Kunst der Nation
Beethoven sollte sein Urteil über das Spiel eines mittel-
mäßigen Pianisten abgeben. Als der junge Mann das Spiel
beendet hatte, sagte Beethoven seufzend:
„Ja, ja, der Elefant ist ein gefährliches Tier!"
„Aber, wie kommen Sie darauf?" fragte erstaunt der
junge Mann.
„Er liefert doch die Stoßzähne, und aus denen werden
Klaviertasten gemacht!"
Eines Tages wohnt Kotzebue der Aufführung der
Fidelio-Ouvertüre bei und schrieb über Beethovens Werk
folgende Kritik:
„Alle parteilosen Musikkenner und -freunde waren dar-
über vollkommen einig, daß so etwas Unzusammenhängendes,
Grelles, Verworrenes, das Ohr Enttäuschendes schlechterdings
noch nie in der Musik geschrieben worden sei. Die schnei-
digsten Modulationen folgen aufeinander in wirklich gräß-
licher Harmonie, und einige kleinliche Ideen, welche auch
jeden Schein von Erhabenheit daraus entfernen, worunter
z. B. ein Posthornsolo gehört, das vermutlich die Ankunft
des Gouverneurs ankündigen soll, vollenden den unange-
nehmen, betäubenden Eindruck."
Lrrmlrlt von D r a n k Doruk
Anton Hiller, Porträtmaske Vronce
Peter Hecker
Line Ausstellung des Fünfzigjährigen
in Köln
Kürzlich hat der Kölner Maler Peter Hecker
Wandbilder für die von Holzmeister erbaute
Kirche in Merchingen im Saargebiet geschaffen.
Es ist heute das eigentliche Schaffensgebiet Peter
Heckers. Er ist der Erneuerer des Freskos im
Westen des Reiches. Berühmt wurde er durch die
Ausmalung von St. Mechtern in Köln. Bekannt
wurden die Kreuzwegstationen in der Arnfteiner
Klosterkirche und die Wissener Wandmalereien. Die
Stationsbilder von Arnstein, die Erhabenheit des
Gegenstandes und Verinnerlichung der Auffassung
bei einer schlichten, ernsten und jedem verständ-
Anton Hiller, weiblicher Torso
Peter Hecker, Madonna mit Kind.
Studie zu einer Wandmalerei in der Kirche zu Merchingen, Saar
lichen Sprache in zwin-
gender Dynamik des
Bildbaues und kühner,
beiwerkloser Komposi-
tion Vereinen, sind bis-
her Wohl die stärksten
Schöpfungen Heckers. Sie
ergreifen und zwingen
den Betrachter in die
Knie.
Zu Ehren Heckers, der
im April dieses Jahres
50 Jahre alt geworden
ist, ist jetzt in Köln eine
Ausstellung zusammenge-'
tragen worden, die einen
Überblick über eine mehr
als dreißigjährige Schaf-
fenszeit des Malers ge-
währt und zugleich einen
aufschlußreichen Blick auf
seine Entwicklung gibt.
Aus dem mit lieben-
der Verehrung für den
Maler Hecker und seine
Kunst geschriebenen Büch-
lein „Die Malereien der
St. Mechternkirche in
Köln" von Pfarrer W.
Haferkamp sei ein knap-
per Abriß von Heckers
äußerem Leben angeführt.
„Peter Hecker wurde am
15. April 1884 in Tür-
nich, Kr. Bergheim a. d.
Erft, geboren, wo seine
Vorfahren seit unvor-
denklichen Zeiten als
Bauersleute ansässig wa-
ren. Er begann als De-
korationsmaler, malte als
Autodidakt Porträts und
entwickelte sich in der rei-
nen Malerei bereits so-
weit, wie andere erst
nach langen Akademie-
jahren. Als Dreiund-
zwanzigjähriger besuchte er die Kunstakademie
in Düsseldorf 1907—1908, weilte ein halbes
Jahr in Italien und ging 1910—12 zu Becker-
Gundahl und Habermann nach München. Nach
seiner Rückkehr in die rheinische Heimat malte er
im Auftrage des Domkapitulars Steffens die alte
Pfarrkirche in Arnoldsweiler ... Hier brach sein
Künstlertum mit aller Gewalt durch." In der
Ausstellung hängt ein kleines, mit Hingebung und
Ernst und erstaunlich einwandfrei gemaltes
Wasserfarbenbild, ein Stilleben mit einem Stück
Brot. Es ist die Arbeit des Dreizehnjährigen. Er
mußte später zu Leibl kommen. Sein Weg ist von
einer Folgerichtigkeit, wie sie heute selten ange-
troffen wird. Sicher, der Künstler kann und soll
sich nicht von seiner Zeit loslösen. Die Wandlun-
gen der Zeit drücken sich im Werk aus. Heckers
Weg ist gerade. Er hat nicht vor sich selbst Ver-
stecken gespielt. Er konnte wachsen, da er einen
guten Boden unter den Füßen hatte. Von er-
staunlicher Reife ist das Aquarell des Autodidak-
ten von 1904, eine Stube in einem Eifelhaus, und
das Bild einer Fronleichnamsprozession von 1910,
das Heller und farbiger ist. Die Akademiezeit
führte ihn zu Leibl. 1914 lockert sich die Art seines
Vortrages auch im Bildnis, seine Sicherheit
wächst. Mit wachsenden Jahren wird Hecker immer
kraftvoller und selbständiger. Manches steht am
Wege, das man übergehen kann, wenn der Künst-
ler auch hindurch mußte, um zu überwinden. Eine
Rheinlandschaft als Fresko ist von starkem Reiz
der Farbigkeit und großzügiger Geschlossenheit,
kräftiger Formensprache. Erwähnt seien ein leich-
tes, duftiges Aquarell „er selbst" von 1926, die
Studien für die Kuppel in Wissen, in der die
klassisch-klare, ruhevolle Ausgeglichenheit nicht nur
äußerlich und zufällig thematisch zur Entfaltung
kommt, Entwürfe für St. Mechtern und St. Alban
in Köln, ein aus warmen, braunen Tönen aufge-
bautes Franziskusbild und die schlichte und trotz
der Sparsamkeit des Strichs soviel anssprechende
Federzeichnung der Mutter des Künstlers, leicht
an die Kollwitz gemahnend. Und die den ersten
Ausstellungsraum beherrschende „Madonna mit
Kind" von 1928, die hoheitsvoll aus feierlicher
Heiligkeit emporwächst, über einen Wölkensöller
hinaus, groß und heilig. Auf die großen Leistungen
Heckers weisen nur drei Bilder, eine Studie zur
Merchinger „Madonna mit dem Kinde" für die
sieghafte Maria, wie sie genannt wurde, der Ent-
wurf für Wissen und das Wachsfarbenbild nach
der Arnfteiner Station. In letzterem ergreifen
das jähe kalte und bleiche Weiß und das Grau des
Leides und Leidens. Die Überschneidung der Ge-
sichter nimmt den Blick des Beschauers unentrinn-
bar auf sich und lenkt ihn ins eigne Herz zurück.
Wenn das Wandbild in der Ausstellung vernach-
lässigt werden mußte, so bot der weite Blick auf
den Lebensweg Peter Heckers hierfür eine reichliche
Entschädigung. — Die Wandlungen der Form in
der Folge der Werke sind nicht zufällig, nicht arti-
stische Seitensprünge, sondern Wegsuche eines ehr-
lich Bemühten durch die Zeit, zu eiuem sicheren
Ziel, dem der Künstler heute im Wandbild sehr
nahe kommt. Hecker hat das Glück der Bindung.
Er darf — innerlich und äußerlich — im Auftrag
schaffen. LH. Lockensielc
Große Berliner
Nicht immer ist für Aussteller und Besucher
der „Großen Berliner" der Gedanke maßgebend
gewesen, hier nur Masse auszustellen und zu
finden. Es gab sicher eine große Anzahl, die ihr
bestes und letztes Können hier ausftellten und
eine viel größere Zahl suchte hier das beste und
letzte Schaffen aller deutschen Künstler. Gewiß, es
wurde oft und mit Recht auch über die allzu reich-
liche Beschickung der Ausstellung und deren Niveau
gesprochen und geschrieben, aber die „Große Ber-
liner" konnte immer den Namen einer reprä-
sentativen Ausstellung in des Reiches Haupt-
stadt mit Recht in Anspruch nehmen. Alle
Zeitungsberichte über die vor wenigen Tagen er-
öffnete Ausstellung beginnen mit der Klage der
Berliner Künstlerschaft, das alte Lied um den Er-
satz für den verlorenen Glaspalast am Lehrter
Bahnhof. Gewiß, das Fehlen eines Ausstellungs-
gebäudes in diesem Ausmaße ist schmerzlich für des
Reiches Hauptstadt und seine Künstler und hat
die Leitung bewogen, in diesem Jahre nur Ber-
liner Künstler ausstellen zu lassen. Die Ausstel-
lung in den Räumen der Akademie am Pariser
Platz ist daher nicht nach der Tradition „Große
Berliner", sondern nur eine Ausstellung von
Groß-Berlin.
Schon eine einmalige Besichtigung der Aus-
stellung zwingt, nach der mir schriftlich vorliegen-
den Eröffnungsrede zu greifen, um eine Erklärung
über Sinn und Zweck der diesjährigen Ausstellung
zu finden. Die Auskunft, die hier gegeben wird,
ist nicht ermutigend und kein gutes Zeugnis für
das Kunstschaffen in Berlin. Nach den Worten
der Rede wäre es unmöglich gewesen, aus in Ber-
lin noch nicht gezeigten Bildern und Plastiken
eine Ausstellung zustande zu bringen. Aus diesem
Grunde müßten Werke der Malerei und Plastik
gezeigt werden, welche seit Jahren schon zwei- oder
dreimal vorgesührt waren. — Vergleiche hinken
immer, so auch der Vergleich, der herangezogen
wurde, um das wiederholte Ausstellen zu entschul-
digen: „Sie lesen ein gutes Buch auch zwei- oder
dreimal im Leben." Ob die Gartenlaube um 1900
noch ein gutes Buch war, ist heute umstritten. Es
ist daher auch nicht besonders empfehlenswert,
diese Jahrgänge heute zur Bildung und Erbauung
wieder hervorzuholen. Dann wandte sich der Red-
ner mit aller Entschieden-
heit gegen die bis jetzt
eingerissene Mode des all-
zu hastigen Ausstellungs-
Rummels, der nach sei-
nen Worten den kunst-
liebenden Laien ab-
stumpft, den Künstler
aber zu oberflächlicher
Leistung verführt. Gegen
diese Ansicht ist bestimmt
nichts einzuwenden. Daß
die nun eingeschlagene
Richtung den kunstlieben-
den Laien mehr anzieht
und den Künstler zu einer
intensiveren Leistung ver-
führt, ist kaum anzu-
nehmen. Eine Bestäti-
gung, daß die Künstler
heute aufs neue nicht nur
umQualität, sondern auch
um höchste Intensität des
Ausdrucks ringen, wird
durch diese Ausstellung
sicher nicht bewiesen.
Kein vernünftiger Deut-
scher wird erwarten, daß
die dem neuen, natio-
nalen Bewußtsein ent-
springende, dem deutschen
Boden verwachsene Kunst
heute schon fertig vor-
gestellt wird, aber es
muß verlangt werden,
daß eine Ausstellung mit
dem Ansehen der „Gro-
ßen Berliner" im Grund-
zuge das Ringen der
deutschen Künstler zeigt,
für die neuen Ideale eine
zwingende Form zu fin-
den. Und was zeigt diese
Ausstellung? — Nichts
gibt davon Zeugnis, daß
die meisten Künstler die großen Ereignisse miter-
lebt haben. Der größte Teil war bemüht, sich
möglichst aus dem Gewohnheitsleben zu flüchten,
und wo wirklich ein Sprecher für die neuen und
großen Ideale aufgetreten ist, geschah es mit
einem demonstrativen Pathos, ohne Seele, im
Geiste von vor 1900. Der Leiter der Ausstellung
bedauerte, daß die Berliner Schaffenden die natür-
liche Verbindung, Anregung und Beziehung zu
den Kollegen des ganzen Reiches in dieser Aus-
stellung nicht mehr haben.
Kunst — lebenskräftig und gesund
Johannes Beutner, Sinnende
Aus einer Künstlerkritik des „Deutschen", Reichsorgan der
Deutschen Arbeitsfront, vom 13. Juli 1934.
Von E. E. D i ck m a n n.
Wenn es schon überhaupt die Frage ist, ob Ausstellungen
(wie es im letzten Jahre schien) nur Gelegenheit zu wilden
polemischen Auseinandersetzungen bieten sollen, so darf man
an Hand der Berliner Sommerausstellungen bemerken, daß
solche Möglichkeiten bis auf ein Mindestmaß zusammen-
geschrumpft sind.
Es läßt sich feststellen, daß längst totgesagte Künstler
frisch und tatkräftig in letzter Zeit am Werk gewesen sind,
unbekümmert um Polemiken und Gehässigkeiten, und — ge-
arbeitet haben. Damit haben sie sich über die Zän-
kereien hinausgehoben und sind nicht schlechter dadurch ge-
worden. Gewiß hat man Bilder von ihnen auch schon in
früheren Jahren gesehen, manchmal vielleicht sogar in nicht
sonderlich angenehmer oder empfehlenswerter Gesellschaft,
aber ihnen deswegen den Lebensfaden ihres Schaffens heute
Thematik jeden Anflug von Genialität ersetzen zu können
glauben.
Auf der Suche nach einem nationalsozialistischen Stil in
der Kunst taucht die Gefahr auf, daß alles über Bord ge-
worfen wird, was vor dem 30. Januar 1933 gemalt wurde.
Auch dann, wenn es sich um Werke einer durchaus anstän-
digen, suchenden Haltung, einer Problematik handelt, die
ihre Lösung noch nicht gefunden hat. Ist doch selbst die
Frage nach einem nationalsozialistischen Stil nur aus dem
ungelösten Problem denkbar, daß es ihn noch nicht gibt.
Bisher konnte die Durchführung nationalsozialistischer Prin-
zipien viel Schlacke in der offensichtlichen Verfallskunst fort-
räumen, aber mehr als Schlacke darf auch nicht beseitigt
werden, ohne den Sinn der nationalsozialistischen Kultur-
politik überhaupt zu gefährden. Man muß den Künstler
arbeiten lassen. Künstler sind zumeist empfindlich — eine
Störung ihres Arbeitswillens schädigt das Werk.
Man soll gerade in der bildenden Kunst jede persönliche
Mir scheint, daß diese notwendige Verbindung
schon länger unterbrochen ist und darum sollten
hier die größten Anstrengungen gemacht werden,
die großen Bestrebungen zu einem gemeinsamen
Schaffen aller deutschen Künstler zusammenzu-
bringen. Es wäre sicher besser gewesen, die 546
ausgestellten Werke aus der gesamten deutschen
Künstlerschaft auszuwählen nach dem Grundsatz,
keine Richtung geben zu wollen, sich gegen nichts
und niemand anders als gegen das Muckertum in
der Kunst, gegen die falschen Propheten, gegen die
Reaktion und das Nichtkönnertum zu wenden.
(Mit diesen Worten formulierte die Leitung der Kunst-
ausstellung der kleinen Stadt Freiburg in der Südwestecke
des Reiches den Zweck seiner diesjährigen Ausstellung.)
Gewiß eine nicht leichte Aufgabe für die Ver-
anstalter, aber nicht unmöglich, sie zu lösen. Es
abschneiden zu wollen, wie es von mancher Seite aus ver-
sucht wird, ist ebenso fruchtloses wie sinnloses Unterfangen.
Sie sind da, ihre Bilder werden nicht „gemacht", sondern
sehen sich der völlig unbefangenen Kritik zum Urteil aus und
wollen auf Menschen wirken. Darüber hinaus aber setzen
sich junge Kräfte durch und gewinnen an Bedeutung auch
dann, wenn sie sich dem bewußten Konjunkturstrom solcher
Kunstmacher fernhalten, die mit einer angeblich heroischen
Leistung, jeden etwas abseitigen Weg nicht als „Individua-
lismus" verschreien, wenn man ihm nichts gegenüberzusetzen
weiß. Wenn die kommende nationalsozialistische Kunst über
einen Leisten geschnitten sein sollte — wer möchte sie dann
überhaupt ansehen? Begnügen wir uns doch zunächst einmal
damit, die vorhandenen Kunstwerke zu betrachten — be-
trachten zu lernen — und zu prüfen, was für Werte in
ihnen stecken mögen.
v^erke cieulscver Künstler
VÜ88e1äork Lölii§8a11ee Z4, I
Beethoven sollte sein Urteil über das Spiel eines mittel-
mäßigen Pianisten abgeben. Als der junge Mann das Spiel
beendet hatte, sagte Beethoven seufzend:
„Ja, ja, der Elefant ist ein gefährliches Tier!"
„Aber, wie kommen Sie darauf?" fragte erstaunt der
junge Mann.
„Er liefert doch die Stoßzähne, und aus denen werden
Klaviertasten gemacht!"
Eines Tages wohnt Kotzebue der Aufführung der
Fidelio-Ouvertüre bei und schrieb über Beethovens Werk
folgende Kritik:
„Alle parteilosen Musikkenner und -freunde waren dar-
über vollkommen einig, daß so etwas Unzusammenhängendes,
Grelles, Verworrenes, das Ohr Enttäuschendes schlechterdings
noch nie in der Musik geschrieben worden sei. Die schnei-
digsten Modulationen folgen aufeinander in wirklich gräß-
licher Harmonie, und einige kleinliche Ideen, welche auch
jeden Schein von Erhabenheit daraus entfernen, worunter
z. B. ein Posthornsolo gehört, das vermutlich die Ankunft
des Gouverneurs ankündigen soll, vollenden den unange-
nehmen, betäubenden Eindruck."
Lrrmlrlt von D r a n k Doruk
Anton Hiller, Porträtmaske Vronce
Peter Hecker
Line Ausstellung des Fünfzigjährigen
in Köln
Kürzlich hat der Kölner Maler Peter Hecker
Wandbilder für die von Holzmeister erbaute
Kirche in Merchingen im Saargebiet geschaffen.
Es ist heute das eigentliche Schaffensgebiet Peter
Heckers. Er ist der Erneuerer des Freskos im
Westen des Reiches. Berühmt wurde er durch die
Ausmalung von St. Mechtern in Köln. Bekannt
wurden die Kreuzwegstationen in der Arnfteiner
Klosterkirche und die Wissener Wandmalereien. Die
Stationsbilder von Arnstein, die Erhabenheit des
Gegenstandes und Verinnerlichung der Auffassung
bei einer schlichten, ernsten und jedem verständ-
Anton Hiller, weiblicher Torso
Peter Hecker, Madonna mit Kind.
Studie zu einer Wandmalerei in der Kirche zu Merchingen, Saar
lichen Sprache in zwin-
gender Dynamik des
Bildbaues und kühner,
beiwerkloser Komposi-
tion Vereinen, sind bis-
her Wohl die stärksten
Schöpfungen Heckers. Sie
ergreifen und zwingen
den Betrachter in die
Knie.
Zu Ehren Heckers, der
im April dieses Jahres
50 Jahre alt geworden
ist, ist jetzt in Köln eine
Ausstellung zusammenge-'
tragen worden, die einen
Überblick über eine mehr
als dreißigjährige Schaf-
fenszeit des Malers ge-
währt und zugleich einen
aufschlußreichen Blick auf
seine Entwicklung gibt.
Aus dem mit lieben-
der Verehrung für den
Maler Hecker und seine
Kunst geschriebenen Büch-
lein „Die Malereien der
St. Mechternkirche in
Köln" von Pfarrer W.
Haferkamp sei ein knap-
per Abriß von Heckers
äußerem Leben angeführt.
„Peter Hecker wurde am
15. April 1884 in Tür-
nich, Kr. Bergheim a. d.
Erft, geboren, wo seine
Vorfahren seit unvor-
denklichen Zeiten als
Bauersleute ansässig wa-
ren. Er begann als De-
korationsmaler, malte als
Autodidakt Porträts und
entwickelte sich in der rei-
nen Malerei bereits so-
weit, wie andere erst
nach langen Akademie-
jahren. Als Dreiund-
zwanzigjähriger besuchte er die Kunstakademie
in Düsseldorf 1907—1908, weilte ein halbes
Jahr in Italien und ging 1910—12 zu Becker-
Gundahl und Habermann nach München. Nach
seiner Rückkehr in die rheinische Heimat malte er
im Auftrage des Domkapitulars Steffens die alte
Pfarrkirche in Arnoldsweiler ... Hier brach sein
Künstlertum mit aller Gewalt durch." In der
Ausstellung hängt ein kleines, mit Hingebung und
Ernst und erstaunlich einwandfrei gemaltes
Wasserfarbenbild, ein Stilleben mit einem Stück
Brot. Es ist die Arbeit des Dreizehnjährigen. Er
mußte später zu Leibl kommen. Sein Weg ist von
einer Folgerichtigkeit, wie sie heute selten ange-
troffen wird. Sicher, der Künstler kann und soll
sich nicht von seiner Zeit loslösen. Die Wandlun-
gen der Zeit drücken sich im Werk aus. Heckers
Weg ist gerade. Er hat nicht vor sich selbst Ver-
stecken gespielt. Er konnte wachsen, da er einen
guten Boden unter den Füßen hatte. Von er-
staunlicher Reife ist das Aquarell des Autodidak-
ten von 1904, eine Stube in einem Eifelhaus, und
das Bild einer Fronleichnamsprozession von 1910,
das Heller und farbiger ist. Die Akademiezeit
führte ihn zu Leibl. 1914 lockert sich die Art seines
Vortrages auch im Bildnis, seine Sicherheit
wächst. Mit wachsenden Jahren wird Hecker immer
kraftvoller und selbständiger. Manches steht am
Wege, das man übergehen kann, wenn der Künst-
ler auch hindurch mußte, um zu überwinden. Eine
Rheinlandschaft als Fresko ist von starkem Reiz
der Farbigkeit und großzügiger Geschlossenheit,
kräftiger Formensprache. Erwähnt seien ein leich-
tes, duftiges Aquarell „er selbst" von 1926, die
Studien für die Kuppel in Wissen, in der die
klassisch-klare, ruhevolle Ausgeglichenheit nicht nur
äußerlich und zufällig thematisch zur Entfaltung
kommt, Entwürfe für St. Mechtern und St. Alban
in Köln, ein aus warmen, braunen Tönen aufge-
bautes Franziskusbild und die schlichte und trotz
der Sparsamkeit des Strichs soviel anssprechende
Federzeichnung der Mutter des Künstlers, leicht
an die Kollwitz gemahnend. Und die den ersten
Ausstellungsraum beherrschende „Madonna mit
Kind" von 1928, die hoheitsvoll aus feierlicher
Heiligkeit emporwächst, über einen Wölkensöller
hinaus, groß und heilig. Auf die großen Leistungen
Heckers weisen nur drei Bilder, eine Studie zur
Merchinger „Madonna mit dem Kinde" für die
sieghafte Maria, wie sie genannt wurde, der Ent-
wurf für Wissen und das Wachsfarbenbild nach
der Arnfteiner Station. In letzterem ergreifen
das jähe kalte und bleiche Weiß und das Grau des
Leides und Leidens. Die Überschneidung der Ge-
sichter nimmt den Blick des Beschauers unentrinn-
bar auf sich und lenkt ihn ins eigne Herz zurück.
Wenn das Wandbild in der Ausstellung vernach-
lässigt werden mußte, so bot der weite Blick auf
den Lebensweg Peter Heckers hierfür eine reichliche
Entschädigung. — Die Wandlungen der Form in
der Folge der Werke sind nicht zufällig, nicht arti-
stische Seitensprünge, sondern Wegsuche eines ehr-
lich Bemühten durch die Zeit, zu eiuem sicheren
Ziel, dem der Künstler heute im Wandbild sehr
nahe kommt. Hecker hat das Glück der Bindung.
Er darf — innerlich und äußerlich — im Auftrag
schaffen. LH. Lockensielc
Große Berliner
Nicht immer ist für Aussteller und Besucher
der „Großen Berliner" der Gedanke maßgebend
gewesen, hier nur Masse auszustellen und zu
finden. Es gab sicher eine große Anzahl, die ihr
bestes und letztes Können hier ausftellten und
eine viel größere Zahl suchte hier das beste und
letzte Schaffen aller deutschen Künstler. Gewiß, es
wurde oft und mit Recht auch über die allzu reich-
liche Beschickung der Ausstellung und deren Niveau
gesprochen und geschrieben, aber die „Große Ber-
liner" konnte immer den Namen einer reprä-
sentativen Ausstellung in des Reiches Haupt-
stadt mit Recht in Anspruch nehmen. Alle
Zeitungsberichte über die vor wenigen Tagen er-
öffnete Ausstellung beginnen mit der Klage der
Berliner Künstlerschaft, das alte Lied um den Er-
satz für den verlorenen Glaspalast am Lehrter
Bahnhof. Gewiß, das Fehlen eines Ausstellungs-
gebäudes in diesem Ausmaße ist schmerzlich für des
Reiches Hauptstadt und seine Künstler und hat
die Leitung bewogen, in diesem Jahre nur Ber-
liner Künstler ausstellen zu lassen. Die Ausstel-
lung in den Räumen der Akademie am Pariser
Platz ist daher nicht nach der Tradition „Große
Berliner", sondern nur eine Ausstellung von
Groß-Berlin.
Schon eine einmalige Besichtigung der Aus-
stellung zwingt, nach der mir schriftlich vorliegen-
den Eröffnungsrede zu greifen, um eine Erklärung
über Sinn und Zweck der diesjährigen Ausstellung
zu finden. Die Auskunft, die hier gegeben wird,
ist nicht ermutigend und kein gutes Zeugnis für
das Kunstschaffen in Berlin. Nach den Worten
der Rede wäre es unmöglich gewesen, aus in Ber-
lin noch nicht gezeigten Bildern und Plastiken
eine Ausstellung zustande zu bringen. Aus diesem
Grunde müßten Werke der Malerei und Plastik
gezeigt werden, welche seit Jahren schon zwei- oder
dreimal vorgesührt waren. — Vergleiche hinken
immer, so auch der Vergleich, der herangezogen
wurde, um das wiederholte Ausstellen zu entschul-
digen: „Sie lesen ein gutes Buch auch zwei- oder
dreimal im Leben." Ob die Gartenlaube um 1900
noch ein gutes Buch war, ist heute umstritten. Es
ist daher auch nicht besonders empfehlenswert,
diese Jahrgänge heute zur Bildung und Erbauung
wieder hervorzuholen. Dann wandte sich der Red-
ner mit aller Entschieden-
heit gegen die bis jetzt
eingerissene Mode des all-
zu hastigen Ausstellungs-
Rummels, der nach sei-
nen Worten den kunst-
liebenden Laien ab-
stumpft, den Künstler
aber zu oberflächlicher
Leistung verführt. Gegen
diese Ansicht ist bestimmt
nichts einzuwenden. Daß
die nun eingeschlagene
Richtung den kunstlieben-
den Laien mehr anzieht
und den Künstler zu einer
intensiveren Leistung ver-
führt, ist kaum anzu-
nehmen. Eine Bestäti-
gung, daß die Künstler
heute aufs neue nicht nur
umQualität, sondern auch
um höchste Intensität des
Ausdrucks ringen, wird
durch diese Ausstellung
sicher nicht bewiesen.
Kein vernünftiger Deut-
scher wird erwarten, daß
die dem neuen, natio-
nalen Bewußtsein ent-
springende, dem deutschen
Boden verwachsene Kunst
heute schon fertig vor-
gestellt wird, aber es
muß verlangt werden,
daß eine Ausstellung mit
dem Ansehen der „Gro-
ßen Berliner" im Grund-
zuge das Ringen der
deutschen Künstler zeigt,
für die neuen Ideale eine
zwingende Form zu fin-
den. Und was zeigt diese
Ausstellung? — Nichts
gibt davon Zeugnis, daß
die meisten Künstler die großen Ereignisse miter-
lebt haben. Der größte Teil war bemüht, sich
möglichst aus dem Gewohnheitsleben zu flüchten,
und wo wirklich ein Sprecher für die neuen und
großen Ideale aufgetreten ist, geschah es mit
einem demonstrativen Pathos, ohne Seele, im
Geiste von vor 1900. Der Leiter der Ausstellung
bedauerte, daß die Berliner Schaffenden die natür-
liche Verbindung, Anregung und Beziehung zu
den Kollegen des ganzen Reiches in dieser Aus-
stellung nicht mehr haben.
Kunst — lebenskräftig und gesund
Johannes Beutner, Sinnende
Aus einer Künstlerkritik des „Deutschen", Reichsorgan der
Deutschen Arbeitsfront, vom 13. Juli 1934.
Von E. E. D i ck m a n n.
Wenn es schon überhaupt die Frage ist, ob Ausstellungen
(wie es im letzten Jahre schien) nur Gelegenheit zu wilden
polemischen Auseinandersetzungen bieten sollen, so darf man
an Hand der Berliner Sommerausstellungen bemerken, daß
solche Möglichkeiten bis auf ein Mindestmaß zusammen-
geschrumpft sind.
Es läßt sich feststellen, daß längst totgesagte Künstler
frisch und tatkräftig in letzter Zeit am Werk gewesen sind,
unbekümmert um Polemiken und Gehässigkeiten, und — ge-
arbeitet haben. Damit haben sie sich über die Zän-
kereien hinausgehoben und sind nicht schlechter dadurch ge-
worden. Gewiß hat man Bilder von ihnen auch schon in
früheren Jahren gesehen, manchmal vielleicht sogar in nicht
sonderlich angenehmer oder empfehlenswerter Gesellschaft,
aber ihnen deswegen den Lebensfaden ihres Schaffens heute
Thematik jeden Anflug von Genialität ersetzen zu können
glauben.
Auf der Suche nach einem nationalsozialistischen Stil in
der Kunst taucht die Gefahr auf, daß alles über Bord ge-
worfen wird, was vor dem 30. Januar 1933 gemalt wurde.
Auch dann, wenn es sich um Werke einer durchaus anstän-
digen, suchenden Haltung, einer Problematik handelt, die
ihre Lösung noch nicht gefunden hat. Ist doch selbst die
Frage nach einem nationalsozialistischen Stil nur aus dem
ungelösten Problem denkbar, daß es ihn noch nicht gibt.
Bisher konnte die Durchführung nationalsozialistischer Prin-
zipien viel Schlacke in der offensichtlichen Verfallskunst fort-
räumen, aber mehr als Schlacke darf auch nicht beseitigt
werden, ohne den Sinn der nationalsozialistischen Kultur-
politik überhaupt zu gefährden. Man muß den Künstler
arbeiten lassen. Künstler sind zumeist empfindlich — eine
Störung ihres Arbeitswillens schädigt das Werk.
Man soll gerade in der bildenden Kunst jede persönliche
Mir scheint, daß diese notwendige Verbindung
schon länger unterbrochen ist und darum sollten
hier die größten Anstrengungen gemacht werden,
die großen Bestrebungen zu einem gemeinsamen
Schaffen aller deutschen Künstler zusammenzu-
bringen. Es wäre sicher besser gewesen, die 546
ausgestellten Werke aus der gesamten deutschen
Künstlerschaft auszuwählen nach dem Grundsatz,
keine Richtung geben zu wollen, sich gegen nichts
und niemand anders als gegen das Muckertum in
der Kunst, gegen die falschen Propheten, gegen die
Reaktion und das Nichtkönnertum zu wenden.
(Mit diesen Worten formulierte die Leitung der Kunst-
ausstellung der kleinen Stadt Freiburg in der Südwestecke
des Reiches den Zweck seiner diesjährigen Ausstellung.)
Gewiß eine nicht leichte Aufgabe für die Ver-
anstalter, aber nicht unmöglich, sie zu lösen. Es
abschneiden zu wollen, wie es von mancher Seite aus ver-
sucht wird, ist ebenso fruchtloses wie sinnloses Unterfangen.
Sie sind da, ihre Bilder werden nicht „gemacht", sondern
sehen sich der völlig unbefangenen Kritik zum Urteil aus und
wollen auf Menschen wirken. Darüber hinaus aber setzen
sich junge Kräfte durch und gewinnen an Bedeutung auch
dann, wenn sie sich dem bewußten Konjunkturstrom solcher
Kunstmacher fernhalten, die mit einer angeblich heroischen
Leistung, jeden etwas abseitigen Weg nicht als „Individua-
lismus" verschreien, wenn man ihm nichts gegenüberzusetzen
weiß. Wenn die kommende nationalsozialistische Kunst über
einen Leisten geschnitten sein sollte — wer möchte sie dann
überhaupt ansehen? Begnügen wir uns doch zunächst einmal
damit, die vorhandenen Kunstwerke zu betrachten — be-
trachten zu lernen — und zu prüfen, was für Werte in
ihnen stecken mögen.
v^erke cieulscver Künstler
VÜ88e1äork Lölii§8a11ee Z4, I