visUn1srksl1ungsbe>'!sgeclef„VoI»<sgsmsinseIisf1" - Sonnlsg, clen 19. ^uli 1936
Dreitaufend Iahre Badefreuden
Wanölungen im Amgang mit öem Waffer
mer. Aus einer Handschrift des 13. Jahrhunderts Kurbadeort besuchen. Einer der berühmtesten und
kennen wir das Bild eines Ritters im Bade, der ältesten Badeorte war Baden in der Schweiz. Der
dabei von vier Frauen bedient wird. Rosen sind italienische Schriftsteller Poggio hat in Briesen an
über ihn und aufs Wasser gestreut, eine Frau setzt ssinen Freund vom Jahre 1417 das Leben in den
iirr Vaeik«
»4InI»tur »u» üsr »4»-
nesssootisn «anüsvlirltt
F.: Wtssensch. Nachr.-Zcntr..
Die Eeschichte des europäischen Badewesens ist fast
so alt wie die abendländische Kultur überhaupt —
wie sehr schon die alten Eriechen das Bad zu schätzen
wußten, geht beispielsweise aus einer altgriechischen
Redewendung hervor, mit der man einen Dummkopf
brandmarken wollte. „Er kann weder buchstabieren,
noch schwimmen", sagte man dann im alten Hellas
— woraus wieder einmal die klasjische Gleichsetzung
leiblicher und geistiger Bemühungen hervorgeht. Ho-
mer berichtet uns, daß in Eriechenland jedem East,
wenn er nach einer Reise das Haus betrat, zu aller-
erst ein Bad angeboten wurde.
Zeichnungen auf ausgegrabenen antiken Vasen
stellen sehr häufig Schwimmer dar, manchmal, jedoch
verhältnismäßig selten, werden auch schwimmende
Frauen abgebildet. Sogar Rekordleistungen im
Dauerschwimmen wurden bereits damals aufgestellt,
allerdings reichen sie an die unserer heutigen Schwim-
mer in keiner Weise heran, wenn wir nicht die Le.
gende von Leander, der jeden Abend den Hellespont
durchschwamm, um zu seiner geliebten Hero zu ge.
langen, als sportliche Tatsache nehmen wollen.
Vassin für 3 000 Menschen
Durch griechische Aerzte gelangte später die Sitte
Les VaLens zu Len Römern, die vorher nur das
Kalt-Baden kannten, nun aber mehr und mehr zum
Warm-Baden übergingen. Zunächst waren die neu
angelegten Väder noch recht einfach, im Laufe der
Zeit stiegen aber die Ansprüche der badefreudigen
Römer immer höher. Zur Kaiserzeit hatte jeder
wohlhabende römische Bürger sein Badezimmer im
Hause; die erstaunlichste Prachtentfaltung finden wir
aber in den öffentlichen Bädern, den sogenannten
Thermen. Rom allein hatte 14 Thermen. Aus dcn
Trümmern dieser Bäder sind die herrlichsten Kunst.
werke des Altertums, wie der farnesische Stier, der
Herkules, die Laokoongruppe usw. ausgegraben worden.
Wie unfere <Dorsahren badeten
Von den alten Eermanen wird erzählt, daß sis
täglich warm badeten, und zwar erwärmten sie das
Wasser durch Hineinwerfen von heißen Steinen. Noch
aus oiel späterer Zeit finden wir in alten Holz-
schnitten Badebräuche, die sichtlich dem Urgermanen-
tum entstammen. So waren noch im Mittelalter die
auf germanischen Ursprung zurückgchenden „Maien-
bäder" (später Johannisbäder genannt) sehr verbrei-
tet, da man sich von ihnen Heilung an Leib und
Seele erhoffte. Der Elaube, daß manche Quellen
Jugend und Schönheit bringen könnten („Jungborn"),
hat sich ebenfalls seit den Urzeiten unserer Ceschichte
erhalten.
Auch in den Klöstern des Mittelalters wurde das
Baden eifrig gepflegt, allerdings galt es als ein be.
sonderer Eenuß, und in der Fastenzeit enthielt man
sich dieser Annehmlichkeit. Wer ganz besonders
sromm war, mied das Bad vollständig; so wird von
der heiligen Elisabeth erzählt, daß sie durch Eintau-
chen der Fußspitzen ins Wasser das Bad für beendet
erklärte — für unsere heutige Vorstellung von Hy-
giene ein ziemlich abgekürztes Verfahren der Rei-
nigung! Vei den Rittern war das Bad eine Selbst-
verständlichkeit, fast jede Burg hatte ein Badezim-
ihm einen Kranz aufs Haupt, ein Zeichen, mit welch
erheblicher Zeremonie solch ein Ritterbad verbunden
war.
Jm späteren Mittelalter spielten die Badestuben
eine sehr große Rolle; prüde war man Lamals aller-
dings nicht — Männer und Frauen badeten zusam-
men, nur notdürftig mit einem leinenen Eewand be-
kleidet. Jn diesen Badestuben heilt man sich stunden-,
ja tagelang auf und vertrieb sich die Zeit mit Essen,
Trinken und Singen und allerlei Kurzweil. Schon
im 15. Jahrhundert kamen dann die sogenannten
„Vadefahrten" auf. Man reiste in besonders heil-
kräftige Bäder, ganz äynlich wie wir heute einen
Bädern von Vaden beschrieben und seinei Verwun-
derung über die leckeren Vadesttten lebhasten Aus-
Lruck gegeben.
Badelofe Iekten
Nach dem 30jährigen Kriege trat ein Verfall des
Vadewesens ein. Zunächst mangelte es an Brennholz
— ganze Waldungen waren abgeholzt worden — um
Brennmaterial für die vielen Badestuben zu liefern.
Die Holzpreise wurden jetzt für das verarmte Land
unerschwinglich. Aber auch aus anderen Eründen
hielt man sich von den Badestuben fern: nach den
Kriegszügen brachen Seuchen aus, die von den Sol-
Ssckvmssck mit Xinck
relvbnunL »us clvm 17. östutiunüert
daten eingeschleppt worden waren. Außerdem pre.
digte die Eeistlichkeit gegen den Sittenverfall, so daß
sich der ehrbare BLrger schlietzlich vollständig vom
Baden zurückzog.
Das Zeitalter Ludwigs XIV. und die Zeit der
Aufklärung kennt fast gar keine Bäder mehr. Ls
gab wohl prächtige Wasserkünste, Kaskaden und Fon.
iänen, aber auf Bäder verzichtete man völlig. Ilm»
ständlichkeit der damaligen Kleidung und die Pe-
rücken machten das An- und Auskleiden recht unbe-
qvem, so daß man gar keine Sehnsucht nach einem
Vad empfand. Schließlich ging man so weit, das
Wasser am liebsten überhaupt zu meiden — SchmiN-
ken und Salben traten an seine Stelle. Wenn 'wir
heute Schlösser aus jener Zeit besichtigen, deren
Elanz und Pracht wir bewundern, dann sehen wir
uns vergeblich nach Waschräumen um.
Lange „badelose" Zeiten vergingen, ehe sich di«
europäische Menschheit wieder auf das Vaden besann.
Der neue Aufschwung setzte im 18. Jahrhundert ein;
verursacht wurde er in erster Linie daüurch, datz sich
die Aerzte aus hygienischen Eründen mit grotzem
Eifer für das Vaden einsetzten. England ging auf
diesem Wege voran, dort kam eine Art des Badens
auf, die es früher kaum gegeben hatte: das Bad im
Meer. Die Badefreude der Engländer griff ziemlich
rasch auch auf unsere Länder Lber, und in Deutsch-
land wurden schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts
zahlreiche Seebäder gegründet.
Von diesen grotesk-komischen Maskeraden, die
noch in mancher Familie im Lichtbild erhalten stnd
und der heutigen Eeneration zur Erheiterung die«
nen, hat sich unsere Zeit. glücklicherweise frei gemacht
und eine vernünftige Badekleidung erfunden. „Ba.
den ist Trumps" — das ist die Devise des Sommers,
jeder Deutsche lerne Schwimmen, damit uns ein ge.
sundes, kerniges, abgehärtetes Geschlecht heranwachse!
Dr. H. Landmann.
kVasssrbnck, ttolrsvlistltt von Urr Qrak 15Ü8
0ks Soknltrdnü, mlttelsltsrllobe vkrstelluns
Dreitaufend Iahre Badefreuden
Wanölungen im Amgang mit öem Waffer
mer. Aus einer Handschrift des 13. Jahrhunderts Kurbadeort besuchen. Einer der berühmtesten und
kennen wir das Bild eines Ritters im Bade, der ältesten Badeorte war Baden in der Schweiz. Der
dabei von vier Frauen bedient wird. Rosen sind italienische Schriftsteller Poggio hat in Briesen an
über ihn und aufs Wasser gestreut, eine Frau setzt ssinen Freund vom Jahre 1417 das Leben in den
iirr Vaeik«
»4InI»tur »u» üsr »4»-
nesssootisn «anüsvlirltt
F.: Wtssensch. Nachr.-Zcntr..
Die Eeschichte des europäischen Badewesens ist fast
so alt wie die abendländische Kultur überhaupt —
wie sehr schon die alten Eriechen das Bad zu schätzen
wußten, geht beispielsweise aus einer altgriechischen
Redewendung hervor, mit der man einen Dummkopf
brandmarken wollte. „Er kann weder buchstabieren,
noch schwimmen", sagte man dann im alten Hellas
— woraus wieder einmal die klasjische Gleichsetzung
leiblicher und geistiger Bemühungen hervorgeht. Ho-
mer berichtet uns, daß in Eriechenland jedem East,
wenn er nach einer Reise das Haus betrat, zu aller-
erst ein Bad angeboten wurde.
Zeichnungen auf ausgegrabenen antiken Vasen
stellen sehr häufig Schwimmer dar, manchmal, jedoch
verhältnismäßig selten, werden auch schwimmende
Frauen abgebildet. Sogar Rekordleistungen im
Dauerschwimmen wurden bereits damals aufgestellt,
allerdings reichen sie an die unserer heutigen Schwim-
mer in keiner Weise heran, wenn wir nicht die Le.
gende von Leander, der jeden Abend den Hellespont
durchschwamm, um zu seiner geliebten Hero zu ge.
langen, als sportliche Tatsache nehmen wollen.
Vassin für 3 000 Menschen
Durch griechische Aerzte gelangte später die Sitte
Les VaLens zu Len Römern, die vorher nur das
Kalt-Baden kannten, nun aber mehr und mehr zum
Warm-Baden übergingen. Zunächst waren die neu
angelegten Väder noch recht einfach, im Laufe der
Zeit stiegen aber die Ansprüche der badefreudigen
Römer immer höher. Zur Kaiserzeit hatte jeder
wohlhabende römische Bürger sein Badezimmer im
Hause; die erstaunlichste Prachtentfaltung finden wir
aber in den öffentlichen Bädern, den sogenannten
Thermen. Rom allein hatte 14 Thermen. Aus dcn
Trümmern dieser Bäder sind die herrlichsten Kunst.
werke des Altertums, wie der farnesische Stier, der
Herkules, die Laokoongruppe usw. ausgegraben worden.
Wie unfere <Dorsahren badeten
Von den alten Eermanen wird erzählt, daß sis
täglich warm badeten, und zwar erwärmten sie das
Wasser durch Hineinwerfen von heißen Steinen. Noch
aus oiel späterer Zeit finden wir in alten Holz-
schnitten Badebräuche, die sichtlich dem Urgermanen-
tum entstammen. So waren noch im Mittelalter die
auf germanischen Ursprung zurückgchenden „Maien-
bäder" (später Johannisbäder genannt) sehr verbrei-
tet, da man sich von ihnen Heilung an Leib und
Seele erhoffte. Der Elaube, daß manche Quellen
Jugend und Schönheit bringen könnten („Jungborn"),
hat sich ebenfalls seit den Urzeiten unserer Ceschichte
erhalten.
Auch in den Klöstern des Mittelalters wurde das
Baden eifrig gepflegt, allerdings galt es als ein be.
sonderer Eenuß, und in der Fastenzeit enthielt man
sich dieser Annehmlichkeit. Wer ganz besonders
sromm war, mied das Bad vollständig; so wird von
der heiligen Elisabeth erzählt, daß sie durch Eintau-
chen der Fußspitzen ins Wasser das Bad für beendet
erklärte — für unsere heutige Vorstellung von Hy-
giene ein ziemlich abgekürztes Verfahren der Rei-
nigung! Vei den Rittern war das Bad eine Selbst-
verständlichkeit, fast jede Burg hatte ein Badezim-
ihm einen Kranz aufs Haupt, ein Zeichen, mit welch
erheblicher Zeremonie solch ein Ritterbad verbunden
war.
Jm späteren Mittelalter spielten die Badestuben
eine sehr große Rolle; prüde war man Lamals aller-
dings nicht — Männer und Frauen badeten zusam-
men, nur notdürftig mit einem leinenen Eewand be-
kleidet. Jn diesen Badestuben heilt man sich stunden-,
ja tagelang auf und vertrieb sich die Zeit mit Essen,
Trinken und Singen und allerlei Kurzweil. Schon
im 15. Jahrhundert kamen dann die sogenannten
„Vadefahrten" auf. Man reiste in besonders heil-
kräftige Bäder, ganz äynlich wie wir heute einen
Bädern von Vaden beschrieben und seinei Verwun-
derung über die leckeren Vadesttten lebhasten Aus-
Lruck gegeben.
Badelofe Iekten
Nach dem 30jährigen Kriege trat ein Verfall des
Vadewesens ein. Zunächst mangelte es an Brennholz
— ganze Waldungen waren abgeholzt worden — um
Brennmaterial für die vielen Badestuben zu liefern.
Die Holzpreise wurden jetzt für das verarmte Land
unerschwinglich. Aber auch aus anderen Eründen
hielt man sich von den Badestuben fern: nach den
Kriegszügen brachen Seuchen aus, die von den Sol-
Ssckvmssck mit Xinck
relvbnunL »us clvm 17. östutiunüert
daten eingeschleppt worden waren. Außerdem pre.
digte die Eeistlichkeit gegen den Sittenverfall, so daß
sich der ehrbare BLrger schlietzlich vollständig vom
Baden zurückzog.
Das Zeitalter Ludwigs XIV. und die Zeit der
Aufklärung kennt fast gar keine Bäder mehr. Ls
gab wohl prächtige Wasserkünste, Kaskaden und Fon.
iänen, aber auf Bäder verzichtete man völlig. Ilm»
ständlichkeit der damaligen Kleidung und die Pe-
rücken machten das An- und Auskleiden recht unbe-
qvem, so daß man gar keine Sehnsucht nach einem
Vad empfand. Schließlich ging man so weit, das
Wasser am liebsten überhaupt zu meiden — SchmiN-
ken und Salben traten an seine Stelle. Wenn 'wir
heute Schlösser aus jener Zeit besichtigen, deren
Elanz und Pracht wir bewundern, dann sehen wir
uns vergeblich nach Waschräumen um.
Lange „badelose" Zeiten vergingen, ehe sich di«
europäische Menschheit wieder auf das Vaden besann.
Der neue Aufschwung setzte im 18. Jahrhundert ein;
verursacht wurde er in erster Linie daüurch, datz sich
die Aerzte aus hygienischen Eründen mit grotzem
Eifer für das Vaden einsetzten. England ging auf
diesem Wege voran, dort kam eine Art des Badens
auf, die es früher kaum gegeben hatte: das Bad im
Meer. Die Badefreude der Engländer griff ziemlich
rasch auch auf unsere Länder Lber, und in Deutsch-
land wurden schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts
zahlreiche Seebäder gegründet.
Von diesen grotesk-komischen Maskeraden, die
noch in mancher Familie im Lichtbild erhalten stnd
und der heutigen Eeneration zur Erheiterung die«
nen, hat sich unsere Zeit. glücklicherweise frei gemacht
und eine vernünftige Badekleidung erfunden. „Ba.
den ist Trumps" — das ist die Devise des Sommers,
jeder Deutsche lerne Schwimmen, damit uns ein ge.
sundes, kerniges, abgehärtetes Geschlecht heranwachse!
Dr. H. Landmann.
kVasssrbnck, ttolrsvlistltt von Urr Qrak 15Ü8
0ks Soknltrdnü, mlttelsltsrllobe vkrstelluns