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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#0130

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Lsits 4

sller XVelt

Wer iit der Erbe von Franz Liözt?

Der Streit um die 36 Liszt-Reliquien lebt wieder auf

2-srkki?rkiIr

Aufwmi» iiir RrvMnllilim... Z

Wir entnebmen einer westdeutschen Zeitung D
solgendes kleines Erlebnis: -

Zufällig fällt ung der Gefchäftsbericht einer W
mittleren Firma in die Hände. Und ebenfo Z
zufällig entdecken wir darin, dah die Eesellfchaft W
im vergangenen Iahre einen verhältnismätzig Z
hohen Betrag für Repräsentationszwecke auf- W
gewendet hat.

Na, ja — kennen wir ja, wie diese „Reprä- Z
sentation" aussieht! Der Herr Direktor muh D
unbedingt einen Acht-Zylinder-Wagen sahren, D
der Herr Generalvertreter kann immer nur in Z
den allerersten Hotels der von ihm besuchten W
Städte wohnen, Besucher und Geschäftsfreunde M
bekommen ein Zigarrensortiment vorgesetzt, W
dessen sich der Fürst von Thurn und Taxis W
nicht zu schämen braucht, in den Warteräumen Z
versinkt man in Perserteppichen und Klub- W
sesseln... g

llnd das alles, nicht wahr, segelt dann W
«nter der Flaage „Repräsentation". Eigentlich Z
«in starkes Stuck.

Als wir dann aber in aller Bescheidenheit W
telephonische Nachfrage halten, werden wir W
ausgelacht: „Kommen Sie doch einmal zu uns W
herein, damit wir Jhnen unsere Repräsentation W
zeigen können..." «

Und dann sahen wir: einen Frühstückssaal W
für die Arbeiter, in hellen, modernen Farben, W
die Stühle mit beguemen Armlehnen; und W
einen Garderobenraum mit bliksauberen W
Schränken; nebenan, in der Earderobe der W
weiblichen Angestellten, ill sogar an der Jnnen- W
seite eines jeden Schrankes ein grotzer Spiegel Z
angebracht, damit der Hut auch richtig sitzt, W
wenn man wieder auf die Stratze tritt; und W
einen Waschraum sahen wir, der mit den W
modernsten Geräten, hygienisch vollkommen W
einwandfrei, ausgestattet war.

Wir gestehen, dah wir, je mehr wir sahen, W
umso lieber kleinlaut wurden. „Sehen Sie, W
sagte man nur, „da ist unsere Repräsen- W
tation. Und warum wir das im Eeschäfts- I
bericht nicht besonders erwähnt haben? Du W
lieber Himmel — weil wir es einfach für W
selbstverständlich gehalten baben, datz Z
man heute nur so „repräsentieren^ kann ..." Z

Das amerjkantsche Msenfernrohr

Die Astronomen nehmen an, dah das neue kali-
fornische Riesenfernrohr, das einen Durchmesser
von 200 Zoll haben wird, den menschlichen Blick
3 600 000 000 000 000 000 000 (20 Nullen) Meilen
weit tragen werde. Das Teleskop wird aus den
Eipfel des Berges Palomer im Gebirge von San
DLego in einer Höhe von 6000 Futz aufgestellt wer-
den, da dort die Luft von Liner autzergewöhnlichen
Klarheit ist. Die Aufstellung des Teleskops, das
50 Tonnen wiegt und zwischen 2 bis 3 Mittionen
Dollar kostet, wird voraussichtlich im Laufe des
Jahres 1840 beendet sein. Das Herz des Jnstru-
ments ist das Objektiv. Es besteht aus einem un-
geheuten Glasblock von 17 Futz Durchmesser und
28 Fuh Höhe, der in einer besonderen Werkstätte
vier Iahre lang zurechtAeschliffen wird. Sobald
dieser Glasblock poliert ist und eine vollendete pa-
rabolische Eestalt hat, wird er in Aluminium ge-
fatzt. Die Astronomen werden übrigens mit dem
Instrument keine direkten Veobachtungen vorneh-
men.

zb. Budapest, im Iuli.

Wie aus Bubapest gemeldet wird. haben die
Nachkommen von Franz Liszt, dessen Todes-
tag sich am 31. Juli 1836 zum S0. Male jiihrt.
vor einem bortigen Gericht den bereits j a h r-
»ebntelangen Streit um die Hin-
terlassenschaft des grotzen Kom-
voniften neuerdtngs aufleben
l a s s e n.

Am 31. Juli sind es fünfzig Iahre, datz Franz
Liszt in Bayreuth für immer die Augen schlotz. Fast
ebenso lange dauort der Kampf um das Erbe des
grotzen Künstlers. Die Eerichte von Weimar,
Bayreuth und Vudapest beschäftigte die Angelegen-
heit, die schlietzlich vor dem Budapester Nachlatzbe-
richt — dessen Zuftändigkeit von den Parteien ein-
mütig anerkannt wurde — zu einem vorläufi -
gen Abschlutz gelangte. Die autzerordentlich
wertvollen Eegenstände aus dem Nachlatz des be-
rühmten Musikers befinden sich im ungarischen Na-
tional-Museum, aber der Kampf um ihren endgül-
tigen Besitz geht weiter.

Testament von sremder Hand

Die Prinzessin Karoline Sayn-Wittgenstein
legte im Sommer des Iahres 1886 dem Budapester
Nachlatzgericht eine Schrift vor, die sie als das
Testament von Franz Liszt bezeichnete.
Jn diesem Schreiben setzte Liszt die Prinzessin und
deren Tochter Marie Hohenlohe zu seinen alleini-
gen Erben ein. Seino Töchter und übrigen Ver-
wandten wurden in diesem Testament mit keinem
Worte erwähnt. Nach den ungarischen Eesetzen
war aber das Testament ungültig. Denn es war
von fremder Hand geschrreben — Liszt
hatte blotz seinen Namen unterzeichnet — und von
keinem Zeugen beglaubigt.

Da Karoline Sayn-Wittgenstein nicht in der
Lage war, andere Dokumente, die ihr Anrecht auf
die Erbschaft bewiesen hätten, vorzuweisen, erklärte
das Gericht Liszts Verwandten als erbbe-
rechtigt.

Die Prinzesstn war aber dem Urteilsspruch be-
reits zuvorgekommen. Sie hatte — ungeachtet der

Frankfurt am Main. im Juli.

Es kommt ja hin und wieder einmal vor, datz
sich in den Lärm der hin und her flitzenden Äutos
und in das Bimmeln der Stratzenbahnen, die durch
die breite Zeil, die Hauptverkehrsstrahe des alten
Frankfurts, rattern, das Eeklapper eines Reit-
pferdes mischt. Wenn aber auf dieser Stratze
kürzlich der Verkehr aus seinem Rhythmus fiel
und von der Hauptwache am Schillerplatz stch die
Menschen um ein schlankes, rassiges Reitpserd sam-
melten, das mit bebenden Nüstern und in Schweitz
gebadet auf den Wink des seltsamen Reiters eben
Halt machte, dann war es nicht deswegen, weil
vielleicht die Frankfurter besonders neugierig wä-
ren und sie selten ein solches Bild zu sehen bekä-
men. Nein, es hatte schon seine Verechtigung,
Fragen zu ftellen um das Woher und Wohin von
Rotz und Reiter, die stch in der malerischen Staot
am Main ein wenig Rast auf ihrem Ritt durch
die Welt vergönnten. Der braungebrannte Rei-
ter, der sich mit dem Namen Auguft Barke aus

Proteste der Verwandten von Liszt —dem unga-
rischen National-Museum 36 kostbare Liszt-Re-
liquien übersandt, die sämtlich aus der Weima-
rer Wohnung des grotzen Komponisten stammten.
Jn einem Begleitschreiben, das noch heute im un-
arischen National-Museum aufbewahrt wird, teilte
ie Prinzesstn der Museumsleitung mit, datz sie ge-
mätz dem letzten Willen des Verstorbenen handle.

Karl Liszt, sin Neffe des Komponisten -- er-
lebt als Böttchermeister in Ungarn — hatte seiner-
seits ebenfalls Anspruch auf den Nachlatz seines On-
kels erhoben. Viele Jahre prozessierte er mit dem
ungarischen Staat um Herausgabe der 36 Liszt-
Anoenken. Der Staat war jedoch dazu nicht zu
bewegen und wollte auch von der Zahlung einer
Abfindungssumme an die Verwandten von Franz
Liszt nichts wissen.

Sck'wieriqe Nochforsistunqen

Vis dann im Jahre 1925 das Vudapester Land-
gericht eine für Karl Liszt günstige Entscheidung
fällte. Die Ungültigkeit des von der Prinzesstn
Karoline Sayn-Wittgenstein seinerzeit vorgelegten
„Testaments" wurde ausgesprochen und der Erb-
anspruch von Karl Liszt bestätigt.

Mit dieser Eerichtsentscheidung war jedoch die
Angelegenheit noch lange nicht beendet. Das Ee-
richt verpflichtete Karl Liszt zwecks Feststellung des
Erades der Erbberechtigten, ihm Namen und
Wohnort sämtlicher Nachkommen von Franz Liszt
anzumelden. Das war eine auherordentlich schwie-
rige Bedingung, denn bereits vor fünfzig Iahren
lebten in verschiedenen Ländern Europas -- in
Deutschland, Holland, Ungarn und Frankreich —
mehr als dreihig Blutsverwandte des grotzen Kom-
ponisten. Dem in bescheidenen Verhältnisfen leben-
den Vöttchermeister Karl Liszt war es nicht mög-
lich, die Kosten der Nachforschungen aufzubringen.
Jetzt im Liszt-Festjahre haben sich die Verwandten
der lange ruhenden Angelegenheit erneut ange-
nommen. Man bemüht sich, die Nachforschungen
nach Franz Liszts Nachkommcn zu Ende zu führen.

Dr. A. P.

Essen ins Eästebuch eintrug, ist nämlich gerade da-
ber, den Weltrekord im Langstrecken»
Reiten, der gegenwärtig mit 10000 Kilometern
von einem deutschen Lehrer in Südamerika gehal-
ten wird, zu brechen.

Ueber die Hälfte seines Pensums hat Barke
schon zurückgelegt, wie die Wimpel aus vielen
Ländern der Welt, die sein Reitpferde „Lotte II"
schmücken, beweisen. 8500 Kilometer auf dem Rük»
ken eines Pferdes, bald unter sengender Hitze, bald
im jagenden Sturm und peitschenden Regen zu
reiten, ist wahrhaftig keine Kleinigkeit und man
brauchte nicht einmal ein besonders scharfes Auge
zu haben, um die erlittenen Strapazen dem wage-
mutigen deutschen Reitersmann vom Ecsicht abzu-
lesen. „Mein Weg führte mich bisher von Essen
durch die Tschechoslowakei über die Putzten von
llngarn durch das serbische Eebirge", erzählt er
uns. „Hier strauchelte mein Schimmel
„Lotte I" und stürzte so schwer, datz er erschossen
werden muhte. Es war ein schmerzlicher Abschied

Ein Deutsüm reitet durck bie Wett

August Barke will den Weltrekord im Langstrecken-Deiten brechen

Ren LkeüLmoäeki laclet ein ...

Hans Tröbst schildert ein japanisches Souper

„Also nicht vergessen, alter Freund! Heute
abend sind wir von Schinioseki >ns japanische Re-
staurant „Zu den 1 000 Meilen" eingeladen. Wird
'ne sehr gemütliche, aber teure Sache werden.
(Oeishas hat er schon ausgesucht und gestern be-
stellt. Uebrigens... noch eines: Ein paar „Tips"
werden Sie einem alten Ostastaten nicht übel neh-
men: vor allem keine Löcher im Strumpf, nicht
lachen, wenn Jhnen was komisch vorkommt und in
jeder Hinstcht natürlich sein. Autzerdem stek-
ken Sie stch genügend Visitenkarten ein und finden
Sie mit Matz nur das schön, was wirklich schön ist.
Und sonst machen Sie sichso auf verschiedenes ge-
fatzt! Also — dann auf Wiedersehen um 6 in den
„Tausend Meilcn".

Punkt 6 passiere ich das „Foajeh" der „Tausend
Meilen" — bestes japanisches Haus am Platze. Der
kleine Portier-Boy verbeugt sich bis auf die Erde,
klatscht knallend in die Hände. Auf jedem Treppen-
absatz ein zweiter, dritter Boy, oer das Hände-
klatschen weitergibt — „Klingelersatz", der das
Eintreffen der einzelnen Eäste dem wartenden
Eastgeder meldet.

Dritter Stock. Da sind sie ja schon: pantinen-
klappernd kommen mir auf dem Korridor zwei rei-
zende Geishas lachend und zwitschernd, voll kind-
licher Freude entgegengestürzt, helfen mir aus dem
Mantel, bugsieren mich auf einen winzigen Hocker,
ziehen mir — ritsch-ratsch-ritsch — Eott sei dank!
Heile Strümpfe! — die Stiefel aus, fafsen mich
rechts und links „unter" und geleiten mich, wie
zwei liebende Töchter den heimgekehrten Vater,
in den Speisesaal. Ein buntbestrumpfter Herr
kommt auf mich zu, macht eine tiefe Verbeugung
und überreicht mir feierli-6 seine, mit beiden Hän-
dene gehaltene Visitenkarte. Ich tue das gleiche —
die Bekanntschaft ist gemacht. Momentanes Schwei-
gen, das der würdige Herr Schimoseki auf das
glücklichste und liebenswürdigste mit dem Satz:
„Wieder Volksabstimmung in Deutschland? 2ch
rechne mit 100 Prozent" bricht.

Iakirtausende alte Wo^nkultur

„Alle Wetter! Das nennt man japanische Höf-
lichkeit!" Jmmerhin, der Konnex ist geschaffen und

malerisch gruppiert fich die kleine Korona um da»

einzige Möbelstück im ganzen Zimmer: einen gro-
tzen, viereckigen, braunlackierten ganz niedrigen
Tisch. — Prüfender Blick in die Runde: Alle Ach-
tung! 2n Sachen Wohnkultur haben wir im We-
sten wohl noch verdammt viel zu lernen! Denn
nach unseren Vegriffen ist das Zimmer „leer", aber
trotzdem wieder mit „Nichts" so raffiniert wohn-
lich und behaglich eingerichtet, wie es eben nur
Menschen fertig bringen, denen der Begriff
„Wohnkultur" nicht anerzogen, sondern schon von
Iahrtausenden angeboren worden ist.

Gelächter auf dem Korridor... husch! husch!
husch! Als habe man einen Vogelkäfig geöffnet,
schwirren mit fröhlich-kindlichem Lachen in ihren
prachtvollen seidenen Kimonos die kleinen Eeishas
ins Zimmer — kleine, feine, zierliche Kätzchen, die
man am liebsten auf den Arm nehmen und nach
Hause tragen würde. Sie bringen jedem Gast ein
geflochtenes Körbchen, darinnen ein glühend hei-
ges, zusammengewickeltes, parsümiertes Frottier-
handtuch — schrupp! schrupp! schrupp! reibt man
sich Stirn, Eesicht und Hände ab. llnterdessen rich-
ten diese zierlichen Mädchen wie die Wiesel den
Tisch her: Zuck-zuck! Zuck! — schon steht vor jede n
Gast ein kleines Trinkschälchen, daneben kommt ein
Näpfchen mit einer braunen —.

Nanu? Was soll das vorstellen? — also mit
einer braunen übelduftenden Vrühe, in deren
Mitte wi« eine kleine, gelbe Elaskirscke der kugel-
runde Dotter eines rohen Schnepfeneies herum-
schwimmt.

Na! Wenn das die Ouvertüre sein soll, dann
kann man stch allerdings wohl „auf verschiedenes
gefatzt machen".

Die Fläschchen mit dem heitzen Reis-Schnaps
werden gebracht und die Trinkschälchen wandern
mit der Regelmätzigkeit eines unter Hochdruck ar-
beitenden Baggers vom Tisch zum Schlund und
vom Schlund zur Neufüllung auf den Tisch. Die
dazu gehürige, nach verwester Muschel-Substanz
riechende, mit Schnepfendreck angerührte Lraune
Vrühe, samt rohem Schnepfenei wird direkt —
brrr beiseite geschoben — erst mal sehen, wie der
zweite Gang, die Suppe schmeckt. Hm! Die sieht
ia schon wesentlich besjer aus: eine glasklare Flüs-
stgkeit in kleinen zugedeckten Lackschalen gereicht
mit drei haardünnen grünen Gräsern auf dem

Grund. — Eroßer Eott! Wie riecht denn das?
Verfaulter Seetang???

„Wonderful, Mister Schimoseki!... na, denn
helpt das also nix! Atem angehalten und ausge-
trunken — tatsächlich: Seetang! Autzerdem schei-
nen die beiden sonderbaren, gelb-grünen Quallen
aus irgend einem Schneckenhaus zu stammen—.
Eerechter Himmel! Wenn das so weiter geht!
Hätt' ich mir docheine ordentliche „Wurscht" ein-
gesteckt! — Kein Wunder, wenn die kleine Geisha
neben mir, sich vor Lachen ausschütten will: .

„Tja, my little Deern, Pappi mutz sich erst lang-
sam an diesen Zadder gewöhnen, komm, giv mi
lieber Sake! Prost!"

Sake hilft nach

Meine Hebe, die auf den schönen Namen „Der
ruhmreiche Meerbusen" hört, kann vor Lachen
kaum die Sake-Flasche halten und bemüht sich, mir
wenigstens mit rührend kinolichem Eifer das Hal»
ten der Etz-Stäbchen beizubringen. Mit den dazu
gehörigen Zahnstochern liegen diese Teufelsdinger
in Papier sauber verpackt vor jedem East auf klei-
nen Messerbänken aus grünem Korallen-Porzellan
—Etzwerkzeuge, deren komplizierte und doch wieder
so einfache Handhabung erheblich zur Steigerung
des Hungergefühles beitraaen. Jetzt so 'nen rich-
tigen handfesten Komitz-Löffel... „wenn ich de»
hätte!"

Wieder zwitschert eine Schar Eeishas — dies-
mal aber zweiter Earnitur — in schlichten brau-
nen Eewändern ins Zimmer, jede mit einem mäch-
tigen, wagenradgrotzen, bunten Porzellanteller auf
dem einen — großer Eott! Das wird ja immer
furchtbarer ! — ein Verg ganz diinner in grotze
Scheiben geschnittenen rohen, blutigen Fleisches, auf
den anderen Tellern ebensolche Berge von rohen
Pilzen, ZwieLeln, Knoblauch und einem halben
Dutzend anderer, völlig unbekannter Grünzeug-
arten! Soll man das alles etwa in rohem Zu-

stande_?? — Komm, ruhmreicher Meerbusen,

reich mir die Pulle, ehe es zu spät ist". — Aaaaa-
ha! So wird die Geschichte!

Plötzlich stehen auf dem Tisch zwei ganz mo-
derne Primus-Apparate, beide völlig gleich, der
eine aus Deutschland, der andere aus der japa-
nischen Kopier-Anstalt, Blechschüsseln darauf, an-
gezündet, Tala aufgelöst, Flcisch hineingetan, dick
mit Zucker bestreut — tjawoll! Mit Zucker —
scharfe Soja-Bohnen-Sauce darüber geschüttet und

„Lolksgemeinsch^^

tzreiiag, dcn' >»-

von meinem treuen Eefährten und schon
den Entschlutz, wieder in die Heimat zurE ^
ren, als das Glück mit beiden Händen »Ä-sKi
zukam. Der Divisionskommandeur von ^
der Hauptstadt der jugoslawischen Banovina ^
rava, hatte von meinem Mitzgeschick erfahren ^
weil er nach seiner Angabe einem deutiAen ^
meraden sür eine Lebensrettung im Kriege
deren Dank schuldete, glaubte er diesen
dadurch abstatten zu können, datz er nnr Ä
hand sein L i e b l i n g s p f e r d schenkte. ^,>1
taufte es auf „Lotte II" und setzte meinen ^
durch Rumänien, Bulgarien und die Türkei ^
Ismet, Smyrna und dem Meer entlang
Haifa fort. Dort versperrte man mir aus r,j,>
tischen Gründen den Weg — ich mutzte über Al
chenland, Albanien, Iugoslawien und die TlH
wieder zurück nach Deutschland."

Die Umstehcnden, die seine knappen
mitanhörten, schütteln verwundert die Köpfe-
er alles an Abenteuerlichem erlebt habe, w>U ^>1
wissen. Aber der Reiter hat es eilig »nd ^jjl
ab. Er sagt uns nur noch, dah er im Durch!^,l
täglich 35 Kilometer zurllcklegt, nur >"
weiten Ebene der ungarischen Putzta h«elr ^ ^
Pferd 72 Kilometer im Tage durch. Nun
noch nach England. Skandinavien und HaüaN" ,,
von dort wieder zurück nach Deutschland,
dann in Essen seinen Weltrekordritt beenv^jt
will. Er möchte es auf alle Fälle bis auf l^ ^
20 000 Kilometer bringen, damit set", ^
kord so schnell nicht mehr gebrochen werden.: L
Nun, man schüttelt ihm die Hände und »>u
ihm Elück auf seinem ferneren Wege. Dann >
August Barke wieder seinen Futz in den -0 /
und schwingt fich auf das Rotz, das schon urE°
dig tänzelt, als wäre es begierig, neue Stad»'
neue Länder kennen zu lernen.

Eine Stabt föllt vom Stmmel

Londy«. im.JEjiiilj
Auch im 20. Jahrhundert gibt es für eineN A
dernen Kolumbus noch manches zu entdecke» ,j»
fehlt nicht an weitzen Flecken auf der Land>° ^

kannt war, gehört im Zeitalter der T^jji
wahrhaftig in die Kuriositätenmappe. Der e>^s
sche Regierungsbeamte, der sich vor kurzeiNM«
einer Jnspektionsreise im mittleren Teil der
laischen Halbinsel befand, irrte vom Wege
und geriet mit seinem Auto immer tiefer
Wildnis. Mitten im Dschungel tauchte
eine grotze Stadt auf. Der Beamte si»
sich die Augen — die Stadt, in der ein b» „
Menschengewimmel herrschte, war auf keiner
verzeichnet! Der Entdecker suhr weiter und w
zu jeinem matzlosen Erstaunen erfahren, datz
Stadt, die von mehr als 10 000 Chinesen dew"/,,

wird, schon seit zehn Jahren existiert, M
datz die Vehörden eine Ahnuna davon gehav>.,,,
ben. 1926 waren mehrere tausend Lhinesen
her ausgewandert und hatten aus einer Ba»
siedlung innerhalb kürzester Frist ein blüV^:
Gemeinwesen gemacht, in dem man nicht
Pflanzenwirtschaft, sondern auch VergbaU
Kautschukherstellung betrieb. Die Vewohner k»' ,,
schnell zu Wohlstand. Es gibt in dieser Stadt ^
der einen Bürgermeister, noch Polizisten odek
stige Verwaltungsbeamte. Es existiert hier w >L
eine Poststation noch irgend eine andere E>" il>
tung der Zivilisation. Auch der Steuerbeawv^
eine unbekannte Erscheinung. Diesem paradiel'^s
Zustand wird durch die Jrrfahrt des Infperti ^
beamten, nun zweifellos ein Ende gemachtwer

das ganze Erünzeug im bunten Durcheina' ,,
draufgekippt. mit Holzstäbchen umgerührt.-.-'^!
brodelt, wallet, zischet und stunkt... Pupp!
macht plötzlich der kopierte Japan-Primus
geht vor Schreck aus...sagt ichs nicht? NachEj,!'
ist immer leicht, aber man darf auch den c-
tus", den Eeist nicht vergessen — darauf komV'
an! — Dafür kocht der echre Primus umso sEü'
im Handumdrehen ist dag Essen gar und — 7
der Eottes! — von hervorragendem Eeschma>st .

Uff! Macht der Sake warm! Also we^,r
nach Landessttte die Jacken ausgezogen, iw',,
neues Fleisch, immer neuer Zucker immer n'K

Knoblaüch, immer neue noch seltjamere
werden in den ununterbrochen brozelnden ^
qeschüttt, allmählich kommt man auch mit de»
slixten Stäbchen einigermatzen zu Rande, und
das Merkwürdigste ist, „es schmeckt mit jedem
befler! Zigaretten werden gereicht — schon ^j'
der nächste Eang: in einer bauchigen Blumeu e>

aus Lack erschemt herrlicher, ungesalzenrr Reip-^
dem es Mixed-Pickles givt — war das eine
die Reiskörner mit den Stäbchen in den Sck>^/
zu praktizieren! Zwei ganze Schalen mutz mau /
das erfordert der gute Ton! — hinunterwiirg^st
endlich ist auch das geschafst und es ' ' "

Nachtisch die „Eeschenke". Üeder East erhält
Streichholzschachteln mit dem Wappen der
„Zu den 1000 Meilen", dazu, in Seidenpapiek,,»'
wickelt, ein Porzellan-Sake-Schälchen mit ^
tafle, dann schieben zwei Geishas die Wand
Nebenzimmer auseinander — eigentliche
sind unbekannt — und mit steif gewordenen
nen wandert alles, vernehmlich rülpsend ^k,
das will gelernt sein — ins VerdauungsziM^i-
das womöglich noch geschmackvoller als das Sp>
zimmer eingerichtet ist. ,

Schöne Vronzefiguren, seidene SpruchbäNA
gemalte Wandschirme, hie und da ein Zweig'
Vlume. wieder lagert sich alles um den niedr'L,»
Tiich und wieder bringen die kleinen Eeishas, /
und Früchte, einen Tee, der — straf mich Em>^>
genau wie labbriges Aufwaschwasser schmeckt
trotzdem wird die Stimmung immer animik'np
bis ganz urplötzlich ein toter Punkt und der
aus resultierende allgemeine Aufbruch kommt. ,

Das Eewühl der Autos, der Strom der ei^
den Futzgänger — der Alltag hat uns wieder
SLadel Ein Erlebnis ist es doch gewesen, b' ^

Schade!
kleine Soupex
trotzdem!

im Haus der „1000 Meilen
 
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