Lsils 8
„Volksgemeinschaff"
Dienstag. dcu L8. Dcjembcr lbSS
Ätö / ^Vsn Nsinneü ^attsrbaw-^lSm
Ms iL Pete Fogg so vlötzlich vor dem grohen
Dergnügungslokal der Hasenstadt wiederiab. er-
schrak ich bis ins Jnnerste. Pete war in einen ele-
«anten grauen Anzug gekleidet. er trug aus seinem
Hauvt einen weiken Rlzhut mit rotem Band. eine
bellgrüne Krawatts« auoll in kühnem Knoten aus
seinem Kragen. und aui der Krawatte tbronte
eine erbsengroke. weihe. mattschimmernde Perle von
erotischem Glanz. Eenau sechs Aabre waren ver-
gangen. seitdem Pete und ich zuiammen aui der
..Clo''a Brodersen" vor dem Mast gefabren waren.
..Büt du Detektiv geworden. dah du immeriort
so merkwllrdia aui meine Krawatte starrst — oder
was?" sagte Pete. als wir vor einem ordentlichen
Getränk sahen.
..Nein. aber ich muk immerzu diese Perle ani
deiner Krawatte betrachten", sag' ich zu Pete.
..Welch wundervoller Schmelz. Wo bast du sie ber?
Jst üe so wertvoll. wie ne ausiiebt?"
..Jm Gegenteil. sie ist so wertlos wie der ver-
sanlte Kasten von einem Kovraichoner. dem ich sie
verdanke". iagte Pete. in düstere Erinnerungen
versunken. ..Die Geichichte ist ganz kurz. Du bast
die ..Santa Latbarina" ia nicht gekannt. Wir trie-
ben da unter bei den ssidichi-Inseln berum. Eines
Tages lieien wir aui ein Rii? aus. und die ganze
Besakung. ich allein ausgenommen. ertrank. Jch
verstaute noch schnell eine Kiste Wbiskv im Boot.
ebe der Kasten wegsackte. das Boot lieki ich vorm
Wind treiben. Wenn ich Elück batte. tras ich aui
«in Schiii gder eine Insel. Die Sonne brannte.
Weit und v">it nur §>immel und Waner. Nach
iünf Tagen landete ich an einer kleinen Insel.
Nichts als Gestrüvv und ein vaar Kanakenhlltten
kwischen Kokosbäumen. und vor dem U?er ein hal-
bes Dukend Austernbänke. Reizende Leutchen. die
Kanaken. schmillen aleich ibre Pieile und Boqen
kin. als sie mich saken. sübrtsn einen Söllentanz
um mich aui. Sie batten noch ni» vorher einen
Meiiien erblickt. Die Sälite von meinem Wbisky
ging draui. zulekt kam der Aelteste. bängte mir
eine Kette mit vrachtvollen Rmitationsverlen um.
und dann wurde ich zum König erklärt. König
Pete! Na ia. ich nabm die Sachs. wie sie war.
Eines Moraens. als ich gerade über den Strand
schlenderte und nackidachte. wie lanae ich wobl kier
noch Robinion svielen sollte. bekam ich v'löklich
einen Schreck. Eanz in der Näbe. einen Vllckien-
schuk weit entiernt. sab ich einen groken weihen
Damvser an der Ansel vorbeisabren. Es war ein
Bankee. eines jener Schiiie mit einer Bagger-
maschine an Bord. wie sie in der Slldsee zu Duken-
den die Lagunen und Korallenbänke nach Perlen-
grllnden durchwllblen. Rck brllllte und winkte. aber
der Damvier war schon weit wea. Und wie ick ibm
nachschaute und dabei die ialsche Perlenkette in msi-
ner Sosentasche füblte. kam mir wie ein Blitz die
Jdee . . .
Das seichte Waller vor dem Uier der Jnsel
wimmelte von Austern. Nicht solcken. wie man sie
bier um einen Gioschen das Dukend bekommt. son-
dern Vurschen. so groh wie eine Untertalle. Jch
begann also. solcke Austern aus dem Wasser zu
bolsn und lle in einen Tllmvel unter ein Risi
zu b"''naon. Doch bevor ich lle dort bineintat nabm
ich die Perlen'schnur. die mich als König von
Palau-Tabu auswies. auseinander und schmuagelte
in iede Auster eine dieser vracktoallen Jmitations-
verlen. Es waren beinabe sechzig Stllck. und nach-
dem ick lle alle in dem Tümvel unterm Riii batte.
setzte ich mich aNs Uier und wartete aui ein Sckiii.
Jch wartete und wartete. Und richtig. eines
Moraens um die Dämmeruna börte ick ein aräh-
liches Eetute von einem Schiii in der Näbe. Jch
«annte. brüllte ..Sallo!" und sckwenkte einen langen
tiast aus Bambus. an dem mein lektes Semd ilat-
srrtc. Und dann sab ich den Damvier im blassen
^icht. ein grohes. weihes Sckiss. Es tutete nock
einmal. dann wark es Anker. ein« Viertelmeile vor
der Jnsel. Zebn Minuten iväter landete eine Scka-
luvve knirschend aui dem Usersand. und aus dem
Boot kletterte behende ein alter. kleiner. dicker
Kerl in einer krumveligen alten Unisorm. Der
Dicke war der Kavitän. Er kletterte die Böickung
am Strand beraui. und als er mich erblickte.
schwenkts ick meine sslagge und ries: ..Aboi!"
„Iawohl. „Aboi". Sie verfluchter Idiot!" rief
der Kavitän und blieb steben. „Was zum Teusel
fällt Jbnen ein. mein Schisf hier zu stovven? Elau-
ben Sie vielleickt. ich lösche meine Kovra bei den
verdammten Kanaken bier aus der Jnsel?"
„Sackte. Alter". sag' ick daraui zum Kavitän.
„Kovra bm. Kovra her. Sie llnd hier herzlick
willkommen. Und mick soll der Eeschwanzte holen.
wenn Sie den kleinen Abstecker an dieie Kllste hier
temals bereuen werden!" Damit nabm ich ihn an
der vand und fübrte ibn zum Strand hinunter an
den Tümvel. wo unter dem Ri'ff die Austern lagen.
Die Sonne war aufgegangen. und ibre Strablen
glitzerten in allen svarben aus der Perle. die ich
mit dem Messer vorllcktia aus der Auster beraus-
sckälte. Der Alte batte vlötzlich etwas Dunkles im
Der Alte staud bis an die Waden im Tümvel
und starrte nock immer aus die Perle in seiner
hoblen tzand. Er vsiii seinen Matrosen. dann
ginaen wir geradewegs zu dem Rifs bin. wo ick
die Auitern gevilanzt batte. Natürlick beiand llck
in ieder eine Perle oder etwas. das wie etne Pevle
ausiab.
Das Ende vom Lied war. dah der Kavitän mich
in der Scha'luvve mit aus sein Sckiii binüber-holte
und nach langem Feilschen hundert nagelneue Fünf-
zigdollarscheine aui den Tiick zäblte für das Recht.
den ^erlenarund rings um Palau-Tabu auszubeu-
ten. Dann nabmen wir Kurs aus Manila. denn
ich batte ibm einaeredet. dah er eine richtiae Bag-
germaschine baben mühte. ebe er mit der Ausbeute
beginnen könnte. Füns Monate iväter tras ich
ibn wieder. Es war am Strand von Honolulu..."
„Und da versekte er dir einen Faustscklag auis
Kinn. alter Sckurke. wie?" iage ick zu Pete. ..We-
gen der 5000 Dollar sür das wertlose Perlenriii.."
„Nein". sagte Pete gevreht. „Leider nicht. Die
Eeschickte iit nock nickt aus. Er kauste llck eine
Baggermasckine und subr damit zur Jniel zurück.
Und dann baagerte er so lange. bis er glücklich
aus eine Bank mit eckten Perlenaustern geriet.."
ttriects» c^sr A-w rkatttm-«-»
Der Rentier Emil Biersack, ein kleiner, unter-
setzter Mann mit graumelierten Haarvn satz am
Stammtisch in der „Krone", stopfte sich gemütlich
eine Pfeife und seine Blicke waren auf die Kell-
nerin Kathi gerichtet, die mit ver'bränkten Armen
hinter dem Schanktisch stand. Eine leichte Miidigkeit
lag auf ihrem blassen Eesicht, den ganzen Tag hatte
fie fest gearbeitet und es war deshalb begreiflich.
datz die Augen der Kathi manchmal vor Müdigkeit
zufielen und sich nach Ruhe sehnten.
Der lange Perpendikel der alten Wanduhr pen-
delte schwermlltig hin und her. Ueber den, Köpfen
der beiden Gäste. die noch am Tisck satzen, schwam-
men dicke, graublaue Rauchwolken.
Emil Bierfack, leerte sein Glas, es war sckon das
vierte. Seine Augen bekamen allmählich einen glä-
sernen Elanz.
„Na Kathi, bist du schon inlld, arms Hascherl?"
scherzte der Rentier, um defsen Mundwinkel ein
spöttisches Lächeln lag. Die Katki rieb sich die
Äugen, erwiderte: „Entschuldigen S', Herr Biersack,
darf ich vielleicht noch ein Elas bringen?" Der
Rentier nickte zustimmend, reichte der Kathi das
leere Glas hin: „Noch eine und dann setz' di' zu
uns her, Katherl", sagte Emil Biersack wohlwol-
lend, indem cr sich eine dickbauchige Ziqarre anzün-
dete. „Es ist wegen der Volksgemeinschaft, die wir
üben müsscn", meinte der Rentier „Jch habe schon
immer gewußt, das; es so kommen muhte, gelt Ka-
therl!"
Kurzes Schweigen folgte. Jm Ofen knisterte
das Feuer. Dicke Schneeflocken wirbelten ans Fen-
ster und die alte Hauskatze streckte sich behaglich auf
der Ofenbank.
Inzwischen hatte die Kathi am Tifch Platz ge-
nommen, sah versonnen vor sich hin. „So ist's recht,
Katherl, gelt die Volksgemeinsckaft ist doch etwas
herrliches, Erhabenes? Man darf gar nicht dran
denken, an die srüheren Zeiten, an die Klassenge-
gensätze, an die widerlichen Parteikiimpie, der Ekel
könnte einem kommen, wenn man sich an diese
schlechte Zeit zurückerinnert", sagte Emil Biersack
und nahm wieder einen kräftigen Schluck.
„Natürlich haben wir alle dazu beigetragen" be-
merkte dcr Gemüsehändler Laver Zirngiebel mit
tonloser, dumpfer Stimme.
„Und ich bin auch nicht abseits gestanden", warf
Emil Biersack ciu. „Schlietzlich versteht es sich von
selbst, datz wir zusammenhalten müssen, eine Ee-
meinschaft bilden, eine wahre Volksaemeinschaft —
So Katherl, und jetzt bringst mir zum Abschlutz noch
a Viertele Roten, den besten, den im Keller hast",
sprach mit sützlicher Stimme Emil Biersack. Und
während die Kathi das Viertele brachte, erschien
der SA.-Mann Holder, grützte: „Heil Hitler! Die
Herren haben wohl auch etwas llbrig fürs Winter-
hilfswerk?" fragte dieser, und stellte eine Sammel-
bllchse auf den Tisch. Die Kathi fingerte zwei Zehn-
pfennig-Stücke aus ihrer Geldtascke, opferte fie.
„Und der Herr Biersack hat auch ein Scherflein
fllr die Armen?" Der Angeredete zoa die Augen-
brauen hoch, runzelte die Stirne und warf zwei
Pfennige in die Büchse.
Mit dem Heil-Erutz verabschiedete stch der SA.-
Mann.
„Haben Sie auch schon so etwas gesehen?" be-
gann nach einer Pauje Emil Viersack zu schimpfen.
„Nicht einmal abends hat man seine Ruhe".
Wieder folgte ein Schweigen.
„Ueber was haben wir eigentlich vorher ge-
sprochen?" untcrbrach Emil Biersack die Ruhe.
„Von der Volksgemeinschaft", antwortete Laver
Zirngiebel.
„Stimmt, von der Volksgemeinschaft, reden wir
lieber wieder von ihr"-sagte der Rentier und be-
stellte noch ein Viertele, um den Aerger zu ver-
gessen.
Euriimcr. Richard: ..Cbrouik eiuer deutsche« Waud»
luua". lSLS — 19?S. Hanseatische VerlagsaustaÜ.
Hamburs.
Zettgeschichte tst bier gcstaltet. nicht tn Tagebuch»
forrn. sonöern als Rechenschaftsleaung der Kamrs-
arbeit öes Dichters um den deutschen Wiederaufbair.
Da steben Briese. Wahlaufrufe, Auszüae aus Büchern,
tramvfreime hübsch nebeneinander. balten dem Iahv»
zebnt gewaltigen Umbruchs den Svieael vor. Euringer
sagt im Vorwort selbst: „Das Berhänanis soll sprcchen,
in öen Fragestellunaen, in den Unznlänalichkeiten. i»
-er stillsten Grübelei des verlassencn Individ»
das nach dcr Gemeinschaft schrie". Das Buch ist Weg.
Gewissensfrage. Verkündung. bletbt Dokument.
Stammlcr. Gcora: ..Jm Herzschlag dcr Diuae"-
Dentscbe Bekenntnisse. Berlaa Geora Westermanu.
Brannschmeia.
Die 142 Seiten starke Sannnluna entbält Sinn-
svrnche zur Neuordnuna des deutschen Staats- und
Bolkslebens. aeboren aus seberischer Kraft um das.
ewiae Reick. Stammler weitz güt. öatz Deutschland dle
Wayl hat. Motor Eurovas oder aber Markt nno
Schlachtseld zu sein. Mm ist als Aukaabe aeaeben.
dem deutlckien Bolk dieles Entweder-Oder beareUlich
zu Machen. Der bald öSiäbriae Dichter weitz b-e
Hergen und die Beaeisteruna zu weckcn. Lanae gcnug
bat man ibn zur Seite aeschoben. Er aebört hente,
nicht zuletzt mit diesem Buch. tn iede ernste Bücherei,
in icbes deutsche Haus.
Abneuvah Zcutraloerlag der NSDAP.. Frz. Ebe»
Nachf.. Münchcu.
lleber kurz oder lana wird öer Ahnenvah obliaato-
rtsche Leattimation werüen. wer dann sckwn Inhabek
dieses Dokumentes tst. erfvart sick manche Schreibe'-ei.
unö bei der dann zu erwartenden Anbäusuna der An-
träae vor allem Zeit. Der Abnenpatz ist der willkom-
mene Ersatz für die zablretckien Urkunden. die sonst
immer wteder beizubrinaen ünd Er verbindet leichtk
Uebersichtlichkeit unö bäördliche Gültigkeit.
Dienstag, den 29. Dezcmber 1938
lRainer Marta Rtlke. 1928 gest.1»
Der Tod ist grotz.
Wir sird die Seinen lachenden Muudes.
Wenn wir uns mitteu im Leben metne«,
wagt er zu weinen
mitten in uns. Rainer Maria Rilke.
1. s^Oi^risri vcrri X/VUI „^M^„^MMMMMM,MM>M„^^M,MM,^^,^,
„O, ich kenne viele Leute zwiscken Kairo und
Kapstadt, auch diesen kleinen slawischen Mann da
unten im Lokal. Man nennt ihn den „Tiger", denn
er ist graufam und unerbittlich wie ein solcher. Wa-
rum verfolgt er Sie?"
Korff antwortete nicht. Sein Mitztrauen gegen
diese Frau nahm plötzlich seste Formen an. Er
fiihlte sich in einer Falle, und sein Eehirn wälzte
»erzweifelt nur den einen Gedanken, wie er ent-
kommen könne. Es schien fast unmöglich. Trotzdem
mutzte es versucht werden; er mutzte fort, sogleich.
Er sprang auf und ging wortlos zur Tür. Mit
einem geschmeidigen Satz warf sich die Frau vor
den Ausgang:
„Bleiben Sie! Ohne mich werden Sie dieses Haus
kaum lebend verlassen. Ich weitz, Sie glauben, datz
ich zn jener Mörderbande gehöre. Es ist nicht der
Fall. Hasne gehört keinem als — sich selbst".
Mit zurllckgebogenem Kopf sah sie unter schatten-
den Lidern stolz und eigenwillig zu ihm auf. Dann
mit plötzlichem Lächeln das zauberiich wie ein Son-
nenstrahl über ihre herben Züge glitt:
„Bleiben Sie, ich bitte!"
llnd als er zauderte, leidenschaftliche Vitte in
der dunklen Stimme:
„Eeben Sie Ihr kostbares Leben in Hasnes
Hände, Afandi! Es wird ihr teurer sein als das
eigene Herzblut!"
Ein schrilles Elockenzeichen llberhob Korff der
Antwort. Die Alte mit dem braunen Ledergesicht
stürzte herein raffte verschiedene Requisiten zusam-
men und lief wieder hinaus. Die Tänzerin nahm
einen riestgen Strautzenfederfächer vom Tisch und
flüsterte, ihn entfaltend, fragend und befehlend zn-
gleich:
„Sie bleiben! Allah jisallimak — Eott schütze
dich!"
Dann war ste fort, die Tür hinter ihr zugefal-
len. Korff hörte den Schlüssel im Schlotz knirschen.
Er war gefangen. Nur halb bernhigt, musterte er
die Umgebung. Einzig ein kleines vergittertes Fen-
ker in halber Wandhöhe kam sür eine Flucht in
Betracht. Er kletterte auf einen Stnht und stellte,
begünstigt von seiner Körperlänge, fest, datz es auf
einen von Mauern umschlossenen brunnenartig
engen Hof blickte. Entmutigt ergab er stch in sein
augenblickliches Schicksal. Meinte es diese Frau
wirklich ehrlich? — Wie eine Antwort drang eine
tiefe, glockenklare Stimme an sein Ohr. Zur Be-
gleitung einer arabischen Laute sang ste, weich tre-
molierend:
„Bin ich dereinst gestorben, o Ersehnter, auf
meinem Erabe werden Tulpen flammen,
Blutrote Tulpen, meiner Lieb' entsprossen, die
auch im Paradies nicht kann vergessen..
Korff lauschte gebannt, stark angepackt von der
intuitiven Erkentnis: die Sängerin war Hasne,
und — ste sang für ihn. Liebte sie ihn? Konnte eine
Frau wie diese mehr empfinden als blotze Leidsn-
schaft? Doch mas kümmerte es ihn! Jm Augenblick
galt es nur, die Eunst, die das Schicksal ihm in der
Zuneigung dieser Frau bot, zu nützen, um der bren-
nenden Eefahr zu entgehen. Den „Tiger" hatte ste
Konitzki, diesen afrikanischen Eeheimagenten der
Sowjets, genannt, und ihre Erklärung, datz sie, eine
Brettldiva, viele Leute zwischen Kairo und Kap-
stadt kenne, war entschieden glaubhafter als ihre
Beteuerung, kein Mitglied jener furchtbaren Ee-
heimorganisation, der Tscheka, zu sein. Doch wie
dem auch sein mochte, er fühlte instinktiv, datz hier
die einzige und letzte Chance für seine Rettung lag.
Ein Geräusch an der Tür lietz ihn herumschnel-
len. Erschrocken sah er, datz stch die Klinke bewegle.
Jn der unsicheren Beleuchtung des Raumes wirkte
dieses fast lautlose Auf und Nkeder unheimlich,
atembeklemmend. Korff starrte auf das zerschrammre
Holz, hinter dem er Konitzkis höhnisch funkelnde
Augen zu sehen, sein verhaltenes Ätmen zu hören
meinte. Wenn er schotz? Korff glitt lautlos zur
Seite, zu Boden, den Browning in der Hand, zu
äutzerster Abwehr bereit. Minuten mit Spannung
geladenen Schweigens vergangen. Nichts rührte sich.
Plötzlich glaubte Korff das Knacken eines Revolver-
abzuges zu hören. Zielend hob er den Arm. Konitzki
war klein. Falls er nicht kniend schotz, mutzte seine
Brust etwa in Türgriffhühe liegen. Jetzt — jetzt —
nein, immer noch nicht. Die nervöse Ueberspannung
trieb dem am Boden Liegenden den Schweitz auf
die Stirn. Verdammt noch mal, wenn nicht endlich
der andere..., dann würde er... Da — Stimmcn.
die eines Mannes, das dunkle Organ einer Frau.
Hasne! Zetzt lachte ste:
„Ja salam — o Himmel! Warum erregst du
dich? Ich weitz nicht, wen du meinst. An meinem
Tisch? Der ist wie ein Taubenschlag — man kommr
und geht, weitze wie schwarze Männer. Wer soll sie
alle behalten? Ein groher, schlanker almani? Mög-
lich. Hier in Kapstadt gibt es eine ganze Menge
davon. Und der an meinem Tisch soll es gewesen
sein, den Jhr sucht? Warnm, wozu? Wichtige Mir-
teilung? Latz mich nachdenken. Da war zuerst Josua
Smith, der Neger-Rechtsanwalt, dann ein iuglizi,
Tommy Danham. Halt! Vielleicht meinst du den —
grotz, schlank, blond? Er begleitete mich zu meiner
Earderobe und kehrte, als ich auftreten mutzte, mit
Ehazal, der Lautenspielerin, du kennst sie, ins Lo-
kal zurück. Dort mutz er sich, ist er nicht inzwischen
gegangen, noch befinden".
Der Mann widersprach laut und wortreich:
„Jnglizi oder almani, er isse noch in deine Garde-
robe. Mache auf!"
„Du bist verrückt! Warum sollte ich Tommy Dan-
ham dort verbergen? Jst er ein Dieb oder Mörder?
„Warum verschlietzt du denn die TLr?"
„Das tue ich immer. Soll ich mich etwa bestehlen
lassen?"
Hasnes Stimme klang tief entrüstet. Der andere
fragte mitztrauisch:
„Wo isse denn Djamile, deine Dienerin?"
„Jch h«lbe sie fortgeschickt. Aber was geht das dich
an? Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Latz mich
zufrieden!"
Der Mann gab nicht nach:
„Mache auf und lafse mich in das Zimmer sehen.
Dann werde ich gehen".
„Bismillah — einen Vlick, damit tch dich los
werde".
Ein Schlüsfel klirrte am Schloh, fatzte aber nicht.
„Der falsche! Du machst mich ganz wirr mii
deinen Reden! Da, sieh!"
Die Tür flog anf und zeigte den dunklen Raum.
Die Tänzerin schaltete Licht ein — die Earderobe
war leer.
„CK Kisn, du hast gesehen, nun geh!"
Die Tür fiel krachend zu, der Riegel schnappte
von innen.
Hasne ging zum Spiegel, setzte fich und warf
den sie verhüllenden Umhang zur Seite. Sie trug
jetzt ein weites Beinkleid und Mieder aus Silber-
brokat. Silbergchänge umrahmten das weiche Oval
ihres Eesichts. Mit gerunzelter Stirn blickte fle i«
den Spiegel, der ihr das Rnhebett an der Rück-
wand des Zimmers zeigte. Jetzt bewegte sich die de«
Diwan vsrhüllende Decke. Wortlos Sckweigcn ge»
bietend, führte Hasne die Hand zum Munde. Dan«
erhob sie sich nnd schlenderte im Zimmer umher,
blieb stehen, schrieb ein paar Worte auf einen Zer->
tel und wars ihn im Vorbeigehen unter den Diwa«.
Es klopfte. Auf Hasnes Frage antwortete ein«
Frauenstimme. Sie lieh Djamile ein.
„Hast du den Reisekorb gebracht? Eut. Packe
alles zusammen, rasch! Wir fahren schon heute nacht
nach Iohannesburg. Veeile dich! Jch habe noch viel
zu tun! Warte! Das Eoldnetz fehlt. Ich lretz es
irgendwo auf der Bühne liegen. Hole es!"
Die Alte rannte davon. Wieder verriegelte Hasn«
hinter ihr die Tür. Dann winkte sie zu dem Diwa«
hinüber. Korffs Eesicht tauchte auf. Die Tänzeri«
kniete veben ihm nieder und flllsterte dicht a«
seinem Ohr:
„In den Korb dort, schnell, bevor Djamile zurück-
kommt! Widersprechen Sie nicht! Es gibt keine aN-
dere Möglichkeit für Sie, zu entkommen, alle Aus-
gänge sind besetzt".
Korff, der sein Versteck verlassen hatte, schüttelte
finster den Kopf. llnter Weiberröcken verborge«
flüchten — nein! Verständnislos, mit böse funkeln-
den Augen, sah Hasne zu ihm auf:
„Diantre! Hochmütiger Satan! Habe ich die Pest-
datz du die Berührung meiner Kleider scheust? S»
28 «i-tivkenstr. 28 >'«1- LUKk- ^
nncl kcimbinierik- rtsrcik- nut 24 Ii-onni Iidi--
scher dich zum Henker, wenn Hasne drr zu schlecht
ist!"'
Mit einer wütenden Eebärde lief sie zur T«*
und entriegelte sie.
„Varra — hinaus!"
Jhre tiefe Stimme rollte dunkel und tückisch wfe
die eines Raubtiers. Korff empfand Reue. Mitlew
mit dieser Frau, deren Opferbereitschaft er durck
eine, wenn auch unbeabsichtigte Kränkung oergolte"
hatte, kämpfte in ihm mit dem Widerwillen gege«
die demütigende Art der Flucht, obwohl diese tstt-
sächlich einzig noch Aussicht auf Rettung bot Seine
Äugen kreuzten sich mit Hasnes funkelndem Blick, r«
dem sich Eiseskälte mit düsterer Elut geheimnisoo«
paarten. „Tochter der Sphinx".
(Fortsetzung solgt.)
„Volksgemeinschaff"
Dienstag. dcu L8. Dcjembcr lbSS
Ätö / ^Vsn Nsinneü ^attsrbaw-^lSm
Ms iL Pete Fogg so vlötzlich vor dem grohen
Dergnügungslokal der Hasenstadt wiederiab. er-
schrak ich bis ins Jnnerste. Pete war in einen ele-
«anten grauen Anzug gekleidet. er trug aus seinem
Hauvt einen weiken Rlzhut mit rotem Band. eine
bellgrüne Krawatts« auoll in kühnem Knoten aus
seinem Kragen. und aui der Krawatte tbronte
eine erbsengroke. weihe. mattschimmernde Perle von
erotischem Glanz. Eenau sechs Aabre waren ver-
gangen. seitdem Pete und ich zuiammen aui der
..Clo''a Brodersen" vor dem Mast gefabren waren.
..Büt du Detektiv geworden. dah du immeriort
so merkwllrdia aui meine Krawatte starrst — oder
was?" sagte Pete. als wir vor einem ordentlichen
Getränk sahen.
..Nein. aber ich muk immerzu diese Perle ani
deiner Krawatte betrachten", sag' ich zu Pete.
..Welch wundervoller Schmelz. Wo bast du sie ber?
Jst üe so wertvoll. wie ne ausiiebt?"
..Jm Gegenteil. sie ist so wertlos wie der ver-
sanlte Kasten von einem Kovraichoner. dem ich sie
verdanke". iagte Pete. in düstere Erinnerungen
versunken. ..Die Geichichte ist ganz kurz. Du bast
die ..Santa Latbarina" ia nicht gekannt. Wir trie-
ben da unter bei den ssidichi-Inseln berum. Eines
Tages lieien wir aui ein Rii? aus. und die ganze
Besakung. ich allein ausgenommen. ertrank. Jch
verstaute noch schnell eine Kiste Wbiskv im Boot.
ebe der Kasten wegsackte. das Boot lieki ich vorm
Wind treiben. Wenn ich Elück batte. tras ich aui
«in Schiii gder eine Insel. Die Sonne brannte.
Weit und v">it nur §>immel und Waner. Nach
iünf Tagen landete ich an einer kleinen Insel.
Nichts als Gestrüvv und ein vaar Kanakenhlltten
kwischen Kokosbäumen. und vor dem U?er ein hal-
bes Dukend Austernbänke. Reizende Leutchen. die
Kanaken. schmillen aleich ibre Pieile und Boqen
kin. als sie mich saken. sübrtsn einen Söllentanz
um mich aui. Sie batten noch ni» vorher einen
Meiiien erblickt. Die Sälite von meinem Wbisky
ging draui. zulekt kam der Aelteste. bängte mir
eine Kette mit vrachtvollen Rmitationsverlen um.
und dann wurde ich zum König erklärt. König
Pete! Na ia. ich nabm die Sachs. wie sie war.
Eines Moraens. als ich gerade über den Strand
schlenderte und nackidachte. wie lanae ich wobl kier
noch Robinion svielen sollte. bekam ich v'löklich
einen Schreck. Eanz in der Näbe. einen Vllckien-
schuk weit entiernt. sab ich einen groken weihen
Damvser an der Ansel vorbeisabren. Es war ein
Bankee. eines jener Schiiie mit einer Bagger-
maschine an Bord. wie sie in der Slldsee zu Duken-
den die Lagunen und Korallenbänke nach Perlen-
grllnden durchwllblen. Rck brllllte und winkte. aber
der Damvier war schon weit wea. Und wie ick ibm
nachschaute und dabei die ialsche Perlenkette in msi-
ner Sosentasche füblte. kam mir wie ein Blitz die
Jdee . . .
Das seichte Waller vor dem Uier der Jnsel
wimmelte von Austern. Nicht solcken. wie man sie
bier um einen Gioschen das Dukend bekommt. son-
dern Vurschen. so groh wie eine Untertalle. Jch
begann also. solcke Austern aus dem Wasser zu
bolsn und lle in einen Tllmvel unter ein Risi
zu b"''naon. Doch bevor ich lle dort bineintat nabm
ich die Perlen'schnur. die mich als König von
Palau-Tabu auswies. auseinander und schmuagelte
in iede Auster eine dieser vracktoallen Jmitations-
verlen. Es waren beinabe sechzig Stllck. und nach-
dem ick lle alle in dem Tümvel unterm Riii batte.
setzte ich mich aNs Uier und wartete aui ein Sckiii.
Jch wartete und wartete. Und richtig. eines
Moraens um die Dämmeruna börte ick ein aräh-
liches Eetute von einem Schiii in der Näbe. Jch
«annte. brüllte ..Sallo!" und sckwenkte einen langen
tiast aus Bambus. an dem mein lektes Semd ilat-
srrtc. Und dann sab ich den Damvier im blassen
^icht. ein grohes. weihes Sckiss. Es tutete nock
einmal. dann wark es Anker. ein« Viertelmeile vor
der Jnsel. Zebn Minuten iväter landete eine Scka-
luvve knirschend aui dem Usersand. und aus dem
Boot kletterte behende ein alter. kleiner. dicker
Kerl in einer krumveligen alten Unisorm. Der
Dicke war der Kavitän. Er kletterte die Böickung
am Strand beraui. und als er mich erblickte.
schwenkts ick meine sslagge und ries: ..Aboi!"
„Iawohl. „Aboi". Sie verfluchter Idiot!" rief
der Kavitän und blieb steben. „Was zum Teusel
fällt Jbnen ein. mein Schisf hier zu stovven? Elau-
ben Sie vielleickt. ich lösche meine Kovra bei den
verdammten Kanaken bier aus der Jnsel?"
„Sackte. Alter". sag' ick daraui zum Kavitän.
„Kovra bm. Kovra her. Sie llnd hier herzlick
willkommen. Und mick soll der Eeschwanzte holen.
wenn Sie den kleinen Abstecker an dieie Kllste hier
temals bereuen werden!" Damit nabm ich ihn an
der vand und fübrte ibn zum Strand hinunter an
den Tümvel. wo unter dem Ri'ff die Austern lagen.
Die Sonne war aufgegangen. und ibre Strablen
glitzerten in allen svarben aus der Perle. die ich
mit dem Messer vorllcktia aus der Auster beraus-
sckälte. Der Alte batte vlötzlich etwas Dunkles im
Der Alte staud bis an die Waden im Tümvel
und starrte nock immer aus die Perle in seiner
hoblen tzand. Er vsiii seinen Matrosen. dann
ginaen wir geradewegs zu dem Rifs bin. wo ick
die Auitern gevilanzt batte. Natürlick beiand llck
in ieder eine Perle oder etwas. das wie etne Pevle
ausiab.
Das Ende vom Lied war. dah der Kavitän mich
in der Scha'luvve mit aus sein Sckiii binüber-holte
und nach langem Feilschen hundert nagelneue Fünf-
zigdollarscheine aui den Tiick zäblte für das Recht.
den ^erlenarund rings um Palau-Tabu auszubeu-
ten. Dann nabmen wir Kurs aus Manila. denn
ich batte ibm einaeredet. dah er eine richtiae Bag-
germaschine baben mühte. ebe er mit der Ausbeute
beginnen könnte. Füns Monate iväter tras ich
ibn wieder. Es war am Strand von Honolulu..."
„Und da versekte er dir einen Faustscklag auis
Kinn. alter Sckurke. wie?" iage ick zu Pete. ..We-
gen der 5000 Dollar sür das wertlose Perlenriii.."
„Nein". sagte Pete gevreht. „Leider nicht. Die
Eeschickte iit nock nickt aus. Er kauste llck eine
Baggermasckine und subr damit zur Jniel zurück.
Und dann baagerte er so lange. bis er glücklich
aus eine Bank mit eckten Perlenaustern geriet.."
ttriects» c^sr A-w rkatttm-«-»
Der Rentier Emil Biersack, ein kleiner, unter-
setzter Mann mit graumelierten Haarvn satz am
Stammtisch in der „Krone", stopfte sich gemütlich
eine Pfeife und seine Blicke waren auf die Kell-
nerin Kathi gerichtet, die mit ver'bränkten Armen
hinter dem Schanktisch stand. Eine leichte Miidigkeit
lag auf ihrem blassen Eesicht, den ganzen Tag hatte
fie fest gearbeitet und es war deshalb begreiflich.
datz die Augen der Kathi manchmal vor Müdigkeit
zufielen und sich nach Ruhe sehnten.
Der lange Perpendikel der alten Wanduhr pen-
delte schwermlltig hin und her. Ueber den, Köpfen
der beiden Gäste. die noch am Tisck satzen, schwam-
men dicke, graublaue Rauchwolken.
Emil Bierfack, leerte sein Glas, es war sckon das
vierte. Seine Augen bekamen allmählich einen glä-
sernen Elanz.
„Na Kathi, bist du schon inlld, arms Hascherl?"
scherzte der Rentier, um defsen Mundwinkel ein
spöttisches Lächeln lag. Die Katki rieb sich die
Äugen, erwiderte: „Entschuldigen S', Herr Biersack,
darf ich vielleicht noch ein Elas bringen?" Der
Rentier nickte zustimmend, reichte der Kathi das
leere Glas hin: „Noch eine und dann setz' di' zu
uns her, Katherl", sagte Emil Biersack wohlwol-
lend, indem cr sich eine dickbauchige Ziqarre anzün-
dete. „Es ist wegen der Volksgemeinschaft, die wir
üben müsscn", meinte der Rentier „Jch habe schon
immer gewußt, das; es so kommen muhte, gelt Ka-
therl!"
Kurzes Schweigen folgte. Jm Ofen knisterte
das Feuer. Dicke Schneeflocken wirbelten ans Fen-
ster und die alte Hauskatze streckte sich behaglich auf
der Ofenbank.
Inzwischen hatte die Kathi am Tifch Platz ge-
nommen, sah versonnen vor sich hin. „So ist's recht,
Katherl, gelt die Volksgemeinsckaft ist doch etwas
herrliches, Erhabenes? Man darf gar nicht dran
denken, an die srüheren Zeiten, an die Klassenge-
gensätze, an die widerlichen Parteikiimpie, der Ekel
könnte einem kommen, wenn man sich an diese
schlechte Zeit zurückerinnert", sagte Emil Biersack
und nahm wieder einen kräftigen Schluck.
„Natürlich haben wir alle dazu beigetragen" be-
merkte dcr Gemüsehändler Laver Zirngiebel mit
tonloser, dumpfer Stimme.
„Und ich bin auch nicht abseits gestanden", warf
Emil Biersack ciu. „Schlietzlich versteht es sich von
selbst, datz wir zusammenhalten müssen, eine Ee-
meinschaft bilden, eine wahre Volksaemeinschaft —
So Katherl, und jetzt bringst mir zum Abschlutz noch
a Viertele Roten, den besten, den im Keller hast",
sprach mit sützlicher Stimme Emil Biersack. Und
während die Kathi das Viertele brachte, erschien
der SA.-Mann Holder, grützte: „Heil Hitler! Die
Herren haben wohl auch etwas llbrig fürs Winter-
hilfswerk?" fragte dieser, und stellte eine Sammel-
bllchse auf den Tisch. Die Kathi fingerte zwei Zehn-
pfennig-Stücke aus ihrer Geldtascke, opferte fie.
„Und der Herr Biersack hat auch ein Scherflein
fllr die Armen?" Der Angeredete zoa die Augen-
brauen hoch, runzelte die Stirne und warf zwei
Pfennige in die Büchse.
Mit dem Heil-Erutz verabschiedete stch der SA.-
Mann.
„Haben Sie auch schon so etwas gesehen?" be-
gann nach einer Pauje Emil Viersack zu schimpfen.
„Nicht einmal abends hat man seine Ruhe".
Wieder folgte ein Schweigen.
„Ueber was haben wir eigentlich vorher ge-
sprochen?" untcrbrach Emil Biersack die Ruhe.
„Von der Volksgemeinschaft", antwortete Laver
Zirngiebel.
„Stimmt, von der Volksgemeinschaft, reden wir
lieber wieder von ihr"-sagte der Rentier und be-
stellte noch ein Viertele, um den Aerger zu ver-
gessen.
Euriimcr. Richard: ..Cbrouik eiuer deutsche« Waud»
luua". lSLS — 19?S. Hanseatische VerlagsaustaÜ.
Hamburs.
Zettgeschichte tst bier gcstaltet. nicht tn Tagebuch»
forrn. sonöern als Rechenschaftsleaung der Kamrs-
arbeit öes Dichters um den deutschen Wiederaufbair.
Da steben Briese. Wahlaufrufe, Auszüae aus Büchern,
tramvfreime hübsch nebeneinander. balten dem Iahv»
zebnt gewaltigen Umbruchs den Svieael vor. Euringer
sagt im Vorwort selbst: „Das Berhänanis soll sprcchen,
in öen Fragestellunaen, in den Unznlänalichkeiten. i»
-er stillsten Grübelei des verlassencn Individ»
das nach dcr Gemeinschaft schrie". Das Buch ist Weg.
Gewissensfrage. Verkündung. bletbt Dokument.
Stammlcr. Gcora: ..Jm Herzschlag dcr Diuae"-
Dentscbe Bekenntnisse. Berlaa Geora Westermanu.
Brannschmeia.
Die 142 Seiten starke Sannnluna entbält Sinn-
svrnche zur Neuordnuna des deutschen Staats- und
Bolkslebens. aeboren aus seberischer Kraft um das.
ewiae Reick. Stammler weitz güt. öatz Deutschland dle
Wayl hat. Motor Eurovas oder aber Markt nno
Schlachtseld zu sein. Mm ist als Aukaabe aeaeben.
dem deutlckien Bolk dieles Entweder-Oder beareUlich
zu Machen. Der bald öSiäbriae Dichter weitz b-e
Hergen und die Beaeisteruna zu weckcn. Lanae gcnug
bat man ibn zur Seite aeschoben. Er aebört hente,
nicht zuletzt mit diesem Buch. tn iede ernste Bücherei,
in icbes deutsche Haus.
Abneuvah Zcutraloerlag der NSDAP.. Frz. Ebe»
Nachf.. Münchcu.
lleber kurz oder lana wird öer Ahnenvah obliaato-
rtsche Leattimation werüen. wer dann sckwn Inhabek
dieses Dokumentes tst. erfvart sick manche Schreibe'-ei.
unö bei der dann zu erwartenden Anbäusuna der An-
träae vor allem Zeit. Der Abnenpatz ist der willkom-
mene Ersatz für die zablretckien Urkunden. die sonst
immer wteder beizubrinaen ünd Er verbindet leichtk
Uebersichtlichkeit unö bäördliche Gültigkeit.
Dienstag, den 29. Dezcmber 1938
lRainer Marta Rtlke. 1928 gest.1»
Der Tod ist grotz.
Wir sird die Seinen lachenden Muudes.
Wenn wir uns mitteu im Leben metne«,
wagt er zu weinen
mitten in uns. Rainer Maria Rilke.
1. s^Oi^risri vcrri X/VUI „^M^„^MMMMMM,MM>M„^^M,MM,^^,^,
„O, ich kenne viele Leute zwiscken Kairo und
Kapstadt, auch diesen kleinen slawischen Mann da
unten im Lokal. Man nennt ihn den „Tiger", denn
er ist graufam und unerbittlich wie ein solcher. Wa-
rum verfolgt er Sie?"
Korff antwortete nicht. Sein Mitztrauen gegen
diese Frau nahm plötzlich seste Formen an. Er
fiihlte sich in einer Falle, und sein Eehirn wälzte
»erzweifelt nur den einen Gedanken, wie er ent-
kommen könne. Es schien fast unmöglich. Trotzdem
mutzte es versucht werden; er mutzte fort, sogleich.
Er sprang auf und ging wortlos zur Tür. Mit
einem geschmeidigen Satz warf sich die Frau vor
den Ausgang:
„Bleiben Sie! Ohne mich werden Sie dieses Haus
kaum lebend verlassen. Ich weitz, Sie glauben, datz
ich zn jener Mörderbande gehöre. Es ist nicht der
Fall. Hasne gehört keinem als — sich selbst".
Mit zurllckgebogenem Kopf sah sie unter schatten-
den Lidern stolz und eigenwillig zu ihm auf. Dann
mit plötzlichem Lächeln das zauberiich wie ein Son-
nenstrahl über ihre herben Züge glitt:
„Bleiben Sie, ich bitte!"
llnd als er zauderte, leidenschaftliche Vitte in
der dunklen Stimme:
„Eeben Sie Ihr kostbares Leben in Hasnes
Hände, Afandi! Es wird ihr teurer sein als das
eigene Herzblut!"
Ein schrilles Elockenzeichen llberhob Korff der
Antwort. Die Alte mit dem braunen Ledergesicht
stürzte herein raffte verschiedene Requisiten zusam-
men und lief wieder hinaus. Die Tänzerin nahm
einen riestgen Strautzenfederfächer vom Tisch und
flüsterte, ihn entfaltend, fragend und befehlend zn-
gleich:
„Sie bleiben! Allah jisallimak — Eott schütze
dich!"
Dann war ste fort, die Tür hinter ihr zugefal-
len. Korff hörte den Schlüssel im Schlotz knirschen.
Er war gefangen. Nur halb bernhigt, musterte er
die Umgebung. Einzig ein kleines vergittertes Fen-
ker in halber Wandhöhe kam sür eine Flucht in
Betracht. Er kletterte auf einen Stnht und stellte,
begünstigt von seiner Körperlänge, fest, datz es auf
einen von Mauern umschlossenen brunnenartig
engen Hof blickte. Entmutigt ergab er stch in sein
augenblickliches Schicksal. Meinte es diese Frau
wirklich ehrlich? — Wie eine Antwort drang eine
tiefe, glockenklare Stimme an sein Ohr. Zur Be-
gleitung einer arabischen Laute sang ste, weich tre-
molierend:
„Bin ich dereinst gestorben, o Ersehnter, auf
meinem Erabe werden Tulpen flammen,
Blutrote Tulpen, meiner Lieb' entsprossen, die
auch im Paradies nicht kann vergessen..
Korff lauschte gebannt, stark angepackt von der
intuitiven Erkentnis: die Sängerin war Hasne,
und — ste sang für ihn. Liebte sie ihn? Konnte eine
Frau wie diese mehr empfinden als blotze Leidsn-
schaft? Doch mas kümmerte es ihn! Jm Augenblick
galt es nur, die Eunst, die das Schicksal ihm in der
Zuneigung dieser Frau bot, zu nützen, um der bren-
nenden Eefahr zu entgehen. Den „Tiger" hatte ste
Konitzki, diesen afrikanischen Eeheimagenten der
Sowjets, genannt, und ihre Erklärung, datz sie, eine
Brettldiva, viele Leute zwischen Kairo und Kap-
stadt kenne, war entschieden glaubhafter als ihre
Beteuerung, kein Mitglied jener furchtbaren Ee-
heimorganisation, der Tscheka, zu sein. Doch wie
dem auch sein mochte, er fühlte instinktiv, datz hier
die einzige und letzte Chance für seine Rettung lag.
Ein Geräusch an der Tür lietz ihn herumschnel-
len. Erschrocken sah er, datz stch die Klinke bewegle.
Jn der unsicheren Beleuchtung des Raumes wirkte
dieses fast lautlose Auf und Nkeder unheimlich,
atembeklemmend. Korff starrte auf das zerschrammre
Holz, hinter dem er Konitzkis höhnisch funkelnde
Augen zu sehen, sein verhaltenes Ätmen zu hören
meinte. Wenn er schotz? Korff glitt lautlos zur
Seite, zu Boden, den Browning in der Hand, zu
äutzerster Abwehr bereit. Minuten mit Spannung
geladenen Schweigens vergangen. Nichts rührte sich.
Plötzlich glaubte Korff das Knacken eines Revolver-
abzuges zu hören. Zielend hob er den Arm. Konitzki
war klein. Falls er nicht kniend schotz, mutzte seine
Brust etwa in Türgriffhühe liegen. Jetzt — jetzt —
nein, immer noch nicht. Die nervöse Ueberspannung
trieb dem am Boden Liegenden den Schweitz auf
die Stirn. Verdammt noch mal, wenn nicht endlich
der andere..., dann würde er... Da — Stimmcn.
die eines Mannes, das dunkle Organ einer Frau.
Hasne! Zetzt lachte ste:
„Ja salam — o Himmel! Warum erregst du
dich? Ich weitz nicht, wen du meinst. An meinem
Tisch? Der ist wie ein Taubenschlag — man kommr
und geht, weitze wie schwarze Männer. Wer soll sie
alle behalten? Ein groher, schlanker almani? Mög-
lich. Hier in Kapstadt gibt es eine ganze Menge
davon. Und der an meinem Tisch soll es gewesen
sein, den Jhr sucht? Warnm, wozu? Wichtige Mir-
teilung? Latz mich nachdenken. Da war zuerst Josua
Smith, der Neger-Rechtsanwalt, dann ein iuglizi,
Tommy Danham. Halt! Vielleicht meinst du den —
grotz, schlank, blond? Er begleitete mich zu meiner
Earderobe und kehrte, als ich auftreten mutzte, mit
Ehazal, der Lautenspielerin, du kennst sie, ins Lo-
kal zurück. Dort mutz er sich, ist er nicht inzwischen
gegangen, noch befinden".
Der Mann widersprach laut und wortreich:
„Jnglizi oder almani, er isse noch in deine Garde-
robe. Mache auf!"
„Du bist verrückt! Warum sollte ich Tommy Dan-
ham dort verbergen? Jst er ein Dieb oder Mörder?
„Warum verschlietzt du denn die TLr?"
„Das tue ich immer. Soll ich mich etwa bestehlen
lassen?"
Hasnes Stimme klang tief entrüstet. Der andere
fragte mitztrauisch:
„Wo isse denn Djamile, deine Dienerin?"
„Jch h«lbe sie fortgeschickt. Aber was geht das dich
an? Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Latz mich
zufrieden!"
Der Mann gab nicht nach:
„Mache auf und lafse mich in das Zimmer sehen.
Dann werde ich gehen".
„Bismillah — einen Vlick, damit tch dich los
werde".
Ein Schlüsfel klirrte am Schloh, fatzte aber nicht.
„Der falsche! Du machst mich ganz wirr mii
deinen Reden! Da, sieh!"
Die Tür flog anf und zeigte den dunklen Raum.
Die Tänzerin schaltete Licht ein — die Earderobe
war leer.
„CK Kisn, du hast gesehen, nun geh!"
Die Tür fiel krachend zu, der Riegel schnappte
von innen.
Hasne ging zum Spiegel, setzte fich und warf
den sie verhüllenden Umhang zur Seite. Sie trug
jetzt ein weites Beinkleid und Mieder aus Silber-
brokat. Silbergchänge umrahmten das weiche Oval
ihres Eesichts. Mit gerunzelter Stirn blickte fle i«
den Spiegel, der ihr das Rnhebett an der Rück-
wand des Zimmers zeigte. Jetzt bewegte sich die de«
Diwan vsrhüllende Decke. Wortlos Sckweigcn ge»
bietend, führte Hasne die Hand zum Munde. Dan«
erhob sie sich nnd schlenderte im Zimmer umher,
blieb stehen, schrieb ein paar Worte auf einen Zer->
tel und wars ihn im Vorbeigehen unter den Diwa«.
Es klopfte. Auf Hasnes Frage antwortete ein«
Frauenstimme. Sie lieh Djamile ein.
„Hast du den Reisekorb gebracht? Eut. Packe
alles zusammen, rasch! Wir fahren schon heute nacht
nach Iohannesburg. Veeile dich! Jch habe noch viel
zu tun! Warte! Das Eoldnetz fehlt. Ich lretz es
irgendwo auf der Bühne liegen. Hole es!"
Die Alte rannte davon. Wieder verriegelte Hasn«
hinter ihr die Tür. Dann winkte sie zu dem Diwa«
hinüber. Korffs Eesicht tauchte auf. Die Tänzeri«
kniete veben ihm nieder und flllsterte dicht a«
seinem Ohr:
„In den Korb dort, schnell, bevor Djamile zurück-
kommt! Widersprechen Sie nicht! Es gibt keine aN-
dere Möglichkeit für Sie, zu entkommen, alle Aus-
gänge sind besetzt".
Korff, der sein Versteck verlassen hatte, schüttelte
finster den Kopf. llnter Weiberröcken verborge«
flüchten — nein! Verständnislos, mit böse funkeln-
den Augen, sah Hasne zu ihm auf:
„Diantre! Hochmütiger Satan! Habe ich die Pest-
datz du die Berührung meiner Kleider scheust? S»
28 «i-tivkenstr. 28 >'«1- LUKk- ^
nncl kcimbinierik- rtsrcik- nut 24 Ii-onni Iidi--
scher dich zum Henker, wenn Hasne drr zu schlecht
ist!"'
Mit einer wütenden Eebärde lief sie zur T«*
und entriegelte sie.
„Varra — hinaus!"
Jhre tiefe Stimme rollte dunkel und tückisch wfe
die eines Raubtiers. Korff empfand Reue. Mitlew
mit dieser Frau, deren Opferbereitschaft er durck
eine, wenn auch unbeabsichtigte Kränkung oergolte"
hatte, kämpfte in ihm mit dem Widerwillen gege«
die demütigende Art der Flucht, obwohl diese tstt-
sächlich einzig noch Aussicht auf Rettung bot Seine
Äugen kreuzten sich mit Hasnes funkelndem Blick, r«
dem sich Eiseskälte mit düsterer Elut geheimnisoo«
paarten. „Tochter der Sphinx".
(Fortsetzung solgt.)