6
Kunst der Natron
Niemand darf frieren
in diesem Winter
Darum gebt
für die
Winterhilfe
wurden Wandteppiche und Antependien der Hand-
weberei Hohenhagen, von Alen Müller, Lübeck,
Adolf Bauer, Saarbrücken, u. a., Gerät von Sil-
ber, Zinn, Holz aus den Werkstätten Koch-Schön-
wandt, Eva Dittrich, Hildesheim, Koolman, Lü-
beck, Rickert, Bielefeld, Kurtz, Stuttgart, Kauff-
mann, Breslau. Besonderer Wert war auf gute
kirchliche Graphik und Typographie gelegt. Hier
erregten besonderes Aufsehen die Spruchblätter
und sonstigen Arbeiten aus der Werkstatt und dem
Kreis Rudolf Koch f, ein großes Spruchblatt von
Frenzel, Berlin, Gedenkscheine von Post, Halle,
Holzschnitte von Schubert, Greifswald, Sinkwitz,
Hellerau, u. a. Lellneickar
Deutsche Künstlerbriefe aus Italien
Albrecht Dürers Wort: „Wie wird mich
nach der Snnnen frieren: hie bin ich ein Herr,
daheim ein Schmarotzer", könnte als Motto über
dieser Betrachtung stehen. In anderen Worten
klingt es ja auch aus Goethes „Italienischer
Reise" auf und von da ab in ungezählten Briefen
deutscher Künstler. In Dürers Tagen war die
Wanderschaft des deutschen Malers über die Alpen
noch etwas Ungewöhnliches. Aber schon hundert
Jahre später wird sie zur Gewohnheit. Johann
Heinrich Roos aus Frankfurt und seine Söhne,
von denen „Rosa de Tivoli" der bekannteste ist,
der Tiermaler Andreas Ruthard und vor allem
der geniale Adam Elsheimer, der 1620 in
Rom starb, sind die ersten „Deutschrömer". Im
18. Jahrhundert folgen Raphael Mengs, Tisch-
bein, die Angelika Kaufmann; im 19. die „Naza-
rener" und nach ihnen Feuerbach, Böcklin und
Marees. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts
ist es beinahe unerläßlich für jeden nordischen
Künstler, nach Rom zu pilgern. Uber die Gründe
hat sich Schnorr von Carolsfeld treffend geäußert:
„Im ganzen genommen fühlte sich der deutsche
Maler, der deutsche Kunst wieder Herstellen wollte,
nicht recht zu Hause, so lieb ihm immer sein Land
war. Das Auge derjenigen, durch deren Anteil
und Beifall er ermutigt und unterstützt werden
konnte, zu neuen Anstrengungen aufgeregt, war
gewöhnlich blind genug, um den Kern zu ver-
kennen, wenn er ihm in ungewohnter Form er-
schien. Und so war es denn besser, sich lieber ganz
und gar zu trennen, da die Gemüter schon getrennt
waren. Es scheint mir nun unter solchen Um-
ständen Italien am besten ins Mittel getreten
zu sein, sowohl seiner Natur und Kunstschätze
wegen, weil es, in beiden so sinnlich entgegen-
tretend, gewiß vorteilhaft auf den sich leicht in
Ideen verlierenden, strengen deutschen Maler
wirkte, als auch besonders, weil es den
günstigsten Vereinigungspunkt darbot für viele
Gleichgesinnte, Künstler und Kunstliebhaber, die
in Berlin, Imt^o^vplAtri, 8«llr Anr
renoviere, eveneuell vollkommen ein-
Aeriellrer, irn vermieten.
^.nkrnKen unter ^7. 86 an den Verlag cls. 2t^.
durch ein schönes, freies Leben sich kräftigten, durch
wechselseitigen Austausch der Ideen ihre Ansichten
berichtigten, durch Liebe und Teilnahme einander
aufmunterten, mutvoll und treu den eingeschlage-
nen Weg zu verfolgen."
Das ist kein überschwängliches Schwärmen für
das „Land, wo die Zitronen blüh'n", sondern ein
beschämendes Eingeständnis, daß es den deutschen
Künstler, dem es im vormärzlichen Deutschland
an allem fehlte — namentlich an nationalem Be-
wußtsein —, geradezu wie ins Exil nach dem
Süden trieb. Schnorrs Brief aus Rom ist 1818
geschrieben, aber was darin über die deutschen
Verhältnisse stand, hatte bis 1870 Geltung. Uber
ihrer Bewunderung für das „Land ihrer Sehn-
sucht" haben sich gerade unsere besten Künstler den
kritischen Blick für die Ubelstände ihres Exils be-
wahrt. Um mit Dürer zu beginnen, so schrieb er
an Willibald Pirkheimer, der ihm das Reisegeld
vorgeschossen hatte, aus Venedig:
„Es sind viel artiger Gesellen unter den
Welschen, die sich je länger je mehr zu mir gesellen,
vernünftige Gelehrte, gute Lautenschläger, Pfeifer,
Verständige im Gemäld und viel edlen Gemütes ...
dagegen sind auch die untreusten, verlogen,
diebischen Bösewichter, da ich glaub, daß sie auf
Erdreich nit lebten. Und Wenns einer nicht wüßt,
so gedächt er, es wären die artigsten Leut. Ich
muß ihrer je selber lachen, wenn sie mit mir reden.
Sie wissen, daß man solche Bosheit von ihnen
weiß, aber sie fragen nichts darnach. Ich hab
viel guter Freund unter den Welschen, die mich
warnen, daß ich mit ihren Malern nit eß und
trink. Auch sind mir ihrer viel feind und machen
meine Bilder in Kirchen nach und wo sie es
mögen bekommen. Und doch schelten sie es und
sagen, es sei nit antikischer Art und darum nit
gut . . . Sprecht, daß unser Prior bei Gott für
mich bitt, daß ich behütet werde vor den Franzosen
(der Syphilis, der „Franzosenkrankheit"). Denn
ich weiß nichts, was ich jetzt übler fürchtete, denn
schier jedermann hat sie. Viel Leut fressen sie
gar hinweg, daß sie also sterben."
Von Gottfried Schadow wissen wir, daß er
an der italienischen Landschaft nichts Besonderes
finden konnte, in der es nichts gebe als Pinien
und Zypressen, die aussähen „wie aufgespannte
und zugeklappte Regenschirme". Der schwäbische
Maler Gottfried Schick (1779—1812) wiederum
lobt die Natur und die alten Kunstwerke in Rom,
aber „außer diesen beiden Sachen müßte es höchst
unangenehm sein, in Italien zu leben. Keine
von allen Bequemlichkeiten des menschlichen
Lebens ist hier anzutreffen. Die Bürger, besonders
die von Rom, lieben es mehr, zu betteln als von
ihrer Hände Arbeit ihr Brot zu erwerben. Die
Regierung des Papstes ist die schlechteste, die sich
nur finden läßt. Die Prinzen vom Hofe haben
das ganze Land in Pacht, und lassen die Hälfte
davon aus der verfluchten Ursache wüst liegen,
daß das Korn immer im Preise bleibe. Das ge-
meine Volk geht darüber zugrunde. Sie essen das
Brot, wie man bei uns das Konfekt isset; ein
Stück Brot in der Größe eines Kreuzerweckens
kostet nach unseren Geld drei Kreuzer. Das Pfund
Butter einen Gulden und etliche Kreuzer; daher
schmelzen die Leute mit allerlei unreinlichem
Fett, das ihnen das Fieber zuzieht."
Drei Jahre später berichtet der Tiroler Joseph
Anton Koch, ein begabter Landschaftsmaler, wie
Schiller von der Hohen Karlsschule durchgebrannt
und von 1791 bis zu seinem Tode 1839 in Rom
lebend, über die römischen Zustände: „Die heutige
Kunst gleicht einem Treibhausgewächs. Sinn für
das Große und Schöne, besonders in den zeichnen-
den Künsten, fehlt. Ich war, wie ihr wißt, in der
Akademie in Stuttgart kein Freund der dortigen
Künstler — die hiesigen sind, einige wenige aus-
genommen, kein Haar besser; großenteils sind sie
Dummköpfe, die Verdienste am Intrigieren
suchen. Die Kunst ist ein Augiasstall geworden,
die Mode verdrängt den gesunden natürlichen
Geschmack."
So wenig wie Dürer konnte sich der beste
deutsche Stillebenmaler, der Wiener Karl Schuch
(1846—4903), mit den Italienern befreunden. Er
schrieb aus dem Sabinergebirge 1868 an einen
Freund: „Olevano, das Eldorado der Maler und
Skorpione, eine romantische Stadt mit der voll-
ständigsten Physiognomie des Mittelalters, der
ganzen Romantik und Schweinerei
italienischer Landstädte ... Es zieht mich fort
nach der Heimat, den deutschen Menschen, den
deutschen Bergen; auch den südlichen Wein möchte
ich gerne missen und vertauschen mit germanischem
Bier ... Gern möcht ich mich morgens und abends
in mein Plaid Wickeln und frieren des Nachts —
besser ist's als die entnervende Gluthitze, der
malerische Schmutz und das habgierige Volk ....
Schreibe nicht rekommandiert, denn hier meint
man, jeder rekommandierte Brief sei ein Geld-
brief, und die Briganten sind auch hier nicht aus-
gestorben; erst vor einigen Tagen war im nahen
Palestrina eine Hinrichtung — er hatte nicht
weniger als sieben Menschen getötet—, und gestern
fand man den Bruder der Wirtin mit drei Messer-
stichen . . . Der Italiener ist ein wunderliches
Wesen — er bietet dem ruhigen Zuschauer, dem
Anti-Moralisten, unaufhörlich Gelegenheit zur Er-
götzung. Spaßig ist's, wie leicht er lügt; bei den
nichtigsten Anlässen wird mit einer heiteren
Selbstverständlichkeit gelogen, welche die deutsche
Natur zwar beleidigt und abstößt, und doch nicht
ohne Reiz ist. Der Italiener belügt nicht nur
andere, sondern auch sich selbst. Er macht sich und
andern gern einen blauen Dunst vor, ist naiver
Egoist und lebt doch eigentlich nur für andere,
denn er ist der geborene und natürliche Schau-
spieler des Lebens und mimt allerlei Leben, ohne
das eigene zu leben. Bei ihm ist alles Oberfläche,
Schein, Maskierung, in- einzelnen Fällen vielleicht
hübsches Bild . . . Dich hat mein Ausspruch vom
venezianischen Farbenschwindel ver-
wundert. Er gibt meiner Meinung Ausdruck.
Glaub mir's, ihre Werke sind was für das Auge
des Laien, aber der Maler, der scharfsichtige,
kommt doch hinter den Schwindel — es ist ein
Schwindel. Nur möchte man wünschen, daß
aller Schwindel der Welt sich so schön zeigte."
Wir müssen noch einmal auf den alten Schnorr
zurückkommen. Aus Florenz läßt er sich 1819 also
vernehmen: „Bald genug werde ich mich ganz und
gar aus diesem Lande fortmachen, und ich wollte,
alle teuern Freunde täten desgleichen, denn nur,
wo man das Schwarzbrot ißt, da
blüht unser Weizen. Wenn die Kunst
in Deutschland florieren soll, da muß das Ver-
hältnis der Deutschen zu Rom einen Stoß er-
leiden, die Leute müssen wieder fort; wer nicht
gutwillig geht, den wird das Fieber jagen. Ich
meine es schon mit Augen zu sehen, daß es in
Rom wüste ist, wo es noch vor kurzem lieblich
war." RnckoIk
Berichtigung
Die in Nr. 21 wiedergegebenen Bayreuther
Szenenbilder von 1880 haben nicht, wie irrtümlich
in der Unterschrift angegeben, Emil Pretorius
zum Autor. Sie wurden nur den neuen Szenen-
bildern von Pretorius gegenübergestellt.
«cirlA^dlbi ixo^cx
68QK.18Y7 öU0QI855kirei QkQK. 1897
k k l. ! kxj - f k I v lxl 0
8 / tt3 lMkil^Q^O 133
6!b55I M
s-IOKI k55kk
!<bl^5cbl I<OI.Kk SciblEk-
^6Ut8cll6k- Künstler-
Herausgeber und Schriftleiter: A. WilliamKönig, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation E. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstrabe 118. — Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten Anzeigen-
annahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird Nicht
übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung abgelehnt. D.-A. III.V. 5333. Druck von H. S. Hermann - Büxenstein GmbH Berlin 8VV 19
Kunst der Natron
Niemand darf frieren
in diesem Winter
Darum gebt
für die
Winterhilfe
wurden Wandteppiche und Antependien der Hand-
weberei Hohenhagen, von Alen Müller, Lübeck,
Adolf Bauer, Saarbrücken, u. a., Gerät von Sil-
ber, Zinn, Holz aus den Werkstätten Koch-Schön-
wandt, Eva Dittrich, Hildesheim, Koolman, Lü-
beck, Rickert, Bielefeld, Kurtz, Stuttgart, Kauff-
mann, Breslau. Besonderer Wert war auf gute
kirchliche Graphik und Typographie gelegt. Hier
erregten besonderes Aufsehen die Spruchblätter
und sonstigen Arbeiten aus der Werkstatt und dem
Kreis Rudolf Koch f, ein großes Spruchblatt von
Frenzel, Berlin, Gedenkscheine von Post, Halle,
Holzschnitte von Schubert, Greifswald, Sinkwitz,
Hellerau, u. a. Lellneickar
Deutsche Künstlerbriefe aus Italien
Albrecht Dürers Wort: „Wie wird mich
nach der Snnnen frieren: hie bin ich ein Herr,
daheim ein Schmarotzer", könnte als Motto über
dieser Betrachtung stehen. In anderen Worten
klingt es ja auch aus Goethes „Italienischer
Reise" auf und von da ab in ungezählten Briefen
deutscher Künstler. In Dürers Tagen war die
Wanderschaft des deutschen Malers über die Alpen
noch etwas Ungewöhnliches. Aber schon hundert
Jahre später wird sie zur Gewohnheit. Johann
Heinrich Roos aus Frankfurt und seine Söhne,
von denen „Rosa de Tivoli" der bekannteste ist,
der Tiermaler Andreas Ruthard und vor allem
der geniale Adam Elsheimer, der 1620 in
Rom starb, sind die ersten „Deutschrömer". Im
18. Jahrhundert folgen Raphael Mengs, Tisch-
bein, die Angelika Kaufmann; im 19. die „Naza-
rener" und nach ihnen Feuerbach, Böcklin und
Marees. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts
ist es beinahe unerläßlich für jeden nordischen
Künstler, nach Rom zu pilgern. Uber die Gründe
hat sich Schnorr von Carolsfeld treffend geäußert:
„Im ganzen genommen fühlte sich der deutsche
Maler, der deutsche Kunst wieder Herstellen wollte,
nicht recht zu Hause, so lieb ihm immer sein Land
war. Das Auge derjenigen, durch deren Anteil
und Beifall er ermutigt und unterstützt werden
konnte, zu neuen Anstrengungen aufgeregt, war
gewöhnlich blind genug, um den Kern zu ver-
kennen, wenn er ihm in ungewohnter Form er-
schien. Und so war es denn besser, sich lieber ganz
und gar zu trennen, da die Gemüter schon getrennt
waren. Es scheint mir nun unter solchen Um-
ständen Italien am besten ins Mittel getreten
zu sein, sowohl seiner Natur und Kunstschätze
wegen, weil es, in beiden so sinnlich entgegen-
tretend, gewiß vorteilhaft auf den sich leicht in
Ideen verlierenden, strengen deutschen Maler
wirkte, als auch besonders, weil es den
günstigsten Vereinigungspunkt darbot für viele
Gleichgesinnte, Künstler und Kunstliebhaber, die
in Berlin, Imt^o^vplAtri, 8«llr Anr
renoviere, eveneuell vollkommen ein-
Aeriellrer, irn vermieten.
^.nkrnKen unter ^7. 86 an den Verlag cls. 2t^.
durch ein schönes, freies Leben sich kräftigten, durch
wechselseitigen Austausch der Ideen ihre Ansichten
berichtigten, durch Liebe und Teilnahme einander
aufmunterten, mutvoll und treu den eingeschlage-
nen Weg zu verfolgen."
Das ist kein überschwängliches Schwärmen für
das „Land, wo die Zitronen blüh'n", sondern ein
beschämendes Eingeständnis, daß es den deutschen
Künstler, dem es im vormärzlichen Deutschland
an allem fehlte — namentlich an nationalem Be-
wußtsein —, geradezu wie ins Exil nach dem
Süden trieb. Schnorrs Brief aus Rom ist 1818
geschrieben, aber was darin über die deutschen
Verhältnisse stand, hatte bis 1870 Geltung. Uber
ihrer Bewunderung für das „Land ihrer Sehn-
sucht" haben sich gerade unsere besten Künstler den
kritischen Blick für die Ubelstände ihres Exils be-
wahrt. Um mit Dürer zu beginnen, so schrieb er
an Willibald Pirkheimer, der ihm das Reisegeld
vorgeschossen hatte, aus Venedig:
„Es sind viel artiger Gesellen unter den
Welschen, die sich je länger je mehr zu mir gesellen,
vernünftige Gelehrte, gute Lautenschläger, Pfeifer,
Verständige im Gemäld und viel edlen Gemütes ...
dagegen sind auch die untreusten, verlogen,
diebischen Bösewichter, da ich glaub, daß sie auf
Erdreich nit lebten. Und Wenns einer nicht wüßt,
so gedächt er, es wären die artigsten Leut. Ich
muß ihrer je selber lachen, wenn sie mit mir reden.
Sie wissen, daß man solche Bosheit von ihnen
weiß, aber sie fragen nichts darnach. Ich hab
viel guter Freund unter den Welschen, die mich
warnen, daß ich mit ihren Malern nit eß und
trink. Auch sind mir ihrer viel feind und machen
meine Bilder in Kirchen nach und wo sie es
mögen bekommen. Und doch schelten sie es und
sagen, es sei nit antikischer Art und darum nit
gut . . . Sprecht, daß unser Prior bei Gott für
mich bitt, daß ich behütet werde vor den Franzosen
(der Syphilis, der „Franzosenkrankheit"). Denn
ich weiß nichts, was ich jetzt übler fürchtete, denn
schier jedermann hat sie. Viel Leut fressen sie
gar hinweg, daß sie also sterben."
Von Gottfried Schadow wissen wir, daß er
an der italienischen Landschaft nichts Besonderes
finden konnte, in der es nichts gebe als Pinien
und Zypressen, die aussähen „wie aufgespannte
und zugeklappte Regenschirme". Der schwäbische
Maler Gottfried Schick (1779—1812) wiederum
lobt die Natur und die alten Kunstwerke in Rom,
aber „außer diesen beiden Sachen müßte es höchst
unangenehm sein, in Italien zu leben. Keine
von allen Bequemlichkeiten des menschlichen
Lebens ist hier anzutreffen. Die Bürger, besonders
die von Rom, lieben es mehr, zu betteln als von
ihrer Hände Arbeit ihr Brot zu erwerben. Die
Regierung des Papstes ist die schlechteste, die sich
nur finden läßt. Die Prinzen vom Hofe haben
das ganze Land in Pacht, und lassen die Hälfte
davon aus der verfluchten Ursache wüst liegen,
daß das Korn immer im Preise bleibe. Das ge-
meine Volk geht darüber zugrunde. Sie essen das
Brot, wie man bei uns das Konfekt isset; ein
Stück Brot in der Größe eines Kreuzerweckens
kostet nach unseren Geld drei Kreuzer. Das Pfund
Butter einen Gulden und etliche Kreuzer; daher
schmelzen die Leute mit allerlei unreinlichem
Fett, das ihnen das Fieber zuzieht."
Drei Jahre später berichtet der Tiroler Joseph
Anton Koch, ein begabter Landschaftsmaler, wie
Schiller von der Hohen Karlsschule durchgebrannt
und von 1791 bis zu seinem Tode 1839 in Rom
lebend, über die römischen Zustände: „Die heutige
Kunst gleicht einem Treibhausgewächs. Sinn für
das Große und Schöne, besonders in den zeichnen-
den Künsten, fehlt. Ich war, wie ihr wißt, in der
Akademie in Stuttgart kein Freund der dortigen
Künstler — die hiesigen sind, einige wenige aus-
genommen, kein Haar besser; großenteils sind sie
Dummköpfe, die Verdienste am Intrigieren
suchen. Die Kunst ist ein Augiasstall geworden,
die Mode verdrängt den gesunden natürlichen
Geschmack."
So wenig wie Dürer konnte sich der beste
deutsche Stillebenmaler, der Wiener Karl Schuch
(1846—4903), mit den Italienern befreunden. Er
schrieb aus dem Sabinergebirge 1868 an einen
Freund: „Olevano, das Eldorado der Maler und
Skorpione, eine romantische Stadt mit der voll-
ständigsten Physiognomie des Mittelalters, der
ganzen Romantik und Schweinerei
italienischer Landstädte ... Es zieht mich fort
nach der Heimat, den deutschen Menschen, den
deutschen Bergen; auch den südlichen Wein möchte
ich gerne missen und vertauschen mit germanischem
Bier ... Gern möcht ich mich morgens und abends
in mein Plaid Wickeln und frieren des Nachts —
besser ist's als die entnervende Gluthitze, der
malerische Schmutz und das habgierige Volk ....
Schreibe nicht rekommandiert, denn hier meint
man, jeder rekommandierte Brief sei ein Geld-
brief, und die Briganten sind auch hier nicht aus-
gestorben; erst vor einigen Tagen war im nahen
Palestrina eine Hinrichtung — er hatte nicht
weniger als sieben Menschen getötet—, und gestern
fand man den Bruder der Wirtin mit drei Messer-
stichen . . . Der Italiener ist ein wunderliches
Wesen — er bietet dem ruhigen Zuschauer, dem
Anti-Moralisten, unaufhörlich Gelegenheit zur Er-
götzung. Spaßig ist's, wie leicht er lügt; bei den
nichtigsten Anlässen wird mit einer heiteren
Selbstverständlichkeit gelogen, welche die deutsche
Natur zwar beleidigt und abstößt, und doch nicht
ohne Reiz ist. Der Italiener belügt nicht nur
andere, sondern auch sich selbst. Er macht sich und
andern gern einen blauen Dunst vor, ist naiver
Egoist und lebt doch eigentlich nur für andere,
denn er ist der geborene und natürliche Schau-
spieler des Lebens und mimt allerlei Leben, ohne
das eigene zu leben. Bei ihm ist alles Oberfläche,
Schein, Maskierung, in- einzelnen Fällen vielleicht
hübsches Bild . . . Dich hat mein Ausspruch vom
venezianischen Farbenschwindel ver-
wundert. Er gibt meiner Meinung Ausdruck.
Glaub mir's, ihre Werke sind was für das Auge
des Laien, aber der Maler, der scharfsichtige,
kommt doch hinter den Schwindel — es ist ein
Schwindel. Nur möchte man wünschen, daß
aller Schwindel der Welt sich so schön zeigte."
Wir müssen noch einmal auf den alten Schnorr
zurückkommen. Aus Florenz läßt er sich 1819 also
vernehmen: „Bald genug werde ich mich ganz und
gar aus diesem Lande fortmachen, und ich wollte,
alle teuern Freunde täten desgleichen, denn nur,
wo man das Schwarzbrot ißt, da
blüht unser Weizen. Wenn die Kunst
in Deutschland florieren soll, da muß das Ver-
hältnis der Deutschen zu Rom einen Stoß er-
leiden, die Leute müssen wieder fort; wer nicht
gutwillig geht, den wird das Fieber jagen. Ich
meine es schon mit Augen zu sehen, daß es in
Rom wüste ist, wo es noch vor kurzem lieblich
war." RnckoIk
Berichtigung
Die in Nr. 21 wiedergegebenen Bayreuther
Szenenbilder von 1880 haben nicht, wie irrtümlich
in der Unterschrift angegeben, Emil Pretorius
zum Autor. Sie wurden nur den neuen Szenen-
bildern von Pretorius gegenübergestellt.
«cirlA^dlbi ixo^cx
68QK.18Y7 öU0QI855kirei QkQK. 1897
k k l. ! kxj - f k I v lxl 0
8 / tt3 lMkil^Q^O 133
6!b55I M
s-IOKI k55kk
!<bl^5cbl I<OI.Kk SciblEk-
^6Ut8cll6k- Künstler-
Herausgeber und Schriftleiter: A. WilliamKönig, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation E. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstrabe 118. — Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten Anzeigen-
annahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird Nicht
übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung abgelehnt. D.-A. III.V. 5333. Druck von H. S. Hermann - Büxenstein GmbH Berlin 8VV 19