganz automatisch weite'r gefestigt, indem eine wich-
tige Eruppe der Opposition stark an Stotzkraft ein-
bützt. Die Regierungsbläiter betonen denn auch
mit besonderem ilkachdruck, datz durch die Berstän-
dioung iwischen Berlin und W>en die von Göinbös
und Kanya angestrebte autzeirpolitische Linie eine
neue Vestätigung und Festigung erhalte, wodurch
naturgemätz llngarn selbst auch seine autzenpoli-
tijche Sltuation verbessere.
 
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