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Kunjt der Nation
H. H. Gras v. Mcrveldt, Zeichnung
immer mehr zu gedanklicher Abstraktion neigenden
Unsinnlichkeit die, zwar mit westfälischer Schwere
geladene, viel unmittelbarere und intuitivere, ganz
von malerischen Impulsen an das Objekt tretende
Art Merveldts. Seine Bildakzentuierung wird
bestimmt von der Farbe, die glühend, sinnlich,
energiegeladen, den: konstruktiven Aufbau Leben
verleiht. Diese Bilder sind in ihrer farbigen
Materie von innen heraus gewachsen, farbig
organisch vom kleinsten Fleck bis zu der breiten
Fläche entwickelt und zu einer Symphonik ge-
Hugo van der Goes zugcschr., Bildnis. Silbcrstiftzeichnung
Ausstellung: Kupferstichkabinctt, Berlin
steigert, die eine außerordentliche malerische
Kultur verraten. Die unabweisliche Monumen-
talität des Merveldtschen Stils, wie sie sich selbst
in der kleinsten Gouache äußert, läßt hoffen, daß
Merveldt einmal vor Aufgaben der Wandmalerei
gestellt wird. Hier scheint uns eine Entwicklungs-
möglichkeit zu bestehen, die der schöpferischen Kraft
und der Stärke der Anschauung dieses Künstlers
voll entsprechen müßte.
Biographisches: Geboren in Coesfeld in West-
falen am 24. März 1901. Schule in Münster, Potsdam,
Berlin. 1921—23 Schüler von Prof. Babberger in Karls-
ruhe. 1923—26 Berlin. Seit 1926 längere Aufenthalte in
Italien, Siidfrankreich und Paris. 1931 Mitglied der Ber-
liner Sezession. 1932 Staatsstipendium an der deutschen
Akademie in Rom. Seit 1933 Berlin. v.
Niederländische Zeichenkunst
Der Versuch des Direktors des Berliner
Kupferstichkabinetts, Pros. Friedrich Winkler,
erstmalig die Schätze eines graphischen Kabinetts
durch systematische Ausstellungs-Folgen weiteren
Kreisen zugänglich zu machen, beginnt langsam
Früchte zu zeitigen. Die früher beinahe leeren
Räume des Berliner Kabinetts erfreuen sich eines
immer regeren Besuches, ja, es bildet sich, wie
schon längst in der Gemäldesammlung oder den
anderen Museums-Abteilungen, ein Stammpubli-
kum heraus, das in immer größerer Zahl den
künstlerisch so wichtigen Veranstaltungen des
Kupferstichkabinetts folgt.
Als dritte Ausstellung in dem Zyklus „Die
Kunst der nordischen Völker und
Stämme" wurde kürzlich die Schau nieder-
ländischer Handzeichnungen des 15.—17. Jahr-
hunderts eröffnet. Kaum eine andere Sammlung
wäre imstande, an so prägnanten und künstlerisch
hochrangigen Beispielen die gesamte Entwicklung
dieser Kunst aufzuzeigen. In drei Namen gipfelt
die Ausstellung: Pieter Bruegel d. Ae., Rem-
brandt und Rubens. Es ist bezeichnend für die
niederländische Griffelkunst, daß hinter dem
bildhaft durchgeführten
Blatt, der ausgearbei-
teten Komposition, die
einfache und flüchtige
Naturskizze zurücktritt.
So sind von Bruegel,
neben einigen einfachen
Bauernstudien, eine ganze
Reihe großer, in allen
Einzelheiten durchkompo-
nierter Zeichnungen zu
sehen (s. Abb.), und die
Nachfolger, vor allem
die Landschafter aus
dem Kreise der de Mom-
per, Vinckeboons bis zu
Avercamp sind nut stim-
mungsvollen, vielfach
farbig aquarellierten und
völlig auf einen Bild-
eindruck gestellten Land-
schaftsblättern vertreten.
Einige der seltenen
Originalzeichnungen des
15. und 16. Jahrhunderts
bilden den Auftakt;
selten, da die meisten
der ans dieser Zeit
erhaltenen Blätter nur
als spätere Nachzeichnun-
gen, nicht als unmittel-
bare Originale, wie
z. B. die schöne Bildnis-
studie aus dem Kreise
des Hugo van der Goes,
die hier abgebildet wird,
anzusprechen sind.
Die überragende Kunst
Rembrandts, bereits vor
einigen Jahren in einer
Akademie-Ausstellung ge-
zeigt, wird in einer
Auslese, die bewußt Ein-
blicke in die Schaffensweise des Künstlers und
seine Entwicklung durch Nebeneinanderstellnng
verschiedener Entwürfe für dieselbe Darstellung
und Gegenüberstellung des frühen und späten
Zeichenstils zu vermitteln versucht, veranschaulicht.
Der ganze Reichtum holländischer Kunst auf
breitester volksmäßiger Basis wird in einer Aus-
lese der Besteu aus dem engeren und weiteren
Rembrandt-Kreise offenbar: neben den direkten
Schülern Lievens und Köninck, neben den
klassischen Vertretern der Landschaft Jacob und
Salomon van Ruisdael, Goyen und Cuyp, neben
den Sittenbildmalern um Adriaen van Ostade
interessiert hier vor allem die vielseitige Künstler-
familie der van de Velde. Fünf verschiedene
Glieder dieser Familie, einen Zeitraum von etwa
drei Generationen umfassend, umschließen ein
Jahrhundert holländischer Zeichenkunst. 1.
Meeres-Ungeheuer
Auch eine Antwort
Stuttgart
Auf Ihr an den Herrn Oberbürgermeister gerichtetes
Schreiben vom 14. d. M. beehren wir uns Ihnen mitzuteilen,
daß sich die zuständige Abteilung des Eemeinderats nicht hat
entschlichen können, die uns von Ihnen zum Ankauf emp-
fohlene Büste des Dichters Wilhelm Raabe zu erwerben.
Bei aller Würdigung der Tatsache, daß Wilhelm
Raabe eine Reihe von Jahren in Stuttgart ge-
wohnt hat, ist es doch nicht möglich, eine
solche Erwerbung zu machen, da die Stadt
keine Räume hat, in denen Büsten
von Persönlichkeiten aus dem Ge-
biet der Kunst, Dichtung usw. auf-
gestellt werden können.
Albert Lorßing: Hans Sachs
Neudichtung: Oswald Kühn
Ergänzende Musik: Heinrich Rücklos
Das Staatstheater Stuttgart unter-
nahm es, eine Neubearbeitung der Lortzing-Oper
„Hans Sachs" zur Uraufführung zu bringen. Es ist
ein schweres, beinahe unmögliches Unterfangen, die
Gestalt des Hans Sachs in den Mittelpunkt einer
Oper zu stellen, nachdem ein Genie wie Richard
Wagner sie zur Hauptfignre seiner „Meister-
singer" gemacht hat. Trotzdem unternahm es
Oswald Kühn, ein Stuttgarter, eine ursprüngliche
Gelegenheitsoper Lortzings, im Jahr 1840 ent-
standen, hervorzuholen und unter musikalischer
Mitarbeit von Heinrich Rücklos zu bearbeiten und
zu erneuern. Wenn der Versuch als nicht sehr
glücklich und neben dem Format der „Meister-
singer" als nicht lebensnotwendig bezeichnet wer-
den muß, so ist dies weniger einem sich aufdrän-
genden Vergleich zuzuschreiben als vielmehr denk
nicht einheitlichen Stil von Komposition und Dich-
tung. Wenn auch Lortzing das unbestrittene Recht
der Priorität genießt, so ist seine in Sinn und
Handlung den Meistersingern durchaus parallel
laufende Spieloper doch als unfertige und schnell
hingeworfene Gelegenheitsoper nicht das, was wir
unter einem konzentrierten Bühnenwerk ver-
stehen. Auch die vollkommene Umdichtung Oswald
Kühns, die ebenso wie die musikalische Umarbei-
tung von H. Rücklos mit Geschick und Fleiß eine
Erneuerung zur heiteren Bolksoper erstrebte,
konnte dem Werk zu keiner Vereinheitlichung ver-
helfen. Die melodienreichen Originalkompo-
sitionen Lortzings haben durch Einschiebung eines
fast modernen Balletts, eines Hans-Sachs-Schwan-
kes und eines Chorals von diesem Altmeister nicht
gewonnen. Man merkt zu sehr die zwar künst-
lerische aber doch künst-
liche Zusammenfügung
verschiedener Komposi-
tionen, besonders das
ganz neu komponierte
Schlußbild hat mit dem
Stil des Romantikers
Lortzing nicht eben viel
zu tun. bl. 0 lrr 1 sku
Von der Pflanze
zum Staat
Friedrich Merkenschla-
ge r hat in dem Buche „Zwi-
schen Hünengrab u. Pfahlbau"
(Waldemar Hoffmann Verlag,
Berlin) eine aufschlußreiche
Studie gegeben, in der er das
Vorkommen und Wachstum der
Pflanzen und ihre Vodenver-
wurzcltheit mit den Umstän-
den des Wachstums und der
Verschiedenheit der deutschen
Stämme in Verbindung bringt.
Die staaten- und charakterbil-
dende Kraft Preußens wird
mit den Eigenschaften der
Roggenähre verglichen. Diese
befruchtende Kraft kam vom
Nordosten aus dem nordger-
manischen Kulturboden, für
den das Hünengrab und die
Megalithkultur kennzeichnend
ist. Neben archäologischen For-
schungen werden botanische
zum Beweis herangezogen, daß
vor der Bronzezeit im deut-
schen Raum zwei verschiedene,
weltanschaulich und in Le-
bensform getrennte Kultur-
kreise bestanden. Im Süden
die Pfahlbaukultur des bo-
dcnsässigen Bauerntumes und
im Norden die Megalith-
kultur der Jägervölker. Die
erste ist durch das Pfahlhaus, die zweite durch das
Hünengrab gekennzeichnet. Es wird erklärt, daß am
Ende der Eiszeit die Eetreideähre vom mittelasiatischen
Steppengebiet stromaufwärts die Donauländer mit seßhaft
friedlicher Lebensform beschenkte. Im Norden hielt sich die
abenteuernde heroische Charakterhaltung der Jäger, Er-
oberer und Meerbefahrer, wie wir sie in den Hünengräbern
als versteinertes Zeugnis sehen. In der Bronzezeit fand eine
Vermischung und teilweise Vereinigung dieser bisher ge-
trennten Kulturkreise statt, die ein von Professor Harnack
aufgestelltes Gesetz, daß „der deutsche Süden immer die
erste, der deutsche Norden die zweite vollendete Stufe baue"
bestätigt. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit, daß der Pflug
als Verbesserung des aus dem Süden vordringcnden Acker-
baues im Norden erfunden worden sei. Auch die Töpferei
und die Metallbearbeitung erfuhr im Norden (Elb-Saal-
gebiet) ihre Vervollkommnung. Dem Süden blieb es Vorbe-
halten, intuitiv Metalle zu finden, den Ackerbau zu wahren,
dem Norden oblag es, geistige und technische Weiterentwick-
lung durchzuführen. Als schönstes Beispiel beharrender Treue
zu Pflanze und Wcrkart führt Merkenschlager die Schwaben
an. Diese bauen heute noch als einziger Stamm die Ur-
getreideart des Dinkel oder Spelz. In der verhaltenen
Würde des Lüneburger Bauern sieht Merkenschlager den-
selben Typus wie die heldenhaften Vertreter des Hllnen-
grabzeitalters.
Aber es gibt noch weitere Parallelformen zwischen Ur-
kultur und heutigen Lebensverhältnissen. Alle Bezirke
Europas, die von Krisen und Unruhen mehr geschützt sind
als andere Gebiete, gehören dem alten Pfahlbauraum an.
Daraus spricht das Streben des erbeingesessenen Bauern nach
Sicherheit und Erhaltung des Alten. Gemütstiefe, Beschau-
lichkeit und landschaftliche Gebundenheit kennzeichnen die
südlichen Landschaften. Die nordischen Stämme, die im Ge-
biete der alten Megalithkultur leben, zeigen im Gegen-
satz heroische Haltung, Willenhaftigkeit, den Adlerflug des
Gedankens, der Erfindung, Tragik und Schicksal. Auf ein-
zelne große Deutsche angewandt heißt das, daß Hebbel
„düster, aber tiefschürfend, tragisch ohne Verlangen nach
Erlösung, ungebeugt im grauen Elend ist — das ist Geist
vom Geist, der um die alten Heidensteine weht."
Wanderausstellung
Die im Wettbewerb der Deutschen Arbeitsfront prä-
mierten 20 Entwürfe zu Wandgemälden werden in einer
Wanderausstellung in allen größeren Städten des Reiches
Aufträge an bildende Künstler
Aus einer Bekanntgabe des Reichsministers für Volkse
aufklärung und Propaganda an sämtliche öffentliche Bauver-
waltungen:
„Ich halte es hierbei für unerläßlich, daß bei allen.
Hochbauten (Neu-, Um- und Erweiterungsbauten) des-
Reiches, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des
öffentlichen Rechtes und der Körperschaften, bei denen Reich,.
Länder oder Gemeinden die Aktienmehrheit oder die Mehr-
heit der Geschäftsanteile besitzen, grundsätzlich ein angemes-
sener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Auf-
trägen an bildende Künstler und Kunsthandwerker auf-
gewendet wird. Als Vausumme sind die gesamten Herstel-
lungskosten des Baues anzusehen, mit Ausschluß der Kosten,
des Erwerbes und der Aufschließung des Baugrundstückes.
Von obigem Grundsatz dürften, abgesehen von Bauten
für untergeordnete Zwecke, die in keiner Beziehung zu.
Straßen oder Plätzen stehen, noch die Bauten ausgenommen,
werden, deren Bausumme den Betrag von 10 000 RM nicht
übersteigt.
Zu den Arbeiten der bildenden Kunst und des Kunst-
handwerks rechne ich u. a. Kunstschöpfungen auf dem Gebiete
der Malerei, der Bildhauerei, der Schmiedekunst, der
Gießerei, der Kunstglaserei, der Kunstschnitzerei, der Kunst-
tischlerei und ähnlicher Kunsthandwerke. Ich rechne hierzu
nicht alle serien- und fabrikmäßig hergestellten Erzeugnisse
sowie rein handwerkliche Arbeiten ohne künstlerische Bedeu-
tung, wie Anstreicherarbeit, Stukkaturarbeiten üblicher Art
und dergleichen.
Ich spreche die Bitte aus, mit tunlichster Beschleunigung,
die Bauverwaltung des dortigen Verwaltungsbereiches und
die der dortigen Dienstaufsicht unterstehenden Gemeinden,
Körperschaften des öffentlichen Rechts und Gesellschaften mit
entsprechenden Anweisungen zu versehen und die Beobach-
tung dieser Grundsätze überwachen zu wollen.
Ich bitte endlich, mir zum 1. September 1934 Mitteilen
zu wollen, welche Bauten bis zu diesem Datum seit Beginn
des Etatjahres 1934 in Angriff genommen wurden und-
welcher Prozentsatz hierbei für die künstlerische Durchdrin-
gung und Gestaltung des einzelnen Bauwerkes aufgewendet
wurde bzw. im Kostenanschlag vorgesehen ist.
Ich bedarf dieser Mitteilung, um einen Überblick über
den Erfolg und das Ausmaß der von mir und sicher auch von
der dortigen Verwaltung als notwendig erkannten Aktion
zu gewinnen, wobei ich mir, nach Lage der gewonnenen
Übersicht, vorbehalten muß, die Materie gegebenenfalls auf
gesetzlichem Wege zu regeln."
Pieter Bruegel d. Ac„ Der Bauer kommt mit seiner Familie ins Armenhaus.
Ausschnitt aus der Federzeichnung „Der Alchemist" Ausstellung: Kupferstichkabinett, Berlin
Adriaen van de Velde, Weiblicher Akt. Kreidezeichnung
Ausstellung: Kupferstichkabinctt, Berlin
gezeigt. Auf die Ausstellung in der Ausstellungshalle der
Technischen Hochschule Berlin vom 17.—30. April folgte die-
Ausstellung im Schlesischen Museum der bildenden Künste-
vom 22. Mai bis zum 5. Juni. Dresden, Essen, Frankfurts
Stuttgart werden die nächsten Stationen der Ausstellung sein.
Herausgeber: A. William König; Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstraße 118. —
Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellen-
angabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Druck H. S. Hermann E. m. b. H. Berlin SW 19.
Kunjt der Nation
H. H. Gras v. Mcrveldt, Zeichnung
immer mehr zu gedanklicher Abstraktion neigenden
Unsinnlichkeit die, zwar mit westfälischer Schwere
geladene, viel unmittelbarere und intuitivere, ganz
von malerischen Impulsen an das Objekt tretende
Art Merveldts. Seine Bildakzentuierung wird
bestimmt von der Farbe, die glühend, sinnlich,
energiegeladen, den: konstruktiven Aufbau Leben
verleiht. Diese Bilder sind in ihrer farbigen
Materie von innen heraus gewachsen, farbig
organisch vom kleinsten Fleck bis zu der breiten
Fläche entwickelt und zu einer Symphonik ge-
Hugo van der Goes zugcschr., Bildnis. Silbcrstiftzeichnung
Ausstellung: Kupferstichkabinctt, Berlin
steigert, die eine außerordentliche malerische
Kultur verraten. Die unabweisliche Monumen-
talität des Merveldtschen Stils, wie sie sich selbst
in der kleinsten Gouache äußert, läßt hoffen, daß
Merveldt einmal vor Aufgaben der Wandmalerei
gestellt wird. Hier scheint uns eine Entwicklungs-
möglichkeit zu bestehen, die der schöpferischen Kraft
und der Stärke der Anschauung dieses Künstlers
voll entsprechen müßte.
Biographisches: Geboren in Coesfeld in West-
falen am 24. März 1901. Schule in Münster, Potsdam,
Berlin. 1921—23 Schüler von Prof. Babberger in Karls-
ruhe. 1923—26 Berlin. Seit 1926 längere Aufenthalte in
Italien, Siidfrankreich und Paris. 1931 Mitglied der Ber-
liner Sezession. 1932 Staatsstipendium an der deutschen
Akademie in Rom. Seit 1933 Berlin. v.
Niederländische Zeichenkunst
Der Versuch des Direktors des Berliner
Kupferstichkabinetts, Pros. Friedrich Winkler,
erstmalig die Schätze eines graphischen Kabinetts
durch systematische Ausstellungs-Folgen weiteren
Kreisen zugänglich zu machen, beginnt langsam
Früchte zu zeitigen. Die früher beinahe leeren
Räume des Berliner Kabinetts erfreuen sich eines
immer regeren Besuches, ja, es bildet sich, wie
schon längst in der Gemäldesammlung oder den
anderen Museums-Abteilungen, ein Stammpubli-
kum heraus, das in immer größerer Zahl den
künstlerisch so wichtigen Veranstaltungen des
Kupferstichkabinetts folgt.
Als dritte Ausstellung in dem Zyklus „Die
Kunst der nordischen Völker und
Stämme" wurde kürzlich die Schau nieder-
ländischer Handzeichnungen des 15.—17. Jahr-
hunderts eröffnet. Kaum eine andere Sammlung
wäre imstande, an so prägnanten und künstlerisch
hochrangigen Beispielen die gesamte Entwicklung
dieser Kunst aufzuzeigen. In drei Namen gipfelt
die Ausstellung: Pieter Bruegel d. Ae., Rem-
brandt und Rubens. Es ist bezeichnend für die
niederländische Griffelkunst, daß hinter dem
bildhaft durchgeführten
Blatt, der ausgearbei-
teten Komposition, die
einfache und flüchtige
Naturskizze zurücktritt.
So sind von Bruegel,
neben einigen einfachen
Bauernstudien, eine ganze
Reihe großer, in allen
Einzelheiten durchkompo-
nierter Zeichnungen zu
sehen (s. Abb.), und die
Nachfolger, vor allem
die Landschafter aus
dem Kreise der de Mom-
per, Vinckeboons bis zu
Avercamp sind nut stim-
mungsvollen, vielfach
farbig aquarellierten und
völlig auf einen Bild-
eindruck gestellten Land-
schaftsblättern vertreten.
Einige der seltenen
Originalzeichnungen des
15. und 16. Jahrhunderts
bilden den Auftakt;
selten, da die meisten
der ans dieser Zeit
erhaltenen Blätter nur
als spätere Nachzeichnun-
gen, nicht als unmittel-
bare Originale, wie
z. B. die schöne Bildnis-
studie aus dem Kreise
des Hugo van der Goes,
die hier abgebildet wird,
anzusprechen sind.
Die überragende Kunst
Rembrandts, bereits vor
einigen Jahren in einer
Akademie-Ausstellung ge-
zeigt, wird in einer
Auslese, die bewußt Ein-
blicke in die Schaffensweise des Künstlers und
seine Entwicklung durch Nebeneinanderstellnng
verschiedener Entwürfe für dieselbe Darstellung
und Gegenüberstellung des frühen und späten
Zeichenstils zu vermitteln versucht, veranschaulicht.
Der ganze Reichtum holländischer Kunst auf
breitester volksmäßiger Basis wird in einer Aus-
lese der Besteu aus dem engeren und weiteren
Rembrandt-Kreise offenbar: neben den direkten
Schülern Lievens und Köninck, neben den
klassischen Vertretern der Landschaft Jacob und
Salomon van Ruisdael, Goyen und Cuyp, neben
den Sittenbildmalern um Adriaen van Ostade
interessiert hier vor allem die vielseitige Künstler-
familie der van de Velde. Fünf verschiedene
Glieder dieser Familie, einen Zeitraum von etwa
drei Generationen umfassend, umschließen ein
Jahrhundert holländischer Zeichenkunst. 1.
Meeres-Ungeheuer
Auch eine Antwort
Stuttgart
Auf Ihr an den Herrn Oberbürgermeister gerichtetes
Schreiben vom 14. d. M. beehren wir uns Ihnen mitzuteilen,
daß sich die zuständige Abteilung des Eemeinderats nicht hat
entschlichen können, die uns von Ihnen zum Ankauf emp-
fohlene Büste des Dichters Wilhelm Raabe zu erwerben.
Bei aller Würdigung der Tatsache, daß Wilhelm
Raabe eine Reihe von Jahren in Stuttgart ge-
wohnt hat, ist es doch nicht möglich, eine
solche Erwerbung zu machen, da die Stadt
keine Räume hat, in denen Büsten
von Persönlichkeiten aus dem Ge-
biet der Kunst, Dichtung usw. auf-
gestellt werden können.
Albert Lorßing: Hans Sachs
Neudichtung: Oswald Kühn
Ergänzende Musik: Heinrich Rücklos
Das Staatstheater Stuttgart unter-
nahm es, eine Neubearbeitung der Lortzing-Oper
„Hans Sachs" zur Uraufführung zu bringen. Es ist
ein schweres, beinahe unmögliches Unterfangen, die
Gestalt des Hans Sachs in den Mittelpunkt einer
Oper zu stellen, nachdem ein Genie wie Richard
Wagner sie zur Hauptfignre seiner „Meister-
singer" gemacht hat. Trotzdem unternahm es
Oswald Kühn, ein Stuttgarter, eine ursprüngliche
Gelegenheitsoper Lortzings, im Jahr 1840 ent-
standen, hervorzuholen und unter musikalischer
Mitarbeit von Heinrich Rücklos zu bearbeiten und
zu erneuern. Wenn der Versuch als nicht sehr
glücklich und neben dem Format der „Meister-
singer" als nicht lebensnotwendig bezeichnet wer-
den muß, so ist dies weniger einem sich aufdrän-
genden Vergleich zuzuschreiben als vielmehr denk
nicht einheitlichen Stil von Komposition und Dich-
tung. Wenn auch Lortzing das unbestrittene Recht
der Priorität genießt, so ist seine in Sinn und
Handlung den Meistersingern durchaus parallel
laufende Spieloper doch als unfertige und schnell
hingeworfene Gelegenheitsoper nicht das, was wir
unter einem konzentrierten Bühnenwerk ver-
stehen. Auch die vollkommene Umdichtung Oswald
Kühns, die ebenso wie die musikalische Umarbei-
tung von H. Rücklos mit Geschick und Fleiß eine
Erneuerung zur heiteren Bolksoper erstrebte,
konnte dem Werk zu keiner Vereinheitlichung ver-
helfen. Die melodienreichen Originalkompo-
sitionen Lortzings haben durch Einschiebung eines
fast modernen Balletts, eines Hans-Sachs-Schwan-
kes und eines Chorals von diesem Altmeister nicht
gewonnen. Man merkt zu sehr die zwar künst-
lerische aber doch künst-
liche Zusammenfügung
verschiedener Komposi-
tionen, besonders das
ganz neu komponierte
Schlußbild hat mit dem
Stil des Romantikers
Lortzing nicht eben viel
zu tun. bl. 0 lrr 1 sku
Von der Pflanze
zum Staat
Friedrich Merkenschla-
ge r hat in dem Buche „Zwi-
schen Hünengrab u. Pfahlbau"
(Waldemar Hoffmann Verlag,
Berlin) eine aufschlußreiche
Studie gegeben, in der er das
Vorkommen und Wachstum der
Pflanzen und ihre Vodenver-
wurzcltheit mit den Umstän-
den des Wachstums und der
Verschiedenheit der deutschen
Stämme in Verbindung bringt.
Die staaten- und charakterbil-
dende Kraft Preußens wird
mit den Eigenschaften der
Roggenähre verglichen. Diese
befruchtende Kraft kam vom
Nordosten aus dem nordger-
manischen Kulturboden, für
den das Hünengrab und die
Megalithkultur kennzeichnend
ist. Neben archäologischen For-
schungen werden botanische
zum Beweis herangezogen, daß
vor der Bronzezeit im deut-
schen Raum zwei verschiedene,
weltanschaulich und in Le-
bensform getrennte Kultur-
kreise bestanden. Im Süden
die Pfahlbaukultur des bo-
dcnsässigen Bauerntumes und
im Norden die Megalith-
kultur der Jägervölker. Die
erste ist durch das Pfahlhaus, die zweite durch das
Hünengrab gekennzeichnet. Es wird erklärt, daß am
Ende der Eiszeit die Eetreideähre vom mittelasiatischen
Steppengebiet stromaufwärts die Donauländer mit seßhaft
friedlicher Lebensform beschenkte. Im Norden hielt sich die
abenteuernde heroische Charakterhaltung der Jäger, Er-
oberer und Meerbefahrer, wie wir sie in den Hünengräbern
als versteinertes Zeugnis sehen. In der Bronzezeit fand eine
Vermischung und teilweise Vereinigung dieser bisher ge-
trennten Kulturkreise statt, die ein von Professor Harnack
aufgestelltes Gesetz, daß „der deutsche Süden immer die
erste, der deutsche Norden die zweite vollendete Stufe baue"
bestätigt. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit, daß der Pflug
als Verbesserung des aus dem Süden vordringcnden Acker-
baues im Norden erfunden worden sei. Auch die Töpferei
und die Metallbearbeitung erfuhr im Norden (Elb-Saal-
gebiet) ihre Vervollkommnung. Dem Süden blieb es Vorbe-
halten, intuitiv Metalle zu finden, den Ackerbau zu wahren,
dem Norden oblag es, geistige und technische Weiterentwick-
lung durchzuführen. Als schönstes Beispiel beharrender Treue
zu Pflanze und Wcrkart führt Merkenschlager die Schwaben
an. Diese bauen heute noch als einziger Stamm die Ur-
getreideart des Dinkel oder Spelz. In der verhaltenen
Würde des Lüneburger Bauern sieht Merkenschlager den-
selben Typus wie die heldenhaften Vertreter des Hllnen-
grabzeitalters.
Aber es gibt noch weitere Parallelformen zwischen Ur-
kultur und heutigen Lebensverhältnissen. Alle Bezirke
Europas, die von Krisen und Unruhen mehr geschützt sind
als andere Gebiete, gehören dem alten Pfahlbauraum an.
Daraus spricht das Streben des erbeingesessenen Bauern nach
Sicherheit und Erhaltung des Alten. Gemütstiefe, Beschau-
lichkeit und landschaftliche Gebundenheit kennzeichnen die
südlichen Landschaften. Die nordischen Stämme, die im Ge-
biete der alten Megalithkultur leben, zeigen im Gegen-
satz heroische Haltung, Willenhaftigkeit, den Adlerflug des
Gedankens, der Erfindung, Tragik und Schicksal. Auf ein-
zelne große Deutsche angewandt heißt das, daß Hebbel
„düster, aber tiefschürfend, tragisch ohne Verlangen nach
Erlösung, ungebeugt im grauen Elend ist — das ist Geist
vom Geist, der um die alten Heidensteine weht."
Wanderausstellung
Die im Wettbewerb der Deutschen Arbeitsfront prä-
mierten 20 Entwürfe zu Wandgemälden werden in einer
Wanderausstellung in allen größeren Städten des Reiches
Aufträge an bildende Künstler
Aus einer Bekanntgabe des Reichsministers für Volkse
aufklärung und Propaganda an sämtliche öffentliche Bauver-
waltungen:
„Ich halte es hierbei für unerläßlich, daß bei allen.
Hochbauten (Neu-, Um- und Erweiterungsbauten) des-
Reiches, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des
öffentlichen Rechtes und der Körperschaften, bei denen Reich,.
Länder oder Gemeinden die Aktienmehrheit oder die Mehr-
heit der Geschäftsanteile besitzen, grundsätzlich ein angemes-
sener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Auf-
trägen an bildende Künstler und Kunsthandwerker auf-
gewendet wird. Als Vausumme sind die gesamten Herstel-
lungskosten des Baues anzusehen, mit Ausschluß der Kosten,
des Erwerbes und der Aufschließung des Baugrundstückes.
Von obigem Grundsatz dürften, abgesehen von Bauten
für untergeordnete Zwecke, die in keiner Beziehung zu.
Straßen oder Plätzen stehen, noch die Bauten ausgenommen,
werden, deren Bausumme den Betrag von 10 000 RM nicht
übersteigt.
Zu den Arbeiten der bildenden Kunst und des Kunst-
handwerks rechne ich u. a. Kunstschöpfungen auf dem Gebiete
der Malerei, der Bildhauerei, der Schmiedekunst, der
Gießerei, der Kunstglaserei, der Kunstschnitzerei, der Kunst-
tischlerei und ähnlicher Kunsthandwerke. Ich rechne hierzu
nicht alle serien- und fabrikmäßig hergestellten Erzeugnisse
sowie rein handwerkliche Arbeiten ohne künstlerische Bedeu-
tung, wie Anstreicherarbeit, Stukkaturarbeiten üblicher Art
und dergleichen.
Ich spreche die Bitte aus, mit tunlichster Beschleunigung,
die Bauverwaltung des dortigen Verwaltungsbereiches und
die der dortigen Dienstaufsicht unterstehenden Gemeinden,
Körperschaften des öffentlichen Rechts und Gesellschaften mit
entsprechenden Anweisungen zu versehen und die Beobach-
tung dieser Grundsätze überwachen zu wollen.
Ich bitte endlich, mir zum 1. September 1934 Mitteilen
zu wollen, welche Bauten bis zu diesem Datum seit Beginn
des Etatjahres 1934 in Angriff genommen wurden und-
welcher Prozentsatz hierbei für die künstlerische Durchdrin-
gung und Gestaltung des einzelnen Bauwerkes aufgewendet
wurde bzw. im Kostenanschlag vorgesehen ist.
Ich bedarf dieser Mitteilung, um einen Überblick über
den Erfolg und das Ausmaß der von mir und sicher auch von
der dortigen Verwaltung als notwendig erkannten Aktion
zu gewinnen, wobei ich mir, nach Lage der gewonnenen
Übersicht, vorbehalten muß, die Materie gegebenenfalls auf
gesetzlichem Wege zu regeln."
Pieter Bruegel d. Ac„ Der Bauer kommt mit seiner Familie ins Armenhaus.
Ausschnitt aus der Federzeichnung „Der Alchemist" Ausstellung: Kupferstichkabinett, Berlin
Adriaen van de Velde, Weiblicher Akt. Kreidezeichnung
Ausstellung: Kupferstichkabinctt, Berlin
gezeigt. Auf die Ausstellung in der Ausstellungshalle der
Technischen Hochschule Berlin vom 17.—30. April folgte die-
Ausstellung im Schlesischen Museum der bildenden Künste-
vom 22. Mai bis zum 5. Juni. Dresden, Essen, Frankfurts
Stuttgart werden die nächsten Stationen der Ausstellung sein.
Herausgeber: A. William König; Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstraße 118. —
Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellen-
angabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Druck H. S. Hermann E. m. b. H. Berlin SW 19.