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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0464

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der Bösen und Usbelthäter, ein Schutz und Schirm aber auch
für gekränktes Recht und bedrängte Unschuld! Das walte Gott!
Namens des neuen Landgerichts dankte Herr Landgerichts-
präsident Schember mit folgenden Worten:
Durchlauchtigster Großherzog, gnädigster Fürst und Herr!
Durchlauchtigste Großherzogin, gnädigste Fürstin und Frau!
Durchlauchtigste, Hochgeehrteste Herren!
Hochansehnliche Festversammlung l
Nach den schönen und eindrucksvollen Worten, die wir bereits
von berufener Seite vernommen, mögen mir, im Namen des
Gerichtshofes, an dessen Spitze zu treten ich gewürdigt worden
bin, noch einige wenige Worte vergönnt sein. Es drängt uns
vor Allem, den Empfindungen des Dankes Ausdruck zu geben
für die herrliche Feier, mit welcher die Eröffnung unseres Ge-
richtshofs begangen wird; empfangen Ew. Königl. Hohheiten
unseren ehrfurchtsvollsten Tank für die Huld und Gnade, womit Sie
durch Ihre Anwesenheit dem Feste so recht seine eigentliche Weihe
und Krönung verleihen, wir bitten auch die anwesenden Vertreter
der hohen Staatsregierung, der hohen beiden Kammern des
Landtags, der Stadt und Universität Heidelberg, und die übrigen
Theilneymer dieser illustrcn Versammlung unseren geziemenden
Dank für ihr Erscheinen entgegenzunehmen. Wohl wissen wir,
daß die heutige Feier nicht uns gilt, sondern der Institution, die wir
zu vertreten die Ehre haben, und der hochherzigen Befriedigung eines
Rechts- und Kullurintercsses, welches sich an diese Institution
knüpft, aber wir schöpfen aus der heutigen Feier, wie sie aus
ähnlichem Anlaß kaum je in deutschen Landen unter glanzvolleren
Anspielen begangen worden ist, verstärkte Antriebe, unser bestes
Wollen und Können einzusetzen für Erfüllung der uns erwarten-
den Aufgaben, uns beseelen zu lassen von jenem Geiste hoher
Pflichterfüllung, von welchem wir in unserem erhabenen Herrscher-
paor ein leuchtendes Vorbild verehren. Wir vollziehen hier den
Eintritt in unsere berufliche Thätigkeit in einem hochbedeutsamen
Moment; nur eine kurze Zeitspanne trennt uns noch vom ins
Leben treten des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs und der da-
mit zusammenhängenden Neben- und Ausführungsgesetze.
Schwere Aufgaben liegen uns nach diesem Zeitpunkt und
auch vorher schon zu erfüllen ob. Dabei haben wir uns aber
eines bcwuuderuswerthen Vorzugs zu erfreuen. Uns ist das
Glück geworden, daß wir unsere Arbeit entfalten dürfen in dieser
von Natur und Geschichte hoch begünstigten Stadt, an
der Stätte eines hohen und freien Geisteslebens; in
Berührung mit der altberühmten Hochschule, deren er-
habenen rootor msMiLosntissimus wir heute in Ehrfurcht
begrüßen dürfen; die Berührung mit dieser Hochschule
und insbesondere deren Rechtsfakultät, mit welcher wir nähere
Beziehungen erhoffen dürfen, wird uns den Uebergang erleichtern
von dem alten in das neue Recht, sie wird eine innigere Be-
ziehung zwischen Theorie und Praxis vermitteln, sie wird uns
das bürgerliche Gesetzbuch, das nun den Mittelpunkt des juristi-
schen Studiums und des Rechtslebens bilden soll, recht verstehen
und anwendcn lehren aus seinem eigenen Geiste heraus, sie wird
uns aber auch vor dem für die Zukunft der Rechtswissenschaft
und der Rechtsanwendung verhängntßvollen Jrrthum bewahren,
als ob das Recht des bürgerlichen Gesetzbuchs ein schlechthin
neues, eine absolut freie Hervorbringung des menschlichen Geistes
sei, vielmehr den Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicke-
lung und dem Zweck jene Stetigkeit des Rechts zu wahren wis-
sen. welche eine Bedingung seiner Unverbrüchlichkeit und Heilig-
keit ist, und damit die bleibende Frucht einer mehrtausendjährigen
Kulturarbeit hinüberretten auch auf die kommenden Zeiten. Und
eine andere damit verwandte Betrachtung darf ich vielleicht noch
hier ankuüpfen. Die steigende Verwickelung der Lebeusverhält-
nisse, welche die Kenntniß und Anwendung des Rechts zu einer
besonderen Wissenschaft und zur Lebensaufgabe eines besonderen
Berufsstandes gemacht, hat mehr und mehr in allen Kulturstaaten
dazu geführt, auch der eigentlichen Rechtsprechung, welche in früherer
Zeit neben der Heeresführung als die ursprünglichste und un-
mittelbare Aufgabe der Staatsoberhäupter galt, eine Sonder-
stellung gegenüber der sonstigen Staatsthätigkeit einzuräumen,
sie insbesondere unabhängig zu halten von jeglicher Einwirkung
der Staatsregierung. Welch hohe Vorzüge und Garantien dieser
Zustand für die Rechtssicherheit darbietet, ist ja allbekannt und
zur Volksüberzeugung geworden; er hat aber auch, wie jede
menschliche Einrichtung, seine Schattenseiten und Gefahren, von
welchen nicht gesagt werden kann, daß sie immer und überall
vermieden worden sind, nämlich darin, daß die eigentliche Thätig-
keit in ihrem Sonderdasein erstarre, den richtigen Zusammenhang
verliere mit der Allgemeinheit und ihren Interessen, wie solche
im öffentlichen Leben und in den anderen Gebieten des Staats-
lebens zum Ausdruck und zur Geltung kommen. Daß eine solche
Fehlrichtung uns stets fern bleibe, dafür vertrauen wir auch in
dem örtlichen Zusammenleben mit der Hochschule, und nicht blos
mit der Rechtsfakultät derselben, einen Rückhalt zu finden.
Bringt doch die Universität, wie schon ihr Name besagt, den
inneren Zusammenhang der Wissenschaften und der von ihnen
vertretenen Lebensanschauungen zum Ausdruck; das von ihr ge-
nährte Bewußtsein dieses Zusammenhangs, die Erkennlniß, daß
jede Geistesthätigkeit in sich verdorrt und vertrocknet und auch
auf ihrem eigenen Gebiete unfruchtbar wird, wenn sie sich isolirt
und loslöst von jenem Zusammenhänge, und die das Leben und
die übrige Staatsthätigkeit durchdringenden Geistesmächte mögen
uns vor solcher Einseitigkeit bewahren. In diesem Sinne über-
nehme ich Namens des Gerichtshofs dankerfüllten Herzens diese
Stätte, die schon bisher der Rechtspflege gedient und ihr von
nun an in erweitertem Maße dienen soll, zum Segen für Fürst
und Vaterland! Uns aber möge es gelingen, daß auch wir zu
unserem bescheidenen Theile allezeit als getreue Hüter mögen
erfunden werden der festgegründeten Ordnungen unseres Staates
und Reiches! Das walte Gott!
Herr Rechtsanwalt Dr. Helm sprach als letzter Redner den
Dank der Anwaltschaft des Landgerichts mit folgenden Worten
aus:
Durchlauchtigster Großherzogi Gnädigster Fürst und Herr!
Durchlauchtigste Großherzogin! Gnädigste Fürstin und Frau!
Hochgeehrteste Herren!
Die bei dem Gr. Landgerichte Heidelberg zugelassenen Rechts-
anwälte nehmen bei der engen Verbindung zwischen Gericht und
Anwaltschaft an der heutigen bedeutsamen Feier freudigsten
Antheil.
Zunächst habe ich die hohe Ehre, Eueren Königlichen Hoheiten
die ehrfurchtsvolle Huldigung der Rechtsanwälte darbringen zu
dürfen. Wir sind glücklich und werden immer stolz darauf sein,
daß die Eröffnung unsere« Landgerichts infolge besonderer Gunst
der Umstände durch die Anwesenheit Eurer Königlichen Hoheiten
ausgezeichnet worden ist.
Auch wir Rechtsanwälte danken Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigst für das der Wiedererrichtung eines Collegial-
gerichts an unferem herrlichen Musensitze stets huldvoll entgegen-
gebrachte Interesse.
Der Großh. Staatsregierung sprechen wir unseren ehrerbietig-
sten Dank dafür aus, daß noch vor Anfang der Geltung des
deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs das Gr. Landgericht Heidelberg
seine Thätigkeit beginnen kann.
Bei diesen Gefühlen freudigsten Dankes sind wir uns aber
auch der Größe und des Ernstes der Zeit bewußt, zu welcher
der Heidelberger Gerichtshof wieder eröffnet wird. Soll doch
schon heute in acht Monaten das neue bürgerliche Gesetzbuch für
ganz Deutschland Geltung bekommen, so baß wir wohl sagen
dürfen, die Errichtung des Landgerichts Heidelberg steht bereits
im Zeichen des neuen bürgerlichen Rechts.
Bei dem Gedanken an das gewaltige Gesetzeswerk dürfen wir
uns an die denkwürdigen Worte erinnern, welche Euere König-
liche Hoheit am 3. August 1886 in der Aula unserer Universität
an eine glänzende und dankbare Fest- und Gelehrtenversammlung
zu richten die Güte hatten, daß nämlich die Heidelberger Hoch-
schule wiederholt schöpferisch in das wissenschaftliche Denken etnge-

griffen habe und daß neue Anregungen und neue Richtungen von
ihr ausgegangen seien. Wir haben diese Worte nicht nur auf
die Naturwissenschaften, sondern auch auf die philosophischen
Wissenschaften überhaupt und insbesondere auf die Staats- und
Rechtswissenschaften bezogen. Und heute, wo das neue bürger-
liche Gesetzbuch gewissermaßen verkörpert vor uns steht, ist es
mir wohl gestattet, auf Friedrich Anton Thibaut binzuweisen,
jenen Mann, welcher mit der ganzen Wärme seines Gefühls zum
ersten Male in unserem Jahrhundert von unserem altehrwürdigen
geliebten Heidelberg aus den Ruf nach einem allgemeinen deutschen
bürgerlichen Gesetzbuch durch ganz Deutschland hat erschallen
lassen und damit eins neue Anregung von größter Tragweite
im Sinne jener denkwürdigen Worte Euer Königlichen Hoheit
von Heidelberg aus gegeben hat-
Ein neuer Frühling der That und des Liedes war endlich
wieder in Deutschland eiugezogen, als Thibaut im Jahre 1814
seine unvergeßliche Schrift über die Nothwendigkeit eines allge-
meinen bürgerlichen Rechts für Deutschland veröffentlichte.
Thibaut wollte die politische Einheit durch die Einheit des
Rechts herbeiführen, wir sind glücklich, es erlebt zu haben, daß
die politische Einheit mit der Rechtseinheit gekrönt worden ist.
Unsere zukünftigen Aufgaben werden bedeutend sein. Theorie
und Praxis werden als zwei gleich edle Geschwister auf einander
angewiesen sein und auch hier in Heidelberg werden sie mit
einander wetteifern, den richtigen Sinn des neuen Rechts zu
finden und an seinem Ausbau weiterzuarbeiten. Aber wie alle
Wissenschaft in civilistischer Beziehung aus der Praxis der
Römer hervorgegangen ist, so werden auch in Zukunft die An-
forderungen des praktischen Lebens maßgebend sein und die ver-
einte Thätigkeit des Gerichtshofs und der Rechtsanwälte in der
Kunst der Urtheilsfindung und der Vorbereitung der Urtheils-
findung wird vielleicht bisweilen in der Lage sein, der Theorie
dasjenige zu vergelten, was wir reichlich von ihr erwarten.
Hervorgegangeu aus der Schule des römische» Rechts, welches
den Schutz der Schwachen nicht kannte und die Ausbeutung der-
selben durch den wirthschaftlich Stärkeren nicht einmal zu hindern
suchte, leben wir bald unter dem Schutze eines Rechtes, welches
nicht nur von abstrocter Rechtslogik, sondern auch von einem
erwärmenden deulschen Rechtsgefühl dictirt ist. Wir haben daher
keinen Grund, dem kommenden Jahrhundert, welches im Gegen-
satz zu unserem politischen Jahrhundert schon jetzt ein sociales
Jahrhundert genannt wird, pessimistisch entgegen zu sehen. Auch
im Rechtsleben wehen Frühlingswinde.
In wenigen Tagen werden wir in diesem neu und schön
hergerichtetcn Saale unserem ernsten Berufe obliegen; wir wollen
unsere Arbeiten beginnen mit der unterlhänigsten Versicherung
unverbrüchlichster Treue gegen den erhabenen Schützer und Hüter
von Recht und Gerechtigkeit in unserem schönen Lande.

Nunmehr erfolgte die Vorstellung der Redner, der Mit-
glieder des Landgerichts und einer Reihe anderer Personen.
Hiebei konnte man erst recht aus nächster Nähe bemerken, wie
vorzüglich das Aussehen unseres Fürstenpaares ist. Mit der
gewohnten Leutseligkeit zeichneten die hohen Herrschaften jeden
Höchstdenselben Vorgestellten mit längerer oder kürzerer Untir-
haltung aus.
In der Pause zwischen der offiziellen Feier, welche etwa eine
Stunde dauerie, und dem Festessen besuchten der Großherzog
und die Großherzogin die Peters kirche, wo sie von Herrn
Kirchenrath Professor Dr. Lemme begrüßt wurden, und besichtig-
ten das Rothedenkmal.
Die Großherzogiu begab sich nach der Besichtigung der Rothe-
büste in das Palais, während der Großherzog zum Festessen
fuhr. Im Palais empfing die Großherzogin die Damen des
Fraueuvereins sowie diejenigen der Mitglieder des Landgerichts,
worauf sie sich zunächst in die Luisenheilanstalt und dann in die
Höhere Mädchenschule begab (siehe hierüber näheren Bericht).
Trug die Feier der Regierung mehr einen internen Charakter
— es waren fast ausschließlich geladene Gäste anwesend — so
umfaßte das von der Stadt im städtischen Saalbausaal gegebene
Festessen einen größeren Kreis. Es bethciligten sich außer
den Ehrengästen der Stadt eine große Zahl hiesiger Bürger.
Der Saalbausaal war einfach, aber sehr geschmackvoll dekortrt,
ebenso das Arrangement der Tafel, an welcher über 150 Personen
Platz nahmen, tadellos. Küche und Keller boten ihr Bestes,
Speise und Trunk waren vorzüglich, ebenso die Bedienung sehr
geschickt und prompt — eine Seltenheit bei solch großen Veran-
staltungen. Hier das Menu: Klare Mock-Turtle-Suvpe, Forellen
blau mit Butter und Kartoffeln, Lendenstück auf Frühlingsart,
Champtgnontunke und Gurkensalat, Straßburger Gänseleber-
pastete. Schwetzinger Spargel mit Mousselinetunke und West-
phälischem Schinken, gefüllter Kapaun mit Kopfsalat und Dunst-
obst, Gefrorenes, Waffeln, Mandelberg. Käse und Butter. Nach-
tisch. Dazu die Weine: Sherry, 1893er Detdesheimer, 1893er
Affenthaler Auslese, 1893er Förster Freundstück, 1889er Rauen-
thaler Berg, 1893er Chateau Mouton, Rothschild und Schaum-
wein Rhcingold. Die Tafelmusik wurde von dem städtischen
Orchester unter Direktion des Herrn Kapellmeister Radig ausgeführt.
Um halb 3 Uhr kam der Großherzog in den Saal, be-
grüßt mit dem üblichen Hoch, und nahm den Ehrenplatz in der
Mrtte der Quertafel ein, ihm zur Rechten Staatsminister Nokk,
ihm zur Linken Oberbürgermeister Dr.Wilckens, gegenüber Prorektor
Prof. Osthoff. Unter den vielen Anwesenden seien noch genannt
Herr Finanzminister Buchenberger, der Präsident der Zweiten
Kammer, Herr Oberbürgermeister Gönner und mit ihm eine
große Zahl von Landtagsabgeordneten, der Reichstagsabgeordnete
Herr Oberamtmann Beck von Eberbach. Die juristische Fakultät
der hiesigen Universität war fast vollzählig erschienen, ebenso die
Spitzen aller Behörden. Der Großherzog erfreut sich anscheinend
des bestens Wohlseins; der hohe Herr unterhielt sich sehr an-
gelegentlich mit seinen Ttschnachbarn, insbesondere mit Herrn
Staatsminister Nokk.
Nach dem dritten Gang erhob sich Herr Oberbürgermeister
Dr. Wilckens zur Begrüßungsrede.
Durchlauchtigster Großherzog, gnädigster Fürst und Herr!
Hochgeehrteste Herren!
Es möge mir erlaubt sein, Namens der Stadt Heidelberg an
dem für dieselbe so wichtigen und bedeutsamen Tage der Er-
öffnung des Landgerichts alle Theilnehmer an diesem Feste aufs
herzlichste willkommen zu heißen. Die Stadt empfängt hier
heute ihre Gäste im eigenen Hause, und, wenn auch dieses Haus
den Anforderungen eines größeren Saalbaus dermalen noch
nicht genügt, so sind wir doch, wie ich hoffe, auf dem Wege
dazu, das Gehäude in Bälde auf befriedigende Weise umzu-
gestalten. Daß dem ersten, für die Allgemeinheit bedeutungs-
vollen Feste, welches der neue Eigentümer in diesen Räumen
veranstaltet, unser allergnädigster Landesherr seine Theilnahme
schenkt, erfüllt uns mit inniger Freude und ist gewiß sowohl für
dieses städtische Unternehmen, als auch für das Landgericht,
dessen Einweihung wir heute feiern, eine glückliche Vorbedeutung
für die Zukunft. Ist doch unser erhabener Groß Herzog für
unser Badener Land ein guter Genius, und gibt sich daher
doch sein treues Volk ohne Weiteres der frohen Zuversicht hin,
daß schließlich gelingen wird, was unter seinen Auspizien von
Statten geht. Wenn aber das Regiment unseres Großherzvgs
seither ein glückliches gewesen ist, wenn es dem badischen Volke
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens Fortschritt auf Fort-
schritt verschafft und den Namen unseres Landes nicht »ur im
Reiche, sondern auch jenseits der deutschen Grenzen zu hohen
Ehren gebracht hat, so tritt darin eben, wie mir scheint, nur der
Segen treuer Arbeit zu Tage, jener Arbeit, welche unser durch-
lauchtigster Landesfürst mit einer Gewissenhaftigkeit, einem Ernst
und einer Hingebung ohne Gleichen sein garzzes Leben hindurch
im Interesse des Gemeinwohls geleistet hat und für die ihm sein
Volk unvergänglichen Dank schuldet. Dieser schlechthin vorbild-
lichen Pflichterfüllung Seitens unseres allergnädigsten Landes-
fürsten konnte der Erfolg nicht fehlen. Wer die Zustände

unseres Landes zu Beginn de: fünfziger Jahre mit
denen beim Ausgang des Jahrhunderts vergleicht, j wird
sicherlich sagen müssen, daß in dieser im Leben eines
Volkes nicht langen Zeit sich überall ein großartiger Aufschwung
vollzogen hat. Mag auch ein Theil desselben auf die
Gunst der Verhältnisse zurückgeführt werden, so weiß doch Jeder
von uns, daß vor Allem die unermüdliche Fürsorge unseres
Großherzogs es gewesen ist, welche diese Entwicklung in die
richtigen Bahnen gelenkt, gestärkt und gefördert hat. Auf Grund
seiner Initiative und unter verständnißvoller Mitwirkung des
Landtags hat seine Regierung nicht nur allen wirthschaftlicheu
Fragen, sondern namentlich auch den geistigen und ethischen Inter-
essen eine Aufmerksamkeit. Unterstützung und Pflege zu Theil
werden lassen, welche unserem Staate zur größten Auszeichnung
gereicht. Davon, was speziell auf dem Gebiete des Unterrichts-
Wesens geschehen ist, können die Hochschulstädte unseres
Landes am besten Zeugniß ablegen. Wer die ausgezeichneten
wissenschaftlichen Institute, die unter der Negierung unseres
Großherzogs gerade hier entstanden sind, durchwandert,
wird sich der Ueberzeugung nicht verschließen können,
daß diese Regierung mit vollen Händen gegeben hat, was
die Zeit zu erfordern schien. Allen berechtigten Anliegen
und Bedürfnissen seines Volkes zur Erfüllung zu verhelfen, ist
überhaupt das unablässige Bestreben unseres edlen Fürsten, und
auch die Wiedererrichtung eines Kollegialgerichts in Heidelberg ist
nur ein Glied in der langen Reihe von Einrichtungen und Maß-
nahmen, welche er im Interesse des Gemeinwohls in's Leben
gerufen. In den glänzenden Jubiläumstagen von 1886 hat der
damalige Kronprinz des deutschen Reichs, der spätere Kaiser
Friedrich, hier in Heidelberg die schönen Worte ausgesprochen!
„Voranzuschreiten mit großem und gutem Entschluß ist ein An-
recht des erlauchten Zähringer Hauses." Ich glaube auf keinen
Sproß dieses edlen Fürstengeschlechts kann dieser Ausspruch mit
größerem Rechte angewendet werden, als auf unseren Landes-
yerrn. Er ist in der That mit solchen Entschlüssen dem Badischen
Volke allezeit vorangegangen. Aber auch das deutsche Volk weiß,
daß auf ihn in krilischen Zeiten ein fester Verlaß ist und daß
Kaiser und Reich keinen treueren, opferwilligeren Freund haben,
als unseren Großherzog. Ihm und der hochsinnigen Fürstin, die
mit ihm den Badischen Thron ziert und der alle guten Badener
die wärmsten Gesinnungen cntgegenbringeu, sei auch bei diesen!
Anlaß wieder Liebe und Treue gelobt. Stimmen wir, hochver-
ehrte Anwesende, zur Bekundung dieses Gelöbnisses in den be-
geisterten Ruf ein:
Ihre K. H. der Großherzog und die Großherzogin lebe»
hoch, hoch, hoch!
Noch War das donnernde Hoch, der Klang der Gläser und
das „Heil Dir im Siegerkranz" kaum verklungen, als der Groß-
herzog selbst das Wort ergriff: Hell und klar klang sein^
Stimme durch bis zum hintersten Ende des Saales, ebenso he»
und klar war der Inhalt seiner Rede:
Nachdem er zuerst dem Vorredner gedankt und mit feine!»
Humor bemerkt hatte, es sei fast zu viel des Guten von ihm ge-
sagt worden, fuhr er weiter fort; es sei Gutes geschehen und viel
erreicht worden. Das verdanke man aber nicht ihm allein, sonder»
dem Zusammenwirken von Fürst und Regierung. Ihm feie»
gute Berather und Mitarbeiter gegeben und insbe-
sondere danke er Herrn Staatsminister Nokk fü»
seine treue redliche, langjährige und ersprießliche Mitarbeit. Wen»
alles sich bemühe, einmüthig dem Guten und Wahren zuzustreben,
dann könne noch manches Gute geschaffen werden. Die Stadl
Heidelberg und das Gedeihen und Aufblühen ihr^
Hochschule sei ihm immer am Herzen gelegen und er spreche
es gerne aus, daß er alles thun werde, was möglich sei, um ^
zu fördern. Er könne nicht ein Hoch ausbringen auf die Stad!
und die Hochschule, wie sonst üblich, da alles betheiligt sei, abel
eines andern wolle er gedenken, des deutschen Reiches. Oh»^
Deutsches Reich kein neues Recht und keine neuen Gerichte; n»»
dadurch, daß das deutsche Reich durch Kaiser Wilhelm den Erste»
geschaffen worden sei, hätten wir dieses erreicht. Darum gelte de>»
deutschen Reiche, Deutschland sein Hoch, zu welchem er die Fest-
versammlung anffordere.
Ein donnerndes dreifaches Hoch der Festversammlung sch^
die Rede, in welches das Orchester mit einem dreifachen TE

einstimmte.
Gegen halb 6 Uhr wurde die Tafel aufgehoben. Das w»fl
derschöne Wetter lockte fast alle Theilnehmer, auf dem Sckfla»
den Weisen der Boettge-Kapelle und unseres Orchesters zu lausche»
Die höchsten Herrschaften fuhren gleichfalls nach dem Schloß, fl
besichtigten daselbst unter Führung des Oberbauraths Schäfer »,
Restaurirungsarbeiten und besuchten, vom Publikum enthusiastEj
begrüßt, daun das Concert in der Schloßwirthschast, wo Mulfl
director Radig die Ehre hatte, einen von ihm componirten »A
Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog gewidmeten Festinar!»
höchstdemselben überreichen zu dürfen. Auf dem Rückwege »fl
suchten Ihre Königlichen Hoheiten die Herren Geheimere»
Knßmaul und Kuno Fischer und fuhren daun zur Schloß»"
leuch tung nach der Villa Landfried. . . §
Punkt 9 Uhr verkündete ein Böllerschuß den Beginn drei
berrlichen Schauspiels. Der Anblick dieser großartsgfl
Ueberreste eines einzig dastehenden Bauwerks, im Scheine .fl,
bengalischen Rothfeuer ist ein überwältigender und unauslosfle
sicher. Wie aus glühendem Eisen verfertigt stand das Schch,
in allen seinen Theilen da. Die Molkenkur und das Schw^
Hotel erglänzten ebenfalls im Rothfeuer. Auch Herr Guido >sch»fl
hatte Haus uns Garten beleuchtet. Dar herrliche Hfl,
wurde durch nichts beeinträchtigt, da das Wetter der Ver anst»
tung günstig war. Nur war es etwas kühl. Langsam
glommen die Feuer und allmählich verschwand das Schloß ^
der Dunkelheit der Nacht. Da flössen von den Pfeilern »
alten Neckarbrücke gleich feurigen Wasserströmen Feuerre»-^.
wodurch — für jeden, der das Schauspiel zum ersten Mal steht ^
ebenfalls ein ungeahnt schöner Anblick geschaffen wurde;
wurde sie noch einmal durch Rothfeuer beleuchtet. Darauf wm ,
von einem großen Schiffe, welches auf dem Neckar veraM^,
war, ein in allen seinen Theilen großartiges, imposantes v^»
werk abgebrannt. Man hörte während desselben nur ein
meines „ah". Wundervoll waren die prächtigen Farben, w" .
sich dem Auge boten. Die Schloß- und Brückenbeleuchttfl»
sowohl wie das Feuerwerk find von der Firma Jacob
bach (technischer Leiter Herr Köhler) ausgeführt worden. I fl.
Kapellen spielten während der Beleuchtung und des Feuerwe-^
Auf einem großen Schiffe mit Lampions geschmückt war
Liederkranz mit seinen Damen und Gästen anwesend, we^D
einige seiner Lieder zum Besten gab, von denen aber nur w« c
zum Land herüber drang. Das hohe Großherzogliche
wurde von dem Publikum bei seinem Eintreffen mit beßlflMii,
Hoch- und Hurrahrufen begrüßt. Der Neckar war mit säu» ^
die mit Lampions geschmückt waren, belebt. Heidelberg-Eon ^
und die nächsten Villen westwärts hatten hübsch illuminier;
der Garten der Landkried'schen Villa war schön beleuchtet-
beiden Seiten des Neckars und auf beiden Neckarbrücken stm ^
viele Tausende von Menschen, um das herrliche SchansPl^je
genießen, welches seinen Schluß gegen VzIO Uhr erreichte. A-
Großherzoglichen Herrschaften fuhren hierauf unter den
rufen der Menge nach dem Bahnhof, um sich nach Maium
zu begeben.
Ein zwangloses Beisammensein im städtischw^^i»
bau vereinigte nach der Schloßbeleuchtung nochmals eine
der Festtheilnehmer zu einem gemüthlichen Abschiedstrunk, flM
der langen, durch den ganzen Saal stehenden Tische war un-
besetzt. Wohl hatte der anwesende Kammerpräsident und Oberon
 
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