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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0289

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M. 65.

Freiing, de« 17. Mär?

I89S.

Die Beisetzung der Leichen des Fürsten und
der Fürstin Bismarck.
Friedrichsruh, 16. März. Der Kaiser verließ
Berlin um 7 Uhr 50 M. und traf um 11 Uhr 25 M.
hier zur Beisetzung des Fürsten und der Fürstin Bismarck
ein. In seinem Gefolge befanden sich Oberhofmarschall
Graf Eulenburg, der Kommandant des Hauptquartiers
Generalleutnant v. Plessen, Generaladjutant v. Scholl,
Flügeladjutant Major v. Böhm, die Chefs des Militär-
und des Civilcabinets General v. Hahnke und Geh. Rath
v. Lucanus, der Stellvertreter des Chefs des Marine-
cabinets Corvettencapitän v. d. Groben, Leibarzt Dr. Jl-
berg. Als Vertreter des Auswärtigen Amtes kam Staats-
sekretär v. Bülow. Auch eine aus zehn Offizieren und
Unteroffizieren des Seidlitz-Kürassier-Regiments in Magde-
burg bestehende Abordnung unter Führung des Prinzen
Schoenaich-Carolath war anwesend; ferner Bürgermeister
Versmann aus Hamburg als Vertreter des Senats, Graf
Fink v. Finkenstein, Präsident Jungnickel und andere. Am
Bahnübergang vor dem Schlosse nahm eine Ehrencompagnie
des 2. hanseatischen Infanterieregiments Nr. 76 mit Fahne
und Musik Aufstellung. An der Bahre entlang sowie beim
Hohlweg nach dem Mausoleum standen Tausende von Zu-
schauern.
Der Kaiser wurde bei seiner Ankunft vom Fürsten
Herbert Bismarck und dem Grafen Rantzau begrüßt und
ins Schloß geleitet.
Bald nach dem Eintreffen des Kaisers im Schlosse
setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Zunächst wurde
ein lang anhaltender Trommelwirbel geschlagen, worauf
die RegimentSmusik den Choral „Jesus meine Zuversicht"
intonirte. Den Zug eröffnten die Trommler, hierauf die
Musikkapelle des 7V. Infanterie-Regimentes mit der Fahne
des Regiments; hinter den Soldaten schritt der Ortsgeist-
liche Westphal und zwei andere Geistliche. Dann folgte
der Sarg der F ü rstin, abwechselnd getragen von För-
stern und Mitgliedern des Ausgarvereins; dann der Sarg
des Fürsten, den abwechselnd Unteroffiziere der Seyd-
litzkürassiere und Mitglieder des Ansgarvereins trugen.
Unmittelbar hinter dem Sarge schritt der Kais er, ihm zur
Linken Fürst Herbert v. Bis mack, hinter ihnen Graf
Wilhelm v. Bismarck mit Frau v. Arnim. Es
folgte dann Gräfin Wilhelm Bismarck mit ihren
Töchtern, Graf Rantzau mit seinen Söhnen, Graf
Waldersee und das Gefolge des Kaisers. Zwischen
einer langen Reihe von 1500 Fackelträgern — Mitglieder
des Hamburger Reichstagswahlvereins — bewegte sich der
Zug unter den Klängen der Trauermusik und langte Mittags
12 Uhr vor dem Mausoleum an. Hier bildete eine Ehren-
compagnie Spalier. Fürst Herbert machte dem Kaiser die
Meldung. Die Särge wurden niedergesetzt und durch Leute
des Ansgarvereins und Kürassiere ins Mausoleum getragen,
das der Kaiser, Fürst Herbert und das Trauergefolge be-
traten. Die Thüren wurden geschlossen. Eine Doppelreihe
don Förstern stellte sich davor auf. Nach 20 Minuten
gab die Ehrencompagnie 3 Salven ab; damit war die
Feier beendet. Der Kaiser begab sich mit der fürstlichen
Familie um 12'/r Uhr ins Schloß zurück, wo ein kleines
Frühstück bereit war. Um 1 Uhr verließ der Kaiser das
Schloß, vom Fürsten Herbert, den Grafen Bismarck und
Rantzau, Generaloberst Graf Waldersee und Landrath Graf
Finckenstein zum Salonwagen geleitet. Hier verabschiedete
ach der Kaiser herzlich von Allen. Um 1,05 Uhr erfolgte
die Abfahrt.

So hat nunmehr Deutschlands großer Sohn mit sei-
Frau, die ihm eine Stütze auf seinem schweren Weg

war, seine letzte Ruhestätten gefunden. In dem kapellen-
artigen Mausoleum zu Friedrichsruh, das aus Granit und
rheinischen Sandsteinquadern gefügt von der Höhe über
die Wipfel des Sachsenwaldes ins Land hinaus grüßt,
ist Fürst Bismarck nach seinem Wunsche, ihm zur Seite
die Gattin bestattet worden. An seinem Sarkophag hat
man nach seinem hinterlassenen Wunsch die Worte ein-
gemeißelt: „Fürst v. Bismarck, ein treuer, deutscher
Diener Kaiser Wilhelms des Ersten." Der Schmerz,
der , die Nation packte, als am 30. Juli v. Jahres Ms
Herz still stand, das ein langes Leben voll Kampf und
Sorgen aller Gefährdung und Befehdung trotzend, für
das Wohl des deutschen Volkes geschlagen, ist dem treuen
Gedenken an den großen Tobten gewichen und dem Ge-
löbniß, sich nicht in kraftloser sentimentaler Erinnerung an
eine stolze Vergangenheit auszuleben, sondern der Zukunft
muthvoll ins Antlitz zu sehen, und das Erbe unverzagt
und in treuer Hingabe zu hüten, das er dem deutschen
Volke hinterlassen, und es vermehrt den kommenden Ge-
nerationen zu überantworten, zu treuer Hut und weiterer
Arbeit. Bismarcks Ruhestätte wird dem deutschen Volke
ein Ort sein, wohin seine Besten pilgern werden, um dank-
bar sich der Erinnerung au die geniale urdeutsche Kraft
des Gewaltigen hinzugeben und in dieser Erinnerung
neuen Muth und neuen Vorsatz zu gewinnen zu nationalem
Schaffen.

Wochen-Chronik.
(Vom 5. bis zum 11. März.)
März 5.: In Karlsruh e findet eine Lande saussch uß-
sitzung der nationalliberal e'n Partei statt.
„ 5.: In Toulon explodirt ein Pulvermagazin,
wobei 70 Personen das Leben verlieren. Die Explosion
soll auf einen verbrecherischen Anschlag zurückzuführen
sein.
„ 5.: Das Tsungli-Uamen beleidigtJtalien, indem
es die Note des italienischen Gesandten, worin die
Abtretung der San-mun-Bai vorgeschlagen wird, diesem
zurückschickt.
„ 5.: Das neue spairische Kabinet unter Silvela hat sich
konüitutrt. Es ist klerikal-reaktionär-
„ 6.: Der Reichstag nimmt in dritter Lesung das Gesetz
betr. den bayrischen Senat beim Reichsmili-
tärgerichtsho f an.
„ 7.: Der kommandirende Admiral v. Knorr nimmt seinen
Abschied, was mit Organisationsveränderungen in der
Marine zusammenhängt.
„ 8.: Die ö sterr e ich i sch e Regierung beabsichtigt, die
Sprachenfrage in Böhmen auf dem Verord-
nungswege dadurch zu lösen, daß sie ein rein deutsches,
ein rein böhmisches und ein gemischtes Verwaltungs-
gebiet einrichtet.
„ 9.: Der Reichsanzeiger bringt einen amtlichen Bericht
über die Vorgänge in Samoa. Daraus geht hervor,
daß der Vertreter Deutschlands sich vollständig korrekt
benommen hat.
„ 11.: Der capländische Politiker und frühere Premierminister
Cecil Rhodes wird vom deutschen Kaiser
empfangen. Rhodes weilt in Berlin, um sein großes
afrikanisches Telegraphen- und Bahnprojekt zu be-
treiben.

Deutsches Reich.
— Nach dem Berliner Lokalanzeiger erhielt Cecil
Rhodes vom Kaiser dessen Photographie als Andenken
an seinen Aufenthalt in Berlin.
* Heidelberg, 17. März. Zu einem Konflikt
wegen der Militärvorlage ist es also nicht gekom-
men (siehe Reichstagsbericht). Das Ccntrum, das sich
unter ungeschickter Führung in eine böse Sackgasse verrannt
hatte, ist von der Regierung insoweit geschont worden,
als man cs nicht direkt zur Kapitulation zwang, aber es
mußte versprechen, sich der Regierung jederzeit zu ergeben, ^

wenn diese durch Nachforderungen wieder auf ihre ursprüng-
liche Vorlage zurllckkomme. Zum Verständniß der Lage
sei ganz kurz an Folgendes erinnert. Durch die Militär-
vorlage in der Kommissionsfassung wurde festgestellt, daß
die deutsche Heeresmacht im Frieden so gegliedert werden
soll, daß am Schluffe des Rechnungsjahres 1903 vorhanden
sind: beider Infanterie 625 Bataillone, bei der Kavallerie
465 Eskadrons, bei der Feldartillerie 574 Batterien, bei
der Fußartillerie 38 Bataillone, bei den Pionieren 26
Bataillone, bei den Verkehrslruppen 11 Bataillone, bei
den Jägern zu Pferde (Meldereitern) 17 ESkadrons, bei
dem Train 23 Bataillone. In dem Hauptpunkt — der
Zahl der Bataillone, Eskadrons, Batterien u. s. w. —
ward zwischen der Regierung und der Mehrheit der
Kommission ein Einvernehmen erzielt. Dagegen wollte die
Regierung die volle Durchführung der Neuorganisation im
Laufe des Jahres 1902 beenden, während die Kommission
die Frist ein Jahr weiter erstreckte. Eine weitere Frage
war nun die, wie viel Mannschaften sind nöthig, um diese
festgelegten Cadres so auszufüllen, wie der richtige Dienst-
betrieb bei zweijähriger Dienstzeit bei der Infanterie es
erfordert? Die Regierung schlug vor:
8 2. Vom 1. Oktober 1899 ab wird die Friedenspräsenz-
stärke des deutschen Heeres als Jahresdurchschnittsstärke allmäh-
lich derart erhöht, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 1902
die Zahl von 502 506 Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten
erreicht und in dieser Höhe bis zum 31. März 1904 bestehen
bleibt.
Das Centrum aber antwortete:
Z 2. Vom 1. Oktober 1899 ab wird die Friedenspräsenz-
stärke des deutschen Heeres als Jahresdurchschnitlsstärke allmäh-
lich derart erhöht, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 1903
die Zahl von 495 500 Gemeinen, Gefreiten und Overgefretten
erreicht und in dieser Höhe bis zum 81. März 1904 bestehen
bleibt.
Bei der zweiten Lesung im Plenum wurde die Re-
gierungsforderung von Centrum und Radikalen, das
Centrumszugeständniß von den Mittelparteien und den
Radikalen abgelehnt. Wehmüthig schreibt der Bad. Beob.
aus diesem Anlaß:
Im Volke glaubt man vielfach, das Centrum könne als aus-
schlaggebende Parlei im Reichstage Alles durchsetzen und sei also
auch für alles nicht Durchgesetzte verantwortlich. Die Sache liegt
aber nicht so. Das Ablehnen allein macht den politischen Kohl
nicht fett. Es gibt Aufgaben, die unbedingt eine positive Lösung
finden müssen, und wenn das Parlament sich in solchen Fragen
auf eine positive Lösung nicht zu einigen vermag, so steht es als
unfähig da und die Reaktion hat Oberwasser.
Der Beobachter spricht da eine sehr richtige Erkenntuiß
aus. Wenn man aber in Centrumskreisen weiß, wie die
Sache liegt, warum läßt man sich mit den-Radikalen ein,
die Nichts können als Nein sagen, die zw positiver Lösung
vorhandener Aufgaben nicht fähig sind? Möge das
Centrum sich doch von dem Radikalismus lossagen! Allein,
wie wir gestern schon betont haben, es fürchtet seine
Wähler, die die CentrumSpresse Jahr aus, Jahr ein mit
Kraftstellen aus den radikalen Blättern gespeist hat und
die nun selbst radikale Manieren angenommen haben. In
welcher Art die Centrumswähler bisher von der, mit dem
Radikalismus liebäugelnden, CentrumSpresse aufgereizt und
aufgestachelt worden sind, das zeigt ein gestriger Artikel
des Pfälzer Boten, der sich keck „Zur Ablehnung der
Militärvorlage" betitelt. Wir heben aus ihm folgende
Sätze heraus:
Die Nationalliberalen und die Konservativen haben aus purem
Byzantinismus die finanzielle und wirtschaftliche Seite der
Mehrforderung wieder einmal ignorirt. Es handelte sich in der
entscheidenden Sitzung am Dienstag überhaupt nicht mehr um
die abgestrichenen 7006 Mann, sondern um eine konstitutionelle
Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Wenn die Mehrheit der
Volksvertretung das Recht auf eigene Beurtheilung auch mili-
tärischer Angelegenheiten vorzog, so wird ihr das jeder charakter-
volle Deutsche danken. Einzig den Natio»alliberalen und Kon-

Ein Frauenherz.
Erzählung aus dem Leben von A. M. Witte.
(Fortsetzung.)
. »Das hätte ich auch gethan: übrigens, Lothar, die Pointe
."Mmt wohl noch lange nicht, bis jetzt ist es nur ein Gewirr
, geheimnißvollen Stimmen, die ich auch nicht verstehe,"
unterbrach Adelaide den Lesenden.
-z „Nicht unterbrechen. Reden hat das Wort," murrte der
^culnant, dessen Blicke an Ernas Augen hingen, und dem
h'cht entgangen, wie unwillig sie über diese Unterbrechung
d »Fast geheimnißvoll funkelten die Sterne." fuhr Reden mit
de« ^türe fort, „und der Spielmann beschloß hier zu blei-
er ' der Mond ausgegangen, damit er. wenn das, was
wrMhört zu haben glaubte, nur ein Ausfluß seiner erregten
jgUanlaste gewesen, — wenigstens den rechten Psad bei Mond-
suchen konnte. Um sich die Zeit zu vertreiben, ergriff
leine Fiedel und begleitete sich zu folgendem Gesang:
Wenn der Morgenwind
Durch die Tonne weht,
Wenn die Abendlufr
Durch die Eichen gebt.
Und die Sonne vergoldet mit glänzendem Schein
Die Bäume, hoch ragend in den Himmel hinein,
Erwachen die Elfen in Strauch und Baum
Aus seligem Traum I —
Und che die Morgenröthe sich naht,
Eh Menschen betreten den WaldeSpfad.
verschwinden die Elten, verschwinden die Feen,
"Aich! könnte ich euch doch einmal sehn." —
8ei>d, ätzten Vers hatte er, einem plötzlichen Impuls fol-
Mllen i"Ut in den Wald hineingesungen, als die Nebel zu
d,x und zu wallen begannen, Heller und Heller wuchsen
d>»ter ^ cmpor, der Vollmond tauchte leuchtend und klar
bist Berggipfel am Himmelszelt auf und übergoß wie
uussrgeu Strömen leuchtenden Silbers mit seinem

Strahlengeriesel den Wald, die Dunstwellen der Tiefe zer-
rannen wie verklärt, die zarten, luftigen Zweige der Birke,
die schimmernden Beeren der Eberesche hoben sich, Korallen-
gehängen gleich, vom mondbeglänzten Himmel ab, und ein
seltsames Singen und Klingen ertönte aufs neue aus allen
Zweigen, wie aus einem Zaubergarten." —
„Um Gotteswillen, höre auf, — es wird einem ja schlecht
bei aller Poesie." diesmal beachtete Reden ungalanterweife
die Bemerkung seiner lebhaften Cousine nicht, er sah Mag-
dalenens Augen, die aufmerksam an den seinen hingen, und
las, ohne sich stören zu lassen, weiter.
„Eine Rose fiel in seinen Schoß, und als er aufblickte,
stand ein junges Mädchen vor ihm, Rosen im Haar und in
der Hand, welches lächelnd sich zu ihm neigend mit melo-
discher Stimme sagte, von seinem Gesänge gerührt, wäre sie
Mensch geworden, um bei ihm weilen zu können. — Es
wurde ihm ganz wunderbar glücklich zu Muth, aber je mehr
sie sprach, desto zuversichtlicher ward er, und so blieb er im
Walde, blieb bei ihr, ohne seinen Vorsatz, in die Welt zurück-
zukehren, auszuführen.
Ein Tag nach dem anderen verging; er hatte fast ver-
gessen, daß es noch eine andere Wett außer diesem Walde
gab, als sich doch plötzlich die alte Wanderlust in ihm regte;
— so sehr seine Elfe, wie er sie stets genannt, ihn auch bat,
zu bleiben, er verließ den Wald, nachdem er in den Stamm
der alten Buche, unter welcher er sie zuerst geschaut, einen
Abschiedsgruß geschnitten.
Ueberall singend und spielend, überall freundlich aus-
genommen, wohin er auch kam, vergaß er bald der glücklichen
Zeit im Thüringerwalde. — Sie oder, die mit der mensch-
lichen Gestalt auch Leid und Freude der Menschenkinder
tragen mußte, sie harrte geduldig auf seine Rückkunft, sie
klaubte, daß er endlich doch wiederkehren müsse, und freute
sich darauf, wie ein Kind auf das Weihnachtsfest; aber die
Tage verrannen, sie wurden zu Monden und Jahren; die
Wunde im Buchenstamme vernarbte, der Baum trieb frische
Zweige, die Rinde wuchs aufs neue; doch die Wunde, die
er ihrem Herzen geschlagen, heilte nicht, er kehrte nicht zurück.

— Eine Hoffnung nach der anderen entschwand, ihr
Herz wurde trauriger und trauriger, sie gedachte stündlich
in der alten Liebe, die sie einst Mensch hatte wer-
den lassen, seiner, ihre Tbränen flössen mehr und mehr um
den Verlorenen, und die Thränen wurden zu einer Quelle»
welche den Moosteppich des Waldes netzte und sich endlich
zu dem kleinen Teich verbreiterte, der noch heute Kunde giebt
von dem Leid der Elfe.
Er setzte leichten Herzens indessen seine Wanderung fort,
wie einer kurzen Epsiode seines Lebens nur noch selten der
Elfe in dem Tbüringerwalde gedenkend. So zog er immer
weiter in die Welt hinein und lernte endlich ein Mädchen
kennen, zu dem er sich hingezogen fühlte, und ward auch, da
er sie häufiger auf seinen Wanderungen traf, zu dem Glau-
ben gebracht, daß sie seine Neigung erwiderte; bei einem
Turnier, zu dem er als fahrender Sänger gezogen, und auf
welchem er große Begeisterung unter den Hörern durch seine
Minnelieder, welche alle in Gedanken an die schöne Unbe-
kannte gesungen wurden, erweckte, sah er sie als Braut eines
Ritters wieder. Er wollte sich ihr nahen, aber fremd und
stolz wies sie ihn zurück, zwischen ihr und einem Spielmann
konnte keine Gemeinschaft sein. Erbittert gegen das Schick-
sal, ihr und allen Menschen zürnend, beschloß er, in seine
Heimath zurückzukehren, und berührte unabsichtlich bei seiner
Heimkehr den Thüringerwald, den er als fröhlicher junger
Gesell zuerst durchwandert. Ein Zauber schien ihn tiefer und
tiefer in den Wald zu locken, er hörte nur das Rauschen des
herabgefallenen Laubes unter seinen Tritten, und das Sur-
ren der Nachtschmetterlinge, cs war ihm, als ob er folgen
müsse, so müde er sich auch fühlte. Jetzt hörte der betretene
Pfad auf, tiefer hängende Zweige der Bäume schlugen in
sein Gesicht oder gegen seine Arme, als versuchten sie ihn fest
zu halten; aber weiter und weiter trieb es ihn, bis er zu
dieser Buche gelangte und den Thränenquell sah, der ihm
fremd war; da endlich konnte er ausruhen."
(Fortsetzung folgt.)
 
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