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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0523

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
Xi-. 116.

Freitag, den 19. Mai

Fernsprech-Anschluß Nr. 82
1899.

Die Eröffnung der Friedenskonferenz.
Haag, 18. Mai. Die Frieden8konferenz wurde
heute durch den niederländischen Minister des Auswärtigen
de Beaufort mit folgender Rede eröffnet:
„Im Namen meiner erhabenen Herrscherin habe ich die
Ehre, Sie willkommen zu heißen und dem Kaiser aller
Reußen, der durch die Wahl des Haag zum Sitze der
Konferenz unserem Lande große Ehre erwies, meine tiefste
ehrerbietigste und lebhafteste Dankbarkeit auszudrücken.
Durch seine edle, in der ganzen zivilisirten Welt mit Bei-
fall begrüßte Initiative hat der Kaiser von Rußland einen
von einem seiner erhabenen Vorgänger, dem Kaiser Ale-
xander I., ausgedrücklen Wunsch erfüllen wollen, daß alle
Herrscher und alle Völker Europas sich unter einander
verständigten, um als Brüder zu leben und sich
gegenseitig in ihren Bedürfnissen zu unterstützen. Geleitet
von diesen edlen Traditionen seines erhabenen Ahnen, hat
Se. Majestät allen Regierungen, deren Vertreter hier an-
wesend sind, den Zusammentritt einer Konferenz vorge-
schlagcn, die Mittel suchen soll, um den unaufhör-
lichen Rüstungen ein Ziel zu setzen und die schwere
Noth, die die ganze Welt bedroht, zu beendigen. Der
Tag des Zusammentritts dieser Konferenz wird einer der
hervorragendsten Tage in der Geschichte des zur Neige
gehenden Jahrhunderts sein. Er fällt zusammen mit
einem Festtage, den alle Unterthanen des Zaren als
einen nationalen Festtag begehen, und indem ich mich
aus tiefstem Herzen allen Wünschen für das Glück des
großherzigen Souveräns anschließe, will ich mir er-
lauben, als Wortführer der ganzen zivilisirten Welt die
Hoffnung auszudrücken, daß der Kaiser, der in den Ar-
beiten dieser Conferenz die Verwirklichung seiner groß-
herzigen Ziele sieht, in Zukunft diesen Tag als den
schönsten seines Lebens ansehen wird. Meine erhabene
Souvcränin, die von denselben Gefühlen durchdrungen ist,
die den Kaiser von Rußland zu diesem Vorgehen angeregt
haben, wollte der Conferenz das schönste historische Bau-
werk zur Verfügung stellen: den Saal, wo Sie sich be-
finden, von hervorragenden Künstlern des 17. Jahr-
hunderts ausgestattet, von der Wittwe des Prinzen
Friedrich Heinrich zum Andenken an ihren Gemahl er-
richtet. Unter den Gruppen von allegorischen Gestalten,
die Sie bewundern, befindet sich eine, die sich auf den
westfälischen Frieden bezieht und Ihre ganz besondere Be-
achtung verdient, nämlich eine Gestalt, die sich an der
Eingangsthür des Saales befindet. Wenn Sie da die
Friedensgöttin in diesen Saal eintreten sehen, um
den Janustempel zu schließen, so hoffe ich, daß die schöne
Allegorie von guter Bedeutung für Ihre Arbeiten sein
werde, daß Sic nach ihrer Beendigung sich sagen können,
daß die Friedensgöttin, die die Kunst diesen Saal zuerst
betreten ließ, diesen wieder verlassen wird, um ihre Wohl-
lhalen der ganzen Welt zu Theil werden zu lassen."
Die Friedens-Conferenz richtete an den Kaiser von
Rußland folgende Depesche: Die Friedens-Conferenz
legt zu Füßen Ew. Majestät die ergebensten Glückwünsche
zum heutigen Geburtstage nieder und drückt ihre auf-
richtigste Befriedigung darüber aus, an der Vollendung
des großen edlen Werkes Mitwirken zu dürfen, für das
Ew. Majestät hochherzig die Initiative ergriffen haben
und für das die Conferenz die ergebenste und tiefste Dank-
barkeit anzunehmen bittet, de Beaufort.

Deutsches Reich.
— Die Münchener Neuesten Nachrichten veröffentlichen
ein Privattelegramm aus dem Haag, wonach Professor

v. Stengel dem Korrespondenten des Blattes mit-
getheilt hat, daß er seine Broschüre über die Friedens-
frage dem Zaren nicht überreicht habe. Auch
sein Verleger habe die Schrift den amtlichen russischen
Kreisen nicht zugestellt. Einem andern Berichterstatter
sagte Professor v. Stengel, er sei natürlich kein Gegner
der Friedenskonferenz.
— Der Wirkt. Geh. Rath Professor Dr. D amb ach,
Vortragender Rath im Reichspostamt, Mitglied des preuß.
Herrenhauses und Kronsyndikus, ist am 18. d. in Berlin
gestorben.
— In der Direction der Offizierreitschule beim Mili-
tärreitinstitut in Hannover tritt, wie die Nordd.
Allg. Ztg. mitthcilt, demnächst ein Wechsel ein. Die Di-
rection der Schule, Oberst v. Plüskow, L 1a suits des
Magdeburger Dragonerregiments Nr. 6 in Diedcnhofen,
dessen Kommandeur er von August 1895 bis November
1896 war, wird in Kürze das Kommando einer Brigade
erhalten. Als sein Nachfolger wird einer der bekanntesten
Stabsoffiziere der Garnison Hannover, Major v. Heyden-
Linden vom Stabe des Königs-Ulanenrcgiments, genannt.
Wiesbaden, 18. Mai. Der Trinkspruch, den
der Kaiser gestern im Offiziercasino des Füfilier-Regi-
mevts v. Gersdorff Nr. 80 ausbrachte, lautete etwa wie
folgt :
Er danke dem Offiziercorps im Namen seiner Mutter, des
Chefs des Regiments, wie in seinem Namen für die durch den
Kommandeur zum Ausdruck gebrachten Gefühle des Offiziercorps.
Er habe dem Regiment durch Kabinetsordre das Gründungsjahr
1813 bestimmt und damit den Willen bekundet, daß es als aus
dem kurhcssischen Leib-Regiment hervorgegangeu
zu betrachten fei. Damit habe er die Tradition pflegen
wollen, die ein wichtiger Bestandtheil des Geistes der Armee für
alle Zeiten gewesen sei und bleiben solle. Dem Regiment wünsche
er zu diesem Ehrentage Glück, ganz besonders deswegen, weil es
heute zum ersten Male seinen Chef zu Gast bei sich sähe. Sein
besonderes Wohlwollen habe er dem Regiment verschiedentlich
ausgedrückt und er drücke jetzt auch der Kaiserin Friedrich Dank
für die Gnade aus, daß sie die Stelle des Regimentschefs an-
genommen. Der Kaiser ist fest überzeugt, daß das Regiment zu
jeder Zeit im Frieden wie im Kriege dem Andenken des Ge-
nerals, dessen Namen es durch seinen Willen trage und der ein
Vorbild von vornehmer und kühner Ritterlichkeit gewesen, Ehre
machen und zur Zufriedenheit seiner Mutter Hervorragendes
leisten und den Klang seines Namens, den das Regiment durch
seine Tapferkeit vor dem Feinde erworben habe, in der Armee
bewahren werde.
Wiesbaden, 18. Mai. Der Kaiser hielt heute
Vormittag 10 Uhr über die Garnisonen von Wiesbaden,
Homburg und Biebrich Parade ab. Der Kaiser trug
die Uniform des Regiments der Garde du Corps mit dem
blauen Bande des russischen St. Andreasordcns. Die Ge-
neräle hatten russische Orden angelegt wegen des Geburts-
tags des Zaren. Nach der Parade unterhielt sich der
Kaiser längere Zeit mit dem russischen Botschafter v. d.
Osten-Sacken und dem russischen Militär-Attache Fürst
Engalitschcw.
Deutscher Reichstag. Berlin, 18. Mai. Der
Reichstag setzt die Beratyung des Jnvalidengesetzes
fort.
§ 51 des Jnvalidenversicherungsgesetzes enthält in der Com-
missionsfassung Bestimmungen über die Errichtung der fakultativen
Rentenstellen und Anordnung der Errichtung durch die Landes-
centralbchörden.
Es sind zu diesem Paragraphen mehrere Abänderungsanträgc
und Uuteranträge eingegangen.
Nach längerer Diskussion folgt die Abstimmung über die ein-
zelnen Absätze des 8 51 und die Anträge. Mit fortwährend
wechselnder, theilweise sehr geringer Mehrheit wird zunächst Absatz
1 in der Commissionsfassung, Absatz 2 in der Fassung Gersten-
berger-Schmidt mit dem Abänderungsantrag Hilbeck angenommen,
und die hierzu gehörigen Anträge werden abgelehnt.
Bei der Abstimmung über den Antrag v. Löbcll zum Absatz
3, Rentenstellen nur in den Jndustriebezirken zu errichten, ist das

Bureau über die Mehrheit zweifelhaft. Die Zählung giebt 92
dafür, 82 dagegen. Das Haus ist sonach beschlußunfähig, da nur
174 anwesend sind.
Der Präsident Graf Ballestrem setzt die nächste Sitzung
auf den 6. Juni um 2 Uhr an.
Baden. Zu Ehren derOffenburgerVersammlung
am 13. Mai 1849, welche das Signal zu der badischen
Revolution von 1849 bildete, fand am Samstag sin
Offenburg eine Volksversammlung statt, in welcher Rechts-
anwalt Venedey, der demokratische Abgeordnete der Stadt
Konstanz, und der Sozialistenführer Geck die Festreden
hielten. In jener Offenburger Versammlung spielten die
meuterischen Offiziere und Soldaten aus Rastatt eine
Hauptrolle. Zu der Versammlung wurde von Frankfurt
aus Franz Raveaux mit einigen anderen Mitgliedern der
Nationalversammlung entsandt; er urtheilte über den Offen-
burger Tag:
Ich habe schon viele Versammlungen derart mitgemacht, aber noch
keine, in der so sehr alle Besinnung und Ueberlegung verloren
war, wie hier!
Thatsächlich inszenirte der verblendete „revolutionäre
Landesausschuß" alsbald den Bürgerkrieg, verjagte den
Großherzog und seine Minister, demoralisnte das Heer,
verschleuderte die Staatsgelder, ernannte zweifelhafte Sub-
jekte, wie den sächsischen Klempnergesellen Dietz und die
berüchtigte Reichshyäne Schlöffet zu Kommissären mit un-
beschränkten Vollmachten und warb den Polen Mieros-
lawski um 30 000 Gulden zum Anführer der Revolutions-
truppen. Wie diese schließlich militärisch zusammenbrachen,
ist bekannt. Und ein Ereigniß, das den Ausgangspunkt
einer revolutionären undrepublikanischen Orgie
bildete, feierte der Abgeordnete der Stadt Konstanz durch
eine Festrede! Nun wird, so bemerkt die Konst. Ztg.,
kein Mensch mehr daran zweifeln, daß die badische De-
mokratie, wie jüngst der demokratische Abg. Prof. Heim-
burger im Karlsruher Bürgerausschuß erklärte, „voll und
ganz" monarchisch gesinnt istl
* Der Posten eines Präsidenten der OVer-
rechnung ska innrer ist in der letzten Zeit mit
inaktiven Ministern besetzt gewesen; erst mit Jolly, dann
mit Turban. Wenn er nach längerer Vacanz jetzt mit
dem bisherigen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes,
Hrn. Geh. Rath Joos, wieder besetzt worden ist, so schließt
man hieraus, daß für die nächsten Jahre trotz der Minister-
stürzerei des Centrums die Eventualität, einem zurück-
tretenden Minister einen Ruheposten anzuweisen, nicht in's
Auge gefaßt wird. Die Ernennung darf als eine Er-
gänzung der Thronrede und der Heidelberger Rede des
Großherzogs angesehen werden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben die
Betriebssekretäre August Laub, Philipp Lenz, Heinrich Sohm
und Albert Springer zu Revisoren bei der Generaldirektton
der Staatseisenbahnen ernannt.
— Dem Finanzassistenten Karl Schmiderer wurde die
etatmäßige Amtsstelle eines Verwaltungsassistentcn an der Großh.
Uhrmacherschule tu Furtwangen übertragen.

Ausland.
Frankreich. Paris, 18. Mai. Infolge der vor-
gestrigen Senatsabstimmung, durch die die vorher von der
Kammer bewilligte Aufbesserung der Besoldung der P o st-
unterbeamten abgelehnt wird, beschlossen heute Morgen
die Briefträger, die Arbeit in den Briefsortirsälen nicht
aufzunehmen. Die Zahl der Pariser Briefträger be-
trägt etwa 3000, die in fünf Abtheilungen eingctheilt sind.
Die erste Abtheilung, etwa 800 Mann, versammelte sich
in der Rue Jean Jacques Rousseau, wo der Unterstaats-
sekretär der Post eine Ansprache an sie hielt. Trotz seiner

Josephmeus Glück.
3) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
»Seien Sie auch mir willkommen, Herr von Dclbitz," sagte
Joiephine mit kühler Förmlichkeit, und wandte sich zur Klingel,
„ich werde sogleich anrichten lassen."
„Ach. ich bin Ihnen so dankbar, theures Fräulein Jose-
phine, daß Sie mich wie einen alten Freund aufnehmen,"
rief er, indem er sich lustig die Hände rieb.
Josephine stellte ihre Kirschen auf's Büffet und gleich
daräuf trat Friedrich mit der Suppe herein.
Man setzte sich und Bruno fand seine Erwartungen, die
er von dem hier herrschenden Wohlleben gehegt hatte, in
keiner Weise enttäuscht.
Er war ein unterhaltender» liebenswürdiger Tischgenosse
und speiste mit großem Genuß, was den alten Herrn erfreute.
Selbst Josephinens ablehnende Küble schmolz etwas bei
des jungen Mannes unbefangener Munterkeit.
Er frischte kleine gemeinsame Erlebnisse aus ihrer Jugend-
zeit auf, fragte, ob sie ihr glänzendes Talent, Gummibälle zu
überspinnen, nicht vernachlässigt habe. Er erinnerte sich leb-
haft des Gefühls von Glückseligkeit, das ihm durch den Be-
sitz solcher Bälle zutheil geworden sei. Und als zum Schluß
des Mittagessens eine Sahnetorte erschien, rief er:
»Von genau solchem Kuchen haben Sie mir manchmal ein
Stück aus Ihrem Speisekammerfenster in den Garten ge-
reicht, wenn ich als Postillon ä'amour Ihrer Busenfrcundin
Cäcilie einen Brief überbracht hatte. Was ist eigentlich aus
der schwarzlockigen Schönen geworden, die meinen Knaben-
augen so sehr gefiel?"
»Sie ist nach einjähriger Ehe lammt ihrem Kinde ge-
storben," sagte Josephine traurig.
, »Ah schade!" rief er mit derselben fröhlichen Miene wie
bisher.
Nach Tisch schlenderten die Herren mit ihrer Cigarre durch
ben sorgfältig gepflegten Garten.

Die Blumen blühten in allen Farben, dm Vögel sangen,
! eine kleine Fontaine plätscherte, und Bruno äußerte sich gegen
den Rath entzückt über seinen schönen Besitz.
Josephine erwartete die beiden Männer auf der Veranda
mit dem Kaffee.- .......
Während der nächsten Tage hatte der lunge Assessor sich
bei seinen Vorgesetzten einzusübren, und alsbald in seine

Dienstgeschäste einzutreten. . ^ ^
Er fand hier in der Garnison einen Freund und Ver-
wandten, dem er sich mit Vergnügen anschloß. Es war dies
der jüngere Bruder seines Schwagers, der Leutnant Lothar
von Pilar; ein eleganter Mann, gesucht von der Gesellschaft,
geschickt mit dem Strome schwimmend, aber bereits abgestumpft
für alle Freuden des Lebens, die sich ihm zu reichlich geboten,
ja gerade aufgedrängt halten.
Bruno schämte sich fast, dem Uebersättigten seine große
Genußfähigkeit einzugestehen. Ec hatte seine Zeit als Re-
ferendar in kleineren Orten zugebracht und fühlte sich wie
losgebunden, da er nun in der Lage war. die Annehmlichkeiten
der groben Stadt auszukosten.
Ihn allerorten einzuführen und ihm die Wege zu ebnen,
war Leutnant von Polar der rechte Mann, Diesem that
die Frische des etwas Jüngeren wohl. Es schien ihm, als
gewinne er einiges Vergnügen an den Dingen zurück, wenn
er in die lachenden Augen des Freundes sah.-
»Du bist hier wirklich brillant aufgehoben," sagte Lothar
von Pilar, der Bruno wenige Tage nach seiner Ankunft be-
suchte und in dessen Zimmer bei einer Flasche altem Bor-
deaux und einer feinen Cigarre saß, die eben Friedrich hercin-
gebracht hatte. »Raspelst dem ältlichen Fräulein ein bischen
Süßholz, gehst dem Hausherrn um den Bart und hast faktisch
dafür ein kleines Eldorado, Du Mordskerl!"
Bruno hing mit der einen Achsel auf der Lehne seines
Stuhls, hielt die Beine übergeschlagen weit von sich und
spielte mit seiner Cigarre. Er bemühte sich, ein überlegenes
Lächeln zu zeigen, während er entgegnete:
„Alte Freunde von uns; ein bischen Klimbim mit der
Vergangenheit und ich habe sie in der Tasche."

Der Leutnant dehnte sich in dem seidenen Lehnstuhle:
„Uebrigens hast Du außerdem noch das Glück, einem der
schönsten und reichsten Mädchen gegenüber zu wohnen."
»Das wäre?" Bruno wandte sich und sein Blick schweifte
über den kleinen Vorgarten und Straße und haftete auf einer
eleganten Villa. „Ist es die da drüben?" fragte er.
»Thust ja unschuldig wie ein Kadet, Du Schwerenöther!
Hast Du noch nichts von dem reichen Holländer von Haften
gehört? Soll enorme Revcnüen aus seinen Plantagen auf
Java beziehen. Hat 'ne einzige Tochter," Lothar küßte sich
die Fingerspitzen — „der flotteste, kleine Käfer, den man
sehen kann. Ab I" —
Er sprang auf und eilte an's Fenster, Bruno folgte ihm
rasch.
Drüben trat im ersten Stock über dem Portale ein kleiner
Balkon mit vergoldetem Gitter vor, auf diesem erschien jetzt
ein junges, hellgekleidetes Mädchen. Sie lehnte sich auf das
Geländer und blickte die Straße entlang.
„Das ist sie!" raunte Lothar und drückte Bruno's Arm.
Beide hielten sich hinter der Gardine, sahen aber gespannt

hinaus.
Die junge Schöne schien sehr klein und zierlich, sie hatte
schwarzes Haar, das ihr in Löckchen um das bräunliche Ge-
sicht wehte. Eine kleine feine Hand lag auf der goldenen
Brüstung.
»Reizend!" flüsterte Bruno. »Ganz mein Geschmack!"

„Charmant, he? Bin ich ein generöser Kerl, daß ich Dich
auf diese Fährte fetze!"
„Da hast Du recht — das erkenne ich an!" rief Bruno

„Augenblicklich anders engagirt," näselte der Leutnant.
Jetzt fuhr drüben ein eleganter Landauer mit Livree,
Kutscher und Diener, vor, in dem ein alter Herr mit ver-
lebtem Gesichte saß, der lächelnd zum Balkon hinauf grüßte.
Das junge Mädchen neigte sich etwas, hinter ihr erschien
eine ältere Dame auf dem Balkon.
„Ihre Mutter?" fragte der Assessor den Freund.
 
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