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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0607

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 135. Erstes tilgst. Dienstag, den 13. Juni

I8S9.

Ausschreitungen bei den Arbeitskämpfen der
letzten Jahre.
III.
3. Unzulänglichkeit der bestehenden Straf-
bestimmungen.
Die Unzulänglichkeit des § 153 der Gewerbeordnung
wird in der Denkschrift durch ein außerordentlich reich-
haltiges Material belegt. Beispielsweise wird auf den
Bergarbeiterausstand im Saar-Revier 1892/93 hingewiescn,
in dessen Verlauf „Tausende von Arbeitern durch wider-
rechtliche Beeinflussung Dritter zum Niederlegen der Arbeit
veranlaßt und an der Fortsetzung der Arbeiten verhindert
worden sind", jedoch nur acht Bestrafungen auf Grund
des § 153 der Gewerbeordnung erfolgen konnten. Viel-
fach wird darüber geklagt, daß der § 153 theils unzuläng-
lich, thcils nicht anwendbar gewesen sei. Das erklärt sich in
erster Linie aus der Beschränkung der im § 153 gegebenen
Strafbestimmungen nur auf solche Verabredungen, in denen
cs sich um die Erlangung günstiger Arbeits- und Lohnbe-
dingung handelt. Gerade aber die Streiks, bei deren
Anzettelungen es sich um ganz andere Zwecke handelt, sind
in neuerer Zeit stark in der Zunahme begriffen, Streiks,
bei denen es sich lediglich um die Kraftprobe der Arbeiter
und um Eingriffe in die Selbständigkeit der Betriebsleitung
handelte. Häufig giebt die Weigerung eines Arbeitgebers,
einen wegen Unbotmäßigkeit, Trägheit oder Untüchtigkeit
entlassenen Arbeiter wieder einzustellen, oder aber die
Weigerung eines Arbeiters, irgend einem Verbände beizu-
Ireten, den Anstoß zur Niederlegung der Arbeit. Nach
den amtlichen Feststellungen hat es in den letzten Jahren
auch nicht an Streiks gefehlt, welche von Arbeitern „völlig
frivol" eingeleitet wurden, lediglich um den Arbeitgeber die
eigene Macht fühlen zu lassen, ohne daß die Erlangung
günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen beabsichtigt war.
Aus Sachsen-Altenburg wird mitgetheilt, es sei häufiger
vorgekommen, daß die Arbeiter durch Streikandrohungen
die Entlassung oder Anstellung von Arbeitern zu erzwingen
versucht hätten. In einem Falle brach ein Streik a> s,
weil der Unternehmer sich weigerte, einen Arbeiter zu ent-
lassen, der seit Jahren zur vollen Zufriedenheit der U iter-
nehmer in der betreffenden Fabrik gearbeitet hatte. Von
zwölf näher erörterten Arbeitseinstellungen zu Magdeburg
wurde eine veranlaßt durch die Nichtbewilligung eines Vor-
schusses an unverheirathete Gesellen, während in einem
anderen Falle die Ablehnung des Verlangens der Arbeiter,
daß ihnen ein bestimmtes Werkzeug geliefert werde, zum
Ausstande führte; in einem dritten Falle gar wurde die
Arbeit niedergelegt, weil der Polier kein Magdeburger Ein-
wohner war.
Wenn auch vereinzelt der Begriff der „günstigen Lohn-
und Arbeitsbedingungen" im Sinne des Z 152 dahin
aufgefaßt worden ist, daß er auch die Besserung der
Arbeitsverhältnisse im Allgemeinen, insbesondere die Be-
schränkung des Arbeitgebers in der freien Wahl der von
ihm zu beschäftigenden Arbeiter, umfasse, so hat sich doch
die Rechtsprechung ganz überwiegend für die engere
Auslegung des Begriffes jener Bedingungen entschieden.
In einem Kammergerichtsurthcil wird ausgeführt, daß eine
Verabredung zur Erlangung günstigerer Lohnbedingungen
um deswillen nicht vorliegc, weil die Ausständigen ledig-
lich die Nachzahlung des Lohnes für einige Tage verlangt
hatten; §152 finde aufVerabredungen.welcheeine Lohnzahlung
für die Vergangenheit bezwecken, keine Anwendung. Das
Reichsgericht hat ferner entschieden, daß 8 152 keine Gel-
tung habe bei Verabredungen, die nur die Wiederherstellung
eines früheren Arbeitsverhältnisses unter den alten Be-

dingungen oder die bloße Einhaltung vertragsmäßig ver-
abredeter und darum rechtsgiltig bestehender Bedingungen
bezwecken. In anderen Fällen erkannte der Gerichtshof,
daß der Thatbestand des 8 153 nicht erfüllt sei, weil der
Ausstand lediglich die Wiedereinstellung der entlassenen
Arbeiter oder die Entlassung mißliebiger Kameraden, die
Degradirung eines Vorarbeiters zum einfachen Arbeiter
und dergleichen mehr bezweckte. Außer den Arbeiter-
kämpfen, in denen es sich im Wesentlichen um Macht-
fragen handelt, bleiben für die Anwendung des § 153
auch diejenigen Ausstände außer Betracht, bei denen aus-
schließlich die Jnnehaltung der aus bestehenden Verträgen
sich ergebenden Verpflichtungen erstrebt wird.
Unanwendbar ist 8 153 ferner, wenn nicht zum
Anschluß an eine Verabredung oder zur Befolgung
einer solchen genöthigt werden sollte oder bei Ausschreitungen,
die erst nach Beendigung eines Streiks begangen
worden sind. Bei dem an Ausschreitungen reichen Berg-
arbeitercusstande zu Gelsenkirchen 1893 konnte keine Ver-
urtheilung aus 8 153 erfolgen, weil es bezüglich jedes
einzelnen Verhafteten unmöglich war, nachzuweisen, daß die
bedrohten arbeitenden Bergleute widerrechtlich zur Unter-
werfung unter die Anordnungen des alten Bergarbeiter-
verbandes gebracht werden sollten. Aus der überaus reichen
Menge der in Denkschrift (S. 79 bis 92) dargelegten
Einzelfälle sei noch ein Beispiel angeführt, bei welchem der
Schutz des ß 153 versagte. Die in einer Volksversammlung
in München 1897 von zwei sozialdemokratischen Rednern
gegen die arbeitswilligen Mitglieder des katholischen Vereins
„Arbeiterschutz" vorgebrachten Beleidigungen blieben u. A.
deshalb straflos, weil an eine Ueberredung gerade dieser
Elemente zum Streiken gar nicht gedacht werden konnte.
Mehrfach hat eine im Sinne des 8 153 strafbare
Absicht nicht angenommen werden können, weil zur Zeit
der Ausschreitung der Arbeitskampf bereits seinen Abschluß
gefunden hatte, mithin eine Unterwerfung unter die Streik-
verabredung nicht mehr in Frage kommen konnte. Be-
leidigungen und Mißhandlungen, Sachbeschädigungen und
Behelligungen der verschiedensten Art, die nach der Be-
endigung von Aus ständen gegen die Arbeits-
willigen verübt worden sind, werden in größerer Zahl
mitgetheilt. Die Unmöglichkeit, den 8 153 in solchen
Fällen anzuwenden, ist von den zur Strafverfolgung be-
rufenen Behörden wiederholt als ein erheblicher Mangel
empfunden worden.
Auf eine weitere Anzahl von Ausschreitungen hat 8 153
keine Anwendung finden können, weil zwar die in ihm
aufgeführten Mittel des Zwanges angewandt worden waren,
aber eine Verabredung, an welche der Anschluß hätte
erzwungen werden sollen, überhaupt nicht vorlag odör
nicht erweislich war.
(Schluß folgt.)

Deutsches Reich.
— Die Nordd. Allg. Ztg. vernimmt, daß die Audienz,
in der der deutsche Gesandte dem Kaiser von
China den Schwarzen Adlerorden und der Kaiserin-
Witt me zwei kostbare Girandolen überreichte, befriedigend
verlaufen ist. Der Kaiser legte sogleich die Ordensinsignien
an; die Kaiserin drückte ihre lebhafte Freude über das ge-
chmackoolle Geschenk aus. Beide dankten Kaiser Wilhelm
durch den chinesischen Gesandten in Berlin telegraphisch.
„Es zeigte sich," so fährt das Blatt fort, „daß die ent-
schiedenen deutschen Maßnahmen und die Art ihrer Durch-
führung weit entfernt sind, die beiderseitigen Beziehungen
zu beeinträchtigen, daß sie vielmehr bei der Regierung und
der Bevölkerung Chinas von guter Wirkung waren. Nicht

allein, daß die chinesische Regierung in der Missionsfrage
sich zu energischen und hoffentlich durchgreifenden Vorkeh-
rungen aufraffte, sondern es ist auch sicher anzunehmen,
daß die Anwesenheit des deutschen Detachements auf einen
glücklichen Abschluß des Tientsin-Tschckiang-Eisenbahnprivi-
legiums fördernd und beschleunigend einwirkte." Die aus-
ländischen Blättermeldungen, daß China gegen die Deutschen
in Shantnng ein feindseliges Vorgehen plane, erwies sich
als Erfindung. Es steht zu hoffen, daß der in Peking
und Shantung erzielte Eindruck nachhaltig bleibe und sich
die chinesische Bevölkerung allmählich an die Anwesenheit
von Europäern auch im Innern gewöhnen lerne.
— Der Colonialrath ist am 12. d. unter dem
Vorsitz des Colonialdirektors Dr. v. Buchka zu einer neuen
Tagung im Reichstagsgebäude zusammengetreten. Dem
Colonialrath gingen zu der Entwurf einer Verordnung
betreffend die Einführung des deutschen Maaß- und Ge-
wichtssystems für das südwestafrikanische Schutzgebiet, eine
DenkschriftmitGutachten der Professoren Koch und Kohlstock
betreffend Errichtung eines tropischen Gesundheitsamtes und
ein Gesetzentwurf betr. die Vorbildung der Colonialbeamten.
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Ernennung des
Reichsgerichtsraths Dr. Olshausen zum Oberreichs-
anwalt.
— Freie Vereinbarungen über einen einheitlichen
Geschäftsschluß sind kürzlich von Ladeninhabern in
Meiningen, Magdeburg, Düsseldorf und Lüneburg getroffen
worden, so daß nun aus etwa 200 Orten derartige Ab-
machungen vorliegen. Thatsächlich sind sie indessen fast
überall voneinzelnen Kon kurrentendurchbrochen
und dadurch außer Kraft gesetzt worden. Eine gesetzliche
Regelung dieser Frage wird daher in weiten kaufmännischen
Kreisen für erforderlich erachtet. Den auf einen 9 Uhr-Schluß
hinziclenden Kommissionsbeschlüssen des Reichstages hat
neben einer ganzen Anzahl von Prinzipalsvereinen auf
seiner letzten Tagung auch der Verband deutscher Eisen-
waarenhändler zugestimmt, während im Interesse der An-
gestellten der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Vcrband
zu Hamburg, unbeschadet seines weitergehenden grundsätz-
lichen Standpunktes in dieser Angelegenheit, ebenfalls die
Annahme der Novelle zur Gewerbeordnung in ihrer jetzigen
Form befürwortet hat.
Deutscher Reichstag. Berlin, 12. Juni. Der Reichs-
tag nimmt in dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes
betreffend die Gebühren für die Benutzung des Kaiser
Wilhelm-Kanals an.
Bei dem Gesetzentwurf betr. Feststellung des Nach-
tragsetats für 1899 beantragt Abg. Dr. Lieber
(Cenlr.) eine redaktionelle Aenderung des Kapitels 2 a.
Staatssekretär v. Thtelmann erklärt: Ein Rechtsanspruch
stehe den Gebrüdern Denhard nicht zu. Doch empfehle es sich,
eine Abfindung von 150000 Mk. zu zahlen. Die Gebrüder
Denhard sollen nicht verpflichtet sein, die ihnen etwa von England
zugewiesenen Entschädigungen dem Reiche zurückznerstatten.
Abg. Müller-Sagan (freis. Bp.) führt aus, daß seine Partei
nach wie vor auf dem Standpunkt stehe, daß nicht nur eine Ent-
chädigungspflicht des Reiches nicht anzuerkennen sei vom recht-
lichen Standpunkt aus, sondern auch aus Btlligkeitsgründen.
Seine Partei sei bereit, aus einem gewissen Wohlwollen heraus
eine Entschädigung zu gewähren, deren Betrag er jedoch nicht so
hoch greifen möchte wie die Kommission. Seine Partei werde
zwar für den Antrag Lieber, aber gegen die Entschädigungssumme
von 150000 Mk. stimmen.
Hierauf wird die Entschädigungssumme mit 150000 Mk. und
der Antrag Lieber angenommen.
Es folgt die Berathung des Nachtragsetats des Reichs-
amts des Innern. Derselbe wird nach kurzer Debatte ge-
nehmigt.
Beim Militäretat beschwert sich Abg. Wetterls (Elf.), daß
der Titel Truppenübungsplatz des XV. Armeekorps in Abwesen-
heit der Elsässer in der Kommission angenommen worden sei.
Abg. Groeber (Centr.) tadelt die Haltung der Elsässer in

Josephiueus Glück.
22) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
Als Bruno seine junge Frau sanft von der Leiche ihres
Vaters entfernen wollte, über die sie sich geworfen hatte,
schlug sie um sich und schrie: „Ich lasse mir's nicht gefallen.
— Du sollst mich nicht wegbringen — ich will nicht von
meinem Vater!"
Plötzlich verwandelte sich aber ihre Wildheit in Schwäche;
in krampfhaftes Schluchzen ausbrechend, sank sie zu Boden.
Der Arzt erklärte, bei ihrem Zustande sei die größte Schonung
geboten.
Bruno stand den geschäftlichen Beziehungen seines Schwieger-
vaters ganz fern.
Da er von der Großmuth des reichen Mannes abhängig
war, batte er sich nie in Haftens Geldangelegenheiten einge-
mischt. Vielleicht mochte sein sorgloser Leichtsinn ihn auch
davon abgehalten haben. Die Mittel waren ja immer reich-
lich, und wie von selbst, flüssig gewesen.
Bruno wußte nur, was der Verstorbene oft erzählt, daß
er als junger Kaufmann nach Java gegangen, dort gut
spekulirt habe, reich, und Eigenthümer werthvollen Grundbe-
sitzes geworden sei.
Sein Bruder lebte in Amsterdam in nicht sonderlich
glänzenden Verhältnissen.
Bruno hielt es für Pflicht und Höflichkeit, diesem einzigen
Bruder, Mynheer Pieter van Haften, den Tod seines
Schwiegervaters. Jan van Haften, sogleich telegraphisch an-
zuzeigen, um den Verwandten die Möglichkeit zu geben, der
Beerdigung beizuwohnen.
Die Rückantwort meldete: daß Pieter mit zwei Söhnen
kommen werde, um dem Bruder die letzte Ehre zu erzeigen.
„No, das ist doch anständig vom Onkel," meinte Cora,
die jetzt ruhiger geworden war und sich eifrig mit ihren
Tranertoiletten beschäftigte. „Früher waren die Pieters
garnicht nett."

Die drei holländischen Herren kamen an, wurden von
Delbitz mit größter Artigkeit empfangen, und wohnten am
nächsten Morgen der Beerdigung Jan van HastenS bei, die
mit allem nur möglichen Trauergepränge von statten ging.
Nach der Feierlichkeit bat Mynheer Pieter den jungen
Schwiegersohn seines Bruders in etwas förmlicher Weise,
ihm und seinen Söhnen eine geschäftliche Unterredung zu
gewähren. Er hatte seine kaufmännische Lehrzeit in Hamburg
zugebracht und sprach ganz gut deutsch.
Bruno willigte zuvorkommend ein. Gewiß hofften die
Herren auf ein namhaftes Legat. Ob man etwas für ihn
thun mußte? dachte er, während er sie in des Verstorbenen
Arbeitszimmer führte, wo der Bruder begann:
„Ich möchte mir die Frage erlauben, Mynheer van Delbitz,
ob sich kein Testarpent oder sonst ein gerichtliches, die Erb-
schaft regelndes Dokument vorgcfunden hat?"
Bruno wurde in seiner Ansicht, von dem Wunsche der
Verwandten, bedacht zu sein, bestärkt, und antwortete in
bedauerndem Ton, daß er von keiner letztwilligen Verfügung
wisse: „Vermuthlich hat mein Herr Schwiegervater, da er
nur die einzige Tochter und Erbin besaß, besondere Be-
stimmungen für überflüssig erachtet."
„So, hm" — machte Pieter, strich sich das glattrasirte
Kinn, und sah seine Söhne, die ein eigenthümlich gespanntes
Schmunzeln zeigten, von der Seite an.
„Mir scheint es — hm — nicht so gewiß, wie Sie an-
nehmen," fuhr der Vater bedächtig fort, „daß Mefrouw Cora
Van Delbitz den Nachlaß meines verstorbenen Bruders erbt."
„Nach deutschen Gesetzen!" — rief Bruno überlegen —
Der alte Herr unterbrach ihn:
„Auch nach holländischen Gesetzen erbt die legitime Nach-
kommenschaft, ohne testamentarische Bestimmungen. Die
illegitime indes" —
„Herr! Was wollen Sie damit sagen?"
„Daß mein Bruder mit der Mutter Ihrer Frau nicht
ehelich verbunden, nie nach den Gesetzen der Kirche und des
Staates getraut war." . .
Eine dunkle Röthe stieg in Brunos Stirn: „Mein

Schwiegervater bat Cora wie seine Tochter gehalten und als
solche anerkannt."
„Gesellschaftlich ja, ob gesetzlich legitimirt, oder adoptirt,
bleibt nachzuweisen."
„Jan van Haften ist in dem mir vorliegenden Taufschein
Coras als Vater genannt."
„Jan hat auch uns gegenüber seine Vaterschaft nie in
Abrede gestellt, allein rechtlich sagt das garnichts. Im Tauf-
scheine wird cs heißen: Tochter des Jan van Haften und
der Diepa Wangi, nicht seiner Ehefrau Diepa, geborene
Wangi."
Bruno stand entsetzt. Er wußte, daß er den holländisch
geschriebenen Taufschein seiner Frau nur obenhin angesehen
habe. Sein starrer Schreck war so groß, daß er die Trag-
weite des eben Ausgesprochenen noch garnicht zu fassen, die
Sachlage noch garnicht auszudenken vermochte. So fuhr
Mynheer Pieter in ruhiger Darlegung des Sachverhalts fort:
„Die Diepa war eine junge hübsche Dienerin, malaiischer
Abkunft, im Haushalte meines Bruders, von ziemlich Heller
Hautfarbe, und nicht ohne Anmuth. Ich habe es Jan nie
verübelt, daß er sie zu seiner Geliebten nahm. Es ist das
Gebräuchliche in Batavia und niemand denkt an die Heirath
mit einer Eingeborenen. Als das kleine drollige Mädchen»
die Cora. bei meinem Bruder herumspielte und ihm immer
lieber wurde, hat er vielleicht mal an eine Ehe mit der Wangi
gedacht. Dann aber kam die Fieberepidemie, an der sie starb
und von der auch Jan so stark ergriffen wurde, daß der
thatkrästige Mann ganz zusammenfiel und seinen Geschäften
nicht mehr Vorstehen konnte. Er verkaufte, was sich zu Geld
machen ließ, setzte Verwalter ein und kam mit Cora in
Amsterdam an. Hier sah er bald, daß man dem Mädchen
nicht allein ihre Geburt, nein, vor allem die malaiische Ab-
kunft, an der sich nichts ändern ließ, nachtrug, und daß man
sie, er hätte thun können, was er gewollt, nicht für voll gelten
ließ. Vielleicht hat der Verdruß darüber ihn außer Landes
getrieben."
(Fortsetzung folgt.)
 
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