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Kunst der Nation — 2.1934

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Fuchs, Ludwig F.: Das deutsche Edelglas
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Weidemann, Hans: Die Gliederung des Kulturamtes: Nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude"
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Bremen, Carl von: Das Geschick eines Knaben im nordischen Krieg, [5]: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.66550#0004

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4

Kunst der Nation


Grüne Nuppengläser, 15. und 18. Jahrhundert


Zwei „Krautstrunke"


DasdeutscheSdelglas
Von
Ludwig F. Fuchs, München
Der Urtyp des Römers, zweifellos des charak-
teristischsten nicht nnr der deutschen, sondern der
Trinkgläser überhaupt, ist der syrische NuPPen-
becher, wie wir ihn z. B. als Jmportstück in der
Manesseschen Handschrift in der Hand des Minne-
sängers von Buchhein sehen. Die nicht lange nach
dem Entstehen dieser Handschrift (um 1320) in
Deutschland und Italien aufkommende Glas-
macherknnst übernimmt diese Form und entwickelt
daraus den „Krautstrunk", der neben dem
Magelbecher im 15., 16. und 17. Jahrhundert das
beliebteste Trinkglas ist. Aus ihm erwächst um
1500 durch Verkümmerung des mittleren Teiles
mit den Nuppen, durch Erweiterung des Mund-
randes zum eigentlichen Behälter und durch
Weiterspinnen des Bodenfadens zu einem konischen
Fuße der Römer, der in seinem Halsteile immer
noch die Erinnerung an seinen Ursprung bewahrt.
Unsere Abbildung zeigt einige Formen aus der
Barockzeit. Man vergleiche den Römer unserer
Leit mit seinem gepreßten Fnße, seiner charakter-
losen Form und der oft unmöglichen Farbe mit
diesen kernigen alten Exemplaren, und man wird
verstehen, weshalb man unsere Gläser als unper-
sönlich, eben als Jndustrieprodukt empfinden muß.
So ließe sich auch die Entstehung der anderen
alten deutschen Trinkgläser — Spechter, Paß-
gläser, Guttrolfe, Daumengläser und wie sie alle
heißen — entwickeln. Aber dieser Exkurs ins
Kunsthistorische sollte uns nur zeigen, wo der
Schaden zu suchen ist. Normalerweise sollte jedes
Glas — ob einfach oder reich — ein echtes, rechtes
Stück Handwerkskunst sein, in Form und Technik
das Ergebnis einer langen Überlieferung. Womit
durchaus nicht gesagt sein soll, daß wir immer an
derselben Form haften oder gar alte Stücke ko-
pieren sollen. Aber die Überlieferung ist abge-
rissen, die alten Ziertechniken, die aus dem Hand-
werk und Werkstoff geboren waren, entschwinden
mehr und mehr und das billige Massenprodukt ist
das rühmlose und unwirtschaftliche Ende! Es
heißt, die alten Verzierungen kommen zu teuer
und werden nicht mehr bezahlt. Warum ist dem
so? Weil niemand mehr das Glas als Kunst-
gegenstand betrachtet, sondern darin nur ein bil-
liges Jndustrieerzeugnis sieht. Niemand wird
den Preis eines Gemäldes nach dem Werte der
Leinwand und der Farben berechnen. Ein Glas
soll aber nicht mehr kosten, als Material und Ar-
beitslohn ausmachen, und das führt zum Ruin.


Großer grüner Römer von 1612

Römer, 16. und 17. Jahrhundert

Dieser Ruin ist aber auch das Ende einer ur-
alten deutschen Kunst, die durchaus lebensfähig
sein könnte, da ja unsere Zeit für das Glas eine
ausgesprochene Vorliebe hat. Selbst kostbare
Gläser würden Abnehmer finden. Mit Schmelz-
farben bemalte Gläser, sog. Emailgläser, mit oder
ohne silbervergoldete Montierung als Sportpreise
würden doch viel sympathischer sein als die meist
sinnlos geformten Pokale und Humpen aus edlem
oder unedleni Metall. So gnt man Porzellan als
Ehrengeschenk gibt, könnte man auch Glas wählen.
Man betrachte den Riesen-Römer ans unserem
Bilde, der heute im Bayerischen Nationalmuseum
steht. Er ist einst ein Ehrengeschenk an den Main-
zer Erzbischof Johann Schweichard (1604—1626)

gewesen. Auf diesem wundervollen grünen Glase
sind sämtliche Klöster, Stifte und Herrschaften des
Erzbistums Maiuz, durch ihre Wappen gekenn-
zeichnet, in reizvollster Anordnung und in minu-
tiösester Arbeit mit dem Diamauten eiugerisseu:
eiu wahrhaft fürstliches Geschenk.
Die Wiederbelebung unserer Glasindustrie
müßte sich also nach zwei Richtungen bewegen.
Einerseits müßte das Edelglas auf guter hand-
werklicher Grundlage geschaffen werden und an-
dererseits müßte das Publikum dazu erzogen wer-
den, dieses wieder als Kunstgegenstand — und
zwar von besonderer Art — zu würdigen wie
unsere Vorfahren, wie das Mittelalter, wie das
Altertum. s

lXarioiialsoiLialisiiselie OemeinseliAlT Lureli Ireuäe"
Die Gliederung des Kuiiuramtes

Hans Weide mann, der Leiter
folgendermaßen auszubaneu:

des Kulturamtes,

gedenkt sein Amt



fallen weq.


Die organisatorische Gliederung
des Knlturamtes
innerhalb der Reichsleitung
der Deutschen Arbeitsfront
Leiter des Knltnramtes.
Stellvertretender Leiter des Knltnramtes.
Er übernimmt als aktiver Leiter die Ab-
teilung VI (Funk und Film).
Abteilung l (Organisation und Etat)
u) Einschaltung aller Knltnrorganisationen in
„KdF." (Deutscher Sängerbund, Reichsbund
der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele
e. V., Deutscher Gemeindetag, Schachverbände
usw.).
b) Verbindung mit den einzelnen Kammern der
Reichsknltnrkammer.

e) Personalien und Überwachung des Geschäfts-
betriebes der Landesorganisationen.
ck) Vorkalkulation von Veranstaltungen und
Reisen von Schauspieler- und Konzert-
ensembles.
Abteilung II (bildende Künste)
u) Kunstausstellungen (Engagements von Aus-
stellungen, die gerade die schaffende Bevölke-
rung interessieren).
b) Vermittlung vou Ausschmückuugsarbeiteu
von bildenden Künstlern.
e) Führungen durch Kunstausstellungen.
ck) Vorträge über bildende Kunst auch im Ein-
vernehmen niit Volkshochschulen und Museen.
a) Organisation des Besuchs.
Abteilung HI (Musik)
u) Massenkonzerte.

Das Geschick eines Knaben
im nordischen Krieg
Novelle von Carl v. Bremen
Fortsetzung aus Nr. 4

Sie reiten mehrere Tage quer durch Livland.
Viel zerstörtes Land. Wenig Getreide ist aus-
gesät. Auf den Straßen zerbrochene Wagen,
Pferdekadaver. Und auf einem Felde müssen sie
sich geschlagen haben. Da liegen umher — Flinten
und Waffen aller Art. Und am Rande des Feldes
liegen gefallene Soldaten, die Arme und Beine
starren in die Höhe.
-r-
Ganz selten begegnen ihnen Soldaten. Kleine
schwedische Trupps, die das Land durchqueren, an-
dere sind als Grenzwache beordert. Die Russen
haben ihre Streitkräfte hauptsächlich in anderen
Abschnitten konzentriert. Diese Schweden sind von
größter Korrektheit gegen Woiworitsch. Und er
dankt ihnen für ihre kleinen Gefälligkeiten mit
einer Liebenswürdigkeit, die Carl in Erstaunen
setzt. Insgeheim lacht Carl Lechts über den
Schwall höflicher Worte.
Aber vielleicht täte er gut daran, das zu
lernen. Vielleicht werden aus dem Grunde dem
Kapitän so schnell alle Tore geöffnet, wenn er um
Einlaß und Nachtquartier bittet.
Carl fühlt sich ernst und schwer.
Nachts schlafen sie kurz. Die Tage sind schon
so hell und lang. Woiworitsch hört nicht das
Stampfen und Scharren der Pferde. Dann weckt
ihn Carl, und dann setzen sie, sobald es hell wird,
ihren Ritt fort.
Sie kommen an die Düna, den mächtigen
Strom, der Livland von Kurland scheidet. Ein
Prahm bringt sie hinüber.
-i-
Abends nehmen sie Quartier iu eiuer kleiueu

Stadt. Bürger meinen es gut, geben Essen und
Trinken. Die Stadt hier hat wenig gelitten im
Kriege, und doch spricht man von den alten,
besseren Zeiten und gefüllteren Kellern.
Man bewundert den edlen Schwedenkönig, der
wieder so große Siege erfocht.
Woiworitsch bleibt mit seinen deutschen
Dragonern noch einen Tag in der kurischen Stadt.
Am nächsten Morgen gibt er ihnen bekannt, daß
sie nun heimziehen können zu Weib und Gesinde.
Er dankt ihnen für ihren Kriegsdienst und
Tapferkeit, Sold gibt er ihnen auch noch reichlich.
Nur ein paar Soldaten will er als Begleitung
mitnehmen nach Barje. Er fragt, wer dazu Lust
habe. Da springt die ganze Linie einen Schritt
vor. Der Capitain zeigt auf seine Soldaten. Und
die Frau des Quartiergebers freut sich, daß die
Leute ihren jungen Offizier so gern mögen, daß
sie den großen Umweg nach Litauen mit ihm
machen wollen.
*
Nicht so früh wie sonst, es wird abends mäch-
tig gezecht, ist am nächsten Morgen der Aufbruch.
Im raschen Trabe verlassen sie das Städtchen,
ziehen straßab nach Südost, — den Pferden wird
wenig Zeit gegönnt zum Fressen und zur Rast, —
bald sind sie in Litauen.
Niemand spricht mehr deutsch, und schwedisch
wird gar nicht verstanden. Die Hütten sind ärm-
lich. Ärmlicher als in Estland je früher. Aber
aus jeder steigt Rauch empor.
Dann kommen sie wieder an reicheren Gebieten
mit hohem Getreide vorüber. Keine zerstampfte
Wiese. Nirgends liegen rostige Gewehre und alte

Soldatenkarren umher. Wälder gibt es hier,
durch die keiu Weg sich bahut.
Die Baueru küssen demütig die Stiefel des
Capitains. Carl erblickt einen Bauern, der hat
unter deni Pelz, —- sie tragen hier noch im
Sommer Pelze, — einen Gürtel, der besteht aus
aneinandergereihten goldenen und silbernen
Münzen.
Woiworitsch zahlt den Soldaten mehr Lohn
aus. Der Capitain verlangt dafür, daß sie Land
und Leute hier schonen, und die Soldaten ge-
horchen.
9.
Die Dragoner nehmen Quartier im Dorf.
Der Capitain reitet mit Carl auf einen Gutshof,
der eine Stunde abseits liegt. Sie reiten ein —
werden herzlich empfangen.
Alle sind froh und aufgeräumt. Carl staunt
über die Pracht der Humpen und Geschirre, über
die bunten und geschliffenen Gläser, das viele
Gold, die feine Leinwand und schwere Seide der
Gewänder — über die großen Braten.
Als Gastgeschenk am anderen Morgen gibt
man Carl Lechts einen Degen zu tragen. Auf
der Scheide sind Bilder eingeritzt — Jagdbilder
und Blumen dazwischen. Der Degen ist schön —
aber zu leicht für Carl. Er fühlt nicht sein Ge-
wicht. Er scheint ihm mehr ein Schmuckstück zu
sein, als eine Waffe.
Carl dankt auf deutsch, in seiner Muttersprache
für die Gastfreundschaft. Sie haben ihn Wohl ver-
standen.
*
Sie reiten weiter. Der Capitain sagt:
„Seht, hier zweigt ein Weg ab. Reitet Ihr
sechs Stunden weiter, dann gelangt Ihr zum
Kloster Urjachnje. Dort liegen viele Woiworitschs
begraben. Es ist ein berühmtes Kloster, eines der
ältesten hier im Lande. Mit einer gnadenspenden-
den Madonna. Die frommen Leute Pilgern nach
Urjachnje. Ihr seht noch, wie breit die Straße
angefahren ist. Das kommt von Ostern her, wo

alle hinziehen, drüben ihr Gebet zu sprechen, auf
die Kuie zu siukeu und Opfer zu gebeu.
Früher, da ritt ich auch alle Jahre hin. Dies
Jahr dachte ich wenig daran, denn in den heiligen
Ostertagen scharmützelten wir heftig mit den
Russen.
Hier kenn ich alle Wege. Wenn die Sonne
halb hoch steht, sind wir iu Barje."
*
Je mehr sich Carl dem Sitz der Woiworitschs
uähert, desto trauriger wird er und stiller. Der
Capitain aber wird immer lustiger, er spricht und
lacht mit Carl. Seit Carl den zierlichen Degen
trägt, weiß er nicht recht, was er hier soll.
Wird er den Vater finden? Er hat im Stillen
immerzu gerufeu: Adam Johann Lechts, Vater,
gib mir ein Zeichen, wohin zu reiten. Aber im
Walde sind die Vögel so laut! Carl kann die
Stimme des Vaters nicht hören.
Bei einer Biegung des Weges spornt der
Capitain sein Pferd und weist mit der Hand nach
vorn. Alle reißen noch einmal ihre Gäule empor.
Staub wirbelt, der Capitain galoppiert weit
voran. Carl erkennt lang ausgestreckt ein Weißes
Haus, den Sitz der Litauer, von strohgedeckten
Stallungen und Scheunen umgeben. Das also ist
Barje.
10.
Es ist Mittagszeit und zwei dunkle und zwei
Helle Glocken läuten. Das Gesinde hat sich ver-
sammelt vor dem Herrenhause und wartet da bar-
häuptig.
Frauen in bunten Blusen werfen Blumen
empor zu dem kleinen Balkon, auf den der
Capitain heraustritt. Er spricht zu den Leuten,
lacht und sie lachen wieder, schwenken Tücher und
Mützen.
Carl Lechts steht im Saal beiseite. Er soll auch
nach vorn. Aber wozu soll er da lachen mit
den anderen? Er ist sehr traurig und müde —
schwer von Heimweh.
Fortsetzung folgt
 
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