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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#1558

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Ssits 6

8la6l ! leiZeüserg

„Dolksgemelusch'i''

MitlwoÄ, dru lt. Oiwvcr^^

Ehrenpflicht unferer Staöt

d!e Scheffetjeler am kommenden Samstag

Zalfthe ^SparmethoSe^

Bor dem Einzelrichter

Als man den Angeklagten. einen 28 Jahre alten
Mann aus Ziegelhausen festnahm. entdeckte man
in seinen Taschen einen Geldheutel mit 26 einzelge-
falteten Zwanzigmarkscheinen: er hatte eine io
grohe Freude an seinem Eeld, datz er es immer
bei sich trug. Etwa 3V.— Mark davon hatt« er sei-
ner Tante gestohlen.

Der bisher noch unbescholtene Mann sollte ihrem
Hause einen Austrag ausrichten und stieg. als aui
sein Klopfen hin nicht geöfsnet wurde, mit Silfe
einer Leiter in deren Wobnung. Mit einem Schlüs-
sel, der zusällig zu dem Schrank patzte, in welchem
seine Derwandte ihr Geld ausbewahrte. öffnete er
die Schublade und entwendete den Jnhalt. Der
Staatsanwalt hielt den Tatbestand des erschwerter
Disbstahls für gegeben und beantragte eine Ge-
fängnisstraf« von vier Monaten.

Das Gericht schlotz sich diessr Aussassung an
bielt iedoch eine Gefängnisstrase von drei Monatea
für ausreichend und rechnete dem Angeklagten di
zweimonatige Untersuchungshaft voll am Dagegei
wurde der Antrag aus Hastentlassung abgelehnr.

Ehrungen im phi ipp-Lenar--Infl tut

Das Philivv - Lenard - Jnstitut begann das Ss
mester mit einer schlichten Feier, war doch ir
Nürnberg Eeheimrat Pg. Lenard durch der
Preis der NSDAP. für Wissenschast ausgezeichne
worden und hatt« eines der Mitglieder des Jn
stituts, Pg. S t r a u b - Mannheim. bei den Olyw
vischen Svielen eine Eoldmedaille erworben, un
galt es — nicht zuletzt — den treuen Hausmeist i
Herru H o l z w a r t h. zu seinem 6V. Eeburtslag.
zu ehren.

Prosessor Becker stellte die Eeseierten der Ju
gend als nacheisernswerte Vorbilder hin, die jede
an ibrem Platze durch äutzerkte Anspannung ihre
Kräfte Vestleistungen vollbrachten. Er kanntl
verrn Holzwarlh durch eine Eab«, die var
früberen Mitgliedern des Instituts aufgebrach
war. erfreuen. Es überbrachten ferner Vertrete'
der Studentcnschast und der Jnstitutskameradschaf
Erütze. Elückwünsche und Eelöbnis. Dann svrachen
die Eeseierten selbst: Eebeimrat Lenard sanl
crgreifende Worte. anknüoiend an seine Erlebnissi
in Nürnberg, durch die er Auftrag erhielt. weiter
für deutkche Wissenschast zu kämpsen.

Dann sorach der Olymviasieger Strauß übe'
keinen Sieg. Herr tzolzwarth dankte in kurzer
Worten sllr alle Anerkennungen. Nach einem
Schlubwori von Prof. Schmidt bildete den Ab
schlutz des Tages ein gemütlicher Kameradschafts-
abend aus der Philosophenhöhe.

„^ugenü am Verk^

Kundgebung der HZ. des Unterbannes V/11V.

Vier Gekalgschaften dcs Unterbannes V/11V
führteu einen Eeväckmarsch als Sternmarsch nach
Neckargemünd durch. Pünktlich 20.15 Uhr
trafen die Eefolgschaften unter Vorantritt ibrer
Fahnen an dcr Ortsgrenze ein. Und vünktlich
marschierten sie mit frobem Gesang nach dem
Marktvlatz. Dort waren dann auch die Eliede-
rungen der Partei von Neckargemünd mit
ibren Fabnen einaetreten. Jn einer vackenden
Rede umritz der Führer des Unterbannes V/11V
die Anfaabe der H.I. Ein Marsch durch die Stadt
schlotz sich an.

Am Sonntag nabmen dann die Eesolgschaften
21. 23 und 25/110 des Unterbannes an dem all-
gemeinen Staffellaus teil. Die Aufklärungsaktion
wird im Unterbann V/110 in den kommenden
Wocken dadurck eine Fortsetzuna erbalten. datz in
den einzelnen Standorien der Film vom Zeltlaaer
gezeigt werden wird. welches vergangenen Som-
mer in Meckesbeim durchgeführt wurde.

Kr.—r.

Die Schefselfeier. mit der das Volksbildungs-
werk Heideldera am nächsten Samstag scine Win-
terarbeit 1036 37 eröiinet. gilt der Erinnerung an
oie 50. Wiederkebr des Tages. an dem Badens
rrotzer Dichter in seiner Vaterstadt Karlsrube die
Auaen sür immsr schlotz. Er starb am 9. Avril
1886. wenige Nkonate vor der Feier des SVOiäb-
igen Beitebens unkerer Ruverto-Larola. der noch
Hn letztes Lied gewsibt war. Scheksel ist der Dich-
:er Badens. — aber nicht nur. weil er in Baden
reboren und gestorben ist. Auch der Schauvlatz sei-
rer grötzten und schönsten Dichtunaen in Dsrsen
vie in Proka liegt innerbalb des Badnerlandes.
ven Zauber des Bodenkees und Hegaus. des
ächwarzwaldes und Odenwaldes. des Fiankenlan-
res und der Pfalz bat er. wie kein zweiter. ge-
iiblt. erlebt und beiungen. Vor allem blieb ibm
veidelberg sein ganzes Leben lang Zielvunkt
nnes Sebnens. Das Lied seines Säckinger Trom-
eters ..Alt-Heidelberg. du Feine". keine Perkeo-
nd Rodensteiner Lieder baben den Rubm Heidel-
:ras in alle Welt binausgetragen So ist es eine
Heidclberas. keines Sänaers im Jahre
der 50. Wiederkebr seines Todestages zu gedenken.

Die Stadt »eidelberg hatte desbalb auck die Ab-
sicht, von sich aus eine Erinnerungsfeier zu ver-
anstalten. hat aber dann mit Rückiicht auf die
>2we>ielieier des Volksbildungswerkes davon Ab-
stand genommen.

Die Feier am Samstag wird in grötzerem Rab-
men stattiinden. Die Eedenkrede bält der bekannte
Schefselsorscher und Herausgeber der Briese Schef-
fels. Dr. Wilhelm Zrntner aus München. Karl
Füiitenberg wird Stück« aus dem ..Tromve-
ter'. den ..Bergvialmen" und ..Frau Aventiure"
zum Vortrag brinaen. Die Heidelberaer Män-
n e r g e s a n g v e r e i n e. die sick wieder in dan-
kenswerter Weise in den Dienst unserer Sache ge-
stellt baben. (Liederkranz. Concordia. Eesangs-
abteilung der Harmonieaesellschast. Lonstantia)
werden Vertonunaen Scheffelicher Lieder vortra-
gen. Darbietungen des Muiikzuges der 32. SS.-
Standarte werden die Feier umrabmen.

So versvricht die Feier einen würdigen Ver-
laus. und es stebt zu bofsen. datz sie bei der ge-
kamten Heidelberaer Bevölkerung sreudigen Wider-
ball erwecken wird.

Vie öruckners kunft nach heiüelberg kam

Ein Nachtrag zum 40. Taoestag öes Komponijlen

Der lange verkannte Meister sand im Südwesten

utkchlands sebr srüb einen Kreis verständnis-
oller Freunde. besonders in Karlsruhe und Hei-
-lberg. Sein einstiger Schüler Felir Mottl er-
ang mit seinen Bruckner-Aussührungen in Karls-
nbe bereits anfangs der 1880er Jabre glänzende
üege. Aber seine imvulsive Künstlernatvr trieb
m zu immer neuen Taten und lietz seinen alten
Neister Anton Bruckner immer mebr vergessen.
7asür trat sein Freund Philivv Wolfrum in Hei-
elberg für Bruckners Kunst in die Schranken. So
ührte denn Heidelberg in den 1890er Jahren den
iamvf für Bruckner weiter. d«n Karlsruhe um die
Nitte der 1880er Jahre so rubmvoll begonnen
latte.

Eine der denkwürdigsten Bruckner-Taten Philivv
Wolsrums war seine Aussührung der dritten Sin-
onie am 12. Dezember 1893 im Heidelberger Bach-
»erein. Vereits im August dieses Jahres lud er den
Wiener Meister nach Heidelberg ein. damit er selbst
,ugegen iein könnte. Aber Bruckner war damals
nicht nur körverlich durch Krankheit und lleberar-
reitung mitgenommen, iondern auch durch di« an-
dauernde Besehdung. die ibm allerorten zuteil
wurde, besonders gerade in Wien. sehr bedriickr.
Se.ne geringen Kräste sparte er damals ängstlich
sür seine 9. Sinfonie, um die er mit der ungetsil-
ten Drangabe seiner ganzen Seele rang. Jhn be-
drängte die stille Abnung, die ia sväter auch Wahr-
heit werden sollte: datz es ibm nicht vergönnt sein
sollte, das gewaltige Werk zu vollenden. Seine
Neunte blieb ein Torso. allerdings eines von ge-
waltigsten Ausmatzen. Um ibren sehlenden letzten
Satz zu ersetzen. bestimmte Bruckner, datz Auffüb-
rungen der Neunten sein Tedeum solgen könnte.

Diese Todesfurcht, die vor der Vollendung sei-
nes Werkes stand, und seine Krankheit lietzen ihn
die Einladung Wolfrums ablehnen in solgendem
Briefe, den Friedrich Vaser wiedersinden konnte
und erstmals in seinem Buch „Das mustkalische
Heidelberg seit den Kurfürsten" veröffentlichte:

„Hochwohlgeborener Herr Universitätsprofessor!
Dankc für Ihre Liebenswürdigkeit, und bitte auch
in Zukunft mir ein Gönner bleiben zu wollen.
A» ein Kommen meinerseits ist nicht zu denken;
bin ja stets krank. Jm Winter hatte ich die Was-
sersucht; die Eeschwulst an den FLtzen stellt stch

noch oft ein. Zur Erholung bin ich jetzt in Steyr.
Bin sehr schwach! — Mein einstiger Schüler und
Frcund Mottl gehört unter jene, die mich ganz
verlassen haben. Schon ein Jahrzehnt hat er nichts
mchr von mir aufgeführt; das Tedeum damals
ntcht einmal mit Orchester. — Zu tiefster Ver-
ehrung und mit Respekt
Steyr, 29. 3. 1893.

Dr. A. Bruckner."

Wolfrums Nachfolger, Prof. Dr. H. Poppen,
führte die Vrucknerpflege in Heidelberg fort, eben-
so Eeneralmusikdirektor Kurt Overhofs, desten
Bruckner-Aufführungen tiefsten Eindruck hinterlie-
tzen. Jn den letzten Jahren ist in Heidelberg
eine Ortsgruppe des Vrucknerbundes entstanden.

tzeiöeiberger Lick>tspieltkeater

Gloria

DieEntsübrung. EezavonBolvary
ist bekannt, sein Name bürgt für eine fesche Regie.
Er hat in diesem überaus unterbaltsamen. ele-
ganten und doch aucki tiefer berübrenden Film das
bewäbrte Tbema einer Entfübrung ganz neu abae-
wandelt. Eustav Fröhlich ist der eigentlich
ganz unschuldiae Entfübrer: ibre Fäden wurden
durch den Meisterreaisseur Zusall. Laune und
Findigkeit einer iungen blonden Dame gesvonnen.

Diese beriickende iunge Suzanne. die sich
ielbst entfübrt. wird von Marieluise Clau-
dius mit viel Anmut gesvielt. Mit dieser gewag-
ten Entsübrungsaeschickite setzt ste zwar den Ruf
ihrer Familie aufs Sviel. doch nur um ihn schlietz-
lich doch zu retten vor der Unbedachtsamkeit ibrer
noch sehr temveravcentvollen Mutter.

Jhr gibt Lola Cklud die reife Schönbeit
einer Frau. die eiaentlich nur weaen der seltenen
Eelegenheit. mit ihrem Manne beisammen zu sein.
einem sogenannten Hausfreund ins Garn laufen
wollte. Doch das hat eben die schneidige Suzanne
mit ibrer Entschlossenheit abgewehrt.

Dafür bekommt sie auch zum Havvv end den
Mann ihrer Wahl. Eine köstliche Lustsvielhand-
lung. herrliche. auch technisch ausgezeichnete Na-
turbilder. auf See. im Earten. an der Riviera.
belfen diesem Tobis-Rota-Film zu einem
ungewöbnlichen Publikümserfolg. der ibm überall
treu blieb.

Wenn ei »er erne Reise tnt . '

Scviel Schicksals-Schlägc machcu den stärkstcn iRo"
mürb«. Hase entsann flch eines alten PlanS —
ErholunqS-Reise nach Böbmcn. Pünktlich war «» a
der Vab», mir Sack und Pack bcladcn. W«r
kam, war der Zug. „Der sährr jetzt eine halbe Smu
früber!" sagte der Mann mit der roten Mütze. »
stand dock überall zu lescn, dafl wir seit Sonntag
Fahrplan haben!" Hase wciß wiedcrmal vcn nichtS-
macht bioß Augcn wie Untertaffen. — Der nflchste
ging erst am Abend . . .

Tja — hätte er Zeitung geleseä'

Die kündigt sowar vorher a»,
woraus man flch verlrffcn kann!

veranstaltmigen

Städtisches Theater. Einen interestanten Ext
blick in das zeitgenöstische Overnlchaften ssE
Artur Kusterers Vertonung von Sbakeiveares r->cst
spiel „Was Jhr wollt". Die Erstauffiihruns '
bei Publikum und Preste dankbaren Beiiall a^
Die Over geht heute abend wieder in Szene-^g
Die Veranstaltung am kommenden Sonntas -- „g.
Nachmittag des Tanzes" kindet starke Beacknu
Die besonders ermäkiaten Preise ermöalichen ie»
mann den Besuch dieses Tanz-Nachmittages.

Lichtbildervortrag. Am Freitaa. den 16. E>
um 17 llbr svricht im Hörlaal 13 der Neuen
versttät Eartengestalter Aans Kavser u
„Stratze und Ortsbild in der Landschaft".

Zi?me -er Woche

Cavitol: „Der Bettelstudent".

Gloria: „Entführung"

Kammer: „Die Botschaft an Earcia".

Odeon: „Eskavade".

Schlotz: „Weiberregiment" ^

Werdet Mitglied der NvV-

Linrigartige votlczlcunZlictie t.elirzclrau in tZe>6eII»erg

Zwifchen Heidelbergs Alter und Neuer Univer-
sität und dcr Iesuitenkirche, im Eeburtshause Eotr-
fried Nadlers, des Pfälzer Dichters, sammelt Mini-
sterialrat Prof. Dr. Fehrle mit grotzer Liebc
unermüdlich neue Anschauungsmittel zur vollstän-
digsten und anschaulichsten volkskundlichen Lchr-
schau, di« man finden mag. Die erweiterten Aus-
stcllungsräume sind für den Besuch geöffnet. Ieder
ist überrascht von der Eindringlichkeit. mit der
auch dem weniger wissenfchaftlich Vorbereitelen
alles Wesentliche. ohne museale Weitläufiakeit klar
gemachi wird, nicht um totes Wisten in sein Hirn
hineinzustopsen, sondern um ihm deutfche Art,
Weltanschauung und Brauchtum unserer Vorsahren
recht nahe ans Herz zu legen.

Dies geschieht aber auch nicht in flacher, „leicht-
verdaulicher" Form: selbst der Fachmann ist ge-
fesselt durch die Vollzähligkeit der Anschauungs-
Gcgenstände im Wesentlichen. Einmalig ist z. B.
die Entwicklungsreihe des „Lebensbaumes", der in
den ältesten zeichnerischen Darstellungen unserer
Vorfahren zugleich mit dem Sonnenrad fHaken-
kreuz) auftauchte und weiterlebt in den Heidel-
berger Sommertagsstecken, im Lichter-, Christ- und
Weihnachts-Baum. Zugleich sehen wir die ge-
waltige Eeschichte des Hakenkreuzes, des Heils-
zeichens aller Lrdteile, wo nordische Sendlinge und
Völker hinkamen. Ernzigartige und seltene Fundc
zeigen dies Heilszeichen: auf der 3000jährigen alt-
griechischen Dafe so gut wie auf der chinestschen
Ouarzbrille, auf Tempelketten aus dem unerforfch-
ten Tibet ebenso, wie auf dem Eold-Gewicht der
Aschanti aus Ober-Euinea, Jndianer-K'ügen Und
-Tellern aus Arizona oder dem stattlichen Grab-
stein aus Spanien, der wohl aus der Westgoten-
zeit stammen dürste.

Im Mittekpmikt steht der herrliche Sonnen-
wcgcn ans 1 nndholm. Wie stark noch
der urfpciingliche sonnenradgedanke in unferm

Volk erhalten blieb, zeigen strohumwickette Feuer-
räder und -Kugeln aus Echönau im Odenwald und
das Scheibenschlagen aus Löriach, wobei in der
Fastnacht die breiinenden oiereckigen Holzscheib-
chen am Stecken wuchtig auf cin staikes Brett auf-
geschlagen werden und drehend und leuchtend talab
fliegen.

Erotzartig ist auch die Entwicklungsreihe der
Wohnhäufer vom Pfahlhaus ab, wie es auf älte-
sten Urnen gezeichnet wurde oder bei Grabungen
zum Vorfchein kam. Erundrisse eines altgermani-
schen Hauses und eines griechischen Vorhallen-
Tempels nebeneinander überzeugen auf den ersten
Blick, datz beide aus dem selben Bauwillen stamm-
ten. Daneben sicht man ein Modell des Schatz-
hauses der Megarer in Olympia, etwa 460 vor
unserer Zeitwende.

An weiteren Modellen werden die Urbilder
nord- wie süddeutscher Bauernhäuser gezeigt, von
deren Mittelpunkt, dem freiftehenden Herd, und
Wohnstelle aus die Väurin mit einem Blick alles
übersehen kann: das Vieh, der treue Helfer und
Eefährte des Menfchen, die Kornvorräte, Tränke
und Arbeitsstellen des Gesindes.

Das getreue Modell eines Bauernhaufes aus
dem Schwarzwald, das sogenannte „Heidenhaus"
bei Furtwangen, zeigt uns eine abwcichende, wohl
auf älteste nordifche Einwirkungen zurückgehende
Vauart aus den Bcrgen. Dem Abhang zu liegen
die Erotzviehställe. Der Eingang befindet sich
immer nur seitiich, während vom Berg her die Ein-
fahrt in die Scheune und in den Speicher erfolgt.

Ein offeneres. freundlicheres Eesicht zeigt das
eigentliche Schwarzwaldhaus aus den
meist tiefer gelegenen Tälern, das den Emporstei-
aenden mit blinkenden Fenstern, sreundlichen Lau-
ben und sonnigen Wohnräumen grützt. in denen
die „Nutzbühne" bezeichnend ist: der Holzboden
unter der Decke, der zur Aufbewahrung der Nüsse
dient.

Deutlich hebt sich von diesen alemannischen
„Einhäusern" das sog. sränkische „Gehöft" ab, des-
sen Erundritz wohl ursprünglich hakenförmig ge-
wesen sein mag, aber bald beim Anwachsen des
Betriebes ringsum den Hos wehrhaft schlotz. Jn
der Rundbogen-Ummauerung öfsnete sich fiir Wa-
gen das grotze Tor, in dem für Einzelne sich die
schmale Tür, das „Nadelör" össnete. Später wurde
eine besondere Türöffnung in die Mauer gebro-
chen, neben dem Tor. Solche Eehöfte entwickelten
jich osfenbar aus den alten „Streu-Hösen", deren
einzelne Eebäude im Eelände verteilt waren.

Auch die Dachformen, vom gewalmten Dach, das
schon sehr früh festzustellen ist, bis zu den mannig-
sachsten Formen, sind sehr schön zu beobachten mit
ihren Oeffnungen, dem südd. „Sperberloch" und
dem norddeutschen „Ulenloch" (Eulenloch). Dagegen
tauchen Kaminöffnungen erst verhältnismätzig spät
auf: die Altvordern benutzten aus kluger Ersah-
rung den sich an der Decke aufstauenden Rauch zum
Räuchern und Feuerfestmachen ihrer Tragbalken
und Pfetten (Firstbalken). Vor dem Schwarz-
waldhaus ist auch die Pappel, der altgermanische
Blitzableiter, und der heilsame, freundliche Holun-
derstrauch nicht vergessen.

Dic Aufteilung solcher Bauerngehöfte beruht
aus Jahrtausende alter Erfahrung und lätzt uns
tieferc Einblicke in jene ländliche Welt tun, die
leidei den Erotzstädtern ein Buch mit steben Sie-
geln wurde.

Mit unendlicher Liebe und zähem Fleitz haben
geschickte Hände selbft die kleinsten Ausrüstungs-
gegenstände und Möbel der Bauernstuben winzig
nachgebildet und an ihre Plätze ßerückt,
„Schrankofen" oder seinen eibenartigen Bruder,
den „Saukopf", den Backofen, die „Milchkiste", die
Truhen usw.

Sehr anschaulich und reich ist auch das Brauch-
tum dargestellt, Volksfeste werden ihrem inneren
Sinn nach deutlich. Neben Brautkronen sehen wir
verschiedenste Formen der Totenkronen, die jun-
gen Maocyen und Iungfern, die nie Mutter wer-
den durften, auf den Sarg gelegt werden, beson-
ders im Odenwald.

Für lebensstarken Volkshumor zeugen die Fast-

nachts-Kleider und -Sitten: der bunte Narren-

„Schuddig", die Sitte des „Taganrufens" Aje
Elzach (Schwarzwald), bei dem nächtlicher??.,!
untcr allerlei lustigem Brimborium die
Sünden und Eebrechen aller, auch der „HaU^ »>
tioren", unter weidlicher Ausnützung der Narr
freiheit laut und öffentlich verkündet werdev-
Schöne und stilvalle Vauernkeramik, eine H^t
uhr von 1640 aus dem Schwarzwald, in der
einmal der kleinste Nagel oder oas nebensächVjHe
Zahnrädchen aus Metall ist, zeugen für länou
Handwerkskunst von erstaunlicher Höhe. . ^
Terrakotten aus Zizenhausen (am Vodew^>
zeigen eine ganze Judenkolonie, die mit erstast,,
lichem Blick für ihre Eigenarten geformt studst^»
verraten, wie schon vor hundert und mehr Av.jsi
das Volk über diese „Eäste" dachte. Da trerb'
Viehjude eine ganz ausgemergelte, von unv -
kennbarer Bräune, Maul- und Klauenseuche lvl»-
gesuchtc Kuh auf den Markt und schreit mit e.p'
ladender Armbewegung aus: „Die ist noch
Zwischen drei Juden steht ein junges D!äE,:
zu dem ihr Vater laut beigefügter Inschrift
„Lydia, mei Tochter, mei Hauptkapital, mei Au ,
Da staiht ä Mann, ä talentvoller Mann, u
schickter Mann, ä raicher Mann, ä the"^,
Freund! Er will haben deine kunstreiche
deine schaine Stimm!, deinen witzigen Kopf.
angenehmen Dkanieren, deine vortreffliche Prr>

— — er will dich heirothen-wirst' dc M

nein?" .

Breitmächtige Ledersatschen mit präch'^sc
Stickereien aus Kielstreifen von Pfaucnfedern,
sie die jungen Burschen sich umschnallen,
diejelbe gediegene Arbeit, wie all die anm
Eegenstände bäuerlicher Kunst. — Eine rassenlU',,K
liche Lafel von Dr. Lehmann zeigt in grupM«
übersichtlicher Zeichnung mediterrane. dinal'V,
und ostische Einflüsse ms nordische Vlut un>°
Vorfahren. Hunderte Bilder und Photo-Au u »
men bedeutender Deutscher ergänzen und belrNj»
diese Darstellung. — Die Eesamtschau ergim .»,
ungemein eindrucksvolles Bild unserer Borfay'tze
das unvermerkt in uns wach wird und xjc
Einslüsie fortschiebt, um desto nachdriick
altüberkommene Stiu.mr :: Blutes ae '

vernehmbar durchklingen zu lassen.

S-
 
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