Kunst der Nation
5
I. A. Benkert, Die Mole
Lin Lortr nti8t der Landseliakt:
Loses Albert Benkert
Ein junger, wenn auch nicht mehr ganz junger
Maler, der auf dem Umweg über Westfalen ins
Märkische kam. Sproß aus oberfränkischem
Banerngeschlecht, dem schon einmal ein Künstler
entwuchs. Das war Johann Peter Benkert,
jener volkstümliche Rokokoplastiker, der aus Bam-
berg, wo er auch die untere Brücke mit Kolossal-
figuren schmückte, von Friedrich dem Großen nach
Berlin geholt wurde. Die Gruppen des Apollo
und der Minerva vor
dem Potsdamer Stadt-
schloß und die Allego-
rien der Skulptur und
Graphik vor der Bil-
dergalerie in Sans-
souci stammen von
ihm. Auch von seinen
sonstigen Bildhauer-
arbeiten und plasti-
schem Dekor blieb
mancherlei erhalten.
Das zeigt alles routi-
niertes handwerkliches
Können und wuchs
aus künstlerischer Tra-
dition, wie sie der
Nachfahr, 1900 im
bayerischen Kulmbach
geboren, nicht mehr
vorfinden konnte, wes-
halb er auch wohl-
weislich Autodidakt
blieb.
Für einen jungen, dem Sinnhaften aufge-
schlossenen, deut Naturell nach ziemlich unbändigen
Menschen, der doch, als Leibl hcimging, erst wenige
Lebensmonate hinter sich hatte, und etwa um die
Zeit, da Cezanne starb, in den heilsamen Zwang
der (nicht immer heiß geliebten) Schule kam, er-
scheint — muß er nun gerade Maler werden —
nicht weiter verwunderlich, wenn er gleich als
Expressionist anfängt. Schon von dem Zwanzig-
jährigen konnte eine Ausstellung in Bamberg —
noch etwas obenhin in der formalen Durchdrin-
gung, aber bereits recht eindrucksam im Gestuften
und Aufeinanderbezogensein der Farben — einige
Bilder zeigen. Sie verfielen zwar nicht, wie es
bei manchem Mitstrebenden der Fall sein mochte,
in den Fehler, den Expressionismus allzu grund-
sätzlich zu nehmen. Er war dem reizbaren Tem-
perament des jungen
Malers aber doch wohl
eine Art Extrem, das gut
tat. Das Neue in der
Ausdrucksweise lockte ja
nicht nur als stärkster
und gültigster Protest
gegen die Auchmalerei,
die er überall sah und
ihm nicht genügen konnte,
sondern war auch erste
fruchtbare Berührung
mit den künstlerischen
Tendenzen seiner Zeit,
die beste Schule, die
.dieser Nichtakademiker
sand. Sie blieb auch
wirksam, nachdem er
nach Soest in Westfalen
übersiedelte, wo über
dem künstlerischen Leben
das Schaffen von Chri-
stian Rohlfs als Gestirn
stand.
Benkerts Aufenthalt
im Lande der roten Erde
brachte ihn schrittweise
seiner Eigenart näher.
Und auch die ersten äuße-
ren Erfolge stellten sich
ein, indem das Folkwang-Museum zwei Ölbilder
erwarb und der „Tote Soldat" in die Ruhmeshalle
Elberseld-Barmen kam. Bald hing auch in
Bochum, Wiesbaden, Soest und anderen Orten
mehreres voll seiner Kunst, die das Ölbild
mählich zugunsten des Aquarells an zweite Stelle
treten ließ. Man wurde aufmerksam auf diesen
Maler, der trotz vehementem Schaffensdrang bei
zuweilen etwas nervöser Farbengebung keinerlei
hemmungslose Produktion entfaltete, sondern mehr
und mehr danach rang, stärkstes Gefühl und ent-
schiedenste Vorstellung in feiner Erfassung der
gegenständlichen Welt zu legen.
Mit dem zunächst noch mit Vorliebe gepflegten
Stadtbild (oft mit Pastellwirkung im deckdichten
Auftrag der lichtschimmernden Wasserfarben)
rivalisiert dann das Rein-Landschaftliche mehr. In
und von Berlin aus entstanden neben Ansichten
der verwitterten Altstadtgassen des Krögel in
einer mit dem Vorwärtsschreiten seiner technischen
Mittel immer persönlicher werdenden malerischen
"Sprache Darstellungen aus der Mark und von
der Küste, in denen sich
ständig deutlicher das
Bestreben offenbarte, bei
allem Erfühlten, allem
erregten Nacherleben in
der Landschaft das, mit
Runge zu reden, „Be-
stimmte in der Unbe-
stimmtheit" zu geben.
Wohl schrieb Constable,
der englische Maler, einst
in einem Brief: „Die
Welt ist weit, nicht zwei
Tage sind gleich, nicht
einmal zwei Stunden;
noch hat es seit Schöp-
fung der Welt zwei
Baumblätter gegeben, die
einander gleich waren".
Aber immer wieder fühl-
ten sich Künstler ge-
drängt, das eigentliche
Gesicht der Landschaft,
ihre notwendigen und
wahren Züge zum Bilde
zu gestalten.
Der Maler Benkert hat diese Aufgabe sehr
ernst genommen, sowohl in seinen Ölbildern, als
auch in all den Aquarellschöpfungen, die niemals
flüchtigen Eindrücken ihr Entstehen verdanken, son-
dern als gleichberechtigt neben den Ölstücken
stehen. Das Aquarell, früher so oft als künst-
lerische Zwischenform von Malerei und Zeich-
nung betrachtet, ist bei ihm endgültig gewordene
Form aus einem zähen, geduldigen Entstehungs-
vorgang, wie wenig dann schließlich auch das
erreichte künstlerische Resultat von den Mühen des
Schassens spüren lassen mag. Man muß sich vor
diesen Blättern ganz frei von der Vorstellung des
notizenhaft Flüchtigen, farbig Momentanen
machen, die noch
manchmal mit dem
Begriff Aquarell ver-
knüpft zu werden
Pflegt. Sie haben
nichts Improvisieren-
des und Skizzenhaftes
an sich; und das ist
gut so! Schrieb doch
schon vor sechzig Jah-
ren ein nicht unbegab-
ter Maler, zugleich
einer der feinsten
Kenner auf künstleri-
schem Gebiet: „Jedes
Ding hat seine Zeit,
und an dem Tage, da
die Maler und die
Leute von Geschmack
sich überzeugen wer-
den, daß selbst die
besten Skizzen der
Welt nicht imstande
sind, ein gutes Bild
aufzuwiegen, an die-
sem Tage wird die öffentliche Meinung noch ein-
mal sich auf sich selbst besonnen haben. Und das
ist immer der sicherste Weg, zu einem Fortschritt
zu gelangen." Nllorrvnlä
Richard Birnstengel
Richard Birnstengel gehört der um die Jahr-
hundertwende einsetzenden Malergeneration an.
In Dresden gebot damals weithin Gotthardt
Kuehl, der hier dem Impressionismus zum Durch-
bruch verhalf. Birnstengel lief ihm davon und
begab sich in die Lehre Oskar Zwintschers. Die
Einflüsse dieses von der Zeichnung ausgehenden
und um strenge Stilisierung bemühten Malers
weckten in ihm das auch später bestimmend ge-
bliebene Gefühl für die Klarheit von Farbe und
Form. Zunächst wuchs er in eine Linie hinein,
in der das linear konstruktive Element stärker
war als das rein malerische. Erst verhältnis-
mäßig spät kommt die Farbe zu ihrem Recht, in
den Arbeiten der Gegenwart hält sie der Form die
Waage. Gleichzeitig mit der Entwicklung des
Sinnes für die Farbe steigt die Fähigkeit der
Natur- und Menscheneinfühlung. Es ist für Birn-
stengel bezeichnend, daß ihm die flimmernde licht-
überflutete Landschaft Südfrankreichs und Korsikas
weniger geben konnte als die schwermütige des
Böhmerwaldes, zu der es ihn immer wieder hin-
zog, und als der herbe, nordisch klare ostpreußische
Küstenstrich, der ihm in der letzten Zeit zum
künstlerischen Erlebnis wurde. In Ölgemälden
und Aquarellen aus Ostpreußen und von der
kurischen Nehrung, sämtliche entstanden in den
Jahren 1930—34, hat der Fünfzigjährige eine Ge-
staltungsformel erreicht, in der Architektonik des
Aufbaus, Klarheit und Leuchtkraft der Farben
mit dem gegenständlich Wesenhaften eine schöne
Der Maler Josef Albert Benkert
Richard Birnstcngcl, Kurisches Fischerdorf
und sichere Verbindung eingegangen sind. Mit-
unter, wie in dem „Kurischen Fischerdorf" oder
dem „Fischermädchen", gelingt eine Steigerung zur
Größe des Sinnbildlichen. Und in dieser Richtung
liegt der Weg zur Vollendung von Birnstengels
Kunst. U. Raus ell
Malevaaetrotirn
Lcnbach
Franz von Lenbach war Stammgast in einem bestimmten
Restaurant. Eines Tages hatte an seinem Tisch ein Ehe-
paar Platz genommen. Nach einiger Zeit merkt Lenbach,
daß die Dame ihn dauernd mustert. Ganz ruhig zieht er
sein Skizzenbuch aus der Tasche, fixiert die Dame und fängt
an zu zeichnen. Der Gatte rutscht auf seinem Stuhl hin
und her und zeigt bedenkliche Anzeichen der Unruhe.
„Ich verbiete Ihnen meine Frau zu zeichnen!"
„Sooo?"
Lenbach hält dem wütenden Ehemann den Skizzenblock
unter die Nase und fragt:
„Ist dies vielleicht Ihre Frau?"
Franz von Lenbach hatte eine Eans gezeichnet.
Richter
Der heute allen bekannte Maler Ludwig Richter erzählte
gern folgendes Erlebnis: Als er die unterste Klaffe besuchte,
stand vor dem Schulhaus ein mit einem Esel bespanntes
Wägelchen. In der Pause ärgerten die Buben das Tier so,
daß es durchging und den Wagen umwarf. In diesem Augen-
blick kommt der Lehrer hinzu und versetzt dem kleinen Lud-
wig Richter eine Ohrfeige. Da er nur zugeschaut hatte,
war er über diese Ungerechtigkeit sehr erbost und rannte
laut schreiend ins Schulhaus. Hier läuft er einem anderen
Lehrer in die Hände:
„Warum weinst du?"
„Weil mich unser Lehrer gehauen hat, und ich habe
doch dem alten Esel gar nichts getan!"
Jetzt wunderte er sich sehr, daß er von dem anderen
Lehrer zwei neue Ohrfeigen — wegen Lehrerbeleidigung —
bekam.
Busch
Wilhelm Busch hatte, als er noch nicht „der" war, viel
Pech mit seinen Arbeiten. Niemand wollte sie drucken.
Endlich wurde dann seine erste Bildfolge doch angenommen.
Dieses Ereignis verkündigte er so:
„Ich habe heute eine Arbeit verkauft. Ich kann mir
das nur so erklären, daß das Schicksal einen Augenblick
eingenickt ist."
*
Böcklin
Ein bekannter Arzt besuchte den Maler Böcklin in seinem
Atelier. Er betrachtete die angefangenen oder schon fertigen
Arbeiten des Meisters und rief plötzlich ganz entrüstet:
„Aber lieber Böcklin, diese Wesen, die Sie hier aus-
gezeichnet haben, haben ja keine anatomische Existenz-
möglichkeit!"
Böcklin lächelte:
„Lieber Professor, die leben länger als Sie!"
Erzählt von Frank Dorak
I. A. Benkert, Arbeiter im Kahn
Liiel^seliau und ^usbliel^
Das Hamburger Schauspiel
Von
Carl Dietrich Carls
Die Hamburger Schauspielbühnen, die ein Bild
ruhiger, von Zwischenfällen freier Arbeit boten,
begannen in dieser Spielzeit eine übersichtlichere
Abgrenzung und eine neue, zweckmäßigere Ver-
teilung der Aufgaben einzuleiten. Für eine dritte
Schauspielbühne kammerspiclartigen Charakters,
wie sie früher bestand, sind die Grundlagen nicht
mehr vorhanden. Entscheidendes hängt davon ab,
daß, sowohl in der Richtung auf das Publikum
als auch andererseits in der geistigen Spannweite
Umrissen angelegten Inszenierung von Hebbels
„Nibelungen" I und II durch Heinz-Dietrich
Kanter (als Gastregisseur). Bestrebt, seine Hebbel-
tradition lebendig zu erhalten, wird das Staat-
liche Schauspielhaus auch in der nächsten Spielzeit
zwei Werke des Dichters aufsühren, und zwar
„Maria Magdalena" und „Nibelungen III".
Unter den Klassikeraufführungen war Günther
Haenels „Tell"-Jnszenierung, die alles Überlaute
mied, bemerkenswert durch reiche innere Ab-
des Spielplanes die bei-
den großen Schauspiel-
bühnen lückenlos alle
Möglichkeiten erfassen.
Der Erkenntnis dieser
Notwendigkeit entspringt
vielleicht auch die Absicht
des Staatlichen Schau-
spielhauses, in der näch-
sten Spielzeit in besonde-
ren Studio-Aufführungen
junge Dichtung herauszu-
stellen, die im Abend-
spielplan nicht durch-
gesetzt werden kann. Als
künstlerisch sehr wertvolle
Ergänzung, nicht ohne
Ausstrahlung und An-
trieb auch nach Hamburg
hin, stellt sich diesen bei-
den Bühnen das Alto-
naer Stadttheater an die
Seite, das mutig oft
eigene Wege geht.
Das Staatliche
Schauspiel
Mit einer glücklich ge-
lockerten, von Karl
Wüstenhagen, dem
Regisseur, und Heinz
Daniel, dem Bühnen-
bildner, wirkungssicher
dem norddeutschen Publi-
kum nahegebrachten Auf-
führung der bayerischen
„Pfingstorgel"-Moritat
hat das Staatliche Schau-
spielhaus die Spielzeit
farbig und froh beschlos-
sen. Eröffnet wurde die
Spielzeit mit einer in
klaren und überzeugenden
Richard Virnfteiigel, Fischcrmädchen am Hasfstrand.
5
I. A. Benkert, Die Mole
Lin Lortr nti8t der Landseliakt:
Loses Albert Benkert
Ein junger, wenn auch nicht mehr ganz junger
Maler, der auf dem Umweg über Westfalen ins
Märkische kam. Sproß aus oberfränkischem
Banerngeschlecht, dem schon einmal ein Künstler
entwuchs. Das war Johann Peter Benkert,
jener volkstümliche Rokokoplastiker, der aus Bam-
berg, wo er auch die untere Brücke mit Kolossal-
figuren schmückte, von Friedrich dem Großen nach
Berlin geholt wurde. Die Gruppen des Apollo
und der Minerva vor
dem Potsdamer Stadt-
schloß und die Allego-
rien der Skulptur und
Graphik vor der Bil-
dergalerie in Sans-
souci stammen von
ihm. Auch von seinen
sonstigen Bildhauer-
arbeiten und plasti-
schem Dekor blieb
mancherlei erhalten.
Das zeigt alles routi-
niertes handwerkliches
Können und wuchs
aus künstlerischer Tra-
dition, wie sie der
Nachfahr, 1900 im
bayerischen Kulmbach
geboren, nicht mehr
vorfinden konnte, wes-
halb er auch wohl-
weislich Autodidakt
blieb.
Für einen jungen, dem Sinnhaften aufge-
schlossenen, deut Naturell nach ziemlich unbändigen
Menschen, der doch, als Leibl hcimging, erst wenige
Lebensmonate hinter sich hatte, und etwa um die
Zeit, da Cezanne starb, in den heilsamen Zwang
der (nicht immer heiß geliebten) Schule kam, er-
scheint — muß er nun gerade Maler werden —
nicht weiter verwunderlich, wenn er gleich als
Expressionist anfängt. Schon von dem Zwanzig-
jährigen konnte eine Ausstellung in Bamberg —
noch etwas obenhin in der formalen Durchdrin-
gung, aber bereits recht eindrucksam im Gestuften
und Aufeinanderbezogensein der Farben — einige
Bilder zeigen. Sie verfielen zwar nicht, wie es
bei manchem Mitstrebenden der Fall sein mochte,
in den Fehler, den Expressionismus allzu grund-
sätzlich zu nehmen. Er war dem reizbaren Tem-
perament des jungen
Malers aber doch wohl
eine Art Extrem, das gut
tat. Das Neue in der
Ausdrucksweise lockte ja
nicht nur als stärkster
und gültigster Protest
gegen die Auchmalerei,
die er überall sah und
ihm nicht genügen konnte,
sondern war auch erste
fruchtbare Berührung
mit den künstlerischen
Tendenzen seiner Zeit,
die beste Schule, die
.dieser Nichtakademiker
sand. Sie blieb auch
wirksam, nachdem er
nach Soest in Westfalen
übersiedelte, wo über
dem künstlerischen Leben
das Schaffen von Chri-
stian Rohlfs als Gestirn
stand.
Benkerts Aufenthalt
im Lande der roten Erde
brachte ihn schrittweise
seiner Eigenart näher.
Und auch die ersten äuße-
ren Erfolge stellten sich
ein, indem das Folkwang-Museum zwei Ölbilder
erwarb und der „Tote Soldat" in die Ruhmeshalle
Elberseld-Barmen kam. Bald hing auch in
Bochum, Wiesbaden, Soest und anderen Orten
mehreres voll seiner Kunst, die das Ölbild
mählich zugunsten des Aquarells an zweite Stelle
treten ließ. Man wurde aufmerksam auf diesen
Maler, der trotz vehementem Schaffensdrang bei
zuweilen etwas nervöser Farbengebung keinerlei
hemmungslose Produktion entfaltete, sondern mehr
und mehr danach rang, stärkstes Gefühl und ent-
schiedenste Vorstellung in feiner Erfassung der
gegenständlichen Welt zu legen.
Mit dem zunächst noch mit Vorliebe gepflegten
Stadtbild (oft mit Pastellwirkung im deckdichten
Auftrag der lichtschimmernden Wasserfarben)
rivalisiert dann das Rein-Landschaftliche mehr. In
und von Berlin aus entstanden neben Ansichten
der verwitterten Altstadtgassen des Krögel in
einer mit dem Vorwärtsschreiten seiner technischen
Mittel immer persönlicher werdenden malerischen
"Sprache Darstellungen aus der Mark und von
der Küste, in denen sich
ständig deutlicher das
Bestreben offenbarte, bei
allem Erfühlten, allem
erregten Nacherleben in
der Landschaft das, mit
Runge zu reden, „Be-
stimmte in der Unbe-
stimmtheit" zu geben.
Wohl schrieb Constable,
der englische Maler, einst
in einem Brief: „Die
Welt ist weit, nicht zwei
Tage sind gleich, nicht
einmal zwei Stunden;
noch hat es seit Schöp-
fung der Welt zwei
Baumblätter gegeben, die
einander gleich waren".
Aber immer wieder fühl-
ten sich Künstler ge-
drängt, das eigentliche
Gesicht der Landschaft,
ihre notwendigen und
wahren Züge zum Bilde
zu gestalten.
Der Maler Benkert hat diese Aufgabe sehr
ernst genommen, sowohl in seinen Ölbildern, als
auch in all den Aquarellschöpfungen, die niemals
flüchtigen Eindrücken ihr Entstehen verdanken, son-
dern als gleichberechtigt neben den Ölstücken
stehen. Das Aquarell, früher so oft als künst-
lerische Zwischenform von Malerei und Zeich-
nung betrachtet, ist bei ihm endgültig gewordene
Form aus einem zähen, geduldigen Entstehungs-
vorgang, wie wenig dann schließlich auch das
erreichte künstlerische Resultat von den Mühen des
Schassens spüren lassen mag. Man muß sich vor
diesen Blättern ganz frei von der Vorstellung des
notizenhaft Flüchtigen, farbig Momentanen
machen, die noch
manchmal mit dem
Begriff Aquarell ver-
knüpft zu werden
Pflegt. Sie haben
nichts Improvisieren-
des und Skizzenhaftes
an sich; und das ist
gut so! Schrieb doch
schon vor sechzig Jah-
ren ein nicht unbegab-
ter Maler, zugleich
einer der feinsten
Kenner auf künstleri-
schem Gebiet: „Jedes
Ding hat seine Zeit,
und an dem Tage, da
die Maler und die
Leute von Geschmack
sich überzeugen wer-
den, daß selbst die
besten Skizzen der
Welt nicht imstande
sind, ein gutes Bild
aufzuwiegen, an die-
sem Tage wird die öffentliche Meinung noch ein-
mal sich auf sich selbst besonnen haben. Und das
ist immer der sicherste Weg, zu einem Fortschritt
zu gelangen." Nllorrvnlä
Richard Birnstengel
Richard Birnstengel gehört der um die Jahr-
hundertwende einsetzenden Malergeneration an.
In Dresden gebot damals weithin Gotthardt
Kuehl, der hier dem Impressionismus zum Durch-
bruch verhalf. Birnstengel lief ihm davon und
begab sich in die Lehre Oskar Zwintschers. Die
Einflüsse dieses von der Zeichnung ausgehenden
und um strenge Stilisierung bemühten Malers
weckten in ihm das auch später bestimmend ge-
bliebene Gefühl für die Klarheit von Farbe und
Form. Zunächst wuchs er in eine Linie hinein,
in der das linear konstruktive Element stärker
war als das rein malerische. Erst verhältnis-
mäßig spät kommt die Farbe zu ihrem Recht, in
den Arbeiten der Gegenwart hält sie der Form die
Waage. Gleichzeitig mit der Entwicklung des
Sinnes für die Farbe steigt die Fähigkeit der
Natur- und Menscheneinfühlung. Es ist für Birn-
stengel bezeichnend, daß ihm die flimmernde licht-
überflutete Landschaft Südfrankreichs und Korsikas
weniger geben konnte als die schwermütige des
Böhmerwaldes, zu der es ihn immer wieder hin-
zog, und als der herbe, nordisch klare ostpreußische
Küstenstrich, der ihm in der letzten Zeit zum
künstlerischen Erlebnis wurde. In Ölgemälden
und Aquarellen aus Ostpreußen und von der
kurischen Nehrung, sämtliche entstanden in den
Jahren 1930—34, hat der Fünfzigjährige eine Ge-
staltungsformel erreicht, in der Architektonik des
Aufbaus, Klarheit und Leuchtkraft der Farben
mit dem gegenständlich Wesenhaften eine schöne
Der Maler Josef Albert Benkert
Richard Birnstcngcl, Kurisches Fischerdorf
und sichere Verbindung eingegangen sind. Mit-
unter, wie in dem „Kurischen Fischerdorf" oder
dem „Fischermädchen", gelingt eine Steigerung zur
Größe des Sinnbildlichen. Und in dieser Richtung
liegt der Weg zur Vollendung von Birnstengels
Kunst. U. Raus ell
Malevaaetrotirn
Lcnbach
Franz von Lenbach war Stammgast in einem bestimmten
Restaurant. Eines Tages hatte an seinem Tisch ein Ehe-
paar Platz genommen. Nach einiger Zeit merkt Lenbach,
daß die Dame ihn dauernd mustert. Ganz ruhig zieht er
sein Skizzenbuch aus der Tasche, fixiert die Dame und fängt
an zu zeichnen. Der Gatte rutscht auf seinem Stuhl hin
und her und zeigt bedenkliche Anzeichen der Unruhe.
„Ich verbiete Ihnen meine Frau zu zeichnen!"
„Sooo?"
Lenbach hält dem wütenden Ehemann den Skizzenblock
unter die Nase und fragt:
„Ist dies vielleicht Ihre Frau?"
Franz von Lenbach hatte eine Eans gezeichnet.
Richter
Der heute allen bekannte Maler Ludwig Richter erzählte
gern folgendes Erlebnis: Als er die unterste Klaffe besuchte,
stand vor dem Schulhaus ein mit einem Esel bespanntes
Wägelchen. In der Pause ärgerten die Buben das Tier so,
daß es durchging und den Wagen umwarf. In diesem Augen-
blick kommt der Lehrer hinzu und versetzt dem kleinen Lud-
wig Richter eine Ohrfeige. Da er nur zugeschaut hatte,
war er über diese Ungerechtigkeit sehr erbost und rannte
laut schreiend ins Schulhaus. Hier läuft er einem anderen
Lehrer in die Hände:
„Warum weinst du?"
„Weil mich unser Lehrer gehauen hat, und ich habe
doch dem alten Esel gar nichts getan!"
Jetzt wunderte er sich sehr, daß er von dem anderen
Lehrer zwei neue Ohrfeigen — wegen Lehrerbeleidigung —
bekam.
Busch
Wilhelm Busch hatte, als er noch nicht „der" war, viel
Pech mit seinen Arbeiten. Niemand wollte sie drucken.
Endlich wurde dann seine erste Bildfolge doch angenommen.
Dieses Ereignis verkündigte er so:
„Ich habe heute eine Arbeit verkauft. Ich kann mir
das nur so erklären, daß das Schicksal einen Augenblick
eingenickt ist."
*
Böcklin
Ein bekannter Arzt besuchte den Maler Böcklin in seinem
Atelier. Er betrachtete die angefangenen oder schon fertigen
Arbeiten des Meisters und rief plötzlich ganz entrüstet:
„Aber lieber Böcklin, diese Wesen, die Sie hier aus-
gezeichnet haben, haben ja keine anatomische Existenz-
möglichkeit!"
Böcklin lächelte:
„Lieber Professor, die leben länger als Sie!"
Erzählt von Frank Dorak
I. A. Benkert, Arbeiter im Kahn
Liiel^seliau und ^usbliel^
Das Hamburger Schauspiel
Von
Carl Dietrich Carls
Die Hamburger Schauspielbühnen, die ein Bild
ruhiger, von Zwischenfällen freier Arbeit boten,
begannen in dieser Spielzeit eine übersichtlichere
Abgrenzung und eine neue, zweckmäßigere Ver-
teilung der Aufgaben einzuleiten. Für eine dritte
Schauspielbühne kammerspiclartigen Charakters,
wie sie früher bestand, sind die Grundlagen nicht
mehr vorhanden. Entscheidendes hängt davon ab,
daß, sowohl in der Richtung auf das Publikum
als auch andererseits in der geistigen Spannweite
Umrissen angelegten Inszenierung von Hebbels
„Nibelungen" I und II durch Heinz-Dietrich
Kanter (als Gastregisseur). Bestrebt, seine Hebbel-
tradition lebendig zu erhalten, wird das Staat-
liche Schauspielhaus auch in der nächsten Spielzeit
zwei Werke des Dichters aufsühren, und zwar
„Maria Magdalena" und „Nibelungen III".
Unter den Klassikeraufführungen war Günther
Haenels „Tell"-Jnszenierung, die alles Überlaute
mied, bemerkenswert durch reiche innere Ab-
des Spielplanes die bei-
den großen Schauspiel-
bühnen lückenlos alle
Möglichkeiten erfassen.
Der Erkenntnis dieser
Notwendigkeit entspringt
vielleicht auch die Absicht
des Staatlichen Schau-
spielhauses, in der näch-
sten Spielzeit in besonde-
ren Studio-Aufführungen
junge Dichtung herauszu-
stellen, die im Abend-
spielplan nicht durch-
gesetzt werden kann. Als
künstlerisch sehr wertvolle
Ergänzung, nicht ohne
Ausstrahlung und An-
trieb auch nach Hamburg
hin, stellt sich diesen bei-
den Bühnen das Alto-
naer Stadttheater an die
Seite, das mutig oft
eigene Wege geht.
Das Staatliche
Schauspiel
Mit einer glücklich ge-
lockerten, von Karl
Wüstenhagen, dem
Regisseur, und Heinz
Daniel, dem Bühnen-
bildner, wirkungssicher
dem norddeutschen Publi-
kum nahegebrachten Auf-
führung der bayerischen
„Pfingstorgel"-Moritat
hat das Staatliche Schau-
spielhaus die Spielzeit
farbig und froh beschlos-
sen. Eröffnet wurde die
Spielzeit mit einer in
klaren und überzeugenden
Richard Virnfteiigel, Fischcrmädchen am Hasfstrand.