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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#2402

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Zsits 14

8ormssg5 Komarr

^Dolksgemesnfchaff^

Lamsta». deu lL. Dejcmber

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KxH>«A Niut

von ^o.rr<lune V0N TvtzSvn

7. Fortsetzung

Ein sonderbarer Mensch, dieser — wie hietz er
nur? — Armand Donabona . . . Erst von einer
fast kindlichen Zutunlichkeit, dann plötzlich ohne
Uebergang kühl, beinahe seindselig ... Weitz der
Himmel, was dahinter stecken mochte. Ein ent-
gleister, aus der Bahn geworsener Mensch, dem
nicht mit dem üblichen Matzstab beizukommen war.
Man hätte ihn nicht so seiner Wege gehen lassen
sollen, mit leeren Taschen und einem einzigen Tel«
ler Suppe im Magen . . .

Mit einer gewissen Genugtuung gedachte sie setzt
des liegengebliebenen Paketchens. War nicht auch
der Schirm dabei gewesen? Da wird ihm wohl
nichts weiter übrigbleiben. als sich noch einmal
hier einzufinden, um die Sachen abzuliefern.

Sie klingelte dem Stubenmädchen:

„Geben Sie unten Bescheid, dah ich, wenn et-
was für mich abgegeben werden sollte, den Ueber-
bringer persönlich zu sprechen wünsche . . ."

Als Barbara das Erand Hotel Regina als ihre
Wohnstätte bezeichnete, war in Armand blitzartig
die Vermutung aufgestiegen, dah die blonde Frau
an seiner Seite möglicherweise jene vielbesprochene
Dagmar Ohlsen sein könnte, die seit Iahren in den
grotzen Hotels aller Länder durch ihr einsiedlerisches
Leben von sich reden machte.

Sollte seine Vermutung zutreffen, dann war
diese junge Dame Besitzerin eines grotzen Ver-
mögens!

llnd das änderte die Lage von Erund aus.

Armand besah für alles, was kämpfte und litt,
ein warmes, mitfühlendes Herz. Wo er aber Reich-
tpm wittexte, da erwachte sein zäher Selbsterhal-
tungstrieb und LLerrannte alles, was an mildSn,
ritterlichen Eefühlen in ihm lebte. Dann wurde
er Jäger, der die Fährte des Wildes unbarmher-
zig verfolgte.

Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, datz 'gerade
hinter der strahlenden Autzenfront des Reichtums
sich nicht selten heimlichc Mihstände vcrbargen, und
wcnn es ihm gelang, den Schleier eines solchen
Eeheimnisses zu liiften, dann war es bestimmt ketn
billiger Spatz, sich sein Schweigen zu erkaufen.

Freilich — die Zeiten seines Elanzes warsn
vorbei. Die Kühnheit und Sieghaftigkeit der Ju-
gend, die zwingende Wirkung auf Frauen hatten
allmählich nachzulasien begonnen, und mit ihnen
schwand auch das Elück des Erfolges.

Diese Dagmar Ohlsen, das wäre — parbleu! —
ekn setter Bisien, wenn man ihr irgendwie beikom-
men könnte. Iedenfalls hatte man kein Recht. eine
solchs Eelegenheit ungenützt vorbeigehen zu lasien.

Die Zeiten waren schlecht und man führte
rund heraus gesagt — ein Hundeleben. Kein Vsr-
gnügen, wahrhaftig, seit Monaten mit diesem Mon
strum von Fahrzeug all die kleinen Nester Süd-
frankreichs abzuklappern, um als Versicherungs
ogent gerade knapp dem Hungertod zu entgehen.

Vor dem Postamt lieh Armand den Waaen mit
einem Ruck halten. Er bedurste zur Bestätigung
' setner Vermutung einiger telephonischer Ermitt-
lungen.

Sie gaben ihm die erwünschte Eewitzheit.

Also hatte ihm der Zufall da tatsächlich eine
Angehörige der schwedischen Erzkönigdynastie in
den Weg geführt!

Nun — ein Angriffspunkt würde sich da schon
finden. Nicht umsonst treibt es sie wie eine Eehetzte
von Land zu Land, irgendwo hat das seinen
Erund. Wer ein gutes Eewisien hat, kann zu
Hause bleiben.

Ein Almosen hatte sie ihm anbieten wollen.

. Als ob es denn Menschen itr der Welt gäbe, von
dem er milde Eaben nahm. . . Bezahlung — ja —
und zwar recht erhebliche . . . aber Hilfe? o nein.
Hier Würe — hier Eeld . .. immer hiibsch bei sei-
nem Wahlspruch bleiben . . .

Er stellte den Wagen in der Earage uyter,
Barbaxas Schirm und Paket nahm er sorgsam an
sich.

Zufrieden suchte er seine Behausung auf, einen
armseligen, schlecht gelüfteten Raum, den er wochen
w«ise bei einer kinderreichen Witwe innehatte.

Das Paket in seiner Hand entdeckend, umringte
ihn bei seinem Eintritt ein ganzer Haufen schmut-
ziger Eören. Eewohnt, von ihm beschenkt zu wer-
den, vergötterten sie ihn, wie alle die kleinen
Leute seiner Umgebung es taten: denn «r war gut-
herzig und hilfsbereit und gab, sobald er nur selbst
etwas besatz, mit vollen Händen.

„Werdet ihr mich wohl in Rnhe lasien —
Bande . . ." Lachend fuhr er mit Barbaras Schlrm
in den Hausen hinein, datz er kreischend ausein
anderstob.

Dann schlotz er sich in sein Zimmer ein. Obwohl
rs schon dämmerte, machte er kein Licht, starrte dü-

ster die Brandmauer an, die sich jinstek und stkrik
vor seinem Fenster tkMtztz

Gewohnheitsmätzig griff er nach seinem.Etui.
„Scheutzlich — nicht mal zu rauchen yat man
was", zischte er durch die Zähne. Heftig ritz er die
Tür zum Korridor aus:

„Du holst mir Zigaretten, Eeorge — und Mut-
ter soll mir einen Tee kochen. . . Aber cin bitzchen
rasch. Bezahlt wird morgen — verstanden?"

So — dachte er befriedigt, als wenige Minuten
päter alles zur Stelle war —, nun wollen wir den
Kriegsplan entwersen. Tee und Zigaretten stnd
bewährte Eeburtshelfer: unter ihrer Beihilfe hat
chon manch fähiger Eedanke das Licht der Welt
erblickt.

Er entzündete die kleine Lampe, zog den Korb-
stuhl an den runden Tijch heran und blies, ab und

„Wen darf ich melden?"

„Vicomte Donabona. . ."

„Sehr wohl." Er nahm den Telephonhörer und
waltete seines Amtes. „Madame lätzt bitten . . .
Appartement 5, erste Etage . . ."

Mit geblähten Nasenslügeln sog Armand die
vertraute ünd — ach — so langentbehrte Hotelluft
in sich ein. Dem Liftjungen abwinkend, stieg er
langsam, genietzerisch die breiten, teppichbelegten
Treppen empor.

Neidvolle Bitterkeit erhob sich in ihm gegen die-
jenigen, denen dieser Luxus Selbstverständlichkeit
war, aus den sie Zeit ihres Lebens ein verbrieftes
Anrecht zu haben glaubten. Ein höhnisches Lächeln
ritz an seinen Mundwinkeln: Was schadete es schon


zu einen Schluck Tee nehmend, dehaglich blaue
Ringe in die Luft.

Sein Blick fiel auf das kleine Paketchen, das er
vorhin achtlos aus der Hand gelegt hatte.

Tastend griss er darüber hin. Ein Buch — sieh
mal an.

Es wäre vielleicht ganz aufschlutzreich, zu er-
fahren, welche Art von Lektüre Madame Ohlsen
bevorzugt . . . Jndiskret? — Pah — der Krieg
heiligt die Mittel . . .

Schon hatte er vorsichtig den Bindfaden gelöst
und das einhüllende Papier entfernt.

Verwundert schüttelte er den Kopf. Eine schwe-
dische Erammatik! Lange grübelte er nach. Was
sollte man davon halten? Datz die Schwedin Dag-
mar Ohlsen sich die ersten Elementarkenntnisie ihrer
angeblichen Muttersprache erst aneignen mutzte,
war doch immerhin eine reichlich befremdende Enl-
deckung... Er hatte Verdacht.

Er stietz einen leisen Psiff aus. Hm . . . .
Sollte hier schon ein Ausgangspunkt gefunden sein,
von dem aus der Weg hinführte zu der Slelle, wo
ste sterblich war . . .?

„Madame Ohlsen?" — Kurz und hochmütig tat
der vornehm aussehrnde Herr dem berufsmätztg
fragend-verbindlichen lölick des Schalterbeamten


lSrberl Nilderdtenst.I

wirklich, mal einen kleinen Einbruch in den inne
ren Frieden dieser Herrschaftcn zu unternehmen?

Irgendwie hatte dieser Donabona Barbaras
Eedanken unausgesetzt beschäftigt. Den ganzen Tag
tat sie eigentlich nichts anderes, als ihn erwarten.

Jn halbliegender Stellung auf der Ottomane
ruhend — das verletzte Bein bedurfte immer noch
grötzter Schonung —, glitt ihr Vlick mitzliebig übex
den üppig ausgestatteten Raum. Plötzlich empfand
ste diesen Luxus als etwas Peinliches, ja es stieg
— angesichts der Notlage des Mannes, der ste be
schäftigte — beinahe ein Eefühl der Beschämung in
ihr auf.

Da schlug das Telephon an. Armands Besuch
wurde gemeldet. Eewih — ja — si« sei bereit, ihn
zu empfangen. entgegnete ste hastig. legte den Ho
rer hin, habe ihn gleich darauf wieder ans Ohr
und bestellte Tee und Sandwichs.

Es klopfte . . . Donabona erschien! verweilte
einen Augenblick im TLrrahmcn, als wollte er die
Stimmung des zu betretenden Zimmers erst noch
in sich aufnehmen: nahte stch Barbara mit weni-
gen federnden Schritten. zog ihrc Hand an die
Lippen und überreichte ihr das Paketchen sowie
den sorglich mit Seidenpapier umwickelten Schirm.

„Haben Sie Dank für Ihre Mühe", sagte sie,
^ um eine Schwingung herzlicher, als es die Lage

krjürdekt hätie^ ^um ehrlich zu sein, sreue ich mitz

Lber meine Vergetzlichkeit, die Sie zwang, stch wohl
oder Lbel bei mir sehen zu lasien."

Der Eintritt des Kellners, der einen Teewageü
hereinrollte, überhob ihn einer Entgegnung und
bot ihm glcichzeitig Eelegenheit, Barbara ein«
Zalle zu stellen.

Nach kurzem Schweigen warf er ganz plötzlilh
— gewissermatzen um von dem Kellner nicht ver«
tanden zu werden — einige Worte in deutschek
Sprache hin.^ Mit frohem Aufleuchten ihrer Au-
gen ging ste — ohne zu überlegen — sofort daranf
ein, datz der unbestimmte Verdacht in ihm sofort
die greifbare Eestalt einer Eewitzheit annahnil
Nie im Leben war diese Frau eine Schwedin,
konnte demnach also auch nicht Dagmar Ohlse»
sein!

Mit einem Mal schien sich Barbara des began»
genen Fehlers bewutzt zu werden. Sie verstummre
jählings, und ein heitzes Rot stieg in ihr Antlitz.

Doch auch Donabona wurde seiner Entdeckung
nicht recht froh. Ein allzuleichter Sieg über eine
nichts weniger als ebenbürtige Eegnerin. die siä>
gleich durch den ersten plumpen Schachzug matt^
setzen lietz.

Aber was half's? Er durfte diese einzige MZg'
lichkeit, die Vefreiung aus drückender Notlage oer«
sprach, nicht aus den Fingern lasien . . . schon uiN
der Frau und der Kinder willen, die seit Mona'
ten ohne Nachricht und ohne Eeld in einer Parise*
Porstadt ihr armseliges Leben fristeten . . .

„Mädame ..." — begann er in der ihm eig^
nen leisen verbindlichen Art — „ich habe mir
stattet, Lber Ihre Person Erkundigungen einzu'
ziehen und in Erfahrung gebracht, datz Sie als
sitzerin eines grotzen Vermögens gelten."

Verständnislos, mit weit aufgerisienen Auge"
starrte Barbara ihn an: sie konnte sich nicht klat
werden Lber Sinn und Absicht seiner Worte.

„Mit Recht werden Sie mich", fuhr er — u»<
willkürlich in einen leicht zynischen Ton versalleud
fort „für einen über Eebühr — witzbegierigeu
Menschen halten . . . Erraten Madame! . . . 3A
bin es. Witzbegierig' bis zur Taktlosigkeit . - -
Mit spitzen Fingern griff er nach dem Pake^
chen, das ihre Hand immer noch umschlosien hiels-

„Es kann Sie daher nicht wrc-dei-n. datz nU*
auch die Wahl ihrer Lektüre eine gewisie TeiL
nahme ahnötigte . ."

Er machte eine kleine Pause, als erwarte
eine, Eegenäutzerung. Aber aus Barbara schi^
alles Leben gewichen zu sein . . .

„Ich habe nicht verfehlt, die entsprechendeU

Schlüsie zu ziehen, Madame . . ."

Er wartete . . . Jhr fortgesetztes Schweigt''
zerrte an seinen Nerven...

„Sie sind nicht die — die Sie zu sein ausgebeU-
Madame. . ." schlotz er fast bekümmert.

Er wandte sich ab und betrachtete seine Fitzm'''
nägel. Dann — gewisiermatzen einen neuen A"
lauf nehmend, begann er in völlig verändersi'
Ton: ^

„Leider zwinaen mich die Verhältnisie. aus
sem meinem Missen Nutzen zu ziehen. Klingend .
Nutzen — Madame . . . Nun werden Sie sich
darüber klar sein, mit welcher Sorte Mentch Sie
zu tun haben, und nichts in der Welt könnte ^
daran hindern, mich polizeilich abiühren zu lasi'
folls Sie sich zu Unrecht belckmldiat iüblen - - '
Wünschen Sie, datz ich die Kkingel drücke?" ^

Die Auaen zu einem kleinen Svalt zusomM^ !
gekniilen, spähte -er lauernd zu Borbara hinüb
Sein Daumen lag aus dem Klingelknopf.

llnwillkürlich machte lie eine abwehrende
wegung. Seine Hand löste sich von der Kliub
Eanz nahe trat er jetzt an ste heran:

„Lasien Sie uns vernünitig miteinonder reb^.
Modame. Sie tun mir leid. Sie lind der "
gabe. die Sie da, insolqe irgend welcher VerkeU'^,
von llmständen auf sich genommen hoben. nicht
wochsen. Sie besitzen weder die nötige Ner"'^,
stärke, noch die bierfür unumaängliche Koltb'" ^
keit. Beim ersien unerwarteten ZwisckienfaN
Ibnen ein klägliches Fiasko sicher. Verlasien
sich auk dieses Urteil eines Fachmannes. de'^,
Eatt sei's geklagt — auf krummen Weoen m ^
Bescheid weitz. als aus aeraden . . . Und n»^^.
mein Dorschlag: Sie sollen nicht mein Schw^ .j!
sondern meinen Schutz erkoufen. Ueber den ' i.-ji
können wir uns ja nach schlüssig werden.
will ich Sie nach Möotichkeit in der Durchfüu i,
ihrer — Rolle untersiützen. Ich bitte zu beo"'
datz dieses Anaebot keinesweos unansiändia >> -
ich mich ja dadurch selbst in Eefahr begebe." -

Ohne eine Antwort abzuwarten. griff «r
seinem Hut. „Madome..." — VerbeugunS
unnachahmlicher Lässigkeit ....

Baxbara war allein. <ß

Nun erst beaonn sich ollmählich die Stor^s,,t
lösen, der sie anheimgefollen war. Sie richk^'
auf und strich, wie erwachend, das Haar au
Stirn.

Also so weit war es mit ihr gekammen-^
wagte man mit ihr zu sprechen. das ihr z» ?, j/
Erpresier — ja, Erpresier drängten sich an >' ,
an, machten Angebote, schlugen Einigunge»

War es denn wirklich etwas so
was sie verbrochen hatte? Wurde irgend >'
dadurch geschädigt oder benachteiligt? So"
diese Handlung nun nachhängen durch ^^r>^
Leben? Freiwild für jeden, der seinen ^

wahrzunehmen verstand, gleichsam immer >"

tt '

. nem Futze im Eejängni? . .. .?

Fortsetzung

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