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Das Geltungsbedürfnis der Zwanzigtausend
Die innere Einsamkeit in künstlerischen Dingen
kann dem Künstler nicht erspart bleiben, weil die
Kunst vom Beschauer nicht restlos verstanden
werden kann. „Man begreift nnr, was man
selber macht" (Goethe). Wenn wir aber schon in
dieser Beziehung unverschuldet einsam bleiben
müssen, so wehren wir uns doch aus Leibeskräften
dagegen, isoliert zu sein. Sobald wir das
Wort „Volksgemeinschaft" hören, empfinden wir
doppelt schmerzlich die Schwierigkeit, in dem Ver-
hältnis Künstler—Volk wieder zu einem erträg-
lichen Gleichgewicht zu gelangen. Denn wir
hängen so an der Malerei, daß wir uns eine wirk-
liche Schicksalsgemeinschaft nur denken können,
wenn unser Volk auch wieder zu geformten Werten
einen Weg findet.
Die Aufgabe der Maler im kommenden Jahr
heißt, stolz genug zu sein und nicht alle Hilfe von
den Literaten zu erwarten, sondern selber die
Fäuste zu regen und mit der gleicher: erbitterten
Konsequenz und Sturheit, die wir im politischen
Kampf der letzten Jahre anwandten, das Volk für
die Kunst zu gewinnen. Da das Volk Wohl zu
verblüffen, aber auf die Dauer nicht zu täuschen
ist, denn sein Instinkt ist treffsicher wie der eines
Kindes, schwächt jeder unfähige und jeder un-
wahre Maler unsere Front. Die Vorbedingung
ist, daß wir selbst von den Werten, für die wir
eintreten, unerschütterlich überzeugt
sind und daß unsere vornehmlichsten Waffen Per-
sönliche Sauberkeit und Ehrlichkeit sind. Es
mögen daher auch, da Talent verpflichtet, alle jene
Tonen, die pch lediglich in „reizenoen optischen
Arrangements" erschöpfen, einsehen, daß sie heute
wie nie die Kunst schädigen.
Der Staat hat den Künstlern durch den Reichs-
minister Goebbels die größtmögliche Freiheit
innerhalb der Staatsgesetze zugestanden. Wir
müssen nun das Zeug dazu haben, innerhalb dieser
Freiheit das Notwendige selbst zu tun. Der heu-
tige Knnstbetrieb wird uns nie eine starke Wir-
kung auf das Volk ermöglichen. Die Maler selbst
werden ihn daher faschistisch umgestalten. Ob-
wohl es paradox erscheint: das Ge-
tümmel der Än s st e l l u n g e n m u ß
unterbunden werden, wenn das
Volk zur Kunst hin erzogen werden
soll. Verwirrt und übersättigt wendet sich das
Volk von Ausstellungen ab, die Kitsch und Kunst
unter einem Hut sammeln und ein unbilliges
Verlangen an das Urteilsvermögen des Be-
schauers stellen: In Leipzig wurde von 700 Wer-
ken ein einziges gekauft! Eine Kunstausstellung
dagegen, die als Instrument völkischer Kultur-
bildung dem Führerprinzip unterliegt und nicht
mehr eine Provokation des Volkes, sondern Er-
ziehung und Wegweiser des Volkes ist, kann wieder
Verständnis für die Kunst erwerben: In der von
dem Maler Kelter veranstalteten Ausstellung
„Die Westfront" wurde von 200 Werken jedes
fünfte verkauft.
Damit das Vertrauen des Volkes zur Kunst
wächst, müssen die Maler verlangen, daß jede
mäßige und Kitsch-Ausstellung verhindert wird.
Wir haben keine Zunft mehr, aber wir
können sie ersetzen. Das Prinzip, Summierungen
von Kitsch und Kunst auf die Menge loszulasscn,
nm ihr gewissermaßen auch das Maul dieses
Bedürfnisses zu stopfen, ist bolschewistisch, vom
Volk aus gesehen, denn es zielt nicht darauf ab,
ans den Charakter der Nation veredelnd einzn-
wirken, sondern dem Kollektiv zu dienen. Es ist
aber auch bolschewistisch, vom Künstler aus ge-
sehen, denn wenn inan die 20 000 „Maler", die
in Deutschland Leinwandflächen beanspruchen, für
die Kunst alarmiert, so richtet sich deren Geltungs-
bedürfnis notwendigerweise gegen die Qualität
und gleicht der russischen Alarmierung von je
zwanzia nichtskönnenden Proletariern gegen je
einen Kulaken, der seine Landwirtschaft versteht!
Der Vorschlag des straffsten Führerprinzips
im öffentlichen Knnstleben ist, vom Volk ans ge-
sehen, s o z i a l i st i s ch, da er das Volk vor min-
derwertigen Eindrücken schützen will, und ist, vom
Künstler aus gesehen, aristokratisch.
In der Knnstwertung kann nnr
das aristokratische Prinzip Gel-
tung haben, wenn sich die Kunst
nicht selbst ausgeben soll. « r«
x «z - r, d. h., das Beste herrscht! Außer-
dem ist die Kunst auch nicht, und unter gar keinen
Umständen, ein soziales Versorgungsinstitnt für
jedermann, „der Farben kauft und malt mit
ihnen!" Jeder Pfennig, der für die Produk-
tion eines notleidenden Talentlosen rollt, ist
den wirklichen Künstlern gestohlen, die inzwischen
weiterhungern. Nimmt man aber an, daß das
Verhängnis die Führung in die Hände eines Un-
berufenen legen könnte, so ist doch diese Gefahr,
die ans allen Gebieten vorhanden ist, kein
Argument gegen das Führerprinzip.
Nur wenn die Kunst die schärfsten Maßstäbe
an sich selbst legt, wird sie ein neues Menschentum
mit Aussicht auf Durchschlagskraft auf ihre Fahue
schreibe:: können.
lerischen Ausdrucks die Scheinwelt dieser angeb-
lichen „Ideale".
Wir Maler proklamieren durch
unsere Werke, mögen es Stilleben,
Landschaften, Porträts seiu, immer
von neuen: das Bekenntnis zur
Lebens fülle, Unbeschwertheit und
zu den befreienden Einsichten in
Ernst Barlach, Der Spaziergänger
In der letzten Zeit haben viele Kunstliteraten
nnter dem vorwurfsvollen Kennwort „Die Kunst
dem Volke" von uns Malern neue und stärkere
„Traditionsgebundenheit" verlangt. Das ist be-
rechtigt. Allerdings geht es nicht, daß man Tra-
dition will, sondern man h a t sie. Aber wenn
wir sie ausreden ließen, meinten manche doch nicht
Tradition, sondern Konvention. Jede Art von
Konvention nun — mag es sich um übererbte
Formabmachnngen oder, inhaltlich, um Stabili-
sierung und Verherrlichung vorhandener bürger-
licher Ideale: Wohlbehagen, Gemütlichkeit, Re-
signation, Stimmungsmache, „gute Ton", „gute
Ruf" handeln — ist den: heutigen Maler ein
Greuel. Er bekämpft, wenn er seine Bestim-
mung begriffen hat, mit allen Mitteln des künst-
die Natur und das Organische.
Dieses Bekenntnis ist modern, d. h.
immer dann zeitgemäß, wenn es
ausgesprochen wird.
Die Malerei ruft immer zu neuem Menschen-
tum auf. Sie klagt das Enge an, sie hebt durch
das Mittel der Formung die Häßlichkeit auf, sie
beschreibt Schönheit und Freiheit der Zukunft.
Ausschlaggebend ist dabei nicht das Dargestellte
und Inhaltliche. Formung ist die erste
Voraussetzung dafür, daß man ein Gemälde
überhaupt des Ansehens für wert findet! Mit
Inhalt allein ist nichts getan. Als Maler, d. h.
als Menschen, die anderen Knnstgesetzen gehorchen
wie die Poeten, hassen wir mit Recht die „litera-
rischen" Bilderproduzenten. Dabei soll betont
werden, daß es in der Malerei auch einen in die-
sem Sinne „literarischen" Expressio-
n i s m u s gibt, der sich in der Jnhaltlosig-
keit erschöpft, und der ans keiner höheren Stufe
steht als der „literarische" Naturalismus, welcher
sich im Inhalt erschöpft. Da sich diese Darlegung
an Maler wendet, kann ohne nähere Erläuterung
ans den: Vorangegangenen gefolgert werden, daß
es nicht an den „Stilen" liegt, sondern immer und
nur, über alle Inhalte und Jnhaltlosigkeiten,
Stile und Methoden hinweg, an dem Cha-
rakter der Gestaltung! Wir müssen
menschliche Größe und deren überzeugende Aus-
prägung anstreben, um immer stärker „der Sehn-
sucht des Volkes nach seiner höchsten rassischen Ge-
stalt" (Hitler) Ausdruck geben zu können.
Diese Arbeit an uns selbst und unfern Werken
ist letzten Endes das wichtigste und sicherste Mittel,
den Beschauer zur Kunst zu erziehen und eine
große Einwirkung auf unser Volk zu erreichen.
Die Bewegung, die Volk und Kunst wieder
in eine gesunde Verbindung bringen will, ist das
Feierabendwerk Dr. Leys. Da dieses Werk einer
Millionenorganisation dient, könnte die Gefahr
bestehen, daß — soviel die bildende Kunst daran
beteiligt ist — moderner Massenkitsch oder
Massen modernen Kitsches jetzt die Stelle des
u nu: oderne n Kitsches an den Wänden und in
den Herzen des Volkes einnehmen möchten. Da-
mit wäre lediglich die Zeit vertauscht.
Die Deutsche Arbeitsfront umfaßt 19 Millionen
Menschen, die Kunst aber ist selten. Der Künstler
Hans Weidcmann, der Leiter des Kulturamtes,
muß und wird uns dafür bürgen, daß nicht
Kitsch und Mittelmäßigkeit eine
Talmikultur, sondern daß die Herr-
schaft der G e st a l t n n g s w e r t e eine
Beziehung zwischen Volk und Kunst
und damit eine wabre völkisckie
Kultur heraufführen wird.
O t t o - n ck r 6 a s 8 e ll r e i b 6 r
Um den
Theaterbau
der Zukunst
Rudolf Hartig zu seinem Entwurf:
„Eine deutsche Schaubühne"
Ohne Zweifel müssen wir für die Theater-
bauten der Zukunft eine von Grund auf neue
Raumgestaltung suchen. Denn die seit mehr als
300 Jahren gebräuchliche „Guckkasten"- oder
„Tiefenbühne" — eine zeitbedingte Schöpfung der
höfischen und bürgerlichen Gesellschaft — kann mit
ihren: trennenden Vorhang und engenden Bühnen-
rahmen heute nicht mehr den an ein großes Volks-
theater zu stellenden Forderungen gerecht werden
— trotz aller technischen Verbesserungen. Heute,
da mit der Revolution der Gesellschaftsordnung
das ganze Volk am Kulturgute der Nation
teilhaben soll, gilt es Raumbauten zu schaffen,
die aus ihrer Anlage heraus organisch Massen von
5000 und mehr Zuschauern zu einer Erlebnis-
einheit zusammenfassen.
Wenn unsere Architekten nun an diese Aufgabe
Herangehen — zunächst beim Wettbewerb um die
„Häuser der Arbeit", die ja selbstverständlich einen
solchen Festraun: in sich bergen sollen (ich ver-
meide die Bezeichnung „Saal", da mit ihr die
Vorstellung einer rechteckigen Form verbunden
ist) —, so möchte ich als Regisseur aus meiner
praktischen Theaterarbeit heraus ihnen einen
grundlegenden Gedanken mit auf den Weg geben,
den ich in meinem „Entwurf zu einer deutschen
Schaubühne" ausführlich behandelt habe. (Ver-
öffentlicht im „Deutschen" Nr. 283 vom 3. De-
zember 1933.) Ich bezeichne die hier skizzierte
neue Theaterform als „deutsche" Schaubühne, weil
mir eine klare Abgrenzung von griechischen und
römischen Vorbildern geboten erscheint.
Den: Architekten liegt es nahe, von den archi-
tektonischen Grundformen des griechischen und
römischen Theaters auszugehen und auf Rund-
bzw. Halbrundbauten zu kommen, wenn er — dem
Rufe folgend: „Los von der Guckkastenbühne" —
ein vorhangloses Theater schaffen will; er vergißt
aber, daß diese antiken Anlagen dem Wesen des
klassischen Dramas entsprachen, das gesetzmäßig
an die „Einheit des Ortes" gebunden war. Unsere
nordischen Bühnendichtungen sind infolge ihrer
eigenen Gesetzlichkeit in solchen Theatern nicht
aufführbar; (Versuche haben dies bereits gezeigt,
so wurde z. B. „Richard III." zum Manegeschau-
stück!). — Abwegig ist es ferner zu glauben, daß
unsere jungen Dramatiker jetzt etwa Schauspiele
im antiken Stile schreiben werden. Paul Beyer,
ein führender Kopf unter den Dichtern des neuen