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Kunst der Nation
Der Wandmaler Ludwig Peter Kowalski
Ludwig Peter Kowalski
ist heute 42 Jahre alt. Er
ist iu Oberschlesieu ge-
boren, meldete sich 1914
als Schüler der Kunst-
akademie in Breslau zur
Front und kämpfte von
1914—1918 in den
Schützengräben Frank-
reichs und Rußlands.
Aus dem Felde zurück-
gekehrt, unternahm er
drei längere Reisen durch
Italien. Er glaubt an
die Erreichung seiner
künstlerischen Ziele irr der
Form der Wandmalerei.
Wer seine Werke kennt,
verehrt ihn als ernsten,
wertvollen Künstler. Wer
ihn von Angesicht zu An-
gesicht kennt, verehrt ihn
als liebenswürdigen
Menschen, dem seine
schlesische Heimat eine
jede Lage beherrschende,
geradezu ansteckende
Fröhlichkeit mitgegeben
hat. Seine lebendige Verbnndenheit mit der Jngend halten. Er gehört zu den jungen deutschen
wird durch seine große Schülerschar aufrecht er- Künstlern. Lorensen
Ludwin Peter Kowalski
Völkische Verpflichtung zum künstlerischen Schaffen.
Wir haben keinen Grund und keine Zeit zur
Resignation. Der Grund für die Reichweite der
Wirkung ist auch nicht im „Stil" zu suchen. Da
Stil keinen Wert bedeutet, wird die Kunst der
Gegenwart und der Zuknnst auch nicht ihres
„Stils" wegen wertvoller oder wertloser sein als
die barocke oder klassizistische oder expressionistische
Kunst. Sie wird nur dann wertloser sein, wenn
ihre Schöpfer kleinformatiger sind und sie wird
dann wertvoller sein, wenn sie größere Leistungen
hervorbringt.
Allein an dem Talent und an der Konsequenz
der heutigen Künstler entscheidet sich daher auch
die Reichweite der zukünftigen Kunst.
O 4 b o - n ck r 6 a, s Loürsider
Duisburger
„Tag junger Kunst".
Die Eröffnung des neuen Museums in Duis-
burg wurde von der Stadt unter der Devise „Tag
junger Kunst" mit einem vielseitigen Programm
festlich begangen. Ein Kongreß der westfälischen
Künstler, Ehrungen für die toten Meister, An-
sprachen, Vorträge, Festkonzerte wechselten mit-
einander ab. Das Verdienst der einheitlichen und
eindrucksvollen Ausgestaltung des Tages ist in
erster Linie dem Oberbürgermeister Dr. Kelter
zuzuschreiben.
Das neueröffnete Museum birgt nun im Erd-
geschoß die berühmte Duisburger Lehmbruck-
Sammlung, deren Reichhaltigkeit einen Ein-
blick in jede einzelne Phase der Entwicklung des
großen Duisburger ermöglicht. Dabei sei mit
ganz besonderer Anerkennung des früheren Duis-
burger Museumsleiters, Dr. August Hofs, ge-
dacht, dem die Stadt das einzigartige Gepräge
dieser Schau zu danken hat. Das Mittelgeschoß
soll in Wechselausstellungen der jungen Kunst
dienen. Aus den besten Einsendungen zu dem
Wettbewerb „Deutsches Familie nbild-
n i s" stellte die Leitung eine äußerst interessante
Ausstellung zusammen. Die magische Zeichenkraft
des besten rheinischen Graphikers, Otto Pankok,
hält die Spitze. Die große Schar der Jüngeren
schließt sich vielversprechend in breiter Front an.
Es seien genannt Peter Stermann, Josef Pieper,
Wilhelm Philipp, Albert Schamoni, Werner
Kreuzhage.
Ein besonderes Erlebnis vermittelte die West-
deutsche Erstaufführung von Hindemiths
„Mathis der Maler" in der Duisburger Tonhalle.
Hindemith dirigierte sein Werk selbst und wurde,
wie nicht anders zu erwarten war, von seinem
Publikum, das bezeichnenderweise überwiegend aus
Jugend bestand, stürmisch umjubelt.
Mit diesem „Tag deutscher Kunst" und dem
neuen, der Kunst der Gegenwart zugewandten
Museum wird die Kunstsront der Westdeutschen
Städte wiederum um eine neue Hoffnung ver-
mehrt. Lorensen
Gibt es eine bürgerliche Kunst?
„Höfische Dichtung" ist ein allgemein bekannter
Begriff, ebenso wie „Bürgerliches Trauerspiel";
das Epos blüht wie der Minnesang in ritterlichen
Zeiten, während der Roman dem bürgerlichen
Zeitalter angehört. Kurzum: für die Literatur ist
die soziologische Eingliederung längst vorgenom-
men worden. Nicht so für die bildende Kunst.
Und doch ist eine solche Betrachtungsweise heute,
da wir vom bürgerlichen Geist abrücken und die
Schranken der Gesellschaftsklassen zugunsten einer
alle umfassenden Volksgemeinschaft niederreißen
wollen, durchaus zeitgemäß.
In erster Linie werden wir die Werke der Bau-
kunst befragen müssen, weil der Zweck sie unmittel-
bar mit dem materiellen Leben ihrer Schöpfer ver-
knüpft, und doch zugleich auch ihre Geisteshaltung
sich in ihnen verkörpert. Wenn man die Be-
stimmung der Bauwerke ins Auge saßt, ist die
Frage rasch beantwortet: die Rathäuser, Kauf-
hallen, Kornhäuser, Tanzhäuser, Zunftgebäude der
mittelalterlichen Städte, zu denen Patrizierhäuser
und Wehrbauten kommen — auch diese können wie
im Augsburg des Elias Holl, künstlerisch bedeut-
sam sein — all das ist „bürgerliche Architektur".
Rothenburg, Dinkelsbühl, Nördlingen sind Schul-
beispiele bürgerlichen Bauwillens. Hier waren die
Kaufleute und Handwerker unter sich und konnten
ganz nach Lust und Behagen bauen. Keine
Bischofskirche, keine Kaiserpfalz wie in Regens-
burg oder in Nürnberg drängt sich als Fremd-
körper in das Stadtbild.
Indessen damit kommen wir nicht viel weiter.
Wir suchen den bürgerlichen Stil, aber gibt es den
überhaupt? Die deutsche Bürgerkultur beginnt
im vierzehnten Jahrhundert und endet mit dem
sechzehnten, um dann erst wieder am Ende des
achtzehnten aufzutauchen. Sie tritt die gotische
Erbschaft an, von der sie zwei Jahrhunderte zehrt,
um ihr dann schließlich Renaissanceelemente auf-
zupfropfen. Die Renaissance wiederum ist aus-
ländischer Import; seine prunkenden Glieder —
man denke etwa an die Säulenhalle, die den:
Kölner Rathaus vorgelegt wurde — sind dem
schlichten Bürgergeist fremd. Sie eignen sich weit
besser für fürstliche Repräsentation. Man ver-
gleiche den Heidelberger Otto-Heinrichs-Bau oder
das Aschaffenburger Schloß mit den: Nürnberger
Rathaus, das in seiner kleinbürgerlichen Um-
gebung schier erdrückt wird, und man wird die
Unzweckmäßigkeit seiner Formen verstehen können.
Es berührt fast ebenso Peinlich wie die mißver-
standenen italienischen Architekturen in Dürers
Großer Holzschnittpassion.
Und doch hat das Bürgertum einmal, in der
Antike, eine gewaltige, welterschütternde Mission
erfüllt. Der griechische Geist hat den Menschen
aus seiner dumpfen Ohnmacht, aus seiner ab-
hängigkeit von priesterlichem Irrwahn und
sklavischer Unterwürfigkeit unter monarchische
Willkür erweckt und zur Persönlichkeit erhoben. Er
zuerst wagte den Menschen um des Menschen
willen zu bilden und den Götterhimmel auf die
Erde herabzuziehen. Ihm war der Mensch das
Maß aller Dinge. Darum dünkten ihn die
kolossalen Tempel und Königspaläste der Ägypter
und Assyrer barbarisch, und ein neues, mensch-
liches Raumgefühl schuf die in ihrer Harmonie nie
wieder erreichten hellenischen Tempel: vermensch-
lichte Götterwohnungen. Aus diesem Raumgefühl
heraus, einem vollkommen plastischen Raum-
gefühl, erbaute er sich die Götterburg von Athen,
die Akropolis. Eine geläuterte und veredelte Da-
seinsfreude befähigte ihn zu jenem einmaligen
Realismus des Parthenonfrieses, dem Festzug der
Athener zu den Panathenäen: Wallfahrt des
Menschen zur ewigen, göttlichen Schönheit.
Die solches schufen, waren Bürger einer kleinen
Stadtrepublik. Um ihretwillen dürfte man das
Bürgertum niemals ganz verachten. Hellenischer
Geist hat die italienische Kunst durchtränkt. Es
gibt, wenn auch nicht Wiederholungen, so doch
Parallelen in der Geschichte. Der römische
Despotismus hatte eine neue Hierarchie errichtet,
jener alten in Ägypten und Babylonien nicht un-
ähnlich. Der staatliche Despotismus der Welt-
hauptstadt hatte sich zu einem geistlichen ver-
dichtet. Die Welt war Tenfelswerk, ein irdisches
Jammertal geworden. Aber Athen war nicht tot.
Wiederum war es eine kleine Stadtrepublik, die
den Despotismus abschüttelte und den Geist
schöner Menschlichkeit wiedererweckte: Florenz.
Diesmal eröffneten die Maler den Reigen: Giotto
und Masaccio schälten den menschlichen Kern aus
den biblischen Erzählungen und Heiligenlegenden,
und auf ihren Schultern schufen Donatello,
Lionardo und Michelangelo den Stil des
„Rinascimento", der Wiedergeburt des Menschen-
tums. Und der Papst in Rom mußte mitmachen,
ob er wollte oder nicht.
In beiden Fällen, den: athenischen und den:
florentinischen, hatte sich das Bürgertum als revo-
lutionäre Macht erwiesen. In: Norden freilich
lagen die Verhältnisse weit ungünstiger. Je mehr
dem Papsttum in Italien der Boden unter den
Füßen wich, um so zäher wußte es ihn dort zu
vehaupten. Iu deu Kreuzzügen rieb es den
Ritteradel aus, der allzu selbständig zu werden
drohte. Und das Stadtbürgertum, das von den
Quellen hellenischer Bildung viel zu weit entfernt
war, konnte man durch die Fehden der Großen
und durch die Bettelorden, die gefügigen Agenten
Roms, bequem in Schach halten. Es ist ein
tragisches Schauspiel, zu beobachten, wie trotz ge-
waltiger kultureller Anstrengungen den Nieder-
landen, die von den Van Eycks oder Roger van der
Weyden, Geertgen tot Sint Jans und Hugo van
der Goes bis auf Memling, Quentin Massys und
den älteren Breughel so Erstaunliches geleistet
haben, das Letzte, die Befreiung vom gotischen
Zwang nicht gelingen will. Diese Meister, wie
auch die gleichzeitigen deutschen, die Konrad Witz,
Stephan Lochner, Lucas Moser, die Michael
Pacher und Martin Schongauer, wollen zum
Realismus, zum schlechthin Menschlichen, aber es
ist, als würden sie immer wieder niedergezogen.
Ein Blick ans ihre Architektur macht uns das
vielleicht noch klarer. St. Gudula in Brüssel oder
St. Bavo in Gent oder St. Rombant in Mechel::
wirken schwächlich, wie aus zweiter Haud: Gottes-
häuser, denen das Beste fehlt, die schlichte
Frömmigkeit der Werkleute. Dafür übernehmen
sie die Formen der kirchlichen Architektur für ihre
Rathäuser, und hier, iu Brüssel oder in Löwen,
deckt sich der Zweck nicht nut deu: Stil. Es sind
umgebaute Kathedralen, aber keine weltlichen
Repräsentationsbauten. Neuer Wein in alte
Schläuche gefüllt. Man macht Wohl auch Anleihen
dein: Bnrgenbau und stellt mitten in die Stadt —
in Brügge, in Gent — den Wartturm, den „Bel-
fried". Lauter Entleihungen aus einer ver-
gangenen, artfremden Epoche. Kein Mut zur
eigenen freien Gestaltung. Von den deutschen
Bauten war scyon die Rede. In der bürgerlichen
Republik Holland, deu: Vaterlande eines Rem-
brandt und Frans Hals, wird es mit der
Architektur weit schlimmer. Wie frostig sind nicht
die Amsterdamer Kirchen, denen man es so recht
anmerkt, daß die Mynheers nur austandshalber
hineiugiugeu! Ihre weltliche:: Repräseutatious-
bauteu, wie das vielgerühmte Rathaus des Thomas
de Keyzer, ist Protzig und lieblos. Hier hat mau
deu: fürstlichen Palastban den Rang ablaufen
wollen. Das ist schlimmstes Pfahlbürgertum.
Sehr viel sympathischer berührt der englische
Städtebau des 18. Jahrhuuderts. Es gibt iu
Londou Straßen und Plätze — die „Squares" mit
der eiugegitterten Grünfläche in der Mitte — die
in ihrer schmucklosen Sachlichkeit, aber vollkommen
materialgerechten Behandlung der Fassaden vor-
bildlich sind. Uber den schematischen Kirchenbau
des Christopher Wren braucht man kein Wort zu
verlieren; der ist Verlegenheitsprodukt. Aber der
bürgerliche Wohnbau hat iu England tatsächlich
neue Wege eingeschlagen. Übertroffen hat ihn
nur die Pariser Architektur der bürgerlichen
Periode (Rue cle Rivoli!). Das Neue, was in
England und Frankreich anftaucht: die ruhige,
schmucklose Straßenflucht und Platzwand, hat der
Biedermeierstil in Deutschland sehr glücklich ver-
wendet. Musterbeispiele bieten Kassel und Karls-
ruhe. Berlin soll zu Beginn des 19. Jahrhunderts
ebenfalls eine sehr schöne Stadt gewesen sein. Man
kann das freilich nur noch vermuten.
Fassen wir die Merkmale des bürgerlichen
Stils kurz zusammen, so ergibt sich: Gesunder
Sinn für das Zweckmäßige, Wirklichkeitsnähe bei
mangelhaftem Verständnis für alles Mystische und
Phantastische, das meist kopiert wird und dar:::::
verfälscht in die Erscheinung tritt.
Hermann Hieber
Fontanes Hosenträger
Kurz bevor am ersten April die altberühmte „Vossische
Zeitung" ihr Erscheinen einstellte, brachte die „Deutsche Zu-
kunft" einen Erinnerungsartikel an Theodor Fontane
und seine originelle Art, Theaterkritiken zu schreiben. Als
Gewährsmann hatte ein ehemaliger Faktor gedient, der
damals in der Brüderstraße tätig war. Niemand wird diesen
Bericht ohne Vergnügen gelesen haben, wie der Alte seine
Ergüsse an einem Pult im Setzersaal abfaßte, mitten im
Lärm der Rotationsmaschinen, und wie er sich dabei jedes-
mal, wenn er ins Stocken kam — er arbeitete überhaupt
langsam —, mit einem Griff in den Hosenbund die Hosen
hochgezogen habe.
Nur einer schloß sich von diesem schmunzelnden Behagen
aus, ein „Geheimer Oberpostrat" in München. Er wußte
es besser als der Faktor in der Setzerei, sintemalen er mit
einer Enkelin des seligen Fontane verheiratet ist. Und so
setzte er sich denn flugs hin und schrieb an den Heraus-
geber der Wochenschrift eine „Berichtigung", von der er
„als Bezieher der „Deutschen Zukunft" ergcbenst bitten darf,
Herrn Dr. Fechter gefälligst Kenntnis geben zu wollen".
Dieser geheime oberpostrütliche Schlußsatz läßt bereits Böses
ahnen. Trotzdem wird man mit Überraschung von der „Be-
richtigung" Kenntnis nehmen:
„Sier liegt ein doppelter Irrtum auf feiten
jenes Faktors vor, denn erstens hat der märkische Dichter
nicht die Theaterkritiken selbst, sondern nur die „V o r -
berichte" in der Setzerei niedergeschrieben. Wie kann
man auch so etwas verwechseln!! Und zweitens:
„Wenn er sich dabei gelegentlich in den Hinteren Hosen-
bund gefaßt hat, so war dieser Griff weder dazu bestimmt,
dem Flusse seiner geistigen Arbeit nachzuhelfen, noch die
Hosen wieder heraufzuziehen. Fontane hat nämlich
stets Hosenträger getragen. Auch sonst hielt
er viel mehr auf ein gepflegtes Äußere, als dies heutzutage
oft bei alten Herren der Fall ist. Jener Griff war daher
nichts weiter als eine leere Angewohnheit."
Hoffentlich schreibt sich der Herr Dr. Fechter das hinter
die Ohren und schleudert nicht wieder so fahrlässige Be-
hauptungen in die Welt, mit denen das „gepflegte Äußere"
unseres Heimatdichters so unverantwortlich in Frage ge-
stellt wird. Man sieht ordentlich den roten Kopf des Münch-
ner Geheimen Oberpostrats vor sich, mit dem er seine ge-
kränkte Epistel als pünktlich zahlender Bezieher und Hüter
der Familienehre von sich gibt. Der Redakteur wird sich
wohl nicht unterstehen, die Zuschrift eines Geheimrates in
den Papierkorb zu werfen, so gern er es möchte. Und
außerdem schnellt die Schale eines einfachen, nur mit dem
Doktortitel oder nicht einmal damit versehenen Schrift-
stellers hoch in die Luft, wenn auf der andern der „Ee-
Ludwig Peter Kowalski, Siena. 1931/32
Ludwig Peter Kowalski, Oderlandschaft. 1932
Kunst der Nation
Der Wandmaler Ludwig Peter Kowalski
Ludwig Peter Kowalski
ist heute 42 Jahre alt. Er
ist iu Oberschlesieu ge-
boren, meldete sich 1914
als Schüler der Kunst-
akademie in Breslau zur
Front und kämpfte von
1914—1918 in den
Schützengräben Frank-
reichs und Rußlands.
Aus dem Felde zurück-
gekehrt, unternahm er
drei längere Reisen durch
Italien. Er glaubt an
die Erreichung seiner
künstlerischen Ziele irr der
Form der Wandmalerei.
Wer seine Werke kennt,
verehrt ihn als ernsten,
wertvollen Künstler. Wer
ihn von Angesicht zu An-
gesicht kennt, verehrt ihn
als liebenswürdigen
Menschen, dem seine
schlesische Heimat eine
jede Lage beherrschende,
geradezu ansteckende
Fröhlichkeit mitgegeben
hat. Seine lebendige Verbnndenheit mit der Jngend halten. Er gehört zu den jungen deutschen
wird durch seine große Schülerschar aufrecht er- Künstlern. Lorensen
Ludwin Peter Kowalski
Völkische Verpflichtung zum künstlerischen Schaffen.
Wir haben keinen Grund und keine Zeit zur
Resignation. Der Grund für die Reichweite der
Wirkung ist auch nicht im „Stil" zu suchen. Da
Stil keinen Wert bedeutet, wird die Kunst der
Gegenwart und der Zuknnst auch nicht ihres
„Stils" wegen wertvoller oder wertloser sein als
die barocke oder klassizistische oder expressionistische
Kunst. Sie wird nur dann wertloser sein, wenn
ihre Schöpfer kleinformatiger sind und sie wird
dann wertvoller sein, wenn sie größere Leistungen
hervorbringt.
Allein an dem Talent und an der Konsequenz
der heutigen Künstler entscheidet sich daher auch
die Reichweite der zukünftigen Kunst.
O 4 b o - n ck r 6 a, s Loürsider
Duisburger
„Tag junger Kunst".
Die Eröffnung des neuen Museums in Duis-
burg wurde von der Stadt unter der Devise „Tag
junger Kunst" mit einem vielseitigen Programm
festlich begangen. Ein Kongreß der westfälischen
Künstler, Ehrungen für die toten Meister, An-
sprachen, Vorträge, Festkonzerte wechselten mit-
einander ab. Das Verdienst der einheitlichen und
eindrucksvollen Ausgestaltung des Tages ist in
erster Linie dem Oberbürgermeister Dr. Kelter
zuzuschreiben.
Das neueröffnete Museum birgt nun im Erd-
geschoß die berühmte Duisburger Lehmbruck-
Sammlung, deren Reichhaltigkeit einen Ein-
blick in jede einzelne Phase der Entwicklung des
großen Duisburger ermöglicht. Dabei sei mit
ganz besonderer Anerkennung des früheren Duis-
burger Museumsleiters, Dr. August Hofs, ge-
dacht, dem die Stadt das einzigartige Gepräge
dieser Schau zu danken hat. Das Mittelgeschoß
soll in Wechselausstellungen der jungen Kunst
dienen. Aus den besten Einsendungen zu dem
Wettbewerb „Deutsches Familie nbild-
n i s" stellte die Leitung eine äußerst interessante
Ausstellung zusammen. Die magische Zeichenkraft
des besten rheinischen Graphikers, Otto Pankok,
hält die Spitze. Die große Schar der Jüngeren
schließt sich vielversprechend in breiter Front an.
Es seien genannt Peter Stermann, Josef Pieper,
Wilhelm Philipp, Albert Schamoni, Werner
Kreuzhage.
Ein besonderes Erlebnis vermittelte die West-
deutsche Erstaufführung von Hindemiths
„Mathis der Maler" in der Duisburger Tonhalle.
Hindemith dirigierte sein Werk selbst und wurde,
wie nicht anders zu erwarten war, von seinem
Publikum, das bezeichnenderweise überwiegend aus
Jugend bestand, stürmisch umjubelt.
Mit diesem „Tag deutscher Kunst" und dem
neuen, der Kunst der Gegenwart zugewandten
Museum wird die Kunstsront der Westdeutschen
Städte wiederum um eine neue Hoffnung ver-
mehrt. Lorensen
Gibt es eine bürgerliche Kunst?
„Höfische Dichtung" ist ein allgemein bekannter
Begriff, ebenso wie „Bürgerliches Trauerspiel";
das Epos blüht wie der Minnesang in ritterlichen
Zeiten, während der Roman dem bürgerlichen
Zeitalter angehört. Kurzum: für die Literatur ist
die soziologische Eingliederung längst vorgenom-
men worden. Nicht so für die bildende Kunst.
Und doch ist eine solche Betrachtungsweise heute,
da wir vom bürgerlichen Geist abrücken und die
Schranken der Gesellschaftsklassen zugunsten einer
alle umfassenden Volksgemeinschaft niederreißen
wollen, durchaus zeitgemäß.
In erster Linie werden wir die Werke der Bau-
kunst befragen müssen, weil der Zweck sie unmittel-
bar mit dem materiellen Leben ihrer Schöpfer ver-
knüpft, und doch zugleich auch ihre Geisteshaltung
sich in ihnen verkörpert. Wenn man die Be-
stimmung der Bauwerke ins Auge saßt, ist die
Frage rasch beantwortet: die Rathäuser, Kauf-
hallen, Kornhäuser, Tanzhäuser, Zunftgebäude der
mittelalterlichen Städte, zu denen Patrizierhäuser
und Wehrbauten kommen — auch diese können wie
im Augsburg des Elias Holl, künstlerisch bedeut-
sam sein — all das ist „bürgerliche Architektur".
Rothenburg, Dinkelsbühl, Nördlingen sind Schul-
beispiele bürgerlichen Bauwillens. Hier waren die
Kaufleute und Handwerker unter sich und konnten
ganz nach Lust und Behagen bauen. Keine
Bischofskirche, keine Kaiserpfalz wie in Regens-
burg oder in Nürnberg drängt sich als Fremd-
körper in das Stadtbild.
Indessen damit kommen wir nicht viel weiter.
Wir suchen den bürgerlichen Stil, aber gibt es den
überhaupt? Die deutsche Bürgerkultur beginnt
im vierzehnten Jahrhundert und endet mit dem
sechzehnten, um dann erst wieder am Ende des
achtzehnten aufzutauchen. Sie tritt die gotische
Erbschaft an, von der sie zwei Jahrhunderte zehrt,
um ihr dann schließlich Renaissanceelemente auf-
zupfropfen. Die Renaissance wiederum ist aus-
ländischer Import; seine prunkenden Glieder —
man denke etwa an die Säulenhalle, die den:
Kölner Rathaus vorgelegt wurde — sind dem
schlichten Bürgergeist fremd. Sie eignen sich weit
besser für fürstliche Repräsentation. Man ver-
gleiche den Heidelberger Otto-Heinrichs-Bau oder
das Aschaffenburger Schloß mit den: Nürnberger
Rathaus, das in seiner kleinbürgerlichen Um-
gebung schier erdrückt wird, und man wird die
Unzweckmäßigkeit seiner Formen verstehen können.
Es berührt fast ebenso Peinlich wie die mißver-
standenen italienischen Architekturen in Dürers
Großer Holzschnittpassion.
Und doch hat das Bürgertum einmal, in der
Antike, eine gewaltige, welterschütternde Mission
erfüllt. Der griechische Geist hat den Menschen
aus seiner dumpfen Ohnmacht, aus seiner ab-
hängigkeit von priesterlichem Irrwahn und
sklavischer Unterwürfigkeit unter monarchische
Willkür erweckt und zur Persönlichkeit erhoben. Er
zuerst wagte den Menschen um des Menschen
willen zu bilden und den Götterhimmel auf die
Erde herabzuziehen. Ihm war der Mensch das
Maß aller Dinge. Darum dünkten ihn die
kolossalen Tempel und Königspaläste der Ägypter
und Assyrer barbarisch, und ein neues, mensch-
liches Raumgefühl schuf die in ihrer Harmonie nie
wieder erreichten hellenischen Tempel: vermensch-
lichte Götterwohnungen. Aus diesem Raumgefühl
heraus, einem vollkommen plastischen Raum-
gefühl, erbaute er sich die Götterburg von Athen,
die Akropolis. Eine geläuterte und veredelte Da-
seinsfreude befähigte ihn zu jenem einmaligen
Realismus des Parthenonfrieses, dem Festzug der
Athener zu den Panathenäen: Wallfahrt des
Menschen zur ewigen, göttlichen Schönheit.
Die solches schufen, waren Bürger einer kleinen
Stadtrepublik. Um ihretwillen dürfte man das
Bürgertum niemals ganz verachten. Hellenischer
Geist hat die italienische Kunst durchtränkt. Es
gibt, wenn auch nicht Wiederholungen, so doch
Parallelen in der Geschichte. Der römische
Despotismus hatte eine neue Hierarchie errichtet,
jener alten in Ägypten und Babylonien nicht un-
ähnlich. Der staatliche Despotismus der Welt-
hauptstadt hatte sich zu einem geistlichen ver-
dichtet. Die Welt war Tenfelswerk, ein irdisches
Jammertal geworden. Aber Athen war nicht tot.
Wiederum war es eine kleine Stadtrepublik, die
den Despotismus abschüttelte und den Geist
schöner Menschlichkeit wiedererweckte: Florenz.
Diesmal eröffneten die Maler den Reigen: Giotto
und Masaccio schälten den menschlichen Kern aus
den biblischen Erzählungen und Heiligenlegenden,
und auf ihren Schultern schufen Donatello,
Lionardo und Michelangelo den Stil des
„Rinascimento", der Wiedergeburt des Menschen-
tums. Und der Papst in Rom mußte mitmachen,
ob er wollte oder nicht.
In beiden Fällen, den: athenischen und den:
florentinischen, hatte sich das Bürgertum als revo-
lutionäre Macht erwiesen. In: Norden freilich
lagen die Verhältnisse weit ungünstiger. Je mehr
dem Papsttum in Italien der Boden unter den
Füßen wich, um so zäher wußte es ihn dort zu
vehaupten. Iu deu Kreuzzügen rieb es den
Ritteradel aus, der allzu selbständig zu werden
drohte. Und das Stadtbürgertum, das von den
Quellen hellenischer Bildung viel zu weit entfernt
war, konnte man durch die Fehden der Großen
und durch die Bettelorden, die gefügigen Agenten
Roms, bequem in Schach halten. Es ist ein
tragisches Schauspiel, zu beobachten, wie trotz ge-
waltiger kultureller Anstrengungen den Nieder-
landen, die von den Van Eycks oder Roger van der
Weyden, Geertgen tot Sint Jans und Hugo van
der Goes bis auf Memling, Quentin Massys und
den älteren Breughel so Erstaunliches geleistet
haben, das Letzte, die Befreiung vom gotischen
Zwang nicht gelingen will. Diese Meister, wie
auch die gleichzeitigen deutschen, die Konrad Witz,
Stephan Lochner, Lucas Moser, die Michael
Pacher und Martin Schongauer, wollen zum
Realismus, zum schlechthin Menschlichen, aber es
ist, als würden sie immer wieder niedergezogen.
Ein Blick ans ihre Architektur macht uns das
vielleicht noch klarer. St. Gudula in Brüssel oder
St. Bavo in Gent oder St. Rombant in Mechel::
wirken schwächlich, wie aus zweiter Haud: Gottes-
häuser, denen das Beste fehlt, die schlichte
Frömmigkeit der Werkleute. Dafür übernehmen
sie die Formen der kirchlichen Architektur für ihre
Rathäuser, und hier, iu Brüssel oder in Löwen,
deckt sich der Zweck nicht nut deu: Stil. Es sind
umgebaute Kathedralen, aber keine weltlichen
Repräsentationsbauten. Neuer Wein in alte
Schläuche gefüllt. Man macht Wohl auch Anleihen
dein: Bnrgenbau und stellt mitten in die Stadt —
in Brügge, in Gent — den Wartturm, den „Bel-
fried". Lauter Entleihungen aus einer ver-
gangenen, artfremden Epoche. Kein Mut zur
eigenen freien Gestaltung. Von den deutschen
Bauten war scyon die Rede. In der bürgerlichen
Republik Holland, deu: Vaterlande eines Rem-
brandt und Frans Hals, wird es mit der
Architektur weit schlimmer. Wie frostig sind nicht
die Amsterdamer Kirchen, denen man es so recht
anmerkt, daß die Mynheers nur austandshalber
hineiugiugeu! Ihre weltliche:: Repräseutatious-
bauteu, wie das vielgerühmte Rathaus des Thomas
de Keyzer, ist Protzig und lieblos. Hier hat mau
deu: fürstlichen Palastban den Rang ablaufen
wollen. Das ist schlimmstes Pfahlbürgertum.
Sehr viel sympathischer berührt der englische
Städtebau des 18. Jahrhuuderts. Es gibt iu
Londou Straßen und Plätze — die „Squares" mit
der eiugegitterten Grünfläche in der Mitte — die
in ihrer schmucklosen Sachlichkeit, aber vollkommen
materialgerechten Behandlung der Fassaden vor-
bildlich sind. Uber den schematischen Kirchenbau
des Christopher Wren braucht man kein Wort zu
verlieren; der ist Verlegenheitsprodukt. Aber der
bürgerliche Wohnbau hat iu England tatsächlich
neue Wege eingeschlagen. Übertroffen hat ihn
nur die Pariser Architektur der bürgerlichen
Periode (Rue cle Rivoli!). Das Neue, was in
England und Frankreich anftaucht: die ruhige,
schmucklose Straßenflucht und Platzwand, hat der
Biedermeierstil in Deutschland sehr glücklich ver-
wendet. Musterbeispiele bieten Kassel und Karls-
ruhe. Berlin soll zu Beginn des 19. Jahrhunderts
ebenfalls eine sehr schöne Stadt gewesen sein. Man
kann das freilich nur noch vermuten.
Fassen wir die Merkmale des bürgerlichen
Stils kurz zusammen, so ergibt sich: Gesunder
Sinn für das Zweckmäßige, Wirklichkeitsnähe bei
mangelhaftem Verständnis für alles Mystische und
Phantastische, das meist kopiert wird und dar:::::
verfälscht in die Erscheinung tritt.
Hermann Hieber
Fontanes Hosenträger
Kurz bevor am ersten April die altberühmte „Vossische
Zeitung" ihr Erscheinen einstellte, brachte die „Deutsche Zu-
kunft" einen Erinnerungsartikel an Theodor Fontane
und seine originelle Art, Theaterkritiken zu schreiben. Als
Gewährsmann hatte ein ehemaliger Faktor gedient, der
damals in der Brüderstraße tätig war. Niemand wird diesen
Bericht ohne Vergnügen gelesen haben, wie der Alte seine
Ergüsse an einem Pult im Setzersaal abfaßte, mitten im
Lärm der Rotationsmaschinen, und wie er sich dabei jedes-
mal, wenn er ins Stocken kam — er arbeitete überhaupt
langsam —, mit einem Griff in den Hosenbund die Hosen
hochgezogen habe.
Nur einer schloß sich von diesem schmunzelnden Behagen
aus, ein „Geheimer Oberpostrat" in München. Er wußte
es besser als der Faktor in der Setzerei, sintemalen er mit
einer Enkelin des seligen Fontane verheiratet ist. Und so
setzte er sich denn flugs hin und schrieb an den Heraus-
geber der Wochenschrift eine „Berichtigung", von der er
„als Bezieher der „Deutschen Zukunft" ergcbenst bitten darf,
Herrn Dr. Fechter gefälligst Kenntnis geben zu wollen".
Dieser geheime oberpostrütliche Schlußsatz läßt bereits Böses
ahnen. Trotzdem wird man mit Überraschung von der „Be-
richtigung" Kenntnis nehmen:
„Sier liegt ein doppelter Irrtum auf feiten
jenes Faktors vor, denn erstens hat der märkische Dichter
nicht die Theaterkritiken selbst, sondern nur die „V o r -
berichte" in der Setzerei niedergeschrieben. Wie kann
man auch so etwas verwechseln!! Und zweitens:
„Wenn er sich dabei gelegentlich in den Hinteren Hosen-
bund gefaßt hat, so war dieser Griff weder dazu bestimmt,
dem Flusse seiner geistigen Arbeit nachzuhelfen, noch die
Hosen wieder heraufzuziehen. Fontane hat nämlich
stets Hosenträger getragen. Auch sonst hielt
er viel mehr auf ein gepflegtes Äußere, als dies heutzutage
oft bei alten Herren der Fall ist. Jener Griff war daher
nichts weiter als eine leere Angewohnheit."
Hoffentlich schreibt sich der Herr Dr. Fechter das hinter
die Ohren und schleudert nicht wieder so fahrlässige Be-
hauptungen in die Welt, mit denen das „gepflegte Äußere"
unseres Heimatdichters so unverantwortlich in Frage ge-
stellt wird. Man sieht ordentlich den roten Kopf des Münch-
ner Geheimen Oberpostrats vor sich, mit dem er seine ge-
kränkte Epistel als pünktlich zahlender Bezieher und Hüter
der Familienehre von sich gibt. Der Redakteur wird sich
wohl nicht unterstehen, die Zuschrift eines Geheimrates in
den Papierkorb zu werfen, so gern er es möchte. Und
außerdem schnellt die Schale eines einfachen, nur mit dem
Doktortitel oder nicht einmal damit versehenen Schrift-
stellers hoch in die Luft, wenn auf der andern der „Ee-
Ludwig Peter Kowalski, Siena. 1931/32
Ludwig Peter Kowalski, Oderlandschaft. 1932