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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0143

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^Phon-Anschluß Nr. 82.



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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Erstes Klatt. Mlmch, den 8. Mm

1899.

Vom Grafen Caprivi.
. Die Berl. Neuest. Nachr. führen ein Wort an, das
^ soeben verstorbene ehemalige Reichskanzler Graf von
„ä vriv i bei Antritt seines Amtes zu seinem Amtsvor-
^Mer, Fürsten Bismarck, gesprochen habe: „Ich gehe
,. die Geschäfte wie in eine dunkle Stube, in sechs Wochen
'u ich ein todter Mann." Aus den sechs Wochen sind
chr als 4'/r Jahre geworden und eine unbefangene Be-
Milung wird mit der Straßb. Post anerkennen müssen,
ag dieser „schlichte preußische General," wie ihn der Kaiser
als er ihn wegen seiner Verdienste um den Ab-
a ^ Handelsverträge in den Grafenstand versetzte,
ahrend seiner Amtszeit manch große Erfolge zu ver-
schrien hatte, die gewaltige Vermehrung unseres Heeres,
Sicherung des deutschen Handels und Gewerbesleißcs
. die Handelsverträge, die Befestigung und Vertiefung
ez Dreibundes, die Pflege guter internationaler Be-
dungen. „Aber", schreibt, die Köln. Ztg., „alle diese
° °Kcn Erfolge waren verbunden mit den schwersten und
'"ersten Parteikämpfen im Innern, mit einer Zerfahren-
st und Gehässigkeit des Fractionstreibens sondergleichen,
alz vollends die Zedlitzsche Schulvorlage auch die bis
"hin zusammcnhaltendcn alten Cartellparteien verfeindet
die konservativen auf die schlimmsten Abwege re-
gionärer Demagogie getrieben hatte, da wurde die Lage
^ Grafen Caprivi von Monat zu Monat unhaltbarer,
Mal er das Ministerprüsidium in Preußen abgegeben
^ tft und der neue Ministerpräsident Graf Bot) o Eulen-
"rg immer weiter von ihm abrücktc. Es ist dem Grafen Caprivi
gelungen, die gefährliche Richtung zu durchkreuzen, welche
ras Eulenburg durch den Erlaß eines glücklicher-
weise weiteren Kreisen unbekannt gebliebenen
^vertriebenen Socialistengesetzes einzuschlagen
fluchte, dann aber kamen jene Tage der Jagd in Lieben-
^3/ welche für beide Herren die endgiltige Verabschiedung
g 2tz. October 1894 zur Folge hatten." Graf Caprivi
M zunächst zu seiner „Seelencur", wie er sich aus-
Uckte, eine Reise ins Ausland an und ließ sich dann
i dem seinem Neffen v. Schierstädt gehörenden Gute
ihren bei Crossen im Regierungsbezirk Frankfurt an der
^der nieder. Dort hatten sich seine Verwandten, General
.' Müller und Frau, ein eigenes Wohnhaus errichtet und
diesem ihm eine Wohnung eingeräumt. Nur selten
M'eß er Skyren, um kurze Besuche bei seinem in Potsdam
Zi Ruhestande als Generalleutnant lebenden Bruder und in
. gl'n zu machen, wo er in einem bescheidenen Gasthof
li!I ^ü'üggrätzerstraße einzukehreu pflegte. Von allen amt-
Hen Beziehungen hielt er sich möglichst fern, er wurde
.,Mer einsamer und einsamer, und nur wenige Freunde
alter Zeit erhielten noch hier und da Lebenszeichen
^ u ihm. Nur noch einmal ist in den letzten Jahren
Grafen Caprivi in der Oeffentlichkeit die Rede ge-
eien. ^ wurde im September 1897 nach dem Tode
.E» Generals v. Albedyll vom Kaiser zum Domcapitular
Domcapitels zu Brandenburg ernannt und damit
M. jüngsten Mitgliede dieses Capitels, dessen Senior
Botho Eulcnburg noch heute ist. Daß Graf Caprivi
, ^Würdigkeiten seines Lebens hinterlassen habe, wird
Zweifelt.
g. Der Neffe des verstorbenen Grafen v. Caprivi,
^»eral v. Müller, erhielt folgendes Telegramm des
yMsers: „General v. Müller, Skyren. Soeben von der
b ericht von dem Hinscheiden Ihres Onkels, des Generals
^ Infanterie Grafen v. Caprivi, überrascht, spreche
Ihnen und der Familie des Heimgegangenen meine
^Mahrnvolle Mittrauer aus. Als Soldat von seinen
y ^gshcrren immer hochgeschätzt, als Reichskanzler mein
^ "tsfieudigcr, überzengungstreucr Mitarbeiter, hat Graf
xz Urivi auch in der Zurückgezogenheit seiner Jnactivität
b'Mslanden, sich die Anerkennung und Dankbarkeit seines
"uigs und Kaisers zu erwerben. Wilhelm I. k."
^ Rach dem Crosscner Wochenbl. richtete die Kaiserin
cvAudes Telegramm an Generalleutnant v. Caprivi:
spreche Ihnen und Ihrer Familie beim Hinscheiden
in Krieg und Frieden hochverdienten und von mir
^Merehrten Bruders meine innigste und aufrichtigste
H-.Ellnahme aus. Seine überall bewährte echt ritterliche
yMe und offenbare Selbstlosigkeit werden mir stets un-
tz^Esscn iein." — Der König von Württemberg, die
^ "hherzöge von Baden, Oldenburg und Sachsen, der
^ut von Braunschweig sandten Beilcidsdepeschen,
.M König der Belgier, der Reichskanzler, der Reichs-
kvx^üiident, der commandirende General des X. Armee-
kktsi i?' Scebeck, und andere mehr. Mehrere Regimenter
tz "°cn Abordnungen zum Begräbniß. Kaiser Franz
^trttu ^ Mgraphirte an General v. Müller: Aufrichtig
über das Hinscheiden des Generals der Infanterie
c? Caprivi, in dem Kaiser Wilhelm einen in Krieg
^er, bden bewährten Soldaten und einen seinem Herr-
>>ixj "eu ergebenen Patrioten betrauert, spreche ich Ihnen
hM Theilnahme aus. Franz Josef. — Die Groß-
tzxj?°8in von Baden sprach ebenfalls telegraphisch ihr
aus und wird einen Kranz spenden,
d. ^ Aufträge des Kaisers wohnt Generaladjutant
d. ^Msen he,: Beerdigung des Generals Grafen

wi bei.

Infolge des Ablebens des Grafen Caprivi
haben sowohl der Reichskanzler Fürst Hohenlohe wie der
Staatssekretär des Reichsjustizamts, vr. Nicberding, die
parlamentarischen Essen abgesagt, welche am Beerdigungs-
tage, 9. Februar, bei ihnen stattfinden sollten. Der
Reichskanzler hatte die Absicht, selbst sich zur Beisetzung
nach Skyren zu begeben, muß aber auf den Wunsch seines
Arztes mit Rücksicht auf die jetzige Witterung auf die
Fahrt verzichten. Mit seiner Stellvertretung hat er den
Staatssekretär des Reichsamtes des Innern, Ür. Grafen
v. Posadowsky, beauftragt. Ebenso werden der Staatssecretär
des Reichsjustizamts, I)r. Nieberding, und der Staats-
secrelär des Reichsmarineamts, Tirpitz, sich am Donners-
tag nach Skyren begeben. Der Vortragende Rath in der
Reichskanzlei Geheimer Oberregicrungsrath Günther, wird
sich ihnen anschließen.

Deutsches Reich
— Der dem Reichstage zugegangene Gesetzentwurf,
betr. einige Aenderun gen der Bestimmungen über
das Postwescn bestimmt zunächst, daß das Porto für
den frankirten gewöhnlichen Brief bis zum Gewicht von
20 Gramm 10 Pfg. beträgt, darüber hinaus 20 Pfg.
Bei unfrankirten oder nicht genügend frankirten Briefen
tritt ein Zuschlagsporto von 10 Pfg. ein. Der Reichs-
kanzler ist ermächtigt, den Geltungsbereich der Ortstaxe
auf Nachbarorte auszudehnen. Die Zeitungsgebühr
beträgt: a) 10 Pfg. für jede Bezugszeit ohne Rücksicht
auf deren Dauer, b) 15 Pfg. jährlich für das wöchentlich
einmalige oder seltenere Erscheinen sowie 15 Pfg. jährlich
mehr für jede weitere Ausgabe in der Woche, 0) 10 Pfg.
jährlich für jedes Kilogramm des Jahresgewichts, min-
destens jedoch 40 Pfg. jährlich für jede Zeitung. Das
Gewicht der Zeitungen wird alljährlich von der Postbe-
hördc für einen Zeitraum von zwei Wochen ermittelt. Der
zweite Artikel des Gesetzentwurfs handelt vom Post-
regal und bestimmt zunächst, daß der Postzwang auch
Anwendung findet auf verschlossene und solchen gleich zu
achtende Briefe, die innerhalb der Gemeindegrenzen ihres
mit einer Postanstalt versehenen Ursprungsorttes verbleiben.
Die Beförderung von Briefen und politischen Zeitungen
gegen Bezahlung durch express e Boten oder Fuhren
ist gestattet, doch darf ein solcher Expresser nur von einem
Absender abgeschickt sein, postzwangspflichtige Gegenstände
nur bis zum Gcsammtgcwicht von 5 Kg. befördern und
dem Postzwang unterliegende Gegenstände weder von
andern mitnehmen, noch für andere zurückbringen. Wäh-
rend der Beförderung darf ein Wechsel in der Person des
Boten nicht statlfindcn. Artikel 4. Den vor dem 1. April
1898 eingerichteten und seitdem bis zur Verkündigung
dieses Gesetzes ohne Unterbrechung betriebenen Privat-
b e f ö r d e r u n g s a n st a l t e n und ihren Bediensteten,
die infolge dieses Gesetzes Schaden erleiden, sind Entschä-
digungen nach den folgenden Bestimmungen zu gewähren:
a) Der den Anstalten zu ersetzende Schaden umfaßt auch
den entgangenen Gewinn. Die Feststellung des entgange-
nen Gewinns richtet sich nach Z 252 des Bürgerlichen
Gesetzbuches, jedoch darf die Entschädigung für den ent-
gangenen Gewinn in keinem Falle das Achtfache des jähr-
lichen Reingewinns übersteigen, den die Anstalt im Durch-
schnitte der vor dem 1. April 1899 liegenden drei Ge-
schäftsjahre erzielt H it. Auch für das Personal solcher
Anstalten setzt die Vorlage eine Entschädigung fest.
— In der Budgetcommisston des Reichstags erklärte
Kriegsminister v. Goßler, weder die Einführung eines
neuen Gewehres noch neuer Munition sei beabsichtigt. Der
Militäretat wurde erledigt.
— In allernächster Zeit wird dem Bundcsrath eine
Verordnung betreffend die Regelung der Arbeits-
zeit im Müllcreigewerbe zugehen. Wie die Berl.
Pol. Nachr. hören, wird man nicht den in der Bäckerei-
verordnung eingeschlagenen Weg gehen, sondern sich auf
die Festsetzung von Minimalruhezeiten beschränken.
Deutscher Reichstag. Berlin, 7. Febr. Vor Eintritt
in die Tagesordnung ergreift der Präsident Graf Balle-
strcm zu einem Nachruf für den verstorbenen ehe-
maligen Reichskanzler Grafen v. Caprivi daS
Wort: „Wenige Wochen nach dem Heimgange seines
großen Amtsvorgängers ist der zweite Kanzler des deutschen
Reiches von Gott aus der Zeitlichkeit abberufen worden.
Der Reichskanzler Graf Caprivi hat als Staatsmann ge-
wiß nicht an die Größe seines berühmten Vorgängers
herangereicht, aber auch er war ein Mann, der Deutsch-
lands Wohl gefördert hat und dem es auch nicht an Größe
gebrach. Er war groß in der unwandelbaren Pflichttreue
und der unbedingten Hingebung an seinen kaiserlichen Herrn
und das deutsche Vaterland. Er war groß auch in der
ehrenhaften und wahrhaft ritterlichen Gesinnung. (Bravo.)
Es wird das Bild des zweiten Kanzlers in Zukunft im
deutschen Volke bestehen als das Bild eines Ritters ohne
Furcht und Tadel." (Bravo!) Der Präsident fordert die
Mitglieder des Reichstags auf, sich zum Andenken des
Verstorbenen von den Sitzen zu erheben, was geschieht.
Darauf folgt die Weiterberathung des Postctats.
Die einmaligen Ausgaben werden ohne Erörterung genehmigt.

Beim Etat der Reichsdruckerei macht der Berichterstatter Dr.
Paasche Mittheilungen über den Fall Grünenthal und gibt
Kenntniß von der Erklärung des Staatssekretärs in der Budget-
kommission, daß der Wiederkehr solcher Betrügereien vorge-
beugt sei.
Der Etat wird bewilligt.
Bei der sich bieran anschließenden Berathung der Novelle
zum Bankgesetz führt Staatssekretär Dc. Graf von Posa-
dowsky ans, die Vorlage halte sich an die bestehende Grund-
lage. Bei einer Verstaatlichung der Reichsbank würde die all-
gemeine Reichsverwaltung von der Retchsbankverwaltung nicht
zu trennen sein. Ob eine so eingehende Kontrole der Reichs-
bank, wie sie dann nothwendig wäre, möglich wäre, sei mindestens
zweifelhaft. Die Contingentirung würde auch fortfallen müssen.
Außerdem müßten alle Privatbanken fallen. Es sei auch zweifel-
haft, ob die Geschäfte der Reichsbank in ihrem bisherigen Um-
fang aufrecht zu erhalten seien. Der Mehrgewinn würde bei der
Verstaatlichung auf 3 Millionen Mark veranschlagt, doch dürfte
dies nicht ausschlaggebend sein, um eine Aenderung des Systems
vorzunehmeu. Die Erhöhung des Grundkapitals halte sich in
sorgfältig abgemessenen Grenzen. Ob wettergehende Forderungen
Erfolg haben würden, sei mindestens zweifelhaft, wie Redner in
eingehenden Betrachtungen ausführt. Die Vorlage solle weder
dem Partikularismus noch dem Kapitalismus dienen. Man
habe an der Reichsbank nur das geändert, was nach 24jähriger
Erfahrung geändert werden mußte.
Abg. Ga mp (Reichsp.): Die Verstaatlichung der Reichsbank
sei keine prinzipielle Frage; aber bis zu einem gewissen Grade
müsse der Reichskanzler Herr der Neichsbank sein. Die Reichs-
bank sei ihrer Verpflichtung, für Handel und Verkehr die nöthigcn
Mittel zu beschaffen, nicht nachgekommen. Der seit 1876 riesig
gesteigerten Produktion habe die Reichsbank nicht ge-
nügt. Ein Vergleich mit Frankreich ziehe nicht, weil Frankreich
wohl kapitalreicher, aber ärmer an industrieller Thätigkeit sei.
Redner formulirt nun eine Anzahl besonderer Wünsche, Erhöhung
des Grundkapitals um 80 Millionen, Contingent von 500 Mill.,
und schließt die Reichsbank müsse auch der Landwirthschaft mög-
lichst billiges Geld zur Verfügung stellen. Es solle ganze Arbeit
geschehen, nicht halbe. (Beifall rechts.)
Abg. Büsing (uat.-lib.): Eine große Mehrheit seiner
Partei stehe auf dem Boden der Vorlage, ohne sich an Einzel-
heiten zu binden. Die jetzige Organisation der Neichsbank be-
währe sich vortrefflich. Die Verstaatlichung wäre der erste Schritt
zur Doppelwährung. Er beantrage eine Kommission von 15 Mit-
gliedern.
Abg. Graf Kanitz (kons.): Eine Verstaatlichung sei nicht
zu besorgen, seine politischen Freunde hielten indessen an der
Ueberführung der Reichsbank in eine Reichsanstalt fest. Er
beantrage eine Kommission von 28 oder wenigstens 21 Mit-
gliedern.
Reichsbankpräsident Dr. Koch: Die Notenbanken seien ein
feines Instrument des Erwerbslebens. An dem Aufblühen von
Handel und Gewerbe habe die Reichsbank einen guten Antheil.
Alle Bedürfnisse seien gleichmäßig berücksichtigt worden. Es
liege daher kein Anlaß vor, an den erprobten Grundsätzen der
Reichsbank zu rütteln. Die weiteren Ausführungen des Redners
gehen bei seiner schnellen Sprechweise auf der Tribüne ver-
loren.
Morgen Weiterberathung. — Donnerstag fällt die Sitzung
wegen der Beerdigung des Altreichskanzlers Grafen Caprivi aus.
Baden. L. 0. Karlsruhe, 6. Febr. Die fort-
schreitende Entwicklung des Alldeutschen Verbandes
veranlaßt dessen Gegner zu einer Bekämpfung, die vor den
eigenartigsten Mitteln nicht zurückschreckt. So wird in
einem Blatte angedeutet, der Alldeutsche Verband werde in
Karlsruhe in eine antisemitische Strömung gerathen.
Solchen Aeußerungen gegenüber legt der Vorstand der
hiesigen Ortsgruppe Werth darauf, zu betonen, daß der
Alldeutsche Verband nicht darnach fragt, welcher politischen
Partei oder welcher Konfession Jemand angehört: er fragt
bloß nach der deutschen Gesinnung und überläßt es dem
persönlichen Ermessen seiner Mitglieder, wie sie sich zur
Frage des Antisemitismus stellen wollen. Jede Erörte-
rung für oder gegen den letzteren ist von den Aufgaben
des Alldeutschen Verbandes ausgeschlossen, der, über den
politischen Parteien stehend, bestrebt ist, politische und kon-
fessionelle Meinungsverschiedenheiten auf dem Boden des
nationalen Gedankens zum Ausgleich und zur Versöhnung
zu bringen. — Dem Bad. Beob. ist in seiner Polemik
gegen den Alldeutschen Verband eine hübsche Aeußerung
entschlüpft. Er tadelt, daß dieser der Reichsregierung
„dreiste Rathschläge" in Betreff von Samoa ertheile. Sehr
nett von einem Oppositionsblatt! Wenn es feststeht, daß
die Reichsregierung alles am besten weiß, warum dann
Opposition? Oder soll vielleicht angedeutet sein, es gebe
im Reich nur eine einzige Stelle, die der Regierung an
Einsicht überlegen ist, nämlich die großen Politiker des
Beobachters?
Braunschweig. Die Sitzung des Landtages vom 3. ds.
war sehr bemerkenswert!). Unter lebhaftem wiederholtem
Beifall des Hauses nahm der Referent der Finanzkommis-
sion, Abg. Kleye, Gelegenheit, einerseits in schärfster
Weise das Vorgehen der preußischen Eisenbahnverwaltung
gegenüber Braunschweig zu verurtheilen, anderseits das
Andenken des Fürsten Bismarck zu ehren und da-
bei wieder einmal auszudrücken, wie die große Mehrheit
der Bevölkerung und namentlich auch des Landtags über
die welfischcn Agitationen denkt.
Redner führte aus, daß der Landtag ein Recht habe, sich gegen
die seit Jahren das Land so sehr schädigende preußische
Eisenbahnpolitik zu wehren. Fürst Bismarck mit
seinem weitansschauenden Blick habe recht gehabt, als er am
8. Januar 1876 für R ei ch s ei s en b a hn e n eingetreten und
gesagt habe: „Ein durch den Erwerb der Privatbahnen ver-
größerter preußischer Staatsbahnbesitz würde nur den preust.
Partikulareinfluß erweitern und ein seine Nachbarn
drückendes verstärktes Uebergewicht Preußens begründen." Das
habe sich speziell auch in Braunschweig bewahrheitet. Es dürfte
angemessen sein, auch im braunschweigischen Landtage einige
Worte des Dankes gegen den Fürsten Bismarck auszusprechenj
 
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