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Kunst der Nation — 2.1934

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Kammerer, Ernst: Von den Münchner Museen
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Jüttner, Werner: Durchbruch der Jungen?: Betrachtungen zur "Gemeinschafts-Ausstellung deutscher Künstler" in Düsseldorf
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Wieszner, Georg Gustav: Videant Consules!
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Meeres-Ungeheuer, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.66550#0084

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6

Kunst der Nation


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Joseph Karl Ncrud, Badendes Mädchen. Zeichnung. 1932
Impressionismus ist in die Vchelfsräumc gewandert, die nach
dem Elaspalastbrand eine Zeitlang den lebenden Künstlern
zur Ausstellung dienten, in die unausgebaute Bibliothek des
Deutschen Museums, die mit ihren unverputzten Wänden eher
an eine Ausstellung in Tunis erinnern als an das festliche
München. Doch verliert dieser Behelf seine Bitterkeit, weil
er der neuzeitlichen Kunst gut steht und weil man außer-
ordentlich großzügig hängen konnte. Als Überleitung zur
Staatsgalerie beginnen hier die Zeichnungen und Kartons
von Marees. Die juwelenhaft glänzende Franzosensammlung
von Delacroix bis Manet. Cezanne und van Gogh hängt so
trefflich wie noch nie. Die Bronzeflora Maillols beherrscht
den Blick den langen Gang entlang. Der Bildhauer Hilde-
brand wird als Entwerfer ins Weite gehender Brunnen-
anlagen von einer neuen Seite bekannt. Ganz unvermerkt
hat Generaldirektor Buchner, der treffliche Ordner der neuen
Verhältnisse, ein paar berüchtigte Meeresungeheuer der
Historienmalerei verschwinden lassen.
Umgruppierung und wertvoller Neubesitz sind auch im
Völkerkundemuseum eingezogen. Dr. Doering, der tätige
Leiter des Instituts, hat die Absage an das wissenschaftliche
Museum, die sein Vorgänger Schermann in der asiatischen
Abteilung durchsetzte, auf Amerika und Afrika erstreckt. Nicht
die wissenschaftliche Vollzähligkeit, sondern die besten, ehr-
würdigen Leistungen fremder Kulturen sollen gezeigt werden.
Seiner südamerikanischen Expedition dankt das Museum den
reichen Ausbau der altamerikanischen Kulturen, insbesondere
hat er Zeugnisse für die ältesten Kulturen, die Küstenkul-
turen, mitgcbracht. Goldschätze, Steinplastiken, Keramiken,
Webereien und kunstvolle, farbenstrotzende Werke aus Fe-
dern (Federmäntel der Fürsten) sind zusammen mit einer
Sammlung des Ausländsdeutschen Norbert Mayrock ein-

Dadurch, daß der Katalog
die Geburtsoaten der einzelnen
Künstler nennt, bietet er die
Möglichkeit einer interessanten
Untersuchung, wenn man ein-
mal die Frage nach den ver-
schiedenen Altersstufen der
ausstellenden Künstler auf-
wirst. Man wird so seststellen
können, daß vom Jahre 1869
bis zum Jahre 190t sämtliche
Jahrgänge vertreten sind. Der
älteste in Düsseldorf aus-
stellende Künstler ist „schon"
65 Jahre, der jüngste „noch"
nicht 27 Jahre alt. Künstler,
die bereits im letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts
wirkten, treten neben Künst-
ler, die erst im zweiten Viertel
unseres Jahrhunderts zu ar-
beiten anfingen. Anders aus-
gedrückt finden wir hier die
drei Generationen der Groß-
väter, Väter und Enkel ge-
meinsam vertreten, und es
wirkt fast symbolisch, wenn
man feststellt, daß die älteste
Generation, die 60jährigen,
mit sieben Namen vertreten
ist, während die jüngste Gene-
ration, die 20jährigen, eben-
falls sieben Namen aufweist:
so verklingt auf dieser Ge-
meinschafts-Ausstellung das
Schaffen der ältesten Genera-
tion zahlenmäßig in der glei-
chen Höhe, wie die jüngste
Generation hier neu einsetzt.
Während der „Durchbruch der
Jungen" auf der kürzlich in
Dortmund eröffneten „Großen
Westfälischen Kunstausstellung"
bedeutend stärker in Erschei-
nung tritt, zeigt er sich in
Düsseldorf keineswegs. Das
liegt aber nicht an den Jun-
gen, sondern an der Aus-
stellung!
Zwischen diesen beiden Ge-
nerationen liegt die Generation
der Väter: die 50jährigen mit
21, die 40jährigen mit 43 und
die 30jährigen mit 31 Namen.
Somit bildet diese Generation
mit 95 Namen den Grundstock
der gesamten Ausstellung.
Von den sieben 60jährigen
sind allein vier Akademiepro-
fessoren, davon drei Düsseldor-
fer. Wie sich überhaupt in der
Gruppe Kiederich-Düsseldorf
fünf Düsseldorfer Akademiepro-
fcssoren zusammengefundcn haben, von denen der jüngste 58
und der älteste 65 Jahre zählt. Zu dieser Gruppe gehört
z. V. A. Münzer, der durch seine rege Mitarbeit an den
ersten Jahrgängen der Münchener Jugend bekannt wurde;
sein Bild „Im Unterstand" zeigt noch — wenn auch ent-
wickelt — jenen Stil, wie wir ihn bereits aus seinen frühen
Arbeiten kennen. — Hier muß bedauert werden, daß der
Katalog über die Entstehungszeit der einzelnen Arbeiten
keine Auskunft gibt, denn verschiedene Künstler haben sehr
alte Arbeiten von sich eingeschickt.
Zusammenfassend kann man also über die auf der Düssel-
dorfer Ausstellung vertretene älteste Künstlergeneration
sagen, daß sie sich dem Besucher zum größten Teil als eine
Gruppe Düsseldorfer Akademieprofessoren präsentiert, was ja
auch weiter nicht wunder nimmt, wenn man bedenkt, daß
diese Ausstellung in Düsseldorf gezeigt wird.
Während bei den Malern die Gruppenführer in der Regel
— was ja wohl auch beabsichtigt war — ihre Auswahl unter
den ortsansässigen Künstlern trafen, ist dies bei den Bild-
hauern und Graphikern keineswegs der Fall. Die Gruppe
Schwartzkopf-Düsseldorf z. V. faßt so neben dem Gruppen-
führer einen Münchener, einen Kölner, einen Münsteraner
und einen Essener Künstler zusammen, während in der
Gruppe Wissel-Königsberg der Gruppenführer selbst der ein-
zige Königsberger Vertreter ist. Sonst haben die ver-
schiedenen Gruppenführer ausschließlich ortsansässige Künstler
ausgesucht, wie das besonders stark bei den Kölner,
Münchener und Düsseldorfer Gruppen in Erscheinung tritt.

Unter den 23 Gruppenführern befinden sich allein 12 Düs-
seldorfer, also über die Hälfte — 2 Köln, 2 München,
1 Wuppertal-Barmen, 1 Königsberg, 1 Berlin, 1 Bremen,
1 Dresden, 1 Münster, 1 Saarbrücken —, wie überhaupt das
Saargebiet mit nur drei Namen auf dieser Ausstellung
äußerst schwach vertreten ist. Demnach ist die Bezeichnung
„Gemeinschafts-Ausstellung Deutscher Künstler" doch ein
wenig irreführend, denn der Schwerpunkt dieser Ausstellung
liegt in Westdeutschland mit insgesamt 15 Gruppen von 23.
Und nun noch zum Schluß folgende Feststellung: von den 111
auf der Gemeinschafts-Ausstellung Deutscher Künstler in
Düsseldorf vertretenen Künstlern sind allein 47 in Düsseldorf
ansässig. TVorner Nittner

In einer deutschen Stadt findet 1934 ein
Sommerfest der Künstlervereine statt. Die Presse
bringt Vorberichte mit Bildern. Man staunt:
Bürger L. in Allongeperücke, Fräulein A. in
Krinoline mit einem Schäfchen am Bändchen. Da-
neben die unvermeidliche Labangruppe mit empor-
gestreckten Händen und verkrampften Körpern
Dämonie darstellend. Wie kommt Laban mit
Gellert in ein Programm? Wer hat dem Bürger
die Perücke aufgesetzt? Was hat das Schaf zu
bedeuten?
Vickount eonsulos!
Hier toben sich Perversitäten im Kunstleben
aus.
Wir fordern das Eingreifen des Reichs-
dramaturgen bei der Gestaltung repräsentativer
Feste. Mögen Vorstadtvereine im alten Schlen-
drian zugrunde gehen: eine repräsentative
Künstlerschaft hat die Pflicht, mit dem Publikum
um die Seele der Zeit zu ringen: diese Seele aber
kann man — Gott sei Dank! — nicht mit Perücken
und Schafen verkörpern. Weist doch endlich ein-
mal die veralteten bourgeoisen Vergnügungen
sentimentaler Großmütter in ihre Grenzen zurück.
Gebt ihnen alte Jahrgänge der Modernen Kunst
aus ihrer Zeit zu lesen und anzuschanen, aber
schneidet die Kanäle ab, durch die die Krankheit
des 19. Jahrhunderts in das Leben häuslich er-
zogener Bürgermädchen und damit in die Familien
der kommenden Generation fließt. Diese alten
Damen sind die Vertreterinnen einer demo-
kratischen Zeit, die nach dem Niveau der Meisten
strebte, das das Niveau der Faulsten der herrschen-
den Klasse war. Sie nivellierten die Kunst zum
niedrigsten Amüsement, das Heilige des Lebens
zur kraftlosen Lüge, die starke Feier zum müden
Feierabend. Diese Leute sind heute Gefahr für
die Jugend, der sie ihren Geschmack als Stil auf-
drängen wollen, Morbides als Schönheit.
Und welche Künstler machen da mit? Lebens-
gestalter oder Epigonen der Hofdekorateure ver-
schwundener Barockfeste? Wieder ist es „die Mehr-
zahl", die demokratische Masse, die sich ans allge-
meine Beliebtheit beruft. Wo sind die Führer in
die Zeit? Von dieser Mehrzahl, dieser vereins-
mäßig organisierten Masse an die Wand gedrängt.
Der Fall wäre belanglos und lächerlich, wäre
er nicht typisch. Man mag an höchsten Stellen
noch so sehr kämpfen um Gesinnung uud Geist,
was nützt das, wenn der schlimmsten Reaktion das
Recht verbleibt, mit ihrem Geschmack die geistige
Haltung der Jugend zu beeinflussen: Schäfchen zu
präsentieren, Perücken zu zeigen und das alles mit
dem Hintergedanken: Was war das für eine
schöne, elegante, liebenswürdige Zeit!
Und wie sieht Herr X. in seiner Perücke, die er
— zumindest die vom Friseur gelieferte — nicht
tragen kann, aus! Armes, mißhandeltes 18. Jahr-
hundert! Diese Respektlosigkeit vor dem wirklichen
vergangenen Stil erklärt das Unvermögen unserer
Zeit zu eigener Stilbildung. Solche Feste geben
nicht „Kraft durch Freude", sondern „Schwäche
durch Kitsch".
66or^6u8t. Mi 6 6 n 6 r

Meres-Ungeheuer

gezogen, die als reichste Sammlung altpernanischer Klein-
kunst nachweist, daß sich das frühe Peru sehr wohl neben dem
alten Ägypten des Abendlandes halten kann. Auch die afri-
kanische Abteilung hat sich aus einem Museum in eine Stätte
lebendiger Wirkung umgewandelt und ist mit ihren Haussa-
gewändern, ihren Kongoplüschen und Kongoholzschnitzereien
schön bereichert. Lrnst Lummerer
Durchbruch der Zungen?
Betrachtungen zur „Gemeinschafts-Ausstellung Deutscher
Künstler" in Düsseldorf
Der amtliche Katalog der Gemeinschafts-Ausstellung
Deutscher Künstler (Düffeldorf, Kunstpalast Mai bis Oktober
1934) nennt 23 Gruppen, auf die sich die Werke von ins-
gesamt 111 verschiedenen Künstlern verteilen. Von den vor
der Zusammenstellung der Düsseldorfer Ausstellung gedruckt
erschienenen „Grundsätzen der Ausstellungsleitung" ist keines-
wegs durchgängig Gebrauch gemacht worden. So tritt die
Teilnehmerschaft der verschiedenen Gruppen, die ursprüng-
lich mit dem Gruppenführer 5 Künstler mit der Höchstzahl von
insgesamt 25 Arbeiten — je Künstler 5 Arbeiten — aus-
machen sollte, teilweise vermindert oder auch erhöht in Er-
scheinung. Die kleinste Gruppe, wenn bei zwei Personen
schon überhaupt von einer „Gruppe" gesprochen werden darf,
stellen die beiden Düsseldorfer Akademieprofcssoren, die Bild-
hauer Zschokke und Scharff, während andere Gruppen wieder
die Höchstzahl von 5 Teilnehmern überschreiten.


Ilm das Oradnisl der «inst vergötterten Xoloratursüngerin der wiener 8tartt8oper 8 e I in a
XurL-Halbsnist ein Iieltiger 8treit susgedroellen. Dir Lllrengrsd dellndet siell nnniittel-
lrar neden dein d«8 ^1tdnnde8lLSN2ler8 Dr. 8eipe1. Der Lildllsuer llatte eine liegende nseltte
Dr3ueng68tAlt g«8ellullken, die an eine der Olan^roIIen der Xmnttlerin erinnern 8oIIte. Der ^.n-
trlielc die8er Drirnengettrdt 1ö8te bei den De8neli6rn der Orabttätte 8eipel8 8olebe Drotttte sn8,
dak inan jettt den Narrnorkörper mit grober 8aelcIein5VÄnd rudeeben muüte. D»8 Dild 2eigt
da8 verbüllte Orabmal von 8elma Xurr-Haltmn.


Letzte Neueinstudierung der Staatsoper
Mzet, Die Perlenfischer
Vor Toresschluß wartet die Berliner Staatsoper
mit einer Neueinstudierung von Bizets Jugend-
oper „Die Perlenfischer" aus. (Ersatz für den uns
wiederum als Ersatz für „Figaro" verheißenen
„Don Juan"? Wo blieb Mozart in diesem Winter
der Wiederbesinnung auf deutsche Musik?) Wir
glauben, dieser Neuaufnahme keine allzu lange
Lebensdauer Voraussagen zu können: die weit-
gehende Textbearbeitung, die sogar entgegen der
ursprünglich heiter ausgehenden Fassung das
Liebespaar sterben läßt, hat nicht vermocht, das
schlechte Buch grundlegend zu bessern oder auch
nur unserem Empfinden anzupassen. Wir bleiben
uninteressiert an den Vorgängen, zumal die Regie
im Landläufigen stecken bleibt. Wir fliehen also
in die Musik. Und da sind allerdings Perlen zu
fischen. Welch eine dramatische Begabung war der
25jährige Mensch, der dieses hölzerne Textbuch in
Musik setzte! Hier verspricht er schon alles, was
er in der einzigartigen „Carmen" später gehalten
hat. Bei aller Unbeholfenheit im einzelnen hat er
eine Fülle schönster Musik verschwendet und sie in
orchestrales Gewand von großer Pracht und
Klangfülle gekleidet. Blech, als Bizet-Jnterpret
vorbildlich, hat sich ihrer mit großer Liebe ange-
nommen. Bewundernswert das jugendliche Tem-
perament, mit dem er schwache Stellen aus
Eigenem belebt und Steigerungen gestaltet. Vom
Orchester aus gehen die Eindrücke, die uns den
Abend liebenswert machen. Aber als Ganzes ge-
sehen stellt er kaum eine dauernde Bereicherung
unseres sterilen Opernspielplans dar. Wird uns
der nächste Winter mehr junges Leben bringen?
Wir hoffen. IViIlle 1 m Inders

Im Gedenken an Richard Strauß' kürzlich begangenen
70. Geburtstag möchten wir auf zwei Hauptwerke des Mei-
sters Hinweisen, die, seit sie der 25jährige schuf, aus unseren
Sinfonieprogrammen nicht wegzudenken sind: „Don Juan"
(1889) und „Tod und Verklärung" (1890). Mit „Don Juan"
(Columbia O7VX 1141/42) beginnt die stolze Reihe von
Strauß' sinfonischen Dichtungen. Dieses Stück enthält be-
reits in ausgeprägter Weise alles, was uns später als des
Meisters Eigenart vertraut werden sollte: mit ungeheurem
Schwung strömen seine Melodien dahin, unwiderstehlich die
Energie seiner Rhythmik, aus einem wahren Überfluß kom-
mend die Einfälle, und das alles in so neuartiger Weise
instrumentiert, daß das Werk heute noch nichts von seiner
Wirkung eingebüßt hat. Die vorliegende Aufnahme darf
als sehr gelungen bezeichnet werden. Sie ist von dithyram-
bischem Schwung getragen und umgeht klanglich in glücklicher
Weise die Klippen, die durch das große orchestrale Aufgebot
drohen: die Thematik bleibt überall in absoluter Deutlich-
keit erkennbar.
Electrola bringen „Tod und Verklärung" (L3 476/78).
Diese Tondichtung enthält viel „Autobiographisches". Sie
entstand unter dem Eindruck einer glücklich überwundenen
schweren Erkrankung des Meisters. Es ist ein ungemein klar
gebautes Werk und hat wohl darum leichter den Zugang zum
Hörer gefunden als andere Werke Sträubens. Leo Blech
dirigiert das Orchester der Staatsoper mit der Energie und
musikantischen Fülle, die wir an ihm gewohnt sind. Als wert-
volle Dreingabe enthält die letzte Platte noch aus der Suite
„Bürger als Edelmann" das Intermezzo, das zu den zau-
berhaftesten Eingebungen Strauß' gehört.
Für die Freunde der heiteren Spieloper singt Lotte
Schöne (Electrola LU 528) mit sprühender Laune die Arie
der Frau Flut aus „Die lustigen Weiber von Windsor".
Dieses Glanzstück einer Spielszene (Wer schenkt uns die mo-
derne Spicloper, auf die wir so warten?) wird schlechthin
vollendet wicdergegeben.
Außerordentliches Verdienst erwirbt sich die Electrola-
Eesellschaft damit, daß sie uns hier und da mit den wesent-
lichen modernen Kompositionen des Auslandes vertraut macht.
So liegt uns (Electrola LU 529) eine „Klassische Sinfonie in
10-Dur", Werk 25, von Serge Prokofieff vor. Es ist eine
Sinfonie etwa von Haydn oder Mozart, gesehen durch ein
modernes Temperament, die alte Form mit neuen Inhalten
füllend. Der in Paris lebende Russe — nächst Strawinsky
der erfolgreichste und meistgenannte Komponist des russischen
Nachwuchses — macht eine überaus scharmante Verbeugung
vor unseren Klassikern, gleichzeitig lächelnd denen, die ihn
als ungenießbaren Neutöner abtun möchten, sein ungeheures
satztcchnischcs Können und seinen prachtvollen Klangsinn be-
weisend. Amüsant zu hören, wie durch das klassische Gewand
überall der Russe durchscheint. Ein Werk nicht gerade von
schwerwiegender Eigenart, aber für musikalische Feinschmecker
eine Freude. Zumal, wenn es so geboten wird, wie es Kus-
sewitzky mit dem Bostoner Symphonieorchester tut: die Wie-
dergabe des filigranhaft gearbeiteten, schwierigen Stückes
entspricht höchsten Anforderungen. VV. X.
*
„Grammophon" — „Die Stimme seines Herrn" bringt
neben der zahlreich vertretenen leichten Musik der Sommer-
monate die „Kaukasische Suite" (10 228—30 Ly, ein wenig be-
kanntes, aber interessantes Werk des Russen Michael Jppo-
litow-Jwanow. Die Bezeichnung der vier Sätze: Im Engpaß
— Im Aul (Dorfszene) — In der Moschee — Aufzug des
Sardar, erklärt die programmatische Bedeutung der Kom-
position, wenn man auch nicht direkt von deskriptiver Tendenz
sprechen kann. Ippolitow knüpft hier stilistisch an Mus-
sorgskys „Bilder einer Ausstellung" an, in dem er Eindrücke
gestaltet, nicht aber objektive Bewegungsvorgänge mit musi-
kalischen Mitteln nachahmt. Diese Absicht wird durch den
eigentlichen Titel „Kaukasische Skizzen" noch deutlicher. Der
impressionistische Erundzug fällt besonders auf, weil ein
starker Rhythmus fehlt. Die einfache und klare Behand-
lung des Orchesters macht das Werk in hohem Maße mikro-
phongeeignet. — Mit feinem Sinn für diese Musik dirigiert
Alois Melichar. Die Aufnahme, mit sehr geringem Grund-
geräusch, ist hervorragend.
Auf der Rückseite der letzten Platte ist der musikalische
Scherz „Hummelflug" des großen Orchestertechnikers Rimsky-
Korffakow (eines Lehrers von Ippolitow) ausgezeichnet. Die
halsbrecherische Jnstrumentenakrobatik der Berliner Philhar-
moniker verdient größte Bewunderung.
Auf 15 057 LL1 singt Theodor Scheid! die Schlußansprache
aus den „Meistersingern" und den einleitenden Teil zum
Duett Holländer—Senta. Die mehr lyrische, weniger hel-
dische Stimme Scheidls bewältigt die Jntonationsklippen des
„Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten" glänzend,
während die Schlußansprache nicht immer musikalisch einwand-
frei gerät. — Aufnahmetechnisch ist die Platte fehlerlos.
Li. L.

Herausgeber: A. William König; Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstraße 118. —
Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellen-
angabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Druck H. S. Hermann E. m. b. H. Berlin SW IS.
 
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