6
Kunst der Nation
Ehen, die der zu den gewaltigsten Erscheinungen
der englischen Renaissance gehörende Hein-
rich VIII. einging. Aber nein! Es darf hier nicht
Heinrich vm.
(„Sechs Frauen und ein König")
Als man vor fünf Jahren den Filin der „Hei-
ligen Johanna" sah, dargestellt von der unver-
geßlichen Falconetti, wußte man, daß hier, im
Bereiche des historischen Films, ein Gipfel er-
stiegen worden war, der hoch hineinragte in die
Zonen großer Kunst. Was vor ihm und nach ihm
geschaffen wurde an sogenannten Monumental-
filmen mit historischen Ansprüchen, war Kulissen-
zauber, frech und verfälschend, flach und von jener
penetranten Anzüglichkeit einer Scheinkunst, die
immer wieder die törichte Frage anfkommen ließ,
ob denn der Film überhaupt zur Kunst berufen
sei. Aber diese Frage war ja doch schon über-
flüssig geworden durch die Tatsache, daß es ge-
lungen war, mit rein visuellen Mitteln das Phy-
siognomische der Geschichte zu gestalten. Man
hatte damals das Ziel auf einem Wege erreicht,
der nicht noch einmal begangen werden konnte.
Und nun kann man einen neuen historischen
Film sehen, der an künstlerischer Vollendung dem
der „Heiligen Johanna" nm nichts nachsteht: er
heißt Heinrich VIII. oder Sechs Frauen und ein
von dem „Privatleben" gesprochen werden, da
inan im gleichen Augenblick einen Maßstab an
diese Zeit legen würde, den erst viel später das
heute zu Schutt und Asche verfallende Bürgertum
geschaffen hat, nämlich den moralisierenden Maß-
stab, den sich der Bürger aus Angst vor der eige-
nen Hohlheit und vor der Unfähigkeit zum Gan-
zem aus einem verknöcherten Christentum zurecht-
schnitt. Das ist ja doch das Charakteristische der
Renaissance, daß sie den Zwiespalt zwischen Pri-
vatem und Öffentlichem aufhob, einen Zwiespalt,
der auch Gott und Welt heißen kann und durch
den das Mittelalter wesentlich bestimmt wurde.
Die Renaissance ist doch die Revolution des Ich
wider die mittelalterliche Gnosis und den Mysti-
zismus, die jede Gestalt auflösten in Jenseits-
schwärmereien. In Heinrich VIII. erleben wir
den Menschen, der sich aus der Verstrickung des
Mittelalters befreite und den Mut hatte, sich
gegen die dem nordischen Geist fremde Institution
des Papismus aufzulehnen. Sein persönliches
Leben, wie es war und wie es dieser Film mit
ungemein feinem Fingerspitzengefühl formt, mußte
zum Ausdruck seiner Zeit werden. Wenn sich
Heinrich VIII. wegen der ihm verweigerten Schei-
dung von seiner ersten Frau, Katharina von Ara-
gon, von der Kirche lossagte, so wurde dieser
Schritt keineswegs ge-
tan, weil eine amou-
röse private Angelegen-
heit ihn dazu trieo,
sondern aus dem Be-
wußtsein der nordischen
Renaissance. Die Abkehr
von der Kurie hat nicht
ihren Grund in der
— um im Kleriker-
pathos zu reden — Un-
zucht des Fleisches, son-
dern in der Kraft der
menschlichen Einheit von
Geist und Körper, Seele
und Welt, die die Re-
naissance zurückeroberte.
Das „Privatleben" ist
eine Vorstellung, die sich
das Bürgertum machte
und die sich fast immer
mit dem ckirtv
seeretz" deckt. So hat auch
Luthers Verehelichung
mit Katharina v. Bora
so wenig mit „Privat-
leben" zu tun, wie
die Ehen Heinrichs VIII.
einem inneren Zerfall
entspringen.
Nur' unter diesem
Gesichtswinkel ist dieser
im nüchtern - wirklichen
Sinne monumentale
Film zu begreifen. Die
sechs Frauen sind keine
Mätressen, sondern le-
bendige, wenn auch un-
zulängliche Formen eines
einmaligen Lebens, das
in jedem Teil das Ganze
birgt. Diese Durch-
sichtigkeit ist in diesem
Filmwerk erreicht. Ge-
schichte ist Wahrheit ge-
worden, ganze Wahrheit,
Ille zvllole Irukü, von
Hans Holbein d. I., Heinrich VUl. von England. 1537
König, gedreht unter der Regie Alexander Kor-
das. Es fällt schwer, diesem Kunstwerk aus dem
Geiste der englischen Nation nicht mit allzu stür-
mischer Begeisterung cutgegenzukommen, aber auf
diese Art würde man ihm nicht gerecht werden,
denn es verlangt eine große Ruhe der Betrachtung
und eine maßvolle Distanz, um zu erkennen, wie
jedes Bild zum Sinn wird und jede Gebärde sich
entfaltet zum Ausdruck völkischen Schicksales. Man
könnte zu leicht geneigt sein, den Inhalt dieses
Films als das Privatleben Heinrichs VIII. zu
kennzeichnen, handelt es sich doch um die sechs
der Huxley einmal in einem Essay über die Krie-
ger Homers spricht, die wild aufschreien, wenn
sie verwundet werden, die dröhnend lachen, wenn
ihr Herz aufspringt vor Lebenslust. Der Film
„Sechs Frauen und ein König" hat, um das
Höchste in aller Verantwortung zu sagen, den
Atem Shakespeares. — Charles Laugthon spielt
den König. Ja, er ist Heinrich VIII. Nicht in
Fressen und Sausen, Gieren und Wüsten erschöpft
sich diese ungeheuere Lebenskraft; sie will mehr;
und dieses Mehr, dieses Hinter-die-Mcnschen-
schauen, das ist das Großartige, das diesem
Meeres-Ungeheuer
Wie sie sich Mil sahen
„Wenn Flechtheim traurig ist, ein
Geschäft sich zerschlagen hat, eine
Hoffnung fehl ging und er sich auf-
richten will, geht er abends in den
jüdischen Boxklub Maccabi, sieht sein
Volk boxen. Sagt: Siehe, wie tüchtig
macht sich mein Volk in den Seilen!
Und in der Tat, es sind fast
lauter hübsche Jungens, die man da
sieht." ^N8 „tzuerscwnitck", 1926
Thomas Mann
Der Pariser „Figaro" vom 4. Januar 1934
druckt eine sehr schöne Antwort von Thomas
Mann auf die Rundfrage des „L'Jntransigeant":
„Was denken Sie über Frankreich", ab Thomas
Mann äußert sich folgendermaßen:
„Goethe schrieb: ,Jch verdanke den Franzosen
einen großen Teil meiner Kultur. Wie könnte
ich Sie hassen?' Es gibt keinen Deutschen, der so
wenig vom ,Goetheismus' durchdrungen wäre,
daß er nicht dasselbe Gefühl in seinem Innersten
hätte.
„Mir persönlich ist es nicht möglich, an mein
literarisches Werden zu denken, ohne mich zu er-
innern, was ich Balzac, Flanbert, den Goncourts
an feinem Esprit, und was ich Maupassant, dem
klassischen Novellisten des 19. Jahrhunderts, ver-
danke. Es ist Nietzsche, der mich auf Stendhal
wies, auf Pascal, den Meister des religiösen
Wissens, und auf die Moralisten Ihres 18. Jahr-
hunderts. Ich habe in Montaigne den besten euro-
päischen Essayisten sowohl der Vergangenheit wie
zukünftiger Zeiten gefunden.
„Ich sprach zu Ihnen von der Liebe, welche
Frankreich für alles yat, was Geist ist. Von dort
kommt seine zweifache Liebe für die Freiheit und
die Vernunft.
„Während der Unruhe der Zeit, welche Be-
ruhigung durch eine so gesunde Gesinnungsweise!
Das ist eine ernsiyafte Hilfe gegen die Gefahr, die
in unseren: Zeitalter die Seele, das Herz und den
Verstand der europäischen Völker bedroht.
„Die politische Reife und Erfahrung, welche
das Eigentum Frankreichs sind, schützen es vor der
schrecklichen Krankheit des Fanatismus und vor
der Panik, der die anderen europäischen Völker in
den bewegten Zeiten, in denen wir leben, aus-
gesetzt sind.
„In dem jetzigen Sturm wird Frankreich die
Zuflucht und das wohltuende Asyl sein für alle
die, welche die Mäßigung lieben, für die Anständig-
keit aller derer, die die Barbarei verachten, die Un-
gewißheit und die Roheit. Ich bin überzeugt,
daß Frankreich Überlegung zeigen wird, Geduld,
Duldsamkeit und Wohlwollen bis zu dem Maße,
als der gute Geist Europas es uns bewahren wird,
wie es sich aus seinen ihm eigenen Vorzügen ent-
wickeln wird."
Diesen pazifistischen Erguß des im Ausland
lebenden deutschen Schriftstellers Thomas Mann
kommentiert der „Figaro", wie er es verdient, in-
dem er sagt: „Auch wir hoffen dies; aber es ist
notwendig, daß die Freiheit und Duldsamkeit nicht
Unordnung und Schwäche werde. Damit Frank-
reich die Zuflucht wird, von der Thomas Mann
spricht, muß es gerüstet sein."
Laughton allein Vorbehalten war. Der Verachtung
des Menschenlebens um des Gesetzes willen, unter
dem dieser Herrscher steht, entspricht die Gewalt
der Liebeskraft. Die Tragödie dieses Mannes ist
es, niemanden zu finden, der bereit ist, sich seinem
Schicksal, um dessen Feuer sie alle buhlen, zu stel-
len. Außer Anna Boleyn erkannte keine dieser
Frauen die Genialität dieses Menschen; sie sahen
in ihm entweder nur den Mann oder die Krone.
Er war beides in einem. Charles Laughton bringt
in Haltung und Mimik diese Einheit, in der sich
das Groteske mit dem Tragischen mischt, zu einem
unvergleichlichen Ausdruck. Nationale Kunst?
Hier ist sie! Das ist Eng-
land in seinen Höhen
und Tiefen, Gefahren
und Sicherheiten.
Und in welchem sta-
bilen Gleichgewicht stehen
die anderen Darsteller zu
der Hauptfigur! Biuuie
Barnes als Katheryne
Howard, schwankend zwi-
schen dem Titel einer
Königin und dem Bett
eines Höflings, holt aus
ihrer Rolle die feinsten
Stufungen heraus und
wirkt in keinem Augen-
blick kolportagehaft. Anna
Boleyn, die, gleich der
Howard, auf dem Blut-
gerüst endet, konnte durch
Merle Oberon nicht
besser verkörpert werden.
Wenn diese Frau, auf
dem Schafott stehend,
sagt: lovslzr cla.^!",
dann wird sie zu einem
Symbol des englischen
Geistes, und das Bild der
englischen Frau bleibt un-
auslöschlich in der Er-
innerung. — Die sichere
Hand des Regisseurs
Alexander Korda beweist
sich vor allem in der
Brautnachtszene zwischen
dem König und der Prin-
zessin Anna von Cleve.
Beide sitzen aus dem für
die Nacht bereiteten Bett
und spielen — Karten.
Zwei Füchse, die sich Dix, Heinrich George
gegenseitig durchschaut
haben. Elsa Lanchcster spielt die häßliche, schalk-
haft-hintertriebene Prinzessin mit einem Zug ins
Geniale.
Wer diesen Film nicht gesehen hat, besitzt kein
Recht, die Berufung des Films zur großen Kunst,
gleichwertig allen anderen Künsten, zu bejahen
oder in Frage zu stellen. 6. H. IlleuniZseu
Die Räuber
Großes Schauspielhaus, Berlin
Adalbert von Schlettow als draufgängerischer
Schweizer und Alexander Eolling als überheblicher
Spiegelberg heraus. Der Enttäuschung und dem Schmerz
des alten Grafen Moor über seine Söhne gibt Fritz
Alberti pathetisch Ausdruck.
Der Regie Dr. Hans Niedecken-Eebhards
gelang teilweise, besonders in der Lagerszene vor dem alten
Schloßturm, eine sehr wirksame Gruppierung der Massen.
In anderen Szenen merkt man an dem noch zu flächigen,
etwas schematischen Aufbau der Statisterie Reminiszenzen
des Regisseurs von seiner früheren Tätigkeit an Opern-
bühnen. Die naturalistischen, groß angelegten Bühnen-
bilder Benno von Arents umrahmen stimmungsvoll
die Handlung.
Mit Een. d. Galerie Nierendorf
Die Premiere klang in rauschenden Beifall aus,
in den sich gleichzeitig die Freude mischte über die
kommende soziale Bedeutung dieses Theaters.
Denn die Aufführung wird von der Feierabend-
Organisation einen Monat lang den Mitgliedern,
der Arbeitsfront kostenlos zugänglich gemacht.
Dank gebührt den Männern, die diesen Gedanken
anregten und tatkräftig förderten: Staatsrat Dr.
Ley, Reichspropagandaminister Dr. Goebbels,
Ministerialrat Laubinger und Claus Selzner. Was
der Marxismus in den vierzehn Jahren seines
Regierens nicht für den Arbeiter in kulturellen
Hinsicht durchsetzen konnte, ist jetzt in Berlin
praktisch in Angriff genommen worden. Andere
Städte werden folgen, und die Wege, die Kunst an
das Volk heranzubringen, sind geebnet. H. 8.
Im Großen Berliner Schauspielhaus eröffnete
das von der Deutschen Arbeitsfront gegründete
neue „Theater der Nation" seine Tätigkeit mit
einer Festvorstellung von Schillers „Räuber" vor
über 3000 Zuschauern. Man hätte für diese erste
Veranstaltung der Deutschen Arbeitsfront kein ge-
eigneteres Werk auswählen können als dieses
Schauspiel von Schiller, das ans einer revolu-
tionär erregten Zeit heraus entstanden ist. In
jahrelangen Kämpfen hatten die schwäbischen Land-
stände ihrem Gewaltherrn Jahrzehnte vor der
französischen Revolution Achtung vor ihren
Rechten abgetrotzt. Die Streitigkeiten hatten das
gesamte Schwabenvolk zur Siedehitze entfacht und
feinen Widerstandswillen gegen die Bedrückung ge-
stählt. Freiheit, das war damals ein viel ge-
brauchtes Wort in Schwaben. Die Enge und
Strenge der württembergischen Militärakademie
wurde für Schiller der äußere Anlaß, dieser Stim-
mung seines Landes in den „Räubern" Ausdruck
zu geben.
Alles, was die Jugend damals empfand am
revolutionären Wollen, schlug sich in dem Schau-
spiel nieder. Ein junges Geschlecht bäumt sich
darin auf gegen die Mißbräuche der Referenden
und Vorurteile der Gesellschaft. Die Unbeküm-
mertheit und brutale Offenheit der Sprache hat
sich in der verflossenen liberalistischen Epoche
mancherlei Striche den allzu zart besaiteten Ge-
mütern zuliebe gefallen lassen müssen. Die In-
szenierung im Großen Schauspielhaus sah es als
ihre Aufgabe an, unserer Zeit den unverfälschten
Schiller, den leidenschaftlichen Revolutionär der
Sturm- und Drangzeit wiederzugeben.
Zwei Brüder, Franz und Karl Moor, jeder
von einem anderen Freiheitsdrang erfüllt, stehen
sich in dem Schauspiel gegenüber. Franz ver-
körpert den rücksichtslosen, durch keinerlei mensch-
liche Skrupeln gehemmten, Moral- und Ehrgefühl
mißachtenden, sich über alles hinwegsehenden
Egoismus, während Karl sich zur Idee des freien
Gehorsams bekennt, wenn er seinen Räubern auf
ihre freiwillige Erklärung unbedingter Gefolq-
schaftstreue antwortet: „Jetzt seid ihr frei!"
Die Regie von Dr. Hans Niedecken-Ecbhard arbeitete
diese Gegensätze wirksam heraus. Heinrich George
als Franz Moor wird zum Begriff des Bösen, Heuchlerischen,
Skrupellosen schlechthin. Aufgeschwemmt, abstoßend schwappt
und wippt er über die Bühne. Unheimlich, daß es den
Leuten eiskalt den Rücken herunterläuft, gellt seine fluchende
Anklage gegen Gott und die Natur, die ihn stiefmütterlich
behandelte. Eine Bestie in Menschengestalt, wenn er sich
auf den todkranken Vater kniet, um ihm den Rest zu geben.
Und der Himmel, meint man, müßte über ihm Zusammen-
stürzen, wenn er, dämonisch aufgereckt, in nächtlicher Traum-
erzählung den jüngsten Tag beschwört.
Seinen Bruder und Gegenspieler gibt frisch und mit
jugendlichem Elan P a u l W a g n e r. Er hat es stimmlich
nicht leicht, sich gegenüber der mächtigen Sprachgewalt
Georges zu behaupten. Zwischen diesen beiden Hauptdar-
stellern wirkt Hilde Körber als Amalia etwas matt
und zu deklamatorisch. Unter den Räubern heben sich Hans
Berliner philharmonisches Orchester
Mit Beginn dieses Winters ging das Phil-
harmonische Orchester dazu über, seine „volkstüm-
lichen" Sonntags- und Dienstagskonzerte (statt
wie bisher einem fest angestellten Dirigenten)
ständig wechselnden Dirigentenpersönlichkeiten an-
zuvertrauen. Dadurch gewinnen die Konzerte be-
deutend an Farbigkeit und (wie wir hoffen) auch
an Zugkraft, bestimmt aber an Bedeutung für das
Berliner Konzertleben. Ist es doch gerade in
dieser Zeit kultureller Umschichtungen von höchstem
Interesse, neue Dirigenten-Profile aufzuspüren
und mit diesem Orchester, das so untrüglich
reagiert, wirken zu sehen, oder besser: zu hören.
Einer der bedeutendsten ist Ernst Wendel, den
wir zu den wenigen Brahms-Interpreten großen
Formats zählen müssen. Sehr sympathisch berührt
die ruhige und meisterliche Überlegenheit, mit der
er ohne jedes Mätzchen Brahms und Beethoven
vor uns ausbaut. Er ist in der Welt unserer
Großen zu Hause, er hat sie im Blut.
Eiue interessante Vergleichsmöglichkeit zu
Wendels Brahms-Interpretation bot einige Tage
später der japanische Dirigent Hidemaro Konoye
mit Brahms ck-nioll-Konzert: hier war Wohl
technisch alles in bester Ordnung. Doch was
wäre Wohl vom Geiste eines Brahms übrig ge-
blieben, wenn nicht (mit Friedrich Wührer am
Flügel) dieses traditionsgesättigte Orchester den
Stil gewahrt hätte. Zwischen Japan und Nord-
deutschland liegen Welten! Weit besser gelang dem
japanischen Gast das moderne Werk: die „Bilder
einer Ausstellung" von Mussorgsky-Ravel. Die ge-
nialen Klavierstücke des frühen Expressionisten
haben allerdings durch die in ihrer Art gleich-
wertige Instrumentation Ravels viel von ihrer
russischen Ursprünglichkeit eingebüßt.
Das letzte Konzert vor der Ausreise, ein wahr-
haftes Volkskonzert (50 Pf.!), dirigierte unter
ungeheurer Begeisterung kein geringerer als
Furtwängler. Er entließ uns mit der Be-
ruhigung, daß er mit seinem Orchester die wichtige
Mission voll erfüllen wird, in England aufklärend
für deutsche Art zu wirken. Unsere Wünsche be-
gleiten ihn und seine Musiker!
V^illlelm Muckers
„Deutschland zwischen gestern und heute"
Der von uns in Jg. I, Nr. 1, vorangezeigte Film
„Deutschland zwischen gestern und heute" von Wilfried
Basse wurde am 31. Januar im Ufa-Pavillon am
Nollendorfplatz in Berlin uraufgeführt.
Echriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstr. 118. — Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der
Nation zu richten. Anzeigenannahme heim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte
Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungsterminr und der Rücksendung, abgelehnt. D.-A. 5000 Druck H. S. Hermann E. m. b. H. Berlin SW 19.
Kunst der Nation
Ehen, die der zu den gewaltigsten Erscheinungen
der englischen Renaissance gehörende Hein-
rich VIII. einging. Aber nein! Es darf hier nicht
Heinrich vm.
(„Sechs Frauen und ein König")
Als man vor fünf Jahren den Filin der „Hei-
ligen Johanna" sah, dargestellt von der unver-
geßlichen Falconetti, wußte man, daß hier, im
Bereiche des historischen Films, ein Gipfel er-
stiegen worden war, der hoch hineinragte in die
Zonen großer Kunst. Was vor ihm und nach ihm
geschaffen wurde an sogenannten Monumental-
filmen mit historischen Ansprüchen, war Kulissen-
zauber, frech und verfälschend, flach und von jener
penetranten Anzüglichkeit einer Scheinkunst, die
immer wieder die törichte Frage anfkommen ließ,
ob denn der Film überhaupt zur Kunst berufen
sei. Aber diese Frage war ja doch schon über-
flüssig geworden durch die Tatsache, daß es ge-
lungen war, mit rein visuellen Mitteln das Phy-
siognomische der Geschichte zu gestalten. Man
hatte damals das Ziel auf einem Wege erreicht,
der nicht noch einmal begangen werden konnte.
Und nun kann man einen neuen historischen
Film sehen, der an künstlerischer Vollendung dem
der „Heiligen Johanna" nm nichts nachsteht: er
heißt Heinrich VIII. oder Sechs Frauen und ein
von dem „Privatleben" gesprochen werden, da
inan im gleichen Augenblick einen Maßstab an
diese Zeit legen würde, den erst viel später das
heute zu Schutt und Asche verfallende Bürgertum
geschaffen hat, nämlich den moralisierenden Maß-
stab, den sich der Bürger aus Angst vor der eige-
nen Hohlheit und vor der Unfähigkeit zum Gan-
zem aus einem verknöcherten Christentum zurecht-
schnitt. Das ist ja doch das Charakteristische der
Renaissance, daß sie den Zwiespalt zwischen Pri-
vatem und Öffentlichem aufhob, einen Zwiespalt,
der auch Gott und Welt heißen kann und durch
den das Mittelalter wesentlich bestimmt wurde.
Die Renaissance ist doch die Revolution des Ich
wider die mittelalterliche Gnosis und den Mysti-
zismus, die jede Gestalt auflösten in Jenseits-
schwärmereien. In Heinrich VIII. erleben wir
den Menschen, der sich aus der Verstrickung des
Mittelalters befreite und den Mut hatte, sich
gegen die dem nordischen Geist fremde Institution
des Papismus aufzulehnen. Sein persönliches
Leben, wie es war und wie es dieser Film mit
ungemein feinem Fingerspitzengefühl formt, mußte
zum Ausdruck seiner Zeit werden. Wenn sich
Heinrich VIII. wegen der ihm verweigerten Schei-
dung von seiner ersten Frau, Katharina von Ara-
gon, von der Kirche lossagte, so wurde dieser
Schritt keineswegs ge-
tan, weil eine amou-
röse private Angelegen-
heit ihn dazu trieo,
sondern aus dem Be-
wußtsein der nordischen
Renaissance. Die Abkehr
von der Kurie hat nicht
ihren Grund in der
— um im Kleriker-
pathos zu reden — Un-
zucht des Fleisches, son-
dern in der Kraft der
menschlichen Einheit von
Geist und Körper, Seele
und Welt, die die Re-
naissance zurückeroberte.
Das „Privatleben" ist
eine Vorstellung, die sich
das Bürgertum machte
und die sich fast immer
mit dem ckirtv
seeretz" deckt. So hat auch
Luthers Verehelichung
mit Katharina v. Bora
so wenig mit „Privat-
leben" zu tun, wie
die Ehen Heinrichs VIII.
einem inneren Zerfall
entspringen.
Nur' unter diesem
Gesichtswinkel ist dieser
im nüchtern - wirklichen
Sinne monumentale
Film zu begreifen. Die
sechs Frauen sind keine
Mätressen, sondern le-
bendige, wenn auch un-
zulängliche Formen eines
einmaligen Lebens, das
in jedem Teil das Ganze
birgt. Diese Durch-
sichtigkeit ist in diesem
Filmwerk erreicht. Ge-
schichte ist Wahrheit ge-
worden, ganze Wahrheit,
Ille zvllole Irukü, von
Hans Holbein d. I., Heinrich VUl. von England. 1537
König, gedreht unter der Regie Alexander Kor-
das. Es fällt schwer, diesem Kunstwerk aus dem
Geiste der englischen Nation nicht mit allzu stür-
mischer Begeisterung cutgegenzukommen, aber auf
diese Art würde man ihm nicht gerecht werden,
denn es verlangt eine große Ruhe der Betrachtung
und eine maßvolle Distanz, um zu erkennen, wie
jedes Bild zum Sinn wird und jede Gebärde sich
entfaltet zum Ausdruck völkischen Schicksales. Man
könnte zu leicht geneigt sein, den Inhalt dieses
Films als das Privatleben Heinrichs VIII. zu
kennzeichnen, handelt es sich doch um die sechs
der Huxley einmal in einem Essay über die Krie-
ger Homers spricht, die wild aufschreien, wenn
sie verwundet werden, die dröhnend lachen, wenn
ihr Herz aufspringt vor Lebenslust. Der Film
„Sechs Frauen und ein König" hat, um das
Höchste in aller Verantwortung zu sagen, den
Atem Shakespeares. — Charles Laugthon spielt
den König. Ja, er ist Heinrich VIII. Nicht in
Fressen und Sausen, Gieren und Wüsten erschöpft
sich diese ungeheuere Lebenskraft; sie will mehr;
und dieses Mehr, dieses Hinter-die-Mcnschen-
schauen, das ist das Großartige, das diesem
Meeres-Ungeheuer
Wie sie sich Mil sahen
„Wenn Flechtheim traurig ist, ein
Geschäft sich zerschlagen hat, eine
Hoffnung fehl ging und er sich auf-
richten will, geht er abends in den
jüdischen Boxklub Maccabi, sieht sein
Volk boxen. Sagt: Siehe, wie tüchtig
macht sich mein Volk in den Seilen!
Und in der Tat, es sind fast
lauter hübsche Jungens, die man da
sieht." ^N8 „tzuerscwnitck", 1926
Thomas Mann
Der Pariser „Figaro" vom 4. Januar 1934
druckt eine sehr schöne Antwort von Thomas
Mann auf die Rundfrage des „L'Jntransigeant":
„Was denken Sie über Frankreich", ab Thomas
Mann äußert sich folgendermaßen:
„Goethe schrieb: ,Jch verdanke den Franzosen
einen großen Teil meiner Kultur. Wie könnte
ich Sie hassen?' Es gibt keinen Deutschen, der so
wenig vom ,Goetheismus' durchdrungen wäre,
daß er nicht dasselbe Gefühl in seinem Innersten
hätte.
„Mir persönlich ist es nicht möglich, an mein
literarisches Werden zu denken, ohne mich zu er-
innern, was ich Balzac, Flanbert, den Goncourts
an feinem Esprit, und was ich Maupassant, dem
klassischen Novellisten des 19. Jahrhunderts, ver-
danke. Es ist Nietzsche, der mich auf Stendhal
wies, auf Pascal, den Meister des religiösen
Wissens, und auf die Moralisten Ihres 18. Jahr-
hunderts. Ich habe in Montaigne den besten euro-
päischen Essayisten sowohl der Vergangenheit wie
zukünftiger Zeiten gefunden.
„Ich sprach zu Ihnen von der Liebe, welche
Frankreich für alles yat, was Geist ist. Von dort
kommt seine zweifache Liebe für die Freiheit und
die Vernunft.
„Während der Unruhe der Zeit, welche Be-
ruhigung durch eine so gesunde Gesinnungsweise!
Das ist eine ernsiyafte Hilfe gegen die Gefahr, die
in unseren: Zeitalter die Seele, das Herz und den
Verstand der europäischen Völker bedroht.
„Die politische Reife und Erfahrung, welche
das Eigentum Frankreichs sind, schützen es vor der
schrecklichen Krankheit des Fanatismus und vor
der Panik, der die anderen europäischen Völker in
den bewegten Zeiten, in denen wir leben, aus-
gesetzt sind.
„In dem jetzigen Sturm wird Frankreich die
Zuflucht und das wohltuende Asyl sein für alle
die, welche die Mäßigung lieben, für die Anständig-
keit aller derer, die die Barbarei verachten, die Un-
gewißheit und die Roheit. Ich bin überzeugt,
daß Frankreich Überlegung zeigen wird, Geduld,
Duldsamkeit und Wohlwollen bis zu dem Maße,
als der gute Geist Europas es uns bewahren wird,
wie es sich aus seinen ihm eigenen Vorzügen ent-
wickeln wird."
Diesen pazifistischen Erguß des im Ausland
lebenden deutschen Schriftstellers Thomas Mann
kommentiert der „Figaro", wie er es verdient, in-
dem er sagt: „Auch wir hoffen dies; aber es ist
notwendig, daß die Freiheit und Duldsamkeit nicht
Unordnung und Schwäche werde. Damit Frank-
reich die Zuflucht wird, von der Thomas Mann
spricht, muß es gerüstet sein."
Laughton allein Vorbehalten war. Der Verachtung
des Menschenlebens um des Gesetzes willen, unter
dem dieser Herrscher steht, entspricht die Gewalt
der Liebeskraft. Die Tragödie dieses Mannes ist
es, niemanden zu finden, der bereit ist, sich seinem
Schicksal, um dessen Feuer sie alle buhlen, zu stel-
len. Außer Anna Boleyn erkannte keine dieser
Frauen die Genialität dieses Menschen; sie sahen
in ihm entweder nur den Mann oder die Krone.
Er war beides in einem. Charles Laughton bringt
in Haltung und Mimik diese Einheit, in der sich
das Groteske mit dem Tragischen mischt, zu einem
unvergleichlichen Ausdruck. Nationale Kunst?
Hier ist sie! Das ist Eng-
land in seinen Höhen
und Tiefen, Gefahren
und Sicherheiten.
Und in welchem sta-
bilen Gleichgewicht stehen
die anderen Darsteller zu
der Hauptfigur! Biuuie
Barnes als Katheryne
Howard, schwankend zwi-
schen dem Titel einer
Königin und dem Bett
eines Höflings, holt aus
ihrer Rolle die feinsten
Stufungen heraus und
wirkt in keinem Augen-
blick kolportagehaft. Anna
Boleyn, die, gleich der
Howard, auf dem Blut-
gerüst endet, konnte durch
Merle Oberon nicht
besser verkörpert werden.
Wenn diese Frau, auf
dem Schafott stehend,
sagt: lovslzr cla.^!",
dann wird sie zu einem
Symbol des englischen
Geistes, und das Bild der
englischen Frau bleibt un-
auslöschlich in der Er-
innerung. — Die sichere
Hand des Regisseurs
Alexander Korda beweist
sich vor allem in der
Brautnachtszene zwischen
dem König und der Prin-
zessin Anna von Cleve.
Beide sitzen aus dem für
die Nacht bereiteten Bett
und spielen — Karten.
Zwei Füchse, die sich Dix, Heinrich George
gegenseitig durchschaut
haben. Elsa Lanchcster spielt die häßliche, schalk-
haft-hintertriebene Prinzessin mit einem Zug ins
Geniale.
Wer diesen Film nicht gesehen hat, besitzt kein
Recht, die Berufung des Films zur großen Kunst,
gleichwertig allen anderen Künsten, zu bejahen
oder in Frage zu stellen. 6. H. IlleuniZseu
Die Räuber
Großes Schauspielhaus, Berlin
Adalbert von Schlettow als draufgängerischer
Schweizer und Alexander Eolling als überheblicher
Spiegelberg heraus. Der Enttäuschung und dem Schmerz
des alten Grafen Moor über seine Söhne gibt Fritz
Alberti pathetisch Ausdruck.
Der Regie Dr. Hans Niedecken-Eebhards
gelang teilweise, besonders in der Lagerszene vor dem alten
Schloßturm, eine sehr wirksame Gruppierung der Massen.
In anderen Szenen merkt man an dem noch zu flächigen,
etwas schematischen Aufbau der Statisterie Reminiszenzen
des Regisseurs von seiner früheren Tätigkeit an Opern-
bühnen. Die naturalistischen, groß angelegten Bühnen-
bilder Benno von Arents umrahmen stimmungsvoll
die Handlung.
Mit Een. d. Galerie Nierendorf
Die Premiere klang in rauschenden Beifall aus,
in den sich gleichzeitig die Freude mischte über die
kommende soziale Bedeutung dieses Theaters.
Denn die Aufführung wird von der Feierabend-
Organisation einen Monat lang den Mitgliedern,
der Arbeitsfront kostenlos zugänglich gemacht.
Dank gebührt den Männern, die diesen Gedanken
anregten und tatkräftig förderten: Staatsrat Dr.
Ley, Reichspropagandaminister Dr. Goebbels,
Ministerialrat Laubinger und Claus Selzner. Was
der Marxismus in den vierzehn Jahren seines
Regierens nicht für den Arbeiter in kulturellen
Hinsicht durchsetzen konnte, ist jetzt in Berlin
praktisch in Angriff genommen worden. Andere
Städte werden folgen, und die Wege, die Kunst an
das Volk heranzubringen, sind geebnet. H. 8.
Im Großen Berliner Schauspielhaus eröffnete
das von der Deutschen Arbeitsfront gegründete
neue „Theater der Nation" seine Tätigkeit mit
einer Festvorstellung von Schillers „Räuber" vor
über 3000 Zuschauern. Man hätte für diese erste
Veranstaltung der Deutschen Arbeitsfront kein ge-
eigneteres Werk auswählen können als dieses
Schauspiel von Schiller, das ans einer revolu-
tionär erregten Zeit heraus entstanden ist. In
jahrelangen Kämpfen hatten die schwäbischen Land-
stände ihrem Gewaltherrn Jahrzehnte vor der
französischen Revolution Achtung vor ihren
Rechten abgetrotzt. Die Streitigkeiten hatten das
gesamte Schwabenvolk zur Siedehitze entfacht und
feinen Widerstandswillen gegen die Bedrückung ge-
stählt. Freiheit, das war damals ein viel ge-
brauchtes Wort in Schwaben. Die Enge und
Strenge der württembergischen Militärakademie
wurde für Schiller der äußere Anlaß, dieser Stim-
mung seines Landes in den „Räubern" Ausdruck
zu geben.
Alles, was die Jugend damals empfand am
revolutionären Wollen, schlug sich in dem Schau-
spiel nieder. Ein junges Geschlecht bäumt sich
darin auf gegen die Mißbräuche der Referenden
und Vorurteile der Gesellschaft. Die Unbeküm-
mertheit und brutale Offenheit der Sprache hat
sich in der verflossenen liberalistischen Epoche
mancherlei Striche den allzu zart besaiteten Ge-
mütern zuliebe gefallen lassen müssen. Die In-
szenierung im Großen Schauspielhaus sah es als
ihre Aufgabe an, unserer Zeit den unverfälschten
Schiller, den leidenschaftlichen Revolutionär der
Sturm- und Drangzeit wiederzugeben.
Zwei Brüder, Franz und Karl Moor, jeder
von einem anderen Freiheitsdrang erfüllt, stehen
sich in dem Schauspiel gegenüber. Franz ver-
körpert den rücksichtslosen, durch keinerlei mensch-
liche Skrupeln gehemmten, Moral- und Ehrgefühl
mißachtenden, sich über alles hinwegsehenden
Egoismus, während Karl sich zur Idee des freien
Gehorsams bekennt, wenn er seinen Räubern auf
ihre freiwillige Erklärung unbedingter Gefolq-
schaftstreue antwortet: „Jetzt seid ihr frei!"
Die Regie von Dr. Hans Niedecken-Ecbhard arbeitete
diese Gegensätze wirksam heraus. Heinrich George
als Franz Moor wird zum Begriff des Bösen, Heuchlerischen,
Skrupellosen schlechthin. Aufgeschwemmt, abstoßend schwappt
und wippt er über die Bühne. Unheimlich, daß es den
Leuten eiskalt den Rücken herunterläuft, gellt seine fluchende
Anklage gegen Gott und die Natur, die ihn stiefmütterlich
behandelte. Eine Bestie in Menschengestalt, wenn er sich
auf den todkranken Vater kniet, um ihm den Rest zu geben.
Und der Himmel, meint man, müßte über ihm Zusammen-
stürzen, wenn er, dämonisch aufgereckt, in nächtlicher Traum-
erzählung den jüngsten Tag beschwört.
Seinen Bruder und Gegenspieler gibt frisch und mit
jugendlichem Elan P a u l W a g n e r. Er hat es stimmlich
nicht leicht, sich gegenüber der mächtigen Sprachgewalt
Georges zu behaupten. Zwischen diesen beiden Hauptdar-
stellern wirkt Hilde Körber als Amalia etwas matt
und zu deklamatorisch. Unter den Räubern heben sich Hans
Berliner philharmonisches Orchester
Mit Beginn dieses Winters ging das Phil-
harmonische Orchester dazu über, seine „volkstüm-
lichen" Sonntags- und Dienstagskonzerte (statt
wie bisher einem fest angestellten Dirigenten)
ständig wechselnden Dirigentenpersönlichkeiten an-
zuvertrauen. Dadurch gewinnen die Konzerte be-
deutend an Farbigkeit und (wie wir hoffen) auch
an Zugkraft, bestimmt aber an Bedeutung für das
Berliner Konzertleben. Ist es doch gerade in
dieser Zeit kultureller Umschichtungen von höchstem
Interesse, neue Dirigenten-Profile aufzuspüren
und mit diesem Orchester, das so untrüglich
reagiert, wirken zu sehen, oder besser: zu hören.
Einer der bedeutendsten ist Ernst Wendel, den
wir zu den wenigen Brahms-Interpreten großen
Formats zählen müssen. Sehr sympathisch berührt
die ruhige und meisterliche Überlegenheit, mit der
er ohne jedes Mätzchen Brahms und Beethoven
vor uns ausbaut. Er ist in der Welt unserer
Großen zu Hause, er hat sie im Blut.
Eiue interessante Vergleichsmöglichkeit zu
Wendels Brahms-Interpretation bot einige Tage
später der japanische Dirigent Hidemaro Konoye
mit Brahms ck-nioll-Konzert: hier war Wohl
technisch alles in bester Ordnung. Doch was
wäre Wohl vom Geiste eines Brahms übrig ge-
blieben, wenn nicht (mit Friedrich Wührer am
Flügel) dieses traditionsgesättigte Orchester den
Stil gewahrt hätte. Zwischen Japan und Nord-
deutschland liegen Welten! Weit besser gelang dem
japanischen Gast das moderne Werk: die „Bilder
einer Ausstellung" von Mussorgsky-Ravel. Die ge-
nialen Klavierstücke des frühen Expressionisten
haben allerdings durch die in ihrer Art gleich-
wertige Instrumentation Ravels viel von ihrer
russischen Ursprünglichkeit eingebüßt.
Das letzte Konzert vor der Ausreise, ein wahr-
haftes Volkskonzert (50 Pf.!), dirigierte unter
ungeheurer Begeisterung kein geringerer als
Furtwängler. Er entließ uns mit der Be-
ruhigung, daß er mit seinem Orchester die wichtige
Mission voll erfüllen wird, in England aufklärend
für deutsche Art zu wirken. Unsere Wünsche be-
gleiten ihn und seine Musiker!
V^illlelm Muckers
„Deutschland zwischen gestern und heute"
Der von uns in Jg. I, Nr. 1, vorangezeigte Film
„Deutschland zwischen gestern und heute" von Wilfried
Basse wurde am 31. Januar im Ufa-Pavillon am
Nollendorfplatz in Berlin uraufgeführt.
Echriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstr. 118. — Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der
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