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Kunst der Nation — 2.1934

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Erdmann, Lothar: August Macke
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Schmidt: Erinnerung an August Macke
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I.Gktober-Nc., II.Jahrg. Nr.lY

Verlag Kunst der Nation G. m. b. L., Berlin W 62, Kurfürfienstr. 118. Telefon: B 5, Barbarossa 1260.
Bankkonto: Commerz- und Privatbank A.G, Dep.-Kasse M., Berlin W50, Tauentzienstraße 18a. Postscheck-
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1,80 Mk., jährlich 7,20 Mk. Zu beziehen beim Verlag, bei der Post oder beim Buchhändler.

Einzelpreis 30 Pfennige

August Macke
Von
Lothar Erdmann

August Macke war in den letzten Jahren vor
dem Krieg einer der bekanntesten Namen der
jungen Malergeneration, trotz seiner Jugend, —
wegen seiner Jugend. Dieser Künstler, der rheini-
schen Schwung, niedersächsischen Stolz und west-
fälischen Trotz in kräftiger Mischung vereinte, er-
zwang durch die Un-

feines Alters. Denn sie erlebten auf vielen ent-
scheidenden Gebieten des geistigen Lebens eine Ab-
kehr von den Denkgewöhnungen, Werten, ja dem
Welt- und Lebensgefühl der älteren Generation.
Diese Zeit drängte zu spontanen Zusammen-
schlüssen der Jungen in Gruppen, Kreisen,

August Macke, Selbstbildnis


Mittelbarkeit, Sicherheit
und Frische seines Auf-
tretens die Achtung viel
älterer Menschen; sie
kamen ihm gegenüber gar
nicht auf dell Gedanken,
sich als die Erfahreneren,
durch Alter Überlegenen
aufzuspielen; im Gegen-
teil, es überkam sie die
Lust, trotz grauer Schläfen
so hinreißend jung zu sein
wie er. Seine Jugend
wirkte ansteckend. Er
brauchte niemals um Gel-
tung in den Kreisen zu
kämpfen, in die er trat.
Wer ihn kennenlernte,
wer mit ihm sprach, fühlte
instinktiv, daß dieser junge
keit war, bei der man
nicht nach den Jahren
fragte, sondern nach dem
Können und der Kraft.
Denn Kraft, selbstbe-
wußte Kraft, strahlte
aus seinen furchtlosen
Augen, man spürte sie
in der Bewegung seiner
ausdrucksvollen Hände,
in der Gelassenheit seiner
Argumente im Gespräch,
in seinem Humor, der
auch kritische Situationen
spielend meisterte.
Er stand nicht allein, er stand nicht abseits, in
keinem Augenblick seines Lebens. Dazu war er
nicht geschaffen. Seine Natur, überströmend,
drängte nach Mitteilung, zog Menschen der ver-
schiedensten Art und Interessen an sich heran,
nahm Anteil an fremdem Leben wie an eigenem,
ein Kamerad unter Künstlern, der keine Mißgunst
kannte, ein Kampfgefährte, der für seine Freunde
eine so gute Klinge führte wie in eigner Sache.
Die letzten Jahre vor dein Krieg waren eine Zeit
des Aufbruchs, der Unruhe, einer aus der Tiefe
aufbrechenden Leidenschaft, nach neuen Formen
des künstlerischen Ausdrucks zu suchen. Das kam
nicht von ungefähr, gerade unter den Menschen

Bünden. Aber keine der Formeln, unter denen
sie sich zu kämpferischen Einheiten verbanden, er-
schöpfte den Lebensdrang, den Gestaltungswillen,
der sie erfüllte. Was besagen solche für den
Bildungsphilifter erfundenen Schlagworte wie
Expressionismus, Futurismus und andere Ismen!
Wer mit einem dieser Begriffe an das künstlerische
Werk von Macke herantritt, wird das geistige
Band seiner Entwicklung nicht entdecken, so viele
Anklänge an die oder jene dieser Richtungen er
in dem einen oder anderen seiner Bilder feststellen
mag. Er wäre nicht er selbst gewesen, wenn er
sich nicht mit all den suchenden künstlerischen
Kräften seiner Zeit berührt und auseinander-
gesetzt hätte. Aber was
ihn charakterisiert, ist,
daß er sich jedem dieser
von außen kommenden
Einflüsse immer wieder
entzog, daß die Quellen
seiner Kunst das mit
allen Sinnen aufgesogene
Leben seiner Gegenwart
und die eingeborene Lei-
denschaft waren, für diese
schöne, traurige, freu-
dige, vergänglich - ewige
Welt, die seine Augen
entzückte, eine Sprache zu
finden, die das Ge-
heimnis ihres Daseins
enthielt, ohne es preiszu-
geben.
Es gibt „Kenner", die
angesichts seiner Bilder
und Zeichnungen, nicht
ohne Mitgefühl von ver-
heißungsvollen „Ansätzen"
sprechen, als wäre er,
weil er jung aus seiner
Bahn gerissen wurde, ein
Anfänger gewesen, der
„selbstverständlich" noch
nichts Ganzes, nichts
Vollendetes habe leisten
können. Es gibt offen-
bar zu jeder Zeit alt-
geborene Menschen, die
keine Ahnung davon


August Macke, Blumenkasten mit Kaktus. 1912. Ausstellung Galerie von der Hcydc, Berlin

haben, daß Altwerden so wenig Sichvollenden be-
deutet wie ein früher Tod ein Hindernis ist, daß
aus dem Ganzen eines kurzen, aber in der Fülle
ungehemmter Kraft gelebten Lebens künstlerische
Gebilde von reinem Klang hervorgehen. Man
wird lange suchen müssen in der deutschen Kunst
dieses Jahrhunderts, ehe man einen Maler findet,
der in der gedrängten Spanne eines knappen
Jahrzehnts seiner Liebe zu dem „schönen Dasein"
einen so reichen und so ungebrochenen Ausdruck
gegeben hat — so reich und ungebrochen wie er
als Mensch war. Denn das war, was ihn aus-
zeichnete, eine selbstvergessene, aus unbewußten
Tiefen frei hervorströmende Einheit menschlicher
und künstlerischer Kräfte. Zwanzig Jahre sind
es her, seit er bewußt auf immer Abschied nahm
von seiner geliebten Kunst und ohne Furcht, ohne
Vorbehalte sich einreihte in die namenlose Front,
zwanzig Jahre, seit er in der Champagne fiel —
denen, die ihn kannten, ist er gegenwärtig ge-
blieben, als wäre er gestern aufgebrochen, er ist
im lebendigsten Sinne des Wortes in ihr Lebeu
eingegangen. Und sie meinen aus dieser Er-
fahrung heraus: auch heute, wenn eine neue
Generation, eine neue Jugend sich mit unbe-
scholtenem Ange seinem Werke zuwendet, müßte
sie etwas von der ewigen Jugend spüren, die das
Leben seines Lebens war.

Erinnerung an August Macke
Das Bild von Macke ist bestimmt von der Er-
scheinung seiner in rheinischer Heiterkeit strahlen-
den Jugend: ein von Lebenslust und Tatendrang
erfüllter frischer Junge, der feine Malerei mit
einem immer sprungbereiten und zu jeder Form-
wandlung gefälligen Talent fast wie ein Grand-
jährigen noch, zwei Jahre vor seinem allzu frühen
Tode auf dem Schlacht-
feld in der Champagne, in
seinem (oder feiner Mut-
ter) weitläufigen, mit
Bildern, Skizzen, Zeich
nungen turbulent gefüll-
tem Hause in Bonn: und
der Eindruck einer leicht-
strömenden und darum
schwer ausreifenden Be-
gabung ist auch später
nicht durch die Arbeiten
seiner letzten Jahre ver-
wischt worden. Es ist un-
möglich, die Entwicklung
eines mit siebenundzwan-
zig Jahren gefallenen
Künstlers festzustellen
oder gar eine Prognose
über das zu stellen, was
später hätte sein können;
es ist der nämliche Fall
bei Weißgerber, Marc,
Boetticher, Hans Bolz und
andern Kriegsopfern, die
ein undurchdringliches Ge-
schick fast ausnahmslos
aus dem Umkreis der
rheinisch - süddeutschen
„Farbenromantik" nahm.
Die tragische Schwermut
des Unvollendetseins er-
hebt sie alle in eine
Sphäre, die die gleiche zu
sein scheint wie die der
Deutschen Romantiker-
generation, die genau
hundert Jahre früher ihre
Besten einem Jünglings-
tode opfern mußte: Runge,
Pforr, Fohr, Horny star-
ben im zweiten Jahrzehnt
des 19. Jahrhunderts,
und mit ihnen wurde die
schönste Hoffnung deut-
scher Kunst begraben.
Uber jeden Zweifel er-
haben steht freilich die
Tatsache einer sehr sicht-
baren und intensiven Ent-
wicklung August Mackes. Der junge Schüler der
Düsseldorfer Akademie (1904 — er ist 1887 ge-
boren) und Kunftgewerbeschule, der 1907 in Ber-
lin sogar dem Einfluß Corinths ausgesetzt war,
entwickelte sich rasch zu einem gediegenen
Realisten, sehr ähnlich wie Franz Marc, mit dem
ihn bald eine innige Freundschaft wie mit den
geistesverwandten Campendonck und Seehaus ver-
bindet. Der große Anstoß, die Farbe zu inten-
sivieren und flächig zu gestalten, kommt ihm, wie
ihnen allen, von Kandinsky, dem Mittelpunkt und
großen Anreger des „Blauen Reiters" in Mün-
chen. Ihrer aller Entwicklung wird von einer
fieberhaften Begeisterung für das unerhört Neue

aufwärts getragen, das in den schöpferischen
Jahren von 1910 bis 14 in ungeheurer Kom-
pression die Möglichkeiten eines halben Jahr-
hunderts vorwegnimmt. Mackes Bilder und Far-
benskizzen lassen jede Wandlung der aufgewühlten
Epoche deutlich spüren; sein Empfinden folgt allen
Schwingungen des geistigen Manometers mit reft-

„^nxnst lNacks, üsr ,jungs LIncks' ist tot. Llit ssinsm
Docks knickt eins cksr sckönstsn nnck küknstsn Kurven
nnck ksli vis sein ganriss Wesen war. 6swik aknt ckas
Nsutsckinnck von ksuts nickt, was -Nies es ckisssm )ungsn
toten lUalsr sekon vsrcknnkt, wieviel sr Aswirki nnck wis-
visl ikin geglückt ist. Was sr nnck uuLsn gssät, wirck
nock Druckt tragen, nnck wir als seins Drsnncks wollen
sorgen, ckak sie nickt ksiiniick klsikt.
Lvsr sein Werk ist akgsbrocksn, trostlos, okns Wiecksr-
kskr. Der gierige Nrisg ist nm einen Nslcksntock rsicksr,
aber ckis cksntseks Kunst nm sinsn Nslcksn ärmer gsworcken."
Dräns lVI a r c (Oktoksr 1914)

loser Hingebung, er geht bis zur völlig gegen-
standslosen Farbensymphonie, wie Kandinsky, und
kommt fast weiter, als Marc gelangt ist. Aber
immer ist er der Empfangende, der die Anregun-
gen der Zeit aufnimmt und mit einer gewinnen-
den Anmut verarbeitet, die echt rheinischer Natur
ist. Das Herbe und Große bahnbrechender Art
liegt ihm nicht; er ist der geborene Vermittler
zwischen deutschem Ausdruckswillen und französi-
scher Schmieasamki'it der Form, der echte Rhein-
länder: darin war seine menschliche Erscheinung

und seine Kunst vollkommen eins, das liebens-
werte und liebenswürdige Glied einer vergan-
genen, zwischen den Völkern vermittelnden Zeit;
und sein Kriegstod ist Wohl in diesem Sinn kein
Zufall, sondern eine bittere Notwendigkeit ge-
wesen, ein Opfer des Mißverstehens zwischen zwei
Nationen, denen wir heute mehr wie je wün-
schen, daß sie sich achten und ergänzen, aber nicht
bekämpfen möchten. Lebmickt

Zur 20. Wiederkehr seines Todestages ver-
anstaltet die Galerie v. d. Heyde in Berlin eine
Gedächtnis-Ausstellung.


August Macke, Zungen an der Laterne. 1913. Ausstellung Galerie von der Heyde, Berlin
 
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