Lsits 14
„Volksgemelnschafl"'
Samstaa, dea 11. Juli 1»S?
LMI8 WIVLIikLRö
Xrerr/ertunA
Krcisoraanisationsamt. Die noch nicht abgeholten
Nahnen öer Ortsgruvven und Stützounkte sind bis
svätestens Montag. den 13. ds. Mts., abends 7 Ubr
auf der Kreisleitung, Zimmer 5, abzuholeit.
Sreisschulungsamt. Rundschreiben 10/36 stir Schu-
lungsleiter ist ausgegeben.
NS.-Lchrerbund Heidclbcrg-Land. Am Mtttwoch,
den 15. Juli, 3 Uhr 30 findet in Heidelberg, Hörsaal
15 der Neuen Universität, eine Kreistagung statt.
Thema „Nordisches Blut bei den Völkern Border-
aslcns". Dan» solgt ein Reserat mtt Lichtbildern.
RS.-Lehrerbuud, Fachschaft Volksschule, Heidelberg-
Stadt und H.-Laud. Am Mittrvoch. den 15. Iuli 86,
15 Uhr 80 im Hörsaal 15 der Neuen Univerütät Ta-
sung. Kreisamtsleiter Gretn: Bericht über bie Retchs-
tagung in Baureuth: Landesökonomterat Röfch: Be-
kgmvkung des Kartosselkäfers.
^ur öeamke
Reichsbund der Dentsche« Beamte» e. V. Abt.
«eibl. Beamte. Wir besuchen geschlossen am 12. 7. 36
bte Ausstellung „Heidelberg, Bermächtnis und Aus-
gabe". Tresfvunkt 10.45 Uhr Bauamtsgafse.
Wlebliugen.
K.K.-Schietze«: für Männer und Frauen gemeinsam
von 9—11 llbr im Wieblinger Schützenhaus. Lettung:
Kursleiter Decker.
Verleihuug des SA-Svortabzeichens des Kurses
Decker, Hetdelberg-Wieblingen. am Sonntag. 12. Juli,
in Wieblingen im Nebenzirnmer zur Traube vünktlich
um 17 Ubr.
Moutags-Vormittags-Knrse.
Allg. KSrverschule: für die DAF. von 6—7 USr
auf dem Untversitätssvortvlatz. Leitung: Sportlehrer
Ncumann. Bei schlechtem Wetter findet der Kurs tn
der Untversitätssvorthalle im Marstallhok statt.
Nene Svortknrse.
SA.-Svortabzeiche«: am Donnerstag, den 16. Juli,
beginnt etn neuer Kurs zur Erlangung bes SA-Svort-
abzetchens. Anmeldungen müssen umgehend auf bem
Svortamt tm Haus der Arbett abgegeben werden.
^VL-^rauenLc/iZ/t
Sreisfranenfchaftslrltnng: K»lt»rmalterin»entagu«g.
Abfahrt nach Bammental nur mit Zug ab Heidelberg
13.08 Uhr möglich, da späterer Zug nicht bält.
Kreissranenschastsleitnng. Sonnrag, den 12. Iuli.
Kulturwalterinnentagung in Bammental im Gast-
haus zum Deutlchen Reich. ALsabrt ab Hetdelberg
13.08 oder 14.02 Ubr.
NS.-Fra«e»fchaft: Altftabt 1 »«b r. Sonntag. den
12. Jult, Aufführung unserer Svielgruvve bei ber
Kulturwalterinnentagung in Bammental. Abfahrt
14.07 ab Karlstor.
/VL-.
Kreisamtsleitung der NSB. Der Relchsbund der
Körverbehinderten. Krets Heidclberg, unternimmt am
31. Juli 1836 eine Dampfersahrt nach Eberbach. Es
können alle Körverbehinderte auch Nichtmitglieder
daran teilnchmen. Auskunft auf der Geschäftsstelle des
R. B. K. e. V. Marktvlatz 1 und Bergheimerstr. 39/2
bei I. Dinnbter.
c/er ///
HJ. Ban« 110 Stell« KS/Kr. Betr. Abnahme im
Entsernungsschätzen. Sämtltche Kameraben bie das
Entfernungsschätzen noch nach zu machen baben. treten
am Samstaa. den 11. Jult, um 18 Uhr aus dem Metz-
vlatz in HetLelberg an. Schreibzeug ift mitzubrtnaen.
Hitlerj«ge»d Ba»» 11V Stelle G. A. Die England-
fahrtteilnehmer treten Samstag 18 Uhr am „Schwar-
zen Schtfs" fcldmarschmäbig an.
öOrV
BDM. Standort Heidelberg. Sonntaa, ben 12.
Juli, Antreten auf der Feierstätte um 9 Uhr. Dte
Probe dauert bts zum früben Nachmtttag: Brotbeutel»
vervflegung mttbringen'
Renate spricht alle Leute an / v°n p« schw«nz-n
Oeuk§c/ie /4c/)e//L^ron/ unc/
/V-56 ..Xra/t c/urc/i ^reuc/e"
Kreiswaltung
DAF. Am Montag, den 13. Jult, 20.30 Uhr in
der „Brauerei Ziealer" Bergheimerstrabe, Besvrech-
ung sür sämtliche Ortswalter und Organtsationswal-
ter der Heidelberger Ortswaltungen einschl. der Orts-
«altungen Leimen, Nutzloch, Sandhausen, St. Ilgen,
Dossenheim, Evvelheim. Ztegelhausen.
Abtlg. Funk. Am Samstag. den 11. Iuli, abends
8 Uhr kindet im Philivv-Lenard-Inftitut im arotzen
Hörsaal ein Funkvortrag mit Borfübruna von Fern-
sehavväraten statt. Eine kletne Anzahl Einlatzkartcn
können Nöch am Freitag, den 10. 7. 86. zwikchen 18
und 19 Uhr im Haus der Deutichen Arbeil, Ztm. 13.
abgeholt werden.
Kreisbetrieb^gcmeinschaften
Sreisbetriebsgemelnschast 12 Bankc» «ud Verftche-
rnngcu. FaSgruvve Banken. Montaa den 13 Iuli.
Dienstag, den 14., Mittwoch. den 15.. tcweils vünkt-
lich 20 Uhr im Seim. Bismarckftratze 19. Bortraa
über das neue Urkundenftencracsctz. Tetlnabme ae-
mätz Rundschreiben 2/36 vom 8. 7. 1938 an die Be-
triebssiibrer.
RSG „Kraft durch Freube"
Feierabend
Erftes öffentlichcs Liederftugc» am Samstag, den
11. Iuli. 21 Uhr auf dem Marktvlatz in Wiesloch.
Reifen, Wandern. Urlaub
Die Fahrt Nr. 27 ift einzuzable«.
Di« Fabrkarte» sür die Fahrt Nr. 26 können tm
Haus ber Arbeit, Berwaltungsstelle, KdF.-Schalter, ab-
geholt werden.
Svortamt — Samstag-Kurse.
Reichssvortabzciche«: für Männer und Frauen ge-
meinfam von 16—18 Uhr aus dem Universitätssport-
vlatz. Lettung: Svortlehrer Wafsen.
Kinder-Gnmnaftik: von 15—16 Uhr im Gymnastik-
saal Schietztorftr. 1 Lei Frl. Hedwtg Wolf.
Allg. KSrverschnle: für Männer und Frauen ge-
meinsam von 20—22 Uhr tn dcr Univerfitätssvorthalle
im Marstallbof. Leitung: Svortlebrer Wassen.
Bammental.
Fröhl. Gvmnaftik «nd Sviele: für Frauen und
Mädchen von 18.30—19.30 Uhr im Saal zum deutschen
Reich. Leitung: Hedwig Wols.
So«»tags-K»rs«.
Ncichssvortabzeichen: für Männer unb Frauen g«-
mcinsam von 7—9 Uhr aus dem Stadion. Leitung:
Svortlehrer Brenner.
Schwimme« für Männer u»d Fraue«: gemetnsam
von 9—11 Uhr in der Bootzschen Badeanstalt bei der
Stadthalle. Leitung: Kursleiter Dosch.
Tennis: für Männer und Frauen gemeinsam von
6—7 , von 7—8 und von 8—9 llhr auf dem Universi-
tätssvortvlatz. Leitung: Svortlehrer Krait. Anmeldun-
aen können nur auf öem Svortamt abgegeben werden.
Bälle und Schläger werden vom Svortamt gestcllt.
Es war in einem CafL der City. Jch faß fo da
und hatte nichts zu tun. Aber nicht darum han-
delt es sich hier — es handelt sich vielmehr um
eine reizende junge Rotblondine, die in diesem
Augenblick von ihrem energischen Drahthaarterrier
an einen Tisch in meiner unmittelbaren Nähe ge-
zerrt wird. Jmmer habe ich Rotblondinen für eine
ganz besonders zarte und stimmungsvolle und die
Drahthaarterrier für eine ganz besonders intelli-
gente Rasse gehalten.
Kinder und Hunde sind lebendige Brücken. Das
Tier war übrigens wirklich reizend. Jch begann
eine freundlich - alberne Unterhaltung mit der lu-
stigen Stachelschnauze. Sie schnavvte fröhlich nach
meinem Zeigefinger. Der drohte sanft: „Soll das
Sundchen aus Onkels Mütze sitzen? Was?"
Ein zierlicher Entsetzensschrei der Herrin war
die Antwort. „Renate belästige den Herrn nicht!"
Renate wurde mit dem Strohhalm aus dem Li-
monadenglas gezüchtigt und mutzte sich von meiner
Mütze zurückzieben und „bei Fuh" gehen.
„Renate ist noch so jung! Verzeihen Sie tau-
sendmgl, mein Herr, Renate ist so schrecklich aus-
dringlich und spricht immer alle Leute an..."
Jch heuchelte Entsetzen. Der Anfang aller Freu-
den und Leiden, das Eespräch war im Eang. So-
weit sich das von Tisch zu Tisch machen läht. Es
läht sich — in guten Formen — schlecht machen!
Man mühte irgendwie eine Form finden. oder dsr
Hund mühte es irgendwie einleiten. dah man sich
zu der jungen Dame an den Tisch setzt. Jch fand
keine rechte Möglichkeit dazu. Nein. ich kann mich
döch nicht einsach da an den Tisch setzen!
Ein junger Mann, der schon zweimal die Tisch-
reihe abpatrouilliert hatte. konnte es. Er mur-
melte lächelnd so etwas wie „Verzeihung... Platz
srei... Dame... gestatten..." Dabei trat er Re-
nate noch auf die Psote.
Obwobl alles gegen den Jungen sprach. gefiel
er mir eigentlich ausgezeichnet. Breites. ofsenes
Jungengesicht. braun, frisch, ganz lachende Augen
und Livpen mit Zähnen wie eine Mundwasser-
reklame. Jch süblte auf einmal sämtliche Plomben
meiner Zabnreihen.
Jch konnte nichts dafür, dah die jungen Leute
so laut sprachen. Sie svrachen nach wenigen Au-
genblicken ganz ungezwungen. Es schien eine Liebe
au/ den ersten Blick. Jch hörte. wie sie ihm ihre
Telefonnummer nannte. Wilhelm 2469. Jch merkte
sie mir. Warum? Jch weih nicht. aber sie bih sich
bei mir sest.
Plötzlich sah die junge Dame nach ihrer Arm-
banduhr und stieh wieder ihren reizenden kleinen
Schrei aus. Sie kam zwanzig Minuten zu spät
zur Eymnastikstunde! Der junge Mann wollte kiir
sie zahlen, was sie heftig ablehnte. Er wollte sie
begleiten. Das ginge nicht, sie hätte gar keine Zeit.
Auf Wiedersehen. sehr gefreut, mal anrufen-
weg war sie.
Der junge Mann zog sein Notizbuch und schrieb
etwas hinein. Seine Lippen schrieben die Silben
leise mit. Dann stutzte er — besann fich — als ob
ein vlötzlicher Abgrund sich vor ihm auftäte. Er
wiederholte leise ihren Namen und starrte traum-
verloren an die Decke. als käme Hilfe von oben.
Seine Stirn legte sich in Falten. Er prehte die
Faust gegen die Schläfe.
Da tat ich eine gute Tat. Jch beugte mich zu
ihm hinüber und flüsterte ihm zu. was er verges-
sen hatte: Wilhelm 2469.
Er sah mich oerwirrt an. errötete leise, dankte
und notierte die Zahl. Mir aber war. als bätte
ich eine Chance. ein Erlebnis. ein Jahr meines
Lebens und mehr verschenkt. Jch sah auf meinem
Stuhl und sühlte nnch immer älter und abgeklär-
ter werden. Jch war ein guter Mensch. Wenn Sie
die kleine Rotblondine gesehen hätten. würden Sie
mir sogar zugeben: ein sehr guter Mensch!
M „Zeltung" -er Bett'er
Vei dem allgemeinen Feldzuge. den die Pariser
Presse und die verschiedenen Wohltätigkeitsvereine
der französischen Hauvtstadt zu Beginn des Jahres
gegen die Strahenbettelei eröffnet haben, entdeckte
man auch die Existenz eines fchon seit zwei Iahren
in Paris ericheinenden Wochenblattes. welches ein-
zig und allein die „Jnteressen des fechtenden Stan-
des" vertritt. Der Preis jeder Nummer beträgt
2g Pfennige. Das Hauptgeschäft aber macht der
Verleger des Vlattes mit den Annoncen, wslche
auch sür „Laien"-Kreise ganz interessant zu lefen
kmderlandoerschickung derN.5.0.
sind. Da findet man z. B. Anzeigen folgenden Jn«
halls:
„Eesucht wird ein Blinder, welcher auf der
Flöte spielen kann."
„Eesucht wird ein Lahmer für ein gut fre«
quentiertes Seebad: bevorzugt werden Personen.
welchen der rechte Arm sehlt. Gute Referenzen und
eine kleine Kaution ersorderlich."
Derartige Annoncen enthält jede Nummer die-
ses Vettlerorgans zu Dutzenden. in denen aber
stets an Agenten verwiesen wird. welche die Stelle
nachweisen. Schliehlich enthält dieses Blatt auch
noch die Ankündigung aller Hochzeiten, Kindstauf«
seste. Vegräbnisseierlichkeiten. auch der Eeburts«
und Namenstage von gut situierten Leuten. welch«
den Abonnenten der Zeitung vielleicht die Eele»
genheit zu einem kleinen „Verdienst" bieten können.
—sen.
kllnükunif-psvzrWm
Ssmstsg, clsn ll.luli 1S3S
Mühlacker
5.45 Cboral.
6.55 Gomnafttk.
6.80 Aus Brcslau: Bunte Morgenmufik.
7.00 Frühnachrichten.
8.10 Gymnaftik.
8.30 Aus Berlin: Froher Klang zur Arbeitsvaufe.
10.00 „s'ilt deine Schuld. wenn Lu ein SchwächliUs
bikt!" Hörfolge.
11.30 Für dich. Bauer.
12.00 Aus Karlsrube: Buntcs Wochenende.
13.00 Nachrichten.
13.15 Buntes Wochenende (Fortsetzungl.
14.00 Allerlei vvn zwei bts drei.
15.00 Das Lager der iungen Kunst.
15.45 Nuf der Jugend.
16.00 Aus Berlin: Froher Funk für alt un» tung.
18.00 Tonbericht der Woche.
18.30 Schallvlatten geben Ratfchläge für das WoLen-
cnde.
19.40 Aus Karlsruhe: Die Rätselstube.
20.00 Nachrichten.
20.10 Ein Sommertag am Stuttgarter Staufee.
21.00 Romantische Komvoiitionen.
22.00 Nachrichten. Svortbertcht.
22.30 Aus Overette und Tonfilm.
^oKO-uLci. lE «jckillAz«
8. Fortsetzung.
Luise hörte schweigend zu, dann sagte sre:
„Ich kenne ihn. Jch habe ihn irgendwo schon
einmal gesehen. Es will mir nur nicht einfallen,
wo."
„Ach —" staunte Jrene, dann fügte sie hinzu:
„Nun, vielleicht hast du ihn einmal sprechen ge-
hört? Er hält Vorträge in der Lessing-Hoch-
schule."
Luise setzte sich wieder.
„Möglich", sagte ste kurz, „aber ich glaub's
nicht."
Jreue verabschiedete sich bald. Luise war den
ganzen Abend schweigsam und ernst geblieben.
Irene kannte das. Es kam manchmal vor, dah
Luise Iwen so stark mit irgend etwas beschäftigt
war, dag ste sich für die llmwelt absch/otz. Aber
heute, überlegte Jrene, während sie heimfuhr, war
es doch irgendwie anders gewefen. Ein Veiklang.
Ob Dievenbeck ihr so mitzfallen hatte?
Komisch, datz Luise ihn kannte.
„Nun, warum auch nicht? Jrene schüttelte den
Kopf. Es war heute ein bitzchen viel los gewesen.
Dahlwig, Barbara, Eckart Richter, Luise und Die-
venbeck. Eigentlich war sie müde. Aber Barbara
mutzte sogleich erfahren, datz ihre Bitte erfüllt
werden konnte. Sie hatte recht gehabt mit ihrem
Tip auf Dievenbeck. Zufall? Fügung?
Irene sah auf die Armbanduhr. Es war noch
nicht zu spät, um Barbara Pistorius aufzusuchen.
Sie machte sich auf den Weg.
Jrene klopfte an das erleuchiete Fenster im
Erdgeschotz. Ein Stuhl wurde gerückt, Varbara
ösfnete:
„Du bist's? Hier ist der Schlüssel. wunderbar,
datz du kommst."
Klavierspiel wurde vernehmlich — Erich Pisto-
rius spielte.
Jrene fchlotz die Haustür auf, Barbara hatte
Lireits die Wohnungstür geösfneti
„Sie fchläft schon", flüsterte sie, auf die Zim-
mer der Wirtin cheisend, „komm herein, du hast
doch nicht etwa schon Bescheid von Doktor Dieven-
beck?"
Jrene betrat mit Barbara das Wohnzimmer.
Erich satz am Klavier, der massige Körper schien
zusammengefallen, nur den Kopf hatte er erhoben.
Er nickte Jrene zu, reichte ihr eine Hand iiber
die Achsel und spielte dann weiter.
Jrene setzte stch in einen der alten, abgeschab-
ten Sessel.
„Na?" fragte Varbara. Jhr schmales Eesicht
war ganz Erwartung. „Es ist wohl doch nichts
mit meiner stillen Hoffnung, wie?"
„Doch", sagte Jrene und richtete Dievenbecks
Auftrag aus.
Barbara, die bis jetzt vor der Freundin ge-
standen hatte, lietz sich in den anderen Sessel
fallen.
„Sag's noch einmal", bat sie, „ich glaube es sonst
nicht. Ich habe so sehr gehofft und gewünscht und
nun kann ich es auf einmal nicht fassen, dah es
wahr sein soll. Was glaubst du denn, Jrene, was
er bezahlen wird?"
„Du verlangst eben hundertfünfzig Mark".
sagte Jrene, „ich glaube, er sprach selbst davon.
Ja, es war bestimmt so viol.
Barbaras Eeflcht wurde blatz, dann rötete
es sich.
Sie wollte etwas sagen, aber plötzlich stand sie
auf und stürzte ins Nebenzimmer.
Helga schlief in ihrem kleinen Kinderbett, fie
hatte die Lippen ein wenig geöfsnet, die blonden
Haare ringelten sich auf dem Kopfkissen.
Plötzlich kniete Barbara neben dem Kinder-
bett; ste pretzte den Kopf an das Holzgitter.
„Püppe", flüsterte sie, „einhundertfünszig Mark,
weitzt du, was das ist? Nein, gottlob, du brauchst
es nicht zu wissen. Aber ich werde dir sagen, was
das heitzt, du mutzt gar nicht zuhören und es erst
recht nicht behalten. Es heißt, datz dieses wahn-
witzige Rechnen aufhört, wieviele Zettel habe ich
doch jeden Tag mit Zahlen bedeckt? Zahlen,
Püppe, die einen aus dem Schlaf hochschrecken.
Wenn es dann einmal, ach, so selten, hinreichte,
gus dem Papier, weitzt dit» natürlich nnr auj dem
Papier — dann war gewitz etwas vergeffen wor-
den: datz beim Schuhmacher noch ein Rest stand,
oder datz der Mann mit der Easrechnung am näch-
sten Tage kommen mutzte, irgend etwas war ganz
sicherlich nicht berechnet worden. Dann war es
wieder aus mit der ganzen Berechnung. der schö-
nen Eleichung. Ach, die Lügen, Püppe die ewigen
Lügen! Beim Kaufmann die ganze letzte Woche
des Monats, ach, auch das ist nicht wahr, meist
schon um die Mitte des Monats herum, und beim
Fleischer — ich will lieber gar nicht davon spre-
chen. es ist so grählich all das. Ja, doch, eins muh
ich dir noch beichten: letzthin, als wieder kein bares
Geld da war, und niemand, den ich darum hätte
bitten können, es mir zu leihen, bin ich auf einen
Ausweg verfallen: du lätzt beim Kaufmann ein-
mal einen ganzen Monat anschreiben, M''"ve,
rechnete ich, das hilft einmal ein ganzes Stück
weiter. was nachher werden sollte, daran habe ich
wirklich nicht gedacht. Bereits jetzt, nächste Woche,
wäre die Katastrophe gewesen. Ich hatte ja nicht
an die Feuerversicherung gedacht, die im kommen-
den Monat bezahlt werden mutz, und daran, datz
die Krankenkaffe sich geweigert hat, Vaters neue,
teure Vrillenaläser zu bezahlen, es ist die zweite
Brille in diesem Iahr. Bom Schuster will ich
lieber gar nicht anfangen, Püpve, niemals reickit
es für Soklen und Hacken aleichzeitig, stets erst
das eine odor das andere. Immer wieder wun-
dert sich Vati darüber, und immer wieder eine
neue Ausrede.
Und das Eerenne hört auf, Püppe, das Lau-
fen. Hast du dich nicht manchmal gewundert, datz
wir, anstatt auf HLbschen Parkwegen spazieren zu
gehen, in dunkle alte Eeschäftshäuser des Zen-
trums gingen? Aber immer war die Arbeit schon
vergeben. Wir konnten doch nicht schon morgens
oani irüh da sein, sondern erst, wenn Vati ins
Eeschäft gegangen war; dann stürzten wir los und
kamen immer zu spät, es waren schon viele andere
dagewesen. Da blreb dann nur das Adressen-
schreiben. Mieviel bekamen wir eigentlich für
tausend Stück? Denke dir, ich habe es im Augen-
blick völlig vergessen. Tausend Stllck, die Hand
wird einem lahm. der Kopf leer, geradezu ver-
bläden kann mnn dabej. und dann war es auch
nicht leicht, alle die Blättsr so zu verjtecken, dah
Vati es nicht merkte. llnd das bitzchen Eeld —
aber es reichte doch hier und da.
Aber das ist nun vorbei, unweigerlich Schlutz
damit.
Wir sind nämlich reich geworden, wir haben
ein unerhörtes Einkommen, wir gehen jeden Tag
zu einem guten Onkel Doktor, und da spielt mein
Kleines in einem schönen, grotzen, gemütlichen
Zimmer. Jch habe es noch nicht gesehen, aber eS
ist sicher hübsch, grotz und gemütlich. Und wenn
ich fertig bin, gehen wir wieder heim, und daS
ist dann ein wunderschöner Spaziergang. Wir
brauchen nicht mehr den Kopf wegzuwenden, wenN
irgendwo etwas Schönes im Schaufenster steht,
nein, jetzt gehen wir hin und stellen uns davor, und
dann machen wir Pläne. Zu Weihnachten kriegst
du das Kleidchen mit den kleinen bunten Kränz«
chen um den Saum herum, ach, alles, was du ha«
ben willst. Es sind zwar noch ein paar alte Rech«
nungen da, Püppe, aber das ist ja eine Kleinig«
keit.
Und die Lügerei bört auf, beim Kauimann,
beim Schuster, beim Easmann, vor Vati. Elaubst
du nicht auch, Püppe, datz wir sehr scbnell ver-
geffen werden, wie mühsam und schwierig das
alles war?
Vati bekommt setzt ein Taschengeld. und nicht
nur das abaezählte Eeld für die StratzenbabN
und die bestimmte Anzahl Zigarren. Das berech«
nets Leben bört aus. das bis auf den Piennia ab-
aezäblte Leben. So ausgerechnet. datz es keine
Ueberraschunn mebr gab. Iedes kleinste E srbenk
waren soundsoviel gesvarte Stratzenbabniabrten
oder so. man wutzte es immer sckion vorber."
Barbara brach ab. Die Mulik drana setzt an
ihr Ohr. Sie erhob stch, alle Klieder sckimerzteN
ste .sie mutzte stch recken und debnen. Sie aing
vorsichtig zwischen dem schmalen Spalt. den Klei-
derschrank und Kinderbett bild-ten, dur^ nnib dsnl
Waschtisch. „Deine Mntter, Püppe", svrach sie in
Gedanken weiter, „ist ein recktes Tränentier."
Sieht aus wie eine naffe Kake. Jch werde neben-
an Dämmerlicht machen, weitzt dn. das patzt s§
für die Mustk und rettet mein Gestcht. Ia, d«s
ist schon so zur Eewobnbeit geworden. aber es s-'ll
das letztemal sein, Püppe, ich verspreche es dir."
löortsetzung solgtZ
„Volksgemelnschafl"'
Samstaa, dea 11. Juli 1»S?
LMI8 WIVLIikLRö
Xrerr/ertunA
Krcisoraanisationsamt. Die noch nicht abgeholten
Nahnen öer Ortsgruvven und Stützounkte sind bis
svätestens Montag. den 13. ds. Mts., abends 7 Ubr
auf der Kreisleitung, Zimmer 5, abzuholeit.
Sreisschulungsamt. Rundschreiben 10/36 stir Schu-
lungsleiter ist ausgegeben.
NS.-Lchrerbund Heidclbcrg-Land. Am Mtttwoch,
den 15. Juli, 3 Uhr 30 findet in Heidelberg, Hörsaal
15 der Neuen Universität, eine Kreistagung statt.
Thema „Nordisches Blut bei den Völkern Border-
aslcns". Dan» solgt ein Reserat mtt Lichtbildern.
RS.-Lehrerbuud, Fachschaft Volksschule, Heidelberg-
Stadt und H.-Laud. Am Mittrvoch. den 15. Iuli 86,
15 Uhr 80 im Hörsaal 15 der Neuen Univerütät Ta-
sung. Kreisamtsleiter Gretn: Bericht über bie Retchs-
tagung in Baureuth: Landesökonomterat Röfch: Be-
kgmvkung des Kartosselkäfers.
^ur öeamke
Reichsbund der Dentsche« Beamte» e. V. Abt.
«eibl. Beamte. Wir besuchen geschlossen am 12. 7. 36
bte Ausstellung „Heidelberg, Bermächtnis und Aus-
gabe". Tresfvunkt 10.45 Uhr Bauamtsgafse.
Wlebliugen.
K.K.-Schietze«: für Männer und Frauen gemeinsam
von 9—11 llbr im Wieblinger Schützenhaus. Lettung:
Kursleiter Decker.
Verleihuug des SA-Svortabzeichens des Kurses
Decker, Hetdelberg-Wieblingen. am Sonntag. 12. Juli,
in Wieblingen im Nebenzirnmer zur Traube vünktlich
um 17 Ubr.
Moutags-Vormittags-Knrse.
Allg. KSrverschule: für die DAF. von 6—7 USr
auf dem Untversitätssvortvlatz. Leitung: Sportlehrer
Ncumann. Bei schlechtem Wetter findet der Kurs tn
der Untversitätssvorthalle im Marstallhok statt.
Nene Svortknrse.
SA.-Svortabzeiche«: am Donnerstag, den 16. Juli,
beginnt etn neuer Kurs zur Erlangung bes SA-Svort-
abzetchens. Anmeldungen müssen umgehend auf bem
Svortamt tm Haus der Arbett abgegeben werden.
^VL-^rauenLc/iZ/t
Sreisfranenfchaftslrltnng: K»lt»rmalterin»entagu«g.
Abfahrt nach Bammental nur mit Zug ab Heidelberg
13.08 Uhr möglich, da späterer Zug nicht bält.
Kreissranenschastsleitnng. Sonnrag, den 12. Iuli.
Kulturwalterinnentagung in Bammental im Gast-
haus zum Deutlchen Reich. ALsabrt ab Hetdelberg
13.08 oder 14.02 Ubr.
NS.-Fra«e»fchaft: Altftabt 1 »«b r. Sonntag. den
12. Jult, Aufführung unserer Svielgruvve bei ber
Kulturwalterinnentagung in Bammental. Abfahrt
14.07 ab Karlstor.
/VL-.
Kreisamtsleitung der NSB. Der Relchsbund der
Körverbehinderten. Krets Heidclberg, unternimmt am
31. Juli 1836 eine Dampfersahrt nach Eberbach. Es
können alle Körverbehinderte auch Nichtmitglieder
daran teilnchmen. Auskunft auf der Geschäftsstelle des
R. B. K. e. V. Marktvlatz 1 und Bergheimerstr. 39/2
bei I. Dinnbter.
c/er ///
HJ. Ban« 110 Stell« KS/Kr. Betr. Abnahme im
Entsernungsschätzen. Sämtltche Kameraben bie das
Entfernungsschätzen noch nach zu machen baben. treten
am Samstaa. den 11. Jult, um 18 Uhr aus dem Metz-
vlatz in HetLelberg an. Schreibzeug ift mitzubrtnaen.
Hitlerj«ge»d Ba»» 11V Stelle G. A. Die England-
fahrtteilnehmer treten Samstag 18 Uhr am „Schwar-
zen Schtfs" fcldmarschmäbig an.
öOrV
BDM. Standort Heidelberg. Sonntaa, ben 12.
Juli, Antreten auf der Feierstätte um 9 Uhr. Dte
Probe dauert bts zum früben Nachmtttag: Brotbeutel»
vervflegung mttbringen'
Renate spricht alle Leute an / v°n p« schw«nz-n
Oeuk§c/ie /4c/)e//L^ron/ unc/
/V-56 ..Xra/t c/urc/i ^reuc/e"
Kreiswaltung
DAF. Am Montag, den 13. Jult, 20.30 Uhr in
der „Brauerei Ziealer" Bergheimerstrabe, Besvrech-
ung sür sämtliche Ortswalter und Organtsationswal-
ter der Heidelberger Ortswaltungen einschl. der Orts-
«altungen Leimen, Nutzloch, Sandhausen, St. Ilgen,
Dossenheim, Evvelheim. Ztegelhausen.
Abtlg. Funk. Am Samstag. den 11. Iuli, abends
8 Uhr kindet im Philivv-Lenard-Inftitut im arotzen
Hörsaal ein Funkvortrag mit Borfübruna von Fern-
sehavväraten statt. Eine kletne Anzahl Einlatzkartcn
können Nöch am Freitag, den 10. 7. 86. zwikchen 18
und 19 Uhr im Haus der Deutichen Arbeil, Ztm. 13.
abgeholt werden.
Kreisbetrieb^gcmeinschaften
Sreisbetriebsgemelnschast 12 Bankc» «ud Verftche-
rnngcu. FaSgruvve Banken. Montaa den 13 Iuli.
Dienstag, den 14., Mittwoch. den 15.. tcweils vünkt-
lich 20 Uhr im Seim. Bismarckftratze 19. Bortraa
über das neue Urkundenftencracsctz. Tetlnabme ae-
mätz Rundschreiben 2/36 vom 8. 7. 1938 an die Be-
triebssiibrer.
RSG „Kraft durch Freube"
Feierabend
Erftes öffentlichcs Liederftugc» am Samstag, den
11. Iuli. 21 Uhr auf dem Marktvlatz in Wiesloch.
Reifen, Wandern. Urlaub
Die Fahrt Nr. 27 ift einzuzable«.
Di« Fabrkarte» sür die Fahrt Nr. 26 können tm
Haus ber Arbeit, Berwaltungsstelle, KdF.-Schalter, ab-
geholt werden.
Svortamt — Samstag-Kurse.
Reichssvortabzciche«: für Männer und Frauen ge-
meinfam von 16—18 Uhr aus dem Universitätssport-
vlatz. Lettung: Svortlehrer Wafsen.
Kinder-Gnmnaftik: von 15—16 Uhr im Gymnastik-
saal Schietztorftr. 1 Lei Frl. Hedwtg Wolf.
Allg. KSrverschnle: für Männer und Frauen ge-
meinsam von 20—22 Uhr tn dcr Univerfitätssvorthalle
im Marstallbof. Leitung: Svortlebrer Wassen.
Bammental.
Fröhl. Gvmnaftik «nd Sviele: für Frauen und
Mädchen von 18.30—19.30 Uhr im Saal zum deutschen
Reich. Leitung: Hedwig Wols.
So«»tags-K»rs«.
Ncichssvortabzeichen: für Männer unb Frauen g«-
mcinsam von 7—9 Uhr aus dem Stadion. Leitung:
Svortlehrer Brenner.
Schwimme« für Männer u»d Fraue«: gemetnsam
von 9—11 Uhr in der Bootzschen Badeanstalt bei der
Stadthalle. Leitung: Kursleiter Dosch.
Tennis: für Männer und Frauen gemeinsam von
6—7 , von 7—8 und von 8—9 llhr auf dem Universi-
tätssvortvlatz. Leitung: Svortlehrer Krait. Anmeldun-
aen können nur auf öem Svortamt abgegeben werden.
Bälle und Schläger werden vom Svortamt gestcllt.
Es war in einem CafL der City. Jch faß fo da
und hatte nichts zu tun. Aber nicht darum han-
delt es sich hier — es handelt sich vielmehr um
eine reizende junge Rotblondine, die in diesem
Augenblick von ihrem energischen Drahthaarterrier
an einen Tisch in meiner unmittelbaren Nähe ge-
zerrt wird. Jmmer habe ich Rotblondinen für eine
ganz besonders zarte und stimmungsvolle und die
Drahthaarterrier für eine ganz besonders intelli-
gente Rasse gehalten.
Kinder und Hunde sind lebendige Brücken. Das
Tier war übrigens wirklich reizend. Jch begann
eine freundlich - alberne Unterhaltung mit der lu-
stigen Stachelschnauze. Sie schnavvte fröhlich nach
meinem Zeigefinger. Der drohte sanft: „Soll das
Sundchen aus Onkels Mütze sitzen? Was?"
Ein zierlicher Entsetzensschrei der Herrin war
die Antwort. „Renate belästige den Herrn nicht!"
Renate wurde mit dem Strohhalm aus dem Li-
monadenglas gezüchtigt und mutzte sich von meiner
Mütze zurückzieben und „bei Fuh" gehen.
„Renate ist noch so jung! Verzeihen Sie tau-
sendmgl, mein Herr, Renate ist so schrecklich aus-
dringlich und spricht immer alle Leute an..."
Jch heuchelte Entsetzen. Der Anfang aller Freu-
den und Leiden, das Eespräch war im Eang. So-
weit sich das von Tisch zu Tisch machen läht. Es
läht sich — in guten Formen — schlecht machen!
Man mühte irgendwie eine Form finden. oder dsr
Hund mühte es irgendwie einleiten. dah man sich
zu der jungen Dame an den Tisch setzt. Jch fand
keine rechte Möglichkeit dazu. Nein. ich kann mich
döch nicht einsach da an den Tisch setzen!
Ein junger Mann, der schon zweimal die Tisch-
reihe abpatrouilliert hatte. konnte es. Er mur-
melte lächelnd so etwas wie „Verzeihung... Platz
srei... Dame... gestatten..." Dabei trat er Re-
nate noch auf die Psote.
Obwobl alles gegen den Jungen sprach. gefiel
er mir eigentlich ausgezeichnet. Breites. ofsenes
Jungengesicht. braun, frisch, ganz lachende Augen
und Livpen mit Zähnen wie eine Mundwasser-
reklame. Jch süblte auf einmal sämtliche Plomben
meiner Zabnreihen.
Jch konnte nichts dafür, dah die jungen Leute
so laut sprachen. Sie svrachen nach wenigen Au-
genblicken ganz ungezwungen. Es schien eine Liebe
au/ den ersten Blick. Jch hörte. wie sie ihm ihre
Telefonnummer nannte. Wilhelm 2469. Jch merkte
sie mir. Warum? Jch weih nicht. aber sie bih sich
bei mir sest.
Plötzlich sah die junge Dame nach ihrer Arm-
banduhr und stieh wieder ihren reizenden kleinen
Schrei aus. Sie kam zwanzig Minuten zu spät
zur Eymnastikstunde! Der junge Mann wollte kiir
sie zahlen, was sie heftig ablehnte. Er wollte sie
begleiten. Das ginge nicht, sie hätte gar keine Zeit.
Auf Wiedersehen. sehr gefreut, mal anrufen-
weg war sie.
Der junge Mann zog sein Notizbuch und schrieb
etwas hinein. Seine Lippen schrieben die Silben
leise mit. Dann stutzte er — besann fich — als ob
ein vlötzlicher Abgrund sich vor ihm auftäte. Er
wiederholte leise ihren Namen und starrte traum-
verloren an die Decke. als käme Hilfe von oben.
Seine Stirn legte sich in Falten. Er prehte die
Faust gegen die Schläfe.
Da tat ich eine gute Tat. Jch beugte mich zu
ihm hinüber und flüsterte ihm zu. was er verges-
sen hatte: Wilhelm 2469.
Er sah mich oerwirrt an. errötete leise, dankte
und notierte die Zahl. Mir aber war. als bätte
ich eine Chance. ein Erlebnis. ein Jahr meines
Lebens und mehr verschenkt. Jch sah auf meinem
Stuhl und sühlte nnch immer älter und abgeklär-
ter werden. Jch war ein guter Mensch. Wenn Sie
die kleine Rotblondine gesehen hätten. würden Sie
mir sogar zugeben: ein sehr guter Mensch!
M „Zeltung" -er Bett'er
Vei dem allgemeinen Feldzuge. den die Pariser
Presse und die verschiedenen Wohltätigkeitsvereine
der französischen Hauvtstadt zu Beginn des Jahres
gegen die Strahenbettelei eröffnet haben, entdeckte
man auch die Existenz eines fchon seit zwei Iahren
in Paris ericheinenden Wochenblattes. welches ein-
zig und allein die „Jnteressen des fechtenden Stan-
des" vertritt. Der Preis jeder Nummer beträgt
2g Pfennige. Das Hauptgeschäft aber macht der
Verleger des Vlattes mit den Annoncen, wslche
auch sür „Laien"-Kreise ganz interessant zu lefen
kmderlandoerschickung derN.5.0.
sind. Da findet man z. B. Anzeigen folgenden Jn«
halls:
„Eesucht wird ein Blinder, welcher auf der
Flöte spielen kann."
„Eesucht wird ein Lahmer für ein gut fre«
quentiertes Seebad: bevorzugt werden Personen.
welchen der rechte Arm sehlt. Gute Referenzen und
eine kleine Kaution ersorderlich."
Derartige Annoncen enthält jede Nummer die-
ses Vettlerorgans zu Dutzenden. in denen aber
stets an Agenten verwiesen wird. welche die Stelle
nachweisen. Schliehlich enthält dieses Blatt auch
noch die Ankündigung aller Hochzeiten, Kindstauf«
seste. Vegräbnisseierlichkeiten. auch der Eeburts«
und Namenstage von gut situierten Leuten. welch«
den Abonnenten der Zeitung vielleicht die Eele»
genheit zu einem kleinen „Verdienst" bieten können.
—sen.
kllnükunif-psvzrWm
Ssmstsg, clsn ll.luli 1S3S
Mühlacker
5.45 Cboral.
6.55 Gomnafttk.
6.80 Aus Brcslau: Bunte Morgenmufik.
7.00 Frühnachrichten.
8.10 Gymnaftik.
8.30 Aus Berlin: Froher Klang zur Arbeitsvaufe.
10.00 „s'ilt deine Schuld. wenn Lu ein SchwächliUs
bikt!" Hörfolge.
11.30 Für dich. Bauer.
12.00 Aus Karlsrube: Buntcs Wochenende.
13.00 Nachrichten.
13.15 Buntes Wochenende (Fortsetzungl.
14.00 Allerlei vvn zwei bts drei.
15.00 Das Lager der iungen Kunst.
15.45 Nuf der Jugend.
16.00 Aus Berlin: Froher Funk für alt un» tung.
18.00 Tonbericht der Woche.
18.30 Schallvlatten geben Ratfchläge für das WoLen-
cnde.
19.40 Aus Karlsruhe: Die Rätselstube.
20.00 Nachrichten.
20.10 Ein Sommertag am Stuttgarter Staufee.
21.00 Romantische Komvoiitionen.
22.00 Nachrichten. Svortbertcht.
22.30 Aus Overette und Tonfilm.
^oKO-uLci. lE «jckillAz«
8. Fortsetzung.
Luise hörte schweigend zu, dann sagte sre:
„Ich kenne ihn. Jch habe ihn irgendwo schon
einmal gesehen. Es will mir nur nicht einfallen,
wo."
„Ach —" staunte Jrene, dann fügte sie hinzu:
„Nun, vielleicht hast du ihn einmal sprechen ge-
hört? Er hält Vorträge in der Lessing-Hoch-
schule."
Luise setzte sich wieder.
„Möglich", sagte ste kurz, „aber ich glaub's
nicht."
Jreue verabschiedete sich bald. Luise war den
ganzen Abend schweigsam und ernst geblieben.
Irene kannte das. Es kam manchmal vor, dah
Luise Iwen so stark mit irgend etwas beschäftigt
war, dag ste sich für die llmwelt absch/otz. Aber
heute, überlegte Jrene, während sie heimfuhr, war
es doch irgendwie anders gewefen. Ein Veiklang.
Ob Dievenbeck ihr so mitzfallen hatte?
Komisch, datz Luise ihn kannte.
„Nun, warum auch nicht? Jrene schüttelte den
Kopf. Es war heute ein bitzchen viel los gewesen.
Dahlwig, Barbara, Eckart Richter, Luise und Die-
venbeck. Eigentlich war sie müde. Aber Barbara
mutzte sogleich erfahren, datz ihre Bitte erfüllt
werden konnte. Sie hatte recht gehabt mit ihrem
Tip auf Dievenbeck. Zufall? Fügung?
Irene sah auf die Armbanduhr. Es war noch
nicht zu spät, um Barbara Pistorius aufzusuchen.
Sie machte sich auf den Weg.
Jrene klopfte an das erleuchiete Fenster im
Erdgeschotz. Ein Stuhl wurde gerückt, Varbara
ösfnete:
„Du bist's? Hier ist der Schlüssel. wunderbar,
datz du kommst."
Klavierspiel wurde vernehmlich — Erich Pisto-
rius spielte.
Jrene fchlotz die Haustür auf, Barbara hatte
Lireits die Wohnungstür geösfneti
„Sie fchläft schon", flüsterte sie, auf die Zim-
mer der Wirtin cheisend, „komm herein, du hast
doch nicht etwa schon Bescheid von Doktor Dieven-
beck?"
Jrene betrat mit Barbara das Wohnzimmer.
Erich satz am Klavier, der massige Körper schien
zusammengefallen, nur den Kopf hatte er erhoben.
Er nickte Jrene zu, reichte ihr eine Hand iiber
die Achsel und spielte dann weiter.
Jrene setzte stch in einen der alten, abgeschab-
ten Sessel.
„Na?" fragte Varbara. Jhr schmales Eesicht
war ganz Erwartung. „Es ist wohl doch nichts
mit meiner stillen Hoffnung, wie?"
„Doch", sagte Jrene und richtete Dievenbecks
Auftrag aus.
Barbara, die bis jetzt vor der Freundin ge-
standen hatte, lietz sich in den anderen Sessel
fallen.
„Sag's noch einmal", bat sie, „ich glaube es sonst
nicht. Ich habe so sehr gehofft und gewünscht und
nun kann ich es auf einmal nicht fassen, dah es
wahr sein soll. Was glaubst du denn, Jrene, was
er bezahlen wird?"
„Du verlangst eben hundertfünfzig Mark".
sagte Jrene, „ich glaube, er sprach selbst davon.
Ja, es war bestimmt so viol.
Barbaras Eeflcht wurde blatz, dann rötete
es sich.
Sie wollte etwas sagen, aber plötzlich stand sie
auf und stürzte ins Nebenzimmer.
Helga schlief in ihrem kleinen Kinderbett, fie
hatte die Lippen ein wenig geöfsnet, die blonden
Haare ringelten sich auf dem Kopfkissen.
Plötzlich kniete Barbara neben dem Kinder-
bett; ste pretzte den Kopf an das Holzgitter.
„Püppe", flüsterte sie, „einhundertfünszig Mark,
weitzt du, was das ist? Nein, gottlob, du brauchst
es nicht zu wissen. Aber ich werde dir sagen, was
das heitzt, du mutzt gar nicht zuhören und es erst
recht nicht behalten. Es heißt, datz dieses wahn-
witzige Rechnen aufhört, wieviele Zettel habe ich
doch jeden Tag mit Zahlen bedeckt? Zahlen,
Püppe, die einen aus dem Schlaf hochschrecken.
Wenn es dann einmal, ach, so selten, hinreichte,
gus dem Papier, weitzt dit» natürlich nnr auj dem
Papier — dann war gewitz etwas vergeffen wor-
den: datz beim Schuhmacher noch ein Rest stand,
oder datz der Mann mit der Easrechnung am näch-
sten Tage kommen mutzte, irgend etwas war ganz
sicherlich nicht berechnet worden. Dann war es
wieder aus mit der ganzen Berechnung. der schö-
nen Eleichung. Ach, die Lügen, Püppe die ewigen
Lügen! Beim Kaufmann die ganze letzte Woche
des Monats, ach, auch das ist nicht wahr, meist
schon um die Mitte des Monats herum, und beim
Fleischer — ich will lieber gar nicht davon spre-
chen. es ist so grählich all das. Ja, doch, eins muh
ich dir noch beichten: letzthin, als wieder kein bares
Geld da war, und niemand, den ich darum hätte
bitten können, es mir zu leihen, bin ich auf einen
Ausweg verfallen: du lätzt beim Kaufmann ein-
mal einen ganzen Monat anschreiben, M''"ve,
rechnete ich, das hilft einmal ein ganzes Stück
weiter. was nachher werden sollte, daran habe ich
wirklich nicht gedacht. Bereits jetzt, nächste Woche,
wäre die Katastrophe gewesen. Ich hatte ja nicht
an die Feuerversicherung gedacht, die im kommen-
den Monat bezahlt werden mutz, und daran, datz
die Krankenkaffe sich geweigert hat, Vaters neue,
teure Vrillenaläser zu bezahlen, es ist die zweite
Brille in diesem Iahr. Bom Schuster will ich
lieber gar nicht anfangen, Püpve, niemals reickit
es für Soklen und Hacken aleichzeitig, stets erst
das eine odor das andere. Immer wieder wun-
dert sich Vati darüber, und immer wieder eine
neue Ausrede.
Und das Eerenne hört auf, Püppe, das Lau-
fen. Hast du dich nicht manchmal gewundert, datz
wir, anstatt auf HLbschen Parkwegen spazieren zu
gehen, in dunkle alte Eeschäftshäuser des Zen-
trums gingen? Aber immer war die Arbeit schon
vergeben. Wir konnten doch nicht schon morgens
oani irüh da sein, sondern erst, wenn Vati ins
Eeschäft gegangen war; dann stürzten wir los und
kamen immer zu spät, es waren schon viele andere
dagewesen. Da blreb dann nur das Adressen-
schreiben. Mieviel bekamen wir eigentlich für
tausend Stück? Denke dir, ich habe es im Augen-
blick völlig vergessen. Tausend Stllck, die Hand
wird einem lahm. der Kopf leer, geradezu ver-
bläden kann mnn dabej. und dann war es auch
nicht leicht, alle die Blättsr so zu verjtecken, dah
Vati es nicht merkte. llnd das bitzchen Eeld —
aber es reichte doch hier und da.
Aber das ist nun vorbei, unweigerlich Schlutz
damit.
Wir sind nämlich reich geworden, wir haben
ein unerhörtes Einkommen, wir gehen jeden Tag
zu einem guten Onkel Doktor, und da spielt mein
Kleines in einem schönen, grotzen, gemütlichen
Zimmer. Jch habe es noch nicht gesehen, aber eS
ist sicher hübsch, grotz und gemütlich. Und wenn
ich fertig bin, gehen wir wieder heim, und daS
ist dann ein wunderschöner Spaziergang. Wir
brauchen nicht mehr den Kopf wegzuwenden, wenN
irgendwo etwas Schönes im Schaufenster steht,
nein, jetzt gehen wir hin und stellen uns davor, und
dann machen wir Pläne. Zu Weihnachten kriegst
du das Kleidchen mit den kleinen bunten Kränz«
chen um den Saum herum, ach, alles, was du ha«
ben willst. Es sind zwar noch ein paar alte Rech«
nungen da, Püppe, aber das ist ja eine Kleinig«
keit.
Und die Lügerei bört auf, beim Kauimann,
beim Schuster, beim Easmann, vor Vati. Elaubst
du nicht auch, Püppe, datz wir sehr scbnell ver-
geffen werden, wie mühsam und schwierig das
alles war?
Vati bekommt setzt ein Taschengeld. und nicht
nur das abaezählte Eeld für die StratzenbabN
und die bestimmte Anzahl Zigarren. Das berech«
nets Leben bört aus. das bis auf den Piennia ab-
aezäblte Leben. So ausgerechnet. datz es keine
Ueberraschunn mebr gab. Iedes kleinste E srbenk
waren soundsoviel gesvarte Stratzenbabniabrten
oder so. man wutzte es immer sckion vorber."
Barbara brach ab. Die Mulik drana setzt an
ihr Ohr. Sie erhob stch, alle Klieder sckimerzteN
ste .sie mutzte stch recken und debnen. Sie aing
vorsichtig zwischen dem schmalen Spalt. den Klei-
derschrank und Kinderbett bild-ten, dur^ nnib dsnl
Waschtisch. „Deine Mntter, Püppe", svrach sie in
Gedanken weiter, „ist ein recktes Tränentier."
Sieht aus wie eine naffe Kake. Jch werde neben-
an Dämmerlicht machen, weitzt dn. das patzt s§
für die Mustk und rettet mein Gestcht. Ia, d«s
ist schon so zur Eewobnbeit geworden. aber es s-'ll
das letztemal sein, Püppe, ich verspreche es dir."
löortsetzung solgtZ