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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0567

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 126.

Freitag, den 2. Juni

1899.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht ; durch die Post bezogen für den Monat Juni,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., mit Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.
Von der Friedenskonferenz im Haag.
Die Originalfassung des russischen Vorschlags
über Schiedsgerichte ist nunmehr veröffentlicht worden.
Die Vorschläge beruhen auf folgenden Grundzügen: Im
Falle ernster Meinungsverschiedenheiten oder eines Zerwürf-
nisses sollen die Signatarmächte, bevor sie zu den Waffen
greifen, sofern es die Umstände gestatten, die guten Dienste
der Vermittlung einer oder mehrerer befreundeter Mächte
in Anspruch nehmen. Wenn die Zerwürfnisse Fragen
von politischem Interesse betreffen, bieten sie ihre Vermitt-
lung zur Herbeiführung einer freundschaftlichen Lösung an,
die die Interessen der übrigen Staaten nicht verletzt.
Vermittlung und gute Dienste haben einzig den Charakter
eines freundschaftlichen Rath es, nicht bindenden Zwanges.
Falls der Streit sich auf Rechtsfragen bezieht, findet zunächst
eine Interpretation und Auslegung der betreffenden Ver-
träge statt; das Schiedsgericht wird als wirkliches und
gerechtes Ausgleichsmittel anerkannt. Die Mächte ver-
pflichten sich, die Schiedsgerichte anzuwcnden, sofern die
Streitfrage nicht die vitalen Interessen oder die nationale
Ehre der streitenden Parteien berühre. Das Schiedsgericht
ist obligatorisch, wenn Differenzen oder Zwistigkeiten sich
auf pekuniäre Entschädigungen beziehen oder falls Meinungs-
verschiedenheiten auf Interpretation oder Auslegung der in
den russischen Vorschlägen einzeln aufgeführten Verträge
oder Conventionen Bezug haben. Die Zahl der aufge-
sührten Verträge wird durch ein Uebercinkommen der Sig-
natarmächte erhöht werden können. Jede einzelne Macht
wird außerdem noch mit einer anderen Macht ein Abkommen
treffen können, um nur das Schiedsgericht obligatorisch zu
wachen; für alle übrigen nicht erwähnten Fälle ist es
rein fakultativ. Eine Untersuchungskommission soll die
Umstände feststellen, die das betreffende Zerwürfniß herbei-
sührten, und über die Ursachen Aufschluß geben durch
unparteiische Prüfung der Thatsachcn. Jede der beiden
interessirten Regierungen ernennt zwei Mitglieder; diese
vier wählen einen fünften, der Präsident der Commmission
ist und Bericht erstattet. Dieser ist in keiner Weise ein
Schiedsspruch, sondern gewährt nur die Möglichkeit, ein
Abkommen zu schließen oder an ein Schiedsgericht zu
appelliren.
Die sechs ersten Artikel des russischen Vorschlags, welche
die guten Dienste und die Vermittelung betreffen, wurden
von der Unterkommission der dritten Kommission mit unbe-
deutenden redaktionellen Abänderungen angenommen. Der
italienische Vertreter, Graf Nigra, befürwortete die italienische
Vorlage, betreffend die Vermittelung und die Schiedsgerichte,
welche einige Abänderungen des russischen Antrages enthält.
Auch seitens der Vereinigten Staaten liegen Abänderungs-
anträge vor. Dieselben verlangen, daß im Falle eines
Streites zwischen zwei Völkern jedes derselben eine an dem
Streite unbetheiligte Macht bezeichne und daß die beiden
letzteren dann als Schiedsrichter fungiren sollen. Die von
Italien eingebrachtc Vorlage enthält die Bestimmung: Es
lallen Vermittelung oder Schiedsgericht weder die Mobil-
machung noch sonstige Vorbereitungen zum Kriege aufhaltcn.

Der amerikanische und der italienische Antrag sind bisher
noch nicht zur Berathung gekommen.
In der Sitzung der ersten Kommission vom 29. Mai
ist sodann der russische Antrag eingelaufen, der eine Ein-
schränkung weiterer Rüstungen in der Weise er-
reichen will, daß jedem Staat die Vermehrung der Effektiv-
stärke von Heer und Flotte nur bis zur Höhe des gegen-
wärtig schon von einem der Staaten erreichten Maximal-
maßes gestattet sein soll.
In der nämlichen Sitzung hat England einen Ver-
zicht auf die weitere Verwendung desDum - Dum -
geschosses abgelehnt.

Deutsches Reich.
— Der Tägl. Rundschau wird aus München geschrie-
ben, es stehe die Verlobung des muthmaßlichen Thron-
folgers in Oesterreich, Erzherzogs Franz Ferdinand
von Oesterreich-Este mit Prinzessin Mathilde, der dritten
Tochter des bayerischen Thronfolgers, Prinzen Ludwig,
bevor. Prinzessin Mathilde wird am 17. August 22 Jahre
alt. Erzherzog Franz Ferdinan d (der erste Sohn aus der
zweiten Ehe des verstorbenen Erzherzogs Karl Ludwig mit
Maria Annunciata von Sicilien) steht im 36. Lebensjahre.
Kiel, 1. Juni. Bei herrlichem Frühlingswetter voll-
zog sich heute der Stapellauf des mächtigen
Linienschiffes „Ersatz König Wilhelm" auf der
Germaniawerft, auf der die verheerende Feuersbrunst
furchtbare Spuren hinterlassen hat. Der mächtige Schiffs-
rumpf prangte in Flaggen- und Guirlandenschmuck, ebenso
wie die Tauftribüne. An der Seite der Tribüne hatten
ein glänzendes Gefolge von Offizieren in großer Uniform,
unter ihnen die am Ort anwesenden Admiräle, die General-
obersten Graf Waldersee und v. Los, die Generäle Fürst
Radziwill, v. Lindequist, Graf Werder u. a., die Minister
Thielen, v. Podbielski, v. Bülow, Tirpitz und Oberpräsi-
dent v. Köller Aufstellung genommen. Das Seebataillon
hatte eine Ehrencompagnie gestellt. Um 12 Uhr landete
das Kaiser paar mit dem Kronprinzen und dem groß-
herzoglichen Paar von Baden, lebhaft von allen
Seiten begrüßt. Der Kaiser und der Großherzog
schritten die Front der Ehrenwache ab und dann bestiegen
die hohen Herrschaften mit dem Staatssekretär Tirpitz und
Geheimrath Krupp die Tauftribüne. Der Kaiser hielt hier
etwa folgende Ansprache:
Aus Erz gefügt, in starrer lebloser Form, steht das Schiff
vor uns bereit zum Abläufen. Seine Linien entsprechen kaum
dem Schönheitsgefühl des Beschauers und doch — in dem Augen-
blick, wo es gegen die See hinabrauscht, wo es sich mit der Tiefe
vermählt, gewinnt es Leben und Lebenskraft, sobald das Meer
mit seinem unendlichen Zauber, dem niemand widerstehen kann,
dieses Schiff berührt hat, wenn es dereinst, bewohnt von hundert
tapferen Seeleuten, geführt von tüchtigen Offizieren, stolz auf
dem Meere zum Schrecken wird. Ein Stück großer deutscher
Wehrkraft, dessen unser Vaterland so dringend und nöthig bedarf,
den Gedanken bewährter Geistesarbeiter, deren einer gleich den
Soldaten auf dem Schlachtfelde hier sein Leben endete, ent-
sprungen und in Form gebrockt durch die Hammerschläge Hunderter
deutscher fleißiger Männer, soll dieser Koloß, ehe er sich mit der
Tiefe vermählt, seinen Namen erhalten- Wir denken bei dem
Namen, den er erhalten wird, an den großen Herrn, dessen Namen
das alte königlich preußische Panzerschiff über 30 Jahre in Ehren
getragen hat, an den Namen König Wilhelms. Möge es uns an
ihn erinnern als an den großen Heeresorgantsator und den
Schmied der großen Waffe! Möge der friedliche Bürger und
Gewerbetreibende eine Mahnung darin erblicken, daß überall auf
der Welt das deutsche Reich ihn schützt! Möge dem Arbeiter und
Handwerksmann beim Anblick dieses Schiffes in Erinnerung ge-
bracht Werden die landesväterliche Fürsorge des ersten deutschen
Kaisers, der er einst durch die kais-rliche Botschaft glänzendsten
Ausdruck verliehen hat. Wie das alte Panzerschiff den König
vergegenwärtigte, so soll das jetzige uns den Kaiser vor Augen
führen, dem allein wir das deutsche Reich verdanken, und der in

Demuth als Werkzeug Gottes es verstanden hat, die deutschen
Fürsten und Völker zusammenzuführen. Durch die Hand der in
Ehrfurcht begrüßten Tochter Kaiser Wilhelms taufe ich Dich:
„Kaiser Wilhelm der Große".
Die Grobherzogin von Baden ergriff die Champagner-
flasche und schleuderte sie gegen das Schiff, das unter
Hurrahrufen glatt vom Stapel lief. — Nach dem Stapellauf
begab sich das Kaiscrpaar, das Großhcrzogspaar von Baden,
der Kronprinz, die Minister und das Gefolge auf die
„Hohenzollern" zurück, wo Frühstückstafel eingenommen
wurde. Nach der Tafel besichtigte der Kaiser die Renn-
yacht „Meteor" und unternahm mit ihr eine Hafenfahrt.
Die Kaiserin und das großherzogliche Paar verblieben auf
der „Hohenzollern".
Baden. Karlsruhe, 31. Mai. Die Ankunft des
Prinzregenten Luitpold von Bayern hier soll nun-
mehr, nachdem mehrfache frühere Angaben sich als unzu-
treffend erwiesen haben, am 7. Juni erfolgen; der Aufent-
halt würde zwei Tage währen. Es handelt sich um einen
feierlichen Gegenbesuch gegenüber dem Besuch unseres Groß-
herzogs in München im vorigen Jahre, dabei wird fürst-
liches Gepränge entfaltet werden. Man darf erfreut sein
über die freundschaftlichen Beziehungen, die sich nun zwischen
den beiden Fürstenhäusern festigen und die sich schon vor
einigen Jahren durch die Bestellung eines eigenen Ge-
sandten in München (und Stuttgart) in der Person des
Geh. Raths Frhrn. Ferdinand v. Bodman bekundeten,
sodann durch die Verleihung des 8. bayerischen Infanterie-
Regiments an unseren Grobherzog. Bisher hat niemals
hier der Besuch eines bayerischen Regenten seit dem Be-
stand des Großhcrzogthums stattgefunden.
Aus dem Wahlbezirk Sinsheim-
Neckarbischofsheim, 29. Mai. Wie der Landbote
hört, hat der bisherige Vertreter unseres Bezirkes, Herr
Bürgermeister Neuwirth, auf das Drängen und Er-
suchen seiner Freunde sich bereit erklärt, auch für die nächste
Wahl die Kandidatur anzunehmen.
Hessen. In Hessen sind in der letzten Zeit zwei un-
angenehme Affären zur öffentlichen Erörterung gekommen:
Der Fall Dettweiler und der Fall Küchler. In ersterem
Fall handelte cs sich darum, daß dem Sohne des Ober-
schulraths Dettweiler, einem Gymnasiasten, von seinem
Klassenlehrer im Einverständniß mit dem Vater unzulässige
Nachhilfen gewährt wurden. So wurden dem jungen
Dettweiler Präparationszettel zugesteckt, die er benutzte
und noch an Mitschüler verkaufte. Die Sache kam im
Landtag zur Sprache, wo ein Ministerialrath den Ober-
schulrath so gut als möglich zu entschuldigen suchte, da ihm
von den Präparationszetteln damals noch nichts bekannt war.
Die Folge ist nun, daß der Klassenlehrer versetzt wurde
und gegen den Oberschulrath eine Disziplinarnntersuchung
eingeleitet wurde, die mit seinem Rücktritt enden wird.
Die zweite Angelegenheit nennt sich: Fall Küchler.
Die Sache hängt folgendermaßen zusammen: Herr Land-
gerichtsdirektor Küchler in Darmstadt hatte sich in Geld-
manipulationeu mit dem Korkstopfenfabrikamen Rapp ein-
gelassen, gegen den augenblicklich eine Anklage wegen
Wechsclfälschung und Vergehens gegen die Konkursord-
nung schwebt. Gegen Herrn Küchler war wegen
seiner Verbindnng mit Rapp ein Disziplinarverfahren ein-
geleitet worden, das zur Verurtheilung Küchlers zu einem
Verweis und einer Geldstrafe führte. Die Franks. Ztg.
hatte nun in einer Reihe von Artikeln behauptet, Herr
Küchler habe sich auch kriminell strafbar gemacht, zugleich
hatte die Franks. Ztg. gegen die hessische Justizverwaltung
schwere Vorwürfe erhoben, weil diese nicht gegen Herrn
Küchler, der nach wie vor Landgerichtsdirektor ist, im

Josephmeus Glück.
13) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
Dos blaue Büchlein war in dieser Zeit der auf- und ab-
llutbenden Stimmungen Josephinens Trost. Allein, indem
ne sich selbst Rechenschaft gab, erhob sich ihr Fühlen zum
Denken, wurde wirklicher und zugleich unbesiegbarer.-
Bruno verdroß es, daß er mit Cora van Haften nicht
Weiter kam. Seine kleine schnippische Nachbarin zeigte ihm
die verschiedenste Laune. Bald lächelte sie ihn so verführerisch
du, daß ihr ganzes Gesichtchen strahlte, bald schien sie ihn
'»um zu kennen und blickte erstaunt bei seinem Gruß oder
seiner Anrede auf. Dann wandte sie sich ganz von ihm und
schien beglückt, wenn sie mit einem anderen scherzen konnte.
Der in solcher Weise Gereizte sagte sich, daß, da die kleine
von Dornen umhegte Veste sich nicht im Sturm nehmen
wsse, er eine klug berechnete Minirarbeit anwenden müsse.
Eitel war die Kleine, sie verlor nicht gern einen Verehrer,
sondern spannte jeden gewandten Kavalier an ihren Triumph-
wagen. Wenn er nun Miene machte, ihr auszubrechen?
Sollte es nicht möglich sein, ihre Eifersucht zu wecken?
Wenn er so recht vor ihren Augen sich geflissentlich um eine
andere Dame bemühte? Vielleicht würde sie das doch ver-
drießen und ihr den Wunsch wecken, ihn wieder zu gewinnen!
^ Am anderen Tage fragte er Josephine. ob sie, da sie jetzt
Meisterin im Radfahren geworden sei. ihn nicht aus seinen
Douren über Land begleiten wolle. Man müsse die guten
Herbsttage auSnutzen.
Josephine erröthete bei dieser Aufforderung vor Vergnügen
"Nd fühlte» daß sie eigentlich etwas Derartiges längst von ihm
erwartet habe. So kamen sie bald überein, und beredeten
d'Nen gemeinschaftlichen Ausflug.
^ Mit freudigem Herzklopfen sah Josephine am anderen
Morgen einen anfänglich noch von Nebel verschleierten, dann
dber ui Sonnengold getauchten Herbsttag anbrcchen.
Als sic zum ersten Male mit Bruno aus der Gartenpforte

in die Allee rollte, regle sich freilich ihre alte Scheu vor
! jedem Hervortrctcn und allem Auffallenden. Aber wie sorg-
! lich neigte er sich zu ihr, wie freundlich forschte er, ob sie
! auch nicht ängstlich sei! Fast wollte cs ihr scheinen, als thäte
er zu viel, aber wie beglückte sie seine Sorgfalt! Und fort-
geblasen waren alle ihre Bedenken.
Vergnügt und freudig belebt, kehrte Josephine von diesem
, ersten Ausfluge in's Weite zurück.
Auch Bruno hatte Vergnügen an der Fahrt zu zweien
j gefunden. Ihr Entrücken über die fliegende Bewegung, über
alle Reize der herbstlich bunten Flur, in ihren strahlenden
Augen und lachenden Mienen zu lesen, hatte seine Lust ver-
doppelt und ihn ganz anders genießen lassen, als je zuvor
auf seinen einsamen Touren.
Vielleicht war ihm sogar, ohne daß er sich Rechenschaft
darüber gab, das Mittel wichtiger geworden als der Zweck,
wenigstens bat er seine fügsame Partnerin, morgen wieder
mit ihm zu radeln, was sie freundlich zusagte.
Das Wetter begünstigte diese Partien und beide genossen
während einiger Tage ihre Ausflüge mit großem Vergnügen. —
Eines Nachmittags ließ sich Luise Moser wieder bei der
Nachbarin sehen. Die beiden Herren waren miteinander aus-
gegangen, und Josephine saß nun allein mit der Freundin
bei einer Tasse Kaffee auf der Veranda.
Wie gewöhnlich klagte die Moser über Cora, »ihren kleinen
Plagegeist".
»Sie glauben nicht, Josephine, wie unleidlich das leiden-
schaftliche Ding wieder in den letzten Tagen war- Und es
ist lächerlich zu sagen, und ich sollte vielleicht nicht zu offen-
herzig sein, aber Sie werden sich mit mir darüber amüsiren
— Coras übele Laune entsprang aus Eifersucht auf Sie."
„Auf mich?" Es war ein unwillkürlicher Ausruf, um die
tiefe Bewegung zu verdecken, die Josephine durchzuckte.
„Ja, ich habe Cora wegen ihrer Albernheit ausgelacht,
aber sie glüht und sprudelt, wenn sie steht, daß der Assessor
mit Ihnen radelt, und so sorglich und freundlich mit Ihnen
thut. Ich habe meiner kleinen, wilden Katze zehnmal vor-
gepredigt, daß Sie von Kindesbeinen an mit Herrn von

Delditz befreundet sind, daß er viel jünger ist als Sie, und
daß nur Dankbarkeit — Höflichkeit — zwischen Ihnen herrsche»
daß von einer eigentlichen Kurmacherei oder gar Bewerbung
von seiner Seite nicht die Rede sein kann."
Josephine war keines Wortes mächtig.
Sie vermochte nur stumm den Kopf zu schütteln.
„Na, sehen Sie, ich war davon überzeugt- Mein kleines,
eitles Närrchen, das keiner Anderen einen Blick ihrer Ver-
ehrer gönnt, wollte sich aber nicht überzeugen lassen, und so
hatte ich denn mit ihrer übelen Laune meine liebe Nolh."
Es wurde Josephine schwer, der weiteren Plauderei ihrer
Gefährtin zu folgen. Ein Sturm von wunderlichen Gefühlen,
Gedanken, Ueberlegungen brauste durch ihr Hirn. Sie sehnte
sich nach ruhiger Sammlung.
Endlich war die Moser fort und die Gequälte konnte un-
gestört denken.
Was war ihr geschehen? Sie fühlte sich verletzt, daß die
Moser jede Möglichkeit ihrer Rivalität ausschloß, und freudig
bewegt, daß Cora sie mit Eifersucht onsah. Sollte das reiz-
bare Empfinden der verliebten Kleinen recht haben? Sollte
es möglich sein?
Also die Hasten zählte ihn zu ihren Verehrern! Daß sie
noch nie aus diese naheliegende Thatsache gekommen war!
Ihre Arglosigkeit ging zu weit.
Aber wie konnte er Cora bewundern? Das eigenwillige
Ding war ihr völlig unsympathisch. — Spielte er ein
doppeltes Spiel? Wo fand sie einen klaren Einblick? Wo die
Wahrheit?
Angst und Zweifel erschütterten ihre Seele. O hätte sie
ihn warnen, ihm die Augen öffnen dürfen! Aber es war
unmöglich l Hätte sie ihm unbefangen gegenüber gestanden,
würde sie cs versucht haben. That sie es jetzt, so mochte er
ihre sorgende Liebe für ihn aus dem Zittern ihrer Stimme
heraushören, mochte Eifersucht ahnen.
Nein, sie konnte mit ihm nicht über Cora van Haften
sprechen! L-ie stand dem, was kommen sollte, ohnmächtig
gegenüber.
(Fortsetzung folgt.)
 
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